DWD Synoptische Übersicht Kurzfrist

15-05-2020 17:01
SXEU31 DWAV 151800

S Y N O P T I S C H E Ü B E R S I C H T K U R Z F R I S T
ausgegeben am Freitag, den 15.05.2020 um 18 UTC


Markante Wettererscheinungen:
Konstante, schlauchartige Hochdruckzone vom Atlantik bis zum Schwarzen Meer -
was soll man da Großes erwarten?

Synoptische Entwicklung bis Montag 12 UTC
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Aktuell ... gestaltet sich die Wetterlage in und über Deutschland
vergleichsweise überschaubar. Die Hauptrolle in einem eher als langweilig und
etwas schleppend zu titulierenden Wetterfilm hat eine schier unendlich wirkende
Hochdruckzone inne, die vom Seegebiet südwestlich der Azoren via West- und
Mitteleuropa bis zum Schwarzen Meer reicht - wow, was für ein Ausmaß! Da
verwundert es nicht, dass der zugehörige Name - es handelt sich um keinen
Geringeren als den ehemaligen römischen Statthalter von Syrien Publius Sulpicius
QUIRINIUS (mehr zu diesem Herrn im heutigen "Thema des Tages" auf www.dwd.de) -
zweiteilig ausfällt (römisch I und II). Weite Teile Deutschlands profitieren von
der Regentschaft des "Statthalters", aber wie das so ist im richtigen Leben gibt
es Randgruppen und -bereiche, in denen es mit der Herrschaft und Kontrolle nicht
so gut funktioniert (Ähnlichkeiten zur aktuellen Coronalage sind rein zufällig).

Heute waren bzw. sind diese atmosphärischen Randbereiche gar nicht mal so klein.
Fangen wir im Norden an, wo wechselnde, häufig starke Bewölkung Trumpf ist, die
im Wesentlichen eine Folge der Anströmung von der Nordsee her (=> ausreichend
Feuchtigkeit) darstellt. Die norddeutschen Mittagsaufstiege von Norderney,
Schleswig, Bergen und Greifswald zeigen eine markante Inversion zwischen 800 und
750 hPa, die eine labil geschichtete und ziemlich feuchte Grenzschicht von einer
trockenen Schicht darüber trennt. Damit ist die Grenzschicht zwar nicht
überbordend mächtig, Temperaturen um -8°C an der Unterkante der Inversion
reichen aber offensichtlich aus, um einige, meist schwache Schauer zu
generieren. Bis heute Mittag 12 UTC kamen nördlich von HH immerhin bis zu 6 l/qm
innert 6 h zusammen, was ausreichen sollte, dem gemeinen Hobbygärtner das
abendliche Gießen zu ersparen. Inzwischen geht den Schauern aber mehr und mehr
die Puste aus (auch wenn noch ein paar schwache Exemplare zwischen SH und
Vorpommern unterwegs sind), was u.a. auf den zunehmend fehlenden Support durch
den Tagesgang zurückgeht.
Südlich der genannten Zone schließt sich ein breiter, von NRW (Süden), RP und
dem Saarland bis nach Sachsen und BB (Süden) reichender Streifen an, der im
Bereich der Divergenzachse der Hochdruckzone respektive knapp südlich davon
liegt und sich langsam nach Süden vorarbeitet. Die etwa bei 800 hPa befindliche
Inversion deckelt ebenfalls eine labile Grenzschicht, die aber um einiges
trockener ist als im Norden (Taupunkte teils bei 0°C oder darunter, im Norden
gebietsweise um +6°C). Markenzeichen dieses Korridors sind ein hoher
Sonnenscheinanteil neben mehr oder weniger, meist flachen Quellwolken.
Noch weiter südlich sind die Wolken nicht nur zahlreicher und dichter, sie
nehmen zudem auch eine stratiformere Form an. Es handelt sich um sogenannte
Aufgleitbewölkung nördlich einer quasistationären, über dem südlichen Alpenraum
liegenden Luftmassengrenze. Als Motor für die Hebungsprozesse fungiert
klassischer Gegenstrom mit einer kühlen niedertroposphärischen
Ost-Nordostströmung und einer relativ! milden West-Südwestströmung darüber.
Heute Vormittag kam es dabei zu einer fruchtbaren Interaktion mit einem von der
Schweiz ost-nordostwärts schwenkenden Randtrog, was Oberbayern bis zu 15 l/qm
Regen binnen 6 h beschert hat. Inzwischen ist der Trog durch und der Regen unter
Abschwächung auf dem Rückzug in Richtung Alpen.

In der Nacht zum Samstag bleibt die Dreiteilung in Deutschland bestehen, die
zyklonalen Randbereiche werden aber schmaler. Im Norden tritt gebietsweise noch
dichte ST/SC-Bewölkung mit schwach-latenter Schauerneigung an der Küste auf. Der
West-Nordwestwind nimmt vorübergehend etwas ab, frischt aber bei leichter
Rückdrehung bis zum Morgen wieder auf. Dabei muss zwischen
schleswig-holsteinischer Nordsee- und vorpommerscher Ostseeküste mit Böen 7 Bft,
auf Rügen (exponiert) den ersten 8er-Böen gerechnet werden.
Im äußersten Süden bleibt die Nacht stark bewölkt bis bedeckt, es fällt aber
allenfalls am östlichen Alpenrand noch etwas Regen. Da die Wolkendecke von
Norden her auflockert und die Grundschicht z.T. ziemlich feucht ist, können sich
insbesondere an bzw. etwas südlich der Donau ein paar Nebelfelder bilden.
Der große Rest des Landes, also die Bereiche zwischen den Rändern, stehen vor
einer gering bewölkten oder klaren Nacht. Dabei wird es abermals recht frisch
mit verbreitet auftretenden Frost in Bodennähe (bis zu -5°C) und - vor allem im
zentralen Mittelgebirgsraum - gebietsweise leichtem Luftfrost (bis zu -2°C).


Samstag ... ändert sich an der Gesamtkonstellation gar nicht mal so viel. Das
Maß der Dinge bleibt die zonal exponierte, sich über tausende von Kilometern
erstreckende Hochdruckzone QUIRINIUS, die sich über dem Vorhersageraum noch
etwas kräftigt. Und das, obwohl der korrespondierende Höhenrücken draußen über
dem nahen Ostatlantik verbleibt und wir uns unter einer indifferenten bis leicht
zyklonal konturierten westlichen Höhenströmung befinden. Auf der kalten Seite
der nur diffus ausgeprägten Frontalzone zieht ein recht üppig aufgestelltes Tief
(man darf es ruhig Sturmtief nennen) namens AKI knapp westlich Norwegens gen
Süden, was den Druckgradienten im Norden des Vorhersageraums konserviert, ja
sogar noch etwas verstärkt.
Folglich nimmt der westliche Wind mit Unterstützung des Tagesgangs nicht nur zu,
er greift auch etwas weiter als heute ins Binnenland aus. Dabei stehen von SH
bis nach Vorpommern Böen 7 Bft, an der Ostsee 8 Bft und auf Rügen mit geringerer
Wahrscheinlichkeit und auch nicht überall sogar 9 Bft auf der Karte. Ansonsten
ist der Wolkenanteil im Norden in der unterhalb von 750 hPa (Inversion) von der
Nordsee einfließenden subpolaren Luftmasse (T850 knapp unter 0°C) nach wie vor
hoch. Da die Temperatur an der Wolkenobergrenze auf ähnlichem Niveau liegt wie
heute, können sich auch wieder einige schwache Schauer entwickeln. Am Nachmittag
und Abend zeichnet sich der Durchgang eines kurzwelligen Randtroges in der Höhe
ab, der die Inversion kurzzeitig etwas anheben und die Schauer organisierter
auftreten lassen könnte (staffelartig).
Mit jedem Kilometer weiter Richtung Mitte und Süden kommen wir in die
Wohlfühlzone der Hochdruckzone, d.h. die Sonnenanteile nehmen zu, die
Wolkenanteile ab. Erst im äußersten Süden, also am Alpenrand sowie dem südlichen
Vorland, über dem das Damoklesschwert der weiterhin existenten Luftmassengrenze
weiter südlich schwebt, nimmt die Bewölkung wieder zu. Ob dabei was von den
inneralpinen Regenfällen auf deutsches Hoheitsgebiet rüberschwappt, ist noch
nicht sicher. Am progressivsten agiert IFS, wonach zwischen Werdenfelser Land
und Berchtesgaden z.T. über 5 l/qm zusammenkommen sollen. Aber auch der
12-UTC-Lauf von ICON gibt sich nun wieder etwas offensiver als noch um 06 UTC.
Mühsam ernährt sich das Eichhörnchen lehrt der Volksmund und offensichtlich hat
sich das auch in der Atmosphäre herumgesprochen. So macht die Temperatur in der
gealterten Kaltluft auch morgen wieder einen zwar kleinen, aber durchaus
spürbaren Sprung nach oben, was im Südwesten das Knacken der 20°C-Marke bedeutet
- bravo! Ansonsten läuft es vielerorts auf Höchstwerte von 15 bis 19°C hinaus,
unmittelbar am Alpenrand sowie in der frischen Nordseeluft z.T. etwas darunter.

In der Nacht zum Sonntag tut sich nicht viel an der Großwetterlage. Mit dem
ostwärts abziehenden KW-Trog schaffen es die "norddeutschen" Schauer noch bis in
die östlichen Landesteile, viel Regen fällt aber nicht. Ansonsten präsentiert
sich der Norden unterschiedlich bewölkt und meist trocken. Der Wind lässt von
Westen her zwar nach, gleichwohl können an der Ostsee noch ein paar steife Böen
7 Bft auftreten.
Ansonsten hängen an den Alpen dichtere Restwolken, aus denen auch noch mal ein
paar Tropfen fallen können, aber nicht müssen. Dazwischen, also zwischen dem
Alpenrand und dem Norden, gibt es viel Raum für geringe Bewölkung oder klaren
Himmel, wobei sich im Süden stellenweise Nebel bilden kann. Luftfrost ist kaum
noch ein Thema und auch die Areale mit leichtem Frost in Bodennähe werden
gegenüber den Vornächten deutlich kleiner.

Sonntag ... tritt bei der Wetterlagenbeschreibung so ganz allmählich Langeweile
auf den Plan. Hinter dem abziehenden KW-Trog stellt sich eine glatte
west-nordwestliche Höhenströmung ein, aus der im Sinne des Omegaforcings nichts
Substanzielles herauszuholen ist. Okay, etwas WLA im Norden des Landes bereitet
dort einen guten Nährboden für weitere Bewölkung, die darüber hinaus auch durch
die andauernde Anströmung von der Nordsee gefördert wird. Die Schauerneigung
nimmt ab, was nicht zuletzt an der Stauchung der Grenzschicht liegt, die nunmehr
bei 800 hPa gedeckelt wird. Nichtsdestotrotz kann es auch aus breitlaufender
CU-Bewölkung respektive aus Nordsee-SC etwas pieseln, was von GFS weit
offensiver propagiert wird als von ICON (IFS mittig). Einigkeit herrscht
dahingehend, dass es auch am Sonntag schwer wird, sich in Norddeutschland einen
Sonnenbrand zu holen, insbesondere im Binnenland.
In der Mitte und im Süden, also mittemang in der Hochdruckzone, sieht das anders
aus. Dort scheint die Sonne deutlich öfter, wenn auch mitunter flankiert von
lockeren Wolken. Ob aus den Alpen heraus noch mal dichtere Wolken den
deutsch-österreichischen Grenzbereich traktieren, ist noch nicht ganz klar. Auf
alle Fälle stehen die Chancen, dass auch dort die Sonne zu einigen Auftritten
kommt, besser als an den Vortagen.
Noch mal zurück in den hohen Norden, wo der westliche Wind zwischen SH und
Vorpommern abermals Fahrt aufnimmt (7-8 Bft), auch wenn Tief AKI erhebliche
Schwierigkeiten hat, sich im wahrsten Sinne des Wortes "über Wasser zu halten".
Es dürfte sich bis Tagesende im Bereich der Haltenbank auflösen.
Erfreuliches gibt es aus dem "Thermomix" zu berichten, erwärmt sich die Luft
doch vielerorts auf 17 bis 23°C mit den Spitzen an Hoch- und Oberrhein. Einzig
im gewohnt unterkühlten Norden sind es zwischen Ostfriesland und Uckermark sowie
nördlich davon nur 13 bis 17°C.

Kurz die Nacht von Sonntag auf Montag, wo sich - Sie ahnen es schon -
wetterlagenmäßig wenig bis nix tut. Mit anderen Worten, unter andauerndem
Hochdruckeinfluss präsentiert sich der Himmel im größten Teil des
Vorhersageraums gering bewölkt oder klar incl. einiger meist flacher
Nebelfelder. Nur vereinzelt tritt noch leichter Frost in Bodennähe auf. Ganz im
Norden macht sich eine von der Nordsee heranziehende Warmfront in Form
stratiformer Bewölkung und zum Morgen hin auch etwas Regen (SH, niedersächsische
Küste) bemerkbar. Bei der Front handelt es sich um den weit nach Osten
ausgreifenden Ausläufer eines Tiefs südwestlich von Island. Der Wind an der
Ostsee lässt mehr und mehr nach.

Montag ... würde der Verfasser gerne etwas Leben in die Bude bringen, genauer
gesagt, darüber schreiben. Doch es sind immer wieder die gleichen Mechanismen,
die da greifen. Im Mittelpunkt dabei die stoisch über Deutschland verlaufende
zonale Hochdruckzone, die von einer glatten westlichen Höhenströmung überlagert
ist. Das Hoch garantiert der Südhälfte sowie Teilen der Mitte weiterhin
reichlich Sonnenschein. Immerhin nimmt das konvektive Geschehen im inneralpinen
Raum etwas Fahrt auf, was auch dem deutschen Alpenrand einen Schauer oder
vielleicht sogar ein Gewitter bringen könnte (man beachte den Konjunktiv).
Wolken- und regenanfällig bleibt der Norden im Bereich der ins Stocken kommenden
Warmfront. Der Regen breitet sich dabei von der Deutschen Bucht bis zur
Uckermark aus, Tendenz im Tagesverlauf von Westen her wieder nachlassend. Zwar
lebt der westliche Wind tagsüber an der Küste abermals etwas auf, die
Überschreitungswahrscheinlichkeit der unteren Warnschwelle ist aber weitaus
geringer als an den Vortagen. Dafür steigt - man lese und staune - die
Wahrscheinlichkeit, dass irgendwo in Deutschland mal wieder ein Sommertag
registriert wird. Inzwischen sind nämlich die 850-hPa-Temperaturen teils durch
Absinken, teils advektiv soweit angestiegen (am Nachmittag zwischen 5°C an der
Ostsee und bis zu 10°C im Süden), dass mit Hilfe der Einstrahlung auch in 2 m
Höhe was geht. 19 bis 24°C, im Süden und Südwesten punktuell 25°C stehen auf der
Karte, während der Norden mit apostrophierten 14 bis 20°C (an der See bei
auflandigem Wind eher noch etwas kühler) weiterhin die Stellung in der
Hinterhand bevorzugt.


Modellvergleich und -einschätzung
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Die Großwetterlage ist unstrittig, was auch auf die beschriebene Entwicklung
zutrifft. Unschärfen gibt es wie eigentlich immer bei vergleichbaren Mustern an
den Rändern, vor allem in Bezug auf Niederschlag. Warnrelevant ist das Ganze
aber nicht, wenn man mal von den am Montag möglicherweise am Alpenrand
auftretenden Gewittern absieht.


Vorhersage- und Beratungszentrale Offenbach
Dipl. Met. Jens Hoffmann