DWD Synoptische Übersicht Mittelfrist

16-05-2020 09:30

S Y N O P T I S C H E Ü B E R S I C H T M I T T E L F R I S T
ausgegeben am Samstag, den 16.05.2020 um 10.30 UTC



Zunächst ruhiges, von Südwesten zunehmend freundliches und wärmeres Wetter. Zum
Ende der Woche eventuell wieder unbeständiger mit Gewittergefahr.
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Synoptische Entwicklung bis zum Samstag, den 23.05.2020


In der Mittelfrist stellt sich mit recht hoher Wahrscheinlichkeit zumindest
vorübergehend eine blockierende Großwetterlage ein. Die Position des
blockierenden Hochs ist zwar noch mit Unsicherheiten behaftet und damit
insbesondere auch die Temperaturentwicklung in Deutschland (Frühlingsfrische
oder Frühsommerwärme?), das antizyklonal geprägte und damit weiter
niederschlagsarme Wetter scheint sich aber erstmal fortsetzen zu wollen.

Zu Beginn der Mittelfrist am kommenden Dienstag beginnt die Frontalzone stärker
zu mäandrieren. Kräftige Warmluftadvektion auf der Vorderseite eines quasi
stationären, sich regenerierenden Höhentroges über dem nördlichen Nordatlantik
stützt einen Rücken mit Achse von Marokko bis zu den Britischen Inseln. Durch
die anhaltende, nach Norden gerichtete WLA kann sich der Rücken nachfolgend
stark amplifizieren bei gleichzeitig nur noch marginaler Progression. Am
Donnerstag reicht seine Achse nach IFS-Lesart somit schließlich vom westlichen
Mittelmeer über die Nordsee und das Nordmeer bis zur Grönlandsee bzw. westlichen
Barentssee. Da er dort Tuchfühlung mit einem weiteren von Sibirien her
nordwestwärts ausgreifenden Rücken aufnimmt, tropft der über Osteuropa
befindliche Höhentrog ab und bildet folglich ein Cut-Off über Nordwestrussland.
Deutschland gelangt "zwischen die Stühle" in eine nordnordwestliche
Höhenströmung, die nach Nordosten anfangs leicht zyklonal konturiert erscheint.
Durch die Amplifizierung des Rückens kann sich aus dem Azorenhochkeil etwa im
Bereich des Ärmelkanals eine eigenständige Hochparzelle abspalten, deren
Schwerpunkt sich zunächst zur Nordsee verlagert, um nach vollzogener "Liaison"
der beiden Rücken in ein kräftiges blockierendes Hoch irgendwo zwischen
nördlichem Nordmeer und Nordpolarmeer aufzugehen. Ausgehend von diesem Hoch
richtet sich ein Keil bis nach Mitteleuropa. Die schon in der Kurzfrist
zeitweise über dem Norden Deutschlands schleifende Frontalzone kommt durch die
auf nördliche Richtungen drehende Grundströmung vor allem nach Osten zu
wahrscheinlich noch ein Stück weit nach Süden voran, um dann aber im Bereich der
Divergenzachse des Keils diagonal über Deutschland quasi stationär zu werden.
Entsprechend dürfte sich zum wiederholten Male in diesem Frühjahr ein
Südwest-Nordost-Temperaturgefälle einstellen.

Im Norden und Nordosten, wo frontale Prozesse Unterstützung durch kurzwellige
Troganteile bekommen könnten, ist vor allem am Dienstag und Mittwoch etwas
Niederschlag möglich, spätestens am Donnerstag verliert die Frontalzone unter
Absinken auf der Vorderseite des sich von Westen nähernden Rückens aber stark an
Wetteraktivität. Während der Nordosten also leidlich zyklonal und wahrscheinlich
auch noch relativ kühl daherkommt, dominiert nach Süden und Westen zu meist
freundliches und zunehmend warmes Wetter.

Zum Wochenende wird das blockierende Hoch von kurzwelligen Trögen unterlaufen,
die je nach räumlicher Exposition der Blockierung und Ausprägung der Tröge von
Westeuropa her auch auf Deutschland übergreifen könnten. IFS00Z ist dabei
deutlich forscher als seine Vorgänger. Das wiederholte Unterlaufen durch
Kurzwellentröge kommt einer Zonalisierung der Strömung über West- und
Mitteleuropa gleich. Eine erste, markante Kurzwelle soll nach Lesart des
jüngsten IFS-Laufes schon Donnerstag auf Freitag auf Deutschland übergreifen.
Der Einschub sehr feuchter und warmer Subtropikluft hätte in Verbindung mit der
dynamischen Ausgangslage eine markante Gewitterlage zur Folge. Es macht aufgrund
der angesprochenen Unsicherheiten (Deutschland könnte auch im Bereich des
blockierenden Rückens verbleiben) allerdings wenig Sinn, über Details zu
spekulieren - genauso wie über die weitere Entwicklung in der erweiterten
Mittelfrist.
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Bewertung der Konsistenz des operationellen Laufs


Bis Donnerstag ist die Konsistenz der jüngsten IFS-Modellläufe als gut zu
bezeichnen. Eine blockierte Großwetterlage stellt sich ein, lediglich die genaue
räumliche Exposition der Blockierung ist noch etwas unsicher. Dies wirkt sich
auf die Temperaturprognose aus, die ebenfalls mir größeren Unschärfen behaftet
ist (wie schnell warm wird es im Südwesten, wie lange kühl bleibt es im
Nordosten?). Niederschlagsarmes, hochdruckdominiertes Wettergeschehen ist aber
so oder so wahrscheinlich.
Zum Wochenende divergieren die Modellsimulationen deutlich stärker, auch im
Hinblick auf die großräumigen, synoptischen Strukturen. Von der o. e.
Zonalisierung mit einhergehendem zyklonalen Wettergeschehen über Deutschland
wollten die gestrigen IFS-Läufe noch nichts wissen. Sie ließen den blockierenden
Rücken über oder westlich von Deutschland liegen, was die Fortsetzung des
trockenen (nach Nordosten zu mitunter aber kühlen) Hochdruckwetters bedeutet
hätte.
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Vergleich mit anderen globalen Modellen


Bis Donnerstag sind die Unterschiede zwischen den betrachteten großen
Globalmodellen (IFS, GFS, ICON) marginal.
Danach hält es GFS wie IFS und rechnet eine Zonalisierung der Großwetterlage. Im
Gegensatz zu IFS aber mit im Verlauf deutlich antizyklonalerer Färbung. Warmes,
im Süden auch sehr warmes und überwiegend trockenes Wetter wäre die Folge,
lediglich im Norden wäre es nahe der Frontalzone zeitweise etwas unbeständiger
und kühler. Bei ICON bleibt die Blockierung bestehen, allerdings käme
Deutschland auf die Rückseite des Rückens in eine südwestliche Strömung, in der
Störungen eingelagert sind, die in der advehierten, recht feuchten Warmluft
Gewitter auslösen.
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Bewertung der Ensemblevorhersagen


Das IFS-EPS bestätigt das oben beschriebene, auf dem deterministischen
IFS00Z-Lauf basierende Vorhersageszenario bis Donnerstag. Die Rauchfahnen der
850-hPa-Temperatur (T850) und des 500-hPa-Geopotenzials (H500) verlaufen bis
dahin recht gut gebündelt. T850 legt (von einer kleinen Delle im Norden und
Osten am Dienstag abgesehen) allgemein zu. Am Donnerstag liegt der Median
zwischen rund 2 Grad im Nordosten und gut 10 Grad im Südwesten.
Niederschlagssignale sind selbst im Norden und Osten ziemlich gering.
Ab Donnerstag unterstreicht der für alle Parameter stark zunehmende Spread die
Prognoseunsicherheiten. Sowohl bei T850 als auch bei H500 führen die einzelnen
EPS-Mitglieder eine unterschiedlich stark ausgeprägte und phasenverschobene
Oszillation durch. Im Vergleich zur Ensemble-Schar befindet sich der
deterministische Lauf bei H500 am unteren Rand, bei T850 zumindest am Do/Fr am
oberen Rand. Die Niederschlagssignale nehmen zum Wochenende sprunghaft zu.

Im Zeitraum +72-96h ist das IFS-EPS in 3 Cluster gegliedert, die der Klasse
"Atlantic Ridge" zugeordnet werden.
Im Zeitraum +120-168h schrumpft es auf 2 Cluster. C1 (29/51) zeigt ein Übergang
zu einer Blockinglage, C2 (22/51 inkl. det. Lauf) eine Zonalisierung ("Positive
NAO").
In der erweiterten Mittelfrist (+192-240h) werden 3 Cluster angeboten. Bei C1
(26/51 inkl. det. Lauf) geht die vorübergehende Zonalisierung rasch wieder in
einer Blockinglage über mit dem Rücken über Westeuropa. Bei C2 (13/51) hält das
zonale, über Mitteleuropa aber eher antizyklonal konturierte Strömungsmuster an.
C3 (12/51) lässt die Großwetterlage durchweg blockiert mit dem Rücken ebenfalls
über Westeuropa.


FAZIT: Bis Donnerstag ist die Entwicklung recht klar. Es dominiert trockenes
Hochdruckwetter. Dabei vollzieht sich eine Erwärmung von Südwest nach Nordost,
wobei Ausprägung und Geschwindigkeit leicht unsicher sind. Der ein oder andere
Sommertag sollte zumindest in der Südwesthälfte aber gebongt sein.
Ab Donnerstag wird die Geschichte zunehmend nebulös: Hält das Blocking? Wenn ja,
wo befinden sich Deutschland relativ zu ihm? Oder zonalisiert die Strömung doch?

Summa summarum geht die Mehrheit der EPS-Member den Weg der anhaltenden oder
zumindest sich schnell regenerierenden Blockierung, die allerdings tendenziell
westlich oder nördlich von Deutschland positioniert ist und zwar
niederschlagsarmes, aber allenfalls mäßig warmes Wetter oder kühles bedeuten
würde. Das IFS-EPS zeigt aber auch, dass die vorübergehende Zonalisierung, wie
es der deterministische Lauf und auch GFS zeigen, nicht unwahrscheinlich ist.
Allerdings ist die dynamische Variante des deterministischen IFS-Laufes mit
einem markanten Warmluftvorstoß und nachfolgender markanter Gewitterlage eher
eine extreme. Ob es also wirklich durchgreifend unbeständig wird, bleibt also
abzuwarten.
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Wahrscheinlichkeiten für signifikante Wettererscheinungen


Bis Donnerstag sind höchstwahrscheinlich keine markanten Wettererscheinungen zu
erwarten.

Danach nimmt das Gewitterrisiko zu, allerding verbieten es die vorhandenen
Prognoseunsicherheiten, das Risiko im Hinblick auf die zu erwartenden
Begleiterscheinungen zu konkretisieren.
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Basis für Mittelfristvorhersage
IFS00Z, IFS-EPS, IFS-MIX
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VBZ Offenbach / Dipl. Met. Adrian Leyser