DWD Synoptische Übersicht Kurzfrist

14-05-2020 08:01
SXEU31 DWAV 140800

S Y N O P T I S C H E Ü B E R S I C H T K U R Z F R I S T
ausgegeben am Donnerstag, den 14.05.2020 um 08 UTC


GWL und markante Wettererscheinungen:
GWL: Zunächst Mittelding zwischen NWa (Nordwest antizyklonal) und HB (Hoch
Britische Inseln), dann Übergang zu Wa (West antizyklonal)

Vergleichsweise unspektakuläres Wetter durch atlantischen Hochkeil. Leichte
Störungen an den Rändern, vor allem im Norden und Süden.

Synoptische Entwicklung bis Samstag 24 UTC
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Donnerstag... befindet sich Deutschland inmitten eines großräumigen
Viererpotenzialfeldes, in dem sich Höhentiefs respektive Tröge über Nord- und
Südwesteuropa und entzückende Rücken über dem nahen Ostatlantik sowie dem
zentralen und östlichen Mittelmeer gegenüberstehen. Das Konstrukt ist so robust,
dass sich in den nächsten Tagen gar nicht mal so viel daran ändert. Ähnliches
gilt für die korrespondierenden Bodendruckgebilde, die so gesehen das Bild eines
Viererdruckfelds abgeben. Die daraus resultierende Zone mit der höchsten
Baroklinität befindet sich über dem Alpenraum, was durch eine quasistationäre,
leicht ondulierende (ohne Frisör) Luftmassengrenze markiert wird. Der
Vorhersageraum befindet sich auf der kalten Seite im Bereich gealterter
Polarluft (die Luftmasse, die zu Wochenbeginn eingeflossen ist), die im Norden
immer mal wieder aufgefrischt wird. Das Spektrum der 850-hPa-Temperatur reicht
heute Mittag von
-5°C ganz weit im Norden und bis zu +5°C ganz weit im Süden.
Schauen wir auf die Details, fällt zunächst ein kleiner Randtrog ins Auge, der
gerade dabei ist, die östlichen Landesteile in Richtung Polen zu verlassen. Er
erklärt die anfänglich noch auftretenden Schauer, die spätestens am Nachmittag
aber Geschichte sein sollten (vielleicht noch ein paar orografisch induzierte
Resttropfen im Erzgebirge). Insgesamt bleibt die westliche Höhenströmung aber
noch leicht antizyklonal konturiert, entfacht dabei nicht zuletzt auch wegen
überlagerter leichter KLA keine große Wirkung. Im Gegenteil, es wird sogar etwas
Absinken generiert, was eine zwischen 700 und 800 hPa positionierte Inversion
zur Folge hat. Darüber ist die Troposphäre sehr trocken und auch die
darunterliegende Grundschicht überzeugt nicht gerade durch überdimensionalen
Wasserdampfgehalt. Kurzum, im Norden und Westen sowie in Teilen der Mitte, mit
zunehmender Tageslänge auch im Osten stellt sich ein weitgehend freundliches
(die meisten dürften es zumindest als freundlich empfinden) Mixtum compositum
aus Sonnenschein und einigen Quellungen ein, die z.T. an der Inversion
breitlaufen und gebietsweise durchaus auch mal einen wolkigen Charakter nach
sich ziehen können. Großen Anteil daran hat übrigens auch ein fetter Hochkeil,
der sich, ausgehend vom Zentralhoch QURINIUS I knapp westlich Irlands, über
Deutschland bis ins östliche Mitteleuropa erstreckt. Seine Divergenzachse liegt
heute relativ weit nördlich, was Norddeutschland die Zufuhr lästiger
SC-Bewölkung von der Nordsee her erspart.
Widmen wir uns den Regionen weiter südlich, die "unterhalb" des Hochkeil liegen.
Dort zeigt besagte Luftmassengrenze mit Hilfe von Gegenstrom (unten Nordost,
oberhalb etwa 750 hPa Südwest) Wirkung in Form weitgehend geschlossener
stratiformer Bewölkung und gebietsweise Regen, der sich im Tagesverlauf leichtem
Druckanstieg folgend immer weiter in den Südosten zurückzieht bzw. ganz aufhört.
Damit lockert auch die Wolkendecke von Norden her etwas auf, in den südlichen
Landesteilen von Bayern und BW bleibt es aber ganztägig bedeckelt.
Es klang bereits an, dass temperaturmäßig in der vorhandenen Luftmasse keine
großen Sprünge zu erwarten sind. Meist reicht die Spanne von 11 bis 15°C, im
Westen und Südwesten mit Sonne stellenweise 16 oder 17°C, dafür im Süden
punktuell nicht mal 10°C. Bonifatius lässt grüßen...

In der Nacht zum Freitag spaltet sich aus dem südwesteuropäischen
Höhentiefkomplex ein kleiner Trog ab, der die Schweiz ansteuert und Tuchfühlung
zum Nordeuropatrog aufnimmt. Der Randtrog sorgt dafür, dass der Luftdruck im
Süden fällt und die Luftmassengrenze abermals aktiviert wird und aus den Alpen
heraus neuer Regen einsetzt, der sich bis ins Alpenvorland vorarbeitet. Ob er es
bis zur Donau schafft, wie von einigen Modellen angedeutet, oder nur Teile des
Alpenrandes sowie das südlichste Vorland beehrt (ICON), ist noch nicht ganz
klar. Fakt ist, dass große Teile Süddeutschlands die Nacht unter Wolken
verbringen, was den Vorteil hat, dass man sich über Frost keine Gedanken machen
muss.
Das sieht weiter nördlich ganz anders, zeichnet sich dort im Bereich des sich
etwas nach Süden verlagernden Keils eher Wolkenarmut ab. Einzig in Küstennähe,
also nördlich der Divergenzachse, driften von der Nordsee dichtere Wolken etwas
landeinwärts, aus denen auch mal ein kurzer und schwacher Schauer fallen kann
(Obergrenze bei 750 hPa und rund -8°C). Dort, wo die Wolken im nördlichen
Drittel des Landes nicht ankommen, geht die Temperatur gebietsweise auf unter
0°C zurück, Bodenfrost tritt verbreitet auf (empfohlene sichtbare Frostwarnung
vom westlichen NDS und Teilen Westfalens bis hinüber nach BB mit nördlich und
südlich angrenzendem "Speckgürtel"). Zur Mitte hin nimmt die Luftfrostgefahr
zwar ab (am ehesten im Bergland), Frost in Bodennähe ist aber auch dort ins
Kalkül zu ziehen.
Noch ein bis zwei Sätzchen zum Wind, der an der See vorübergehend auf Südwest
rückdreht und dabei etwas auflebt, ohne Warnschwellen zu erreichen. Die werden
eher in den Hochlagen Süddeutschlands gerissen, insbesondere im Hochschwarzwald,
wo mit Hilfe nächtlicher Low-Level-Effekte und des o.e. Druckfalls die Bise in
Gang kommt. In exponierten Hochlagen (z.B. Feldberg, Hornisgrinde) treten
stürmische Böen oder sogar einzelne Sturmböen 8 bis 9 Bft auf.


Freitag... überquert der Randtrog zügig die Alpen in Richtung Osten. Seine
Blütezeit erlebt er am Vormittag, wo er bestens mit der Luftmassengrenze
harmoniert und dabei weiterhin eine wirksame Gegenstromlage aufrechthält, die in
einer vorübergehenden Intensivierung der Regenfälle mündet. In Teilen
Oberbayerns können dabei ohne Weiteres 10 bis 15 l/qm innert 6 h zusammenkommen,
punktuell könnte sogar an der Marke zum Starkregen (> 20 l/qm in 6 h) gekratzt
werden. Am Nachmittag zieht sich der Regen dann unter Abschwächung mehr und mehr
zum Alpenrand bzw. dem südlichen Vorland zurück. Es versteht sich von selbst,
dass der Süden und Südosten Bayerns sowie das südlichste BW auch morgen wieder
in die Röhre gucken werden, wenn es um die Frage nach möglichem Sonnenschein
geht. Von den Temperaturen ganz zu schweigen, die bei längerem Regen gerade mal
7 oder 8°C erreichen - Gott zum Gruße Sophie, du Kalte.
Nun, so richtig warm wird es auch in den übrigen Landesteilen nicht, allerdings
doch um einiges wärmer als im regnerischen Süden. Das liegt natürlich und vor
allem an den Strahlungsverhältnissen sowie der daraus resultierenden
diabatischen Erwärmung. Die Einstrahlung ist knapp südlich der Divergenzachse
des Hochkeils am stärksten, sprich, in einem Korridor, der von RP und dem
Saarland sowie dem südlichen NRW über die Mitte bis nach BB und Sachsen reicht,
sind morgen die höchsten Sonnenstunden zu erwarten. Im südwestlichen Sektor
dieses Streifens reicht es örtlich für 18°C, sonst für 13 bis 17°C. Nördlich der
Divergenzachse wiederum breiten sich die o.e. Wolken von der Nordsee her bis in
die Norddeutsche Tiefebene aus. Die Obergrenze liegt nach wie vor bei 750 bis
700 hPa, sprich bei -7 bis -10°C), was für schwache Schauer oder punktuell
leichten Regen hinreichend sein sollte (vor allem an der See sowie im
küstennahen Binnenland). Mehr als 10 bis 15°C sind bei diesen Verhältnissen und
aus dieser Luftmasse nicht herauszuholen.
Thema Wind, da der Luftdruck im Süden nach Abzug des Randtroges ansteigt,
fächert der Gradient dort auf und die Bise im Südwesten knickt zusehends ein.
Dafür muckt der nun wieder auf West bis Nordwest drehende Wind an der See und im
nördlichen SH etwa ab dem späten Vormittag, teils auch erst am Nachmittag soweit
auf, dass in Böen die Stärke 7 Bft, ganz vereinzelt sogar 8 Bft erreicht wird.


In der Nacht zum Samstag passiert dank des treuen und sich etwas verstärkenden
Hochkeils nicht allzu viel. Er verlagert sich weiter geringfügig gen Süden, was
dem Regen in Süddeutschland endgültig den Hahn abdreht. Außerdem lockert dort
die stratiforme Wolkendecke von Norden her mehr und mehr auf, was das eine oder
andere Nebelfeld in der feuchten Grundschicht zur Folge haben dürfte.
Ansonsten gilt es noch zu erwähnen, dass ein propperes Tief westlich der Lofoten
südwärts zieht. Nichts Beunruhigendes, aber trotzdem erwähnenswert, weil sich
dadurch der Druckgradient im äußersten Norden etwas verschärft. Der auf West
leicht rückdrehende Wind bleibt hier also flott unterwegs mit steifen Böen 7
Bft, bei Schauern sowie exponiert vereinzelt 8 Bft, insbesondere an der Ostsee
incl. dem küstennahen Binnenland sowie dem Norden und der Nordseeküste SHs.
Während ganz im Norden also noch Wolken und gar einzelne Schauer unterwegs sind,
klart es weiter südlich verbreitet auf. Trotzdem nimmt die Luftfrostgefahr
gegenüber der Vornacht deutlich ab, am ehesten sinkt das Thermometer im Bergland
noch mal unter die Gefrierpunktmarke. Das Damoklesschwert des Bodenfrostes
schwebt allerdings weiterhin über weiten Landesteilen.

Samstag... bleibt die westliche Höhenströmung zwar zyklonal konturiert, aber
trotzdem weitgehend wirkungslos. Was soll man auch machen, wenn weiterhin eine
Sperrschicht vorhanden ist (im Norden bei 700 hPa, im Süden eher bei 800 hPa)
und auch die Luftmasse nicht so richtig mitspielen will. Okay, im Norden ist
wenigstens etwas Feuchtigkeit und unterhalb der Inversion auch Labilität
vorhanden in der einströmenden Nordseeluft, so dass es neben reichlich Gewölk
und einigen Auflockerungen sogar für ein paar mehr oder weniger uninspirierte
Schauer reicht. Wie weit diese von der Küste ins Landesinnere vorstoßen, ist
derzeit noch offen; ICON agiert mit 5er-Abwehrkette, GFS baut auf 3-Mann-Sturm,
IFS liegt dazwischen. So oder so, auf alle Fälle sollte man im Norden und
Nordosten Norddeutschlands (SH bis hinüber nach Vorpommern) von einem windigen
Samstag ausgehen mit Böen 7-8 Bft um West, auch wenn das "Lofotentief" auf
seinem Weg nach Süden ins Stocken gerät. Die Höchstwerte liegen zwischen 11 und
maximal 16°C.
Je weiter man sich von Norden her der Mitte und dem Süden nähert, desto größer
die Chancen auf Sonnenschein und etwas mehr Wärme - Sie wissen schon, der
Hochkeil. Nur ganz im Süden, unweit der Alpen sowie im höheren Vorland, lässt
besagte Luftmassengrenze nicht locker. Neben vielen Wolken kann es sogar
zeitweise regnen, was insbesondere von IFS propagiert wird. Entsprechend schwer
wird es, in diesen Regionen die 15°C-Marke zu erreichen. Dort, wo die Sonne
öfters zum Vorschein kommt, kann sich die Temperatur in der alternden Kaltluft
punktuell bis auf 20°C hochkämpfen, zumindest im Westen und Südwesten -
immerhin.

In der Nacht zum Sonntag fällt die Geisterstunde aus, weil sich die
Protagonisten - also die Geister - schon tagsüber beim Re-Start der Bundesliga
verausgabt haben. Das kann man von unserem Hochkeil nicht behaupten, der aber
zunehmend die Figur einer langgestreckten, brückenähnlichen Hochdruckzone
annimmt. Diese reicht am frühen Sonntagmorgen vom Seegebiet südlich der Azoren
über die Biscaya und Teile des Vorhersageraums bis hinüber zum Schwarzen Meer.
Nördlich der Divergenzachse bleibt es im Norden gebietsweise wolkig mit wenigen
Schauern an der See. Der auf Südwest drehende Wind nimmt etwas ab, an der Ostsee
muss aber weiterhin mit Böen 7 Bft gerechnet werden. Zur Mitte und nach Süden
hin gestaltet sich die Nacht gering bewölkt oder klar mit örtlichen Nebelfeldern
(abzüglich des Alpenrandes, wo noch dicke Restbewölkung übrigbleibt) bei nur
noch geringer Luftfrostgefahr. Bodenfrost hingegen ist an der einen oder anderen
Stelle weiterhin möglich.

Modellvergleich und -einschätzung

In den Grundstrukturen ist man sich modellübergreifend einig. Kleine und im Text
bereits angerissene Unschärfen betreffen vor allem die Niederschläge in den
Randbereichen des Hochkeils.


Vorhersage- und Beratungszentrale Offenbach
Dipl. Met. Jens Hoffmann