DWD Synoptische Übersicht Kurzfrist

11-05-2020 17:01
SXEU31 DWAV 111800

S Y N O P T I S C H E Ü B E R S I C H T K U R Z F R I S T
ausgegeben am Montag, den 11.05.2020 um 18 UTC


Markante Wettererscheinungen:
Trograndlage, für die Jahreszeit zu kalt; kommende Nacht vielerorts leichter
Frost, am Dienstag im Norden windiges Schauerwetter, am Mittwoch im Süden
regnerisch. Allgemein kaum markante Wettergefahren.

Synoptische Entwicklung bis Donnerstag 12 UTC
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Aktuell ... hat sich eine vor allem in den letzten Jahren/Jahrzehnten selten
gewordene Wetterlage eingestellt, die sich der ein oder andere wohl lieber vor
drei bis vier Monaten gewünscht hätte, nämlich eine zyklonale Nordlage, bzw.,
korrekter ausgedrückt: Hoch Nordmeer, zyklonal.
Interessant ist diese Lage allemal, ging doch die Umstellung mit einem sehr
markanten Frontdurchgang bzw. Luftmassenwechsel einher: Während in Garmisch am
Nachmittag bei föhnigen 23 Grad noch die Sonne schien, fiel in Hof bei 3 Grad
Regen mit mäßiger Intensität. Somit steht auch im Vorhersage- und Warndienst
einiges an Arbeit ins Haus: Neben kräftigen Gewittern im präfrontalen Bereich
gab es entlang der verwellenden Front Dauerregen (punktuell Unwetter), dazu in
höheren Lagen stürmischen Nordwind und postfrontal sogar Schneefall bis in
mittlere Lagen, der uns auch in der kommenden Nacht noch beschäftigen wird.
Doch der Reihe nach: Deutschland befindet sich am Südrand eines Höhentroges mit
Drehzentrum über dem äußersten Norden Skandinaviens. Die Hauptachse des Troges
hat inzwischen auf Nordwestdeutschland übergegriffen und überquert weite Teile
des Landes bis Dienstagfrüh südostwärts. Dem Höhentrog steht ein blockierendes
und hochreichendes Hochdruckgebiet über dem Seegebiet südwestlich von Island
gegenüber, von dem ausgehend sich ein Höhenrücken über Irland bis nach
Nordwestfrankreich ausweitet. Daraus resultiert eine hochreichend kalte
nordwestliche Höhenströmung über Mitteleuropa, mit der auch niedertroposphärisch
maritime Polarluft auf direktem Wege, also ohne sich über Meeresoberflächen noch
großartig zu erwärmen, über Skandinavien hinweg nach Deutschland geführt wird.
Die Temperatur in 850 hPa sinkt auf -3 bis -6 Grad.
Die Vordergrenze der Kaltluft markiert eine anfangs noch vorderseitig eines über
Süddeutschland ostwärts ziehenden kurzwelligen Randtroges verwellenden
Kaltfront, die in den kommenden Stunden aber nun endgültig den bayerischen
Alpenrand erreicht. Im präfrontalen Bereich gibt es anfangs im äußersten
Südosten Bayerns noch einzelne kräftige Gewitter bzw. teils gewittrigen Regen.
Im Frontbereich bzw. postfrontal (die Front weist aufgrund der Wellenbildung
zunächst noch Anafrontcharakter auf) fällt skaliger Regen, der mit zunehmender
Kaltluftadvektion bis in Lagen um 500 m in Schnee übergeht, von Norden her aber
rasch nachlässt. Für eine dünne Schneedecke reicht es wohl nur in den höheren
Lagen der süd- und ostdeutschen Mittelgebirge sowie im Alpenvorland, im Stau der
Alpen können bis Dienstagfrüh gebietsweise um 10 cm fallen, ehe die
Niederschläge auch dort dann endgültig nachlassen.
Mit der KLA verstärkt sich ein nach Mitteleuropa gerichteter Bodenhochkeil und
kommt im Laufe der Nacht mit seiner Achse vom Norden Deutschlands nach
Süddeutschland voran. Im Vorfeld des Keils hat sich der Druckgradient verstärkt,
so dass es im Frontbereich anfangs vielerorts noch steife, in höheren bzw.
freien Lagen stürmische Böen aus nördlichen Richtungen gibt, auf exponierten
Gipfeln auch Sturmböen. Im Alpenvorland kann es mit Durchzug einer Druckwelle
anfangs noch Böen Bft 7 bis 8 aus West bis Nordwest geben.
Im Laufe der Nacht schwächt sich der Wind aber allgemein ab.
Der Norden und Nordosten Deutschlands wird nach Abzug der Haupttrogachse
zunächst nur von einem flachen kurzwelligen Troganteil überquert, dabei reicht
es aber wohl lediglich an den Küsten für einzelne kurze Schauer. Erst in den
Frühstunden lebt die Schauertätigkeit mit Annäherung eines markanteren
Randtroges, der morgens Südnorwegen bzw. die nördliche Nordsee erreicht,
zumindest im Nordseeumfeld etwas auf. Auch der Wind frischt dann im Vorfeld des
korrespondierenden Bodentroges aus West bis Nordwest auf, für Böen Bft 7 reicht
es aber wohl noch nicht.
Während es im Nordwesten und an den Küsten eher bewölkt bleibt, lockern die
Wolken ansonsten im Laufe der Nacht bis etwa zur Donau hin rasch auf,
gebietsweise klart der Himmel auch auf. Dann gibt es vielerorts leichten Frost
und in einigen Hochlagen auch Glätte durch gefrierende "Restnässe".

Dienstag ... greift der Rand- bzw. Sekundärtrog auf Dänemark und die mittlere
Nordsee, zum Abend hin auf die Deutsche Bucht über. Trogvorderseitig dreht die
Höhenströmung über dem Vorhersagegebiet auf Westnordwest und ist vor allem über
Norddeutschland leicht diffluent konturiert, in erster Linie dort kann auch
etwas Hebung generiert werden.
Im Bodenfeld entwickelt sich im Lee des Norwegischen Gebirges ein kleinräumiges
Tiefdruckgebiet und zieht bis zum Abend nach Südschweden. Der Bodenhochkeil
befindet sich nach wie vor über Süddeutschland, so dass sich in der Nordhälfte
der Gradient etwas verschärft. Zusätzlich gerät der Norden mit Annäherung des
Troges zunehmend in den Einflussbereich höhenkälterer Luftmassen (abends -26 bis
-30 Grad in 500 hPa, -3 bis -5 Grad in 850 hPa). Somit frischt der Wind - noch
zusätzlich unterstützt durch die turbulente Durchmischung innerhalb der
zunehmend labilen Luftmasse - in Norddeutschland im Tagesverlauf weiter auf und
es gibt bis ins Binnenland einzelne steife, an exponierten Küstenabschnitten vor
allem der Ostsee auch stürmische Böen aus West bis Nordwest. Dazu greifen von
den Küsten bis in die Norddeutsche Tiefebene kurze Schauer aus, die auch von
Graupel und einzelnen Gewittern sowie Böen Bft 7 bis 8 begleitet werden können.
Weiter südlich steht im Einflussbereich des Hochkeils ein wettertechnisch
ruhiger Tag ins Haus. Am Alpenrand und im südlichen Alpenvorland bleibt es nahe
der über dem Alpenraum schleifenden Front bewölkt, Niederschlag fällt aber kaum
mehr. Vor allem von der Donau an nordwärts bis in den zentralen und östlichen
Mittelgebirgsraum scheint dagegen häufig die Sonne. Während sich die Höchstwerte
am Alpenrand noch im einstelligen Bereich bewegen und an den Küsten um 10 Grad,
werden sonst 10 bis 15 Grad erreicht.

In der Nacht zum Mittwoch verlagert sich der Sekundärtrog mit seinem Drehzentrum
allmählich Richtung Gotland, die Achse des Troges überquert den Norden und
Nordosten Deutschlands rasch ostwärts. Vor allem in der ersten Nachthälfte
dauert die Schauertätigkeit dort somit noch an, wobei sich die Schauer nach
Osten zu noch ein wenig nach Süden ausweiten. Später klingen die Schauer dann
von Westen her wieder ab.
Das Bodentief zieht zur mittleren Ostsee. An dessen Südflanke bleibt der
Gradient noch recht scharf ausgeprägt, so dass der lebhafte West- bis
Nordwestwind mit Böen Bft 7 zumindest an der Ostseeküste noch bis in die zweite
Nachthälfte hinein andauert.
Im Süden des Landes macht sich zunehmend WLA bemerkbar, die von Südwesten her
einen flachen, von Italien bis nach Ostfrankreich reichenden Höhenrücken
überläuft. Zudem sorgt ein von Westnordwest hereinlaufender flacher kurzwelliger
Troganteil dort für zusätzlichen dynamischen Hebungsantrieb aufgrund von PVA.
Der über den Alpen liegende Frontenzug wird somit wieder aktiviert und kommt ein
wenig nach Norden voran. Die Folge sind dichtere Wolken und leichte
Niederschläge, die im Laufe der Nacht von den Alpen her in etwa bis zur Donau
bzw. zum Südschwarzwald ausgreifen. Dabei fallen meist nur wenige mm und die
Schneefallgrenze steigt wieder so weit an, dass sie warntechnisch keine Rolle
spielt.
Vor allem in den mittleren Landesteilen bleibt es dagegen aufgelockert bis
gering bewölkt und auch im Westen/Nordwesten lockern die Wolken gebietsweise
stärker auf. Somit kann es dort in ungünstigen Lagen erneut leichten Frost
geben.

Mittwoch ... kommt der Höhentrog mit Drehzentrum über der mittleren Ostsee
weiterhin nur zögernd nach Osten voran. An dessen Südwestflanke werden der
Norden und Nordosten des Landes im Tagesverlauf von kurzwelligen Troganteilen
überquert. Somit können sich dort erneut eventuell einzelne kurze Schauer
entwickeln, ob es aber für kurze Gewitter reicht, ist angesichts der trockenen
Luftmasse und der mangelnden Labilität mehr als fraglich. Vor allem im Bereich
der Ostseeküste und in Vorpommern kann auch längere Zeit die Sonne scheinen,
diese Regionen profitieren vom "Skandenlee" und deshalb dürfte es dort auch kaum
für Schauer reichen.
Da sich das mit dem Trog korrespondierende Bodentief allmählich Richtung
Finnischen Meerbusen verlagert und etwas auffüllt, fächert auch der Gradient
wieder auf, so dass der Wind warntechnisch keine Rolle mehr spielen sollte.
Die Front im Alpenraum zeigt kaum Verlagerungstendenzen und bleibt aktiv, nicht
zuletzt aufgrund einer Gegenstromlage verstärkten Aufgleitprozesse (bodennah
Ostwind an der Südflanke des in etwa über der Mitte Deutschlands liegenden
Bodenhochkeils, in der Höhe dagegen Westwind). Die Niederschläge kommen dabei
noch ein wenig nach Norden voran (etwa bis zum Nordschwarzwald bzw. bis zum
südlichen Oberpfälzer Wald), vor allem in einem Streifen entlang bzw. knapp
südlich der Donau simulieren einige Mode4ll(läufe) 5 bis knapp über 10 mm in 12
Stunden (IFS von 00 UTC, GFS von 06 UTC). Die Regenfälle dauern zwar die Nacht
zum Donnerstag über weiter an, dennoch gibt es nach aktuellem Modellstand keine
Signale für warnrelevante Mengen (über 30 mm /24 h), schon gar nicht vom
ICON-EU, die auch im aktuellen Lauf sogar während des gesamten
Niederschlagsereignis (etwa 36 Stunden) kaum mehr als 10 mm auf der Agenda
haben.
Während es somit im Süden meist bedeckt und mit Höchstwerten zwischen 8 und 13
Grad auch ziemlich kühl bleibt, kann sich sonst zwischen den Quellwolken auch
immer wieder mal die Sonne zeigen. Die Advektion maritimer Polarluft dauert vor
allem im Norden und Nordosten des Landes weiterhin an, so dass die Temperatur
auch sonst keine großen Sprünge macht. Mehr als 11 bis 15, vielleicht 16 Grad
sind nicht drin.

In der Nacht zum Donnerstag stellt sich nach Passage eines letzten
Kurzwellentroges über dem Norden und der Mitte des Landes eine relativ glatte
westnordwestliche Höhenströmung ein. Mit der anhaltenden Kaltluftadvektion wird
der Bodenhochkeil über dem Westen und der Mitte des Landes von Nordwesten her
wieder regeneriert. Dadurch verstärkt sich die östliche Bodenströmung über
Süddeutschland noch etwas, wodurch die Gegenstromlage erhalten bleibt. Auch,
wenn der zusätzliche Antrieb durch WLA nachlässt, dauern die leichten
Niederschläge weiter an und kommen sogar noch ein klein wenig nach Norden voran.
Die Intensität der Regenfälle lässt allerdings weiter nach.
Während es in der Südhälfte somit weiterhin meist bedeckt bleibt, lockern die
Wolken in der Mitte und im Norden teilweise stärker auf. Lediglich im
Nordseeumfeld und am Nordrand der Mittelgebirge können sich auch dichtere Wolken
halten. Dort, wo es gering bewölkt bleibt, kann es erneut leichten Frost geben,
zumindest in ungünstigen Lagen.

Donnerstag ... bleibt das Vorhersagegebiet an der Südwestflanke des
umfangreichen Langwellentroges über Nordeuropa unterhalb einer glatten
nordwestlichen Höhenströmung. Der von Italien bis nach Ostfrankreich reichende
flache Höhenrücken kommt ein wenig nach Osten voran und greift somit auf
Süddeutschland über. Trotz nach wie vor anhaltender und sich sogar etwas
verstärkender mitteltroposphärischer WLA über der Südhälfte schwächen sich mit
Annäherung des Rückens die leichten, aus der Gegenstromlage resultierenden
Niederschläge weiter ab, es bleibt aber in den Regionen südlich des Mains
weiterhin bewölkt, südlich der Donau sogar teilweise stark bewölkt bis bedeckt.
Im übrigen Land dominiert dagegen leichtes Absinken, der vom Hochdruckgebiet
westlich der Britischen Inseln bis nach Norddeutschland reichende Hochkeil kann
sich vorübergehend sogar noch etwas verstärken. Somit verschärft sich der
Gradient vor allem über Süddeutschland etwas und in den süddeutschen
Mittelgebirgen frischt der Ostwind auf, das dürfte aber nicht für warnrelevante
Böen reichen.
In der Mitte und im Norden scheint neben lockeren flachen Quellwolken, die sich
an der Absinkinversion in etwa 850 (Westen) bis 750 hPa (Osten) gebietsweise
auch horizontal ausbreiten, auch mal länger die Sonne. Für Schauer dürfte es
nicht reichen.
Die Luftmasse kann sich zögernd erwärmen und somit erreichen die
Höchsttemperaturen Werte zwischen knapp über 10 Grad an den Küsten bzw. am
Alpenrand und 17 Grad mit Sonne im Westen.


Modellvergleich und -einschätzung
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Alle vorliegenden Modelle simulieren im Kurzfristzeitraum eine ähnliche
Wetterentwicklung. Nach wie vor hat GFS für die Regionen entlang und südlich der
Donau im Zeitraum Dienstagabend bis Donnerstagvormittag intensivere
Niederschläge auf der Agenda als ICON-EU, allerdings gibt es aktuell keine
Hinweise auf warnrelevante Mengen


Vorhersage- und Beratungszentrale Offenbach
Dipl. Met. Jens Winninghoff