DWD Synoptische Übersicht Kurzfrist

10-05-2020 17:01
SXEU31 DWAV 101800

S Y N O P T I S C H E Ü B E R S I C H T K U R Z F R I S T
ausgegeben am Sonntag, den 10.05.2020 um 18 UTC


Markante Wettererscheinungen:
Am Sonntag Gewitter vom Westen und Süden bis auf das östlichen Bergland und die
Lausitz ausgreifend, Unwetter nicht auszuschließen. Außerdem an der Küste
auffrischender Nordwind mit stürmischen, exponiert auch Böen bis Sturmstärke. In
der Nacht zum Montag anfangs noch weitere Gewitter mit der Gefahr von
Starkregen, von Westen her erneut auflebend. Dann auch auf höheren Berggipfeln
Sturmböen.
Am Montag ganz im Süden und Südosten zunächst noch Gewitter. Ansonsten länger
andauernder Regen, in Staulagen 12-std. Dauerregen möglich, Schneefallgrenze bis
zum Abend auf etwa 800 m absinkend. Außerdem verbreitet auffrischender Nordwind,
im Nordwesten und Westen in freien Lagen sowie an der See stürmische Böen, auf
Berggipfeln Sturmböen. In der Nacht zum Dienstag oberhalb von 800 m Ausbildung
einer nassen dünnen Schneedecke. In den Kamm- und Gipfellagen der östlichen
Mittelgebirge anfangs noch Sturmböen. In der Nacht zum Dienstag bei Aufklaren
verbreitet leichter Frost oder zumindest Bodenfrost.
Am Dienstag abgesehen von einzelnen stürmischen Böen an der See keine markanten
Wettergefahren mehr. In der Nacht zum Mittwoch erneut Frostgefahr. Vor allem an
der Ostsee noch windig mit stürmischen Böen. Am Mittwoch an der Ostsee
stürmische Böen, sonst voraussichtlich keine markant zu bewarnenden
Wetterereignisse.

Synoptische Entwicklung bis Mittwoch 12 UTC
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Aktuell ... liegt Deutschland an der Westflanke eines nach Osteuropa abziehenden
und dabei abflachenden Höhenrückens. Nachfolgend stößt ein markanter Trog über
Schottland hinweg schwenkend in die mittlere Nordsee vor. Durch diesen Trog wird
eine Zyklogenese induziert. Das resultierende Tief verlagert sich unter
Intensivierung in den Bottnischen Meerbusen. Zwischen diesem Tief und einem sich
südlich von Island kräftigenden Bodenhoch, das durch ein blockierendes Höhenhoch
gestützt wird, kommt eine nördliche, relativ glatte und straffe Strömung
zustande, mit der arktische Polarluft nach Süden vorstößt. Die Vordergrenze
dieser Luftmasse wird durch eine stabile aktive Kaltfront markiert, die von
Nordwesten her allmählich südwärts übergreift. Dies lässt den Wind auf Nord
drehen und auffrischen. Zunächst sind nur an der Nordsee, bis zum Abend im
küstennahen Binnenland Windböen, an der See stürmische Böen und exponiert
einzelne Sturmböen zu erwarten.
Durch den sich nach Süden ausweitenden Trog wird die über der Mitte Deutschlands
liegende Luftmassengrenze aktiviert, wodurch Gewitter von den westlichen und
südwestdeutschen Mittelgebirgen weiter ost-nordostwärts bis auf den zentralen
und östlichen Mittelgebirgsraum sowie bis auf die Lausitz ausgreifen. Die
präfrontal liegende Luftmasse ist feuchtlabil, CAPE erreicht deutlich mehr als
500 J/kg, der Gehalt an niederschlagbarem Wasser steigt auf etwa 30 mm. Zudem
steuert jedoch die Dynamik etwas Hebung bei, so dass hochreichende Konvektion
erfolgt. Dabei dürfte es sich meist um rasch verlagernde, aber mangels Scherung
relativ kurzlebige konvektive Ereignisse handeln, wobei am ehesten Fokus auf
Starkregen und vielleicht auch stürmische Böen zu richten ist. Da aber bereits
präfrontal der Winde auf Nordwest dreht, werden die Gewitter durch Entrainment
trockenerer Luft abgeschwächt; der Höhepunkt der Konvektion dürfte vorerst
erreicht sein.
Weiter nach Süden hin, d.h. abseits der Luftmassengrenze, können sich ebenfalls
einzelne Gewitter entwickeln, die eher isoliert sind und vorrangig mit
orografischer Unterstützung entstehen.
In der Nacht zum Montag überquert die Kaltfront die westlichen und zentralen
Mittelgebirge und vereinigt sich mit der dort liegenden Luftmassengrenze. Der
horizontale Temperaturgradient zwischen Nordseeküste und Alpenrand steigt im 850
hPa-Niveau auf etwa 20 K (-5 Grad an der Nordsee, +15 Grad im Alpenvorland). Mit
Frontpassage sind bis in tiefe Lagen (vor allem im Westen und in Teilen der
Mitte) Windböen und in höheren Bergland Böen bis Sturmstärke zu erwarten.
Postfrontal reicht der Gradient an der See weiterhin für Windböen (im
küstennahen Binnenland) und stürmische Böen (an der See).
Im Bereich der sich vereinigenden Front sind, bedingt durch weitere kurzwellige
Keil-Trog-Strukturen, zumindest in der ersten Nachthälfte noch schauerartig
verstärkte Niederschläge mit eingelagerten Gewittern und der Gefahr von
Starkregen zu erwarten. Zudem wirken frontogenetische Effekte verstärkend. Hier
empfiehlt sich das 6-std. Warnkriterium für Starkregen. In der zweiten
Nachthälfte macht aber die auf den gesamten Westen und über die Mitte
Deutschlands ausgreifende Stabilisierung der Konvektion den Garaus, so dass dann
die Niederschläge einen skaligen Charakter annehmen dürften. Weiter nach Süden
und Südosten hin ist aber die Luftmasse noch hinreichend labil, so dass sich
auch in diesen Gebieten einzelne Gewitter bilden können.

Montag ... erreicht der Trog unter Vergrößerung der Amplitude südostwärts
schwenkend mit seiner Achse den Nordwesten Deutschlands und schwenkt mit seinem
nördlichen Teil bis nach Nordostdeutschland, wogegen dessen südlicher Teil über
dem Westen zurückhängt. Vorderseitig lässt eine südwestliche Strömung über
Südostdeutschland leicht föhnigen Einfluss aufkommen, so dass dort die
feuchtwarme Luft bis in die Mittagszeit noch erhalten bleibt. Aufgleiten der
trogvorderseitig nach Nordosten geführten Warmluft auf die bodennah von Nord
einfließenden arktischen Polarluft lässt ein breites Niederschlagsband
entstehen, das vom westlichen Mittelgebirgsraum und vom Südwesten Deutschlands
bis zu den östlichen Mittelgebirgen und in abgeschwächter Form bis zur Oder
reicht. In Staulagen kann nicht ausgeschlossen werden, dass die 12-std.
Schwellenwerte für Dauerregen überschritten werden. An der warmen Seite dieses
Niederschlagsbandes sind noch eingelagerte Gewitter vorstellbar, die mit
Starkregen einhergehen können.
Im Trogbereich setzt sich mit einer nördlichen bodennahen Strömung stabil
geschichtete und spürbar kältere Luft durch, so dass oberhalb etwa 800 m die
Niederschläge in Schnee übergehen. Allerdings dürfte aufgrund der Vorgeschichte
der Schnee nicht liegenbleiben oder es reicht nur für eine dünne
Nassschneedecke.
Aufgrund des kräftigen Gradienten und gestützt durch den Tagesgang frischt im
Norden, Westen und in Teilen der Mitte der Nordwind böig auf und erreicht in
Böen Bft 7 und in freien Lagen sowie an der See Bft 8. In höheren Berglagen sind
Böen bis Sturmstärke möglich.
Ganz im Südosten sowie im Bereich der südostwärts vordringenden Kaltfront können
sich noch einmal Gewitter entwickeln, die durchaus mit Starkregen einhergehen.
Allerdings hat der Tagesgang keine Chance, hier noch eine Intensivierung zu
bewirken. Die rasch bis zu den Alpen vorstoßende Kaltluft ist schneller.
Neben dem äußersten Südosten sind Auflockerungen im Norden und Nordwesten am
wahrscheinlichsten. In Küstennähe und in Schleswig-Holstein können, bedingt
durch Skandinavienföhn, auch längere sonnige Abschnitte zustande kommen.
Gegenüber dem Wochenende ergibt sich ein Temperatursturz auf Maxima zwischen 7
und 12 Grad. Nur ganz im Südosten werden noch einmal 14 bis 18, mit Hilfe der
Sonne auch etwas mehr als 20 Grad erreicht.
In der Nacht zum Dienstag erreicht die Achse des markanten Troges den Osten
Deutschlands. Dabei gehen verbreitet die 850-er Temperaturen unter -5 Grad
zurück. Die Niederschläge, die oberhalb von 800 m und in den östlichen
Mittelgebirgen bis in Lagen um 600 m als Schnee fallen, lassen im östlichen
Bergland in der zweiten Nachthälfte nach und dauern Dienstagfrüh an den Alpen
noch an. In Staulagen können durchaus einige Zentimeter nasser Schnee
zusammenkommen. Aufgrund des geringen Flüssigwassergehalts der Polarluft sollte
es dann in tieferen Lagen für Dauerregen nicht mehr reichen.
Mit der Trogpassage und der damit verbundenen vorübergehenden Labilisierung
kommen an der See einzelne Schauer auf. Ansonsten lässt Kaltluftadvektion
ausgehend von dem Bodenhoch südlich von Island einen Keil entstehen, der sich
von Westen her in den östlichen Mittelgebirgsraum ausweitet. Während in der
ersten Nachthälfte an der Ostsee noch Windböen und in den Kamm- und Gipfellagen
der östlichen Mittelgebirge stürmische Böen auftreten können, flaut bis
Dienstagfrüh auch dort der Wind zusehends ab und ist dann nur noch auf
exponierten Berggipfeln warnrelevant.
Abgesehen vom Südosten und der Schauerbewölkung im Nordwesten und ganz im Norden
sorgt großräumiges Absinken für Aufklaren. In windgeschützten Lagen sowie im
Bergland bereits oberhalb von 200 bis 400 m ist leichter Frost zu erwarten. In
den Mittelgebirgen besteht aufgrund der vorherigen Niederschläge Glättegefahr.

Dienstag ... folgt dem wetterbestimmenden, nach Polen schwenkenden Trog ein
weiterer Sekundärtrog, der bis in die nördliche Nordsee vordringt und den über
Skandinavien liegenden Langwellentrog regeneriert. Dieser Sekundärtrog lässt die
Strömung auf West-Nordwest rückdrehen und bringt eine leichte Zyklogenese in
Gang, wodurch sich über dem Skagerrak ein schwaches Randtief entwickelt, das
sich in den Oslofjord verlagert. Zwischen diesem Tief und dem über
Süddeutschland liegenden Bodenhochkeil erfolgt eine leichte Gradientzunahme, so
dass im Norden und Nordosten von der Küste bis weit ins Binnenland hinein,
gestützt durch den Tagesgang, Windböen bis Bft 7 und an der See einzelne
stürmische Böen auftreten können. Zudem dürfte infolge der noch vorhandenen
Zyklonalität in diesen Gebieten leichte Schauertätigkeit einsetzen. Für Gewitter
ist die Labilität nicht hinreichend. Zwischen 700 und 600 hPa zeichnet sich eine
Absinkinversion (oder zumindest Isothermie) ab.
An den Alpen hält sich noch die Restbewölkung der bis dahin längst abgezogenen
Kaltfront. Die Niederschläge lassen dort jedoch spätestens am Vormittag nach.
In den anderen Gebieten, d.h. vom Westen und Südwesten über den
Mittelgebirgsraum, das Lee der östlichen Mittelgebirge und bis nach Vorpommern,
führt Absinken im Bereich des Bodenhochkeils zu längeren sonnigen Abschnitten
oder zumindest zu Auflockerungen. Die Tageshöchsttemperaturen erreichen 8 bis
12, bei überadiabatischen Verhältnissen im Südwesten in tieferen Lagen ein oder
2 Grad mehr, im höheren Bergland jedoch nur Werte um 6 Grad.
In der Nacht zum Mittwoch schwenkt der Sekundärtrog von der Nordsee über Jütland
hinweg ostwärts und streift dabei den Norden Deutschlands. An dessen Südflanke
stellt sich eine zyklonale westliche Strömung ein. Dieser Sekundärtrog lässt die
Schauertätigkeit an der Küste andauern. Zudem sind an der See weiterhin Wind-
und stürmische Böen zu erwarten. In der zweiten Nachthälfte flaut an der Nordsee
der Wind etwas ab, an der Ostsee bleibt die Windlage jedoch unverändert.
Im Süden macht sich der Einfluss des vor der Iberischen Halbinsel liegenden
Höhentiefs bemerkbar. Aus diesem läuft ein kurzwelliger Trog heraus, überquert
die Pyrenäen und später die Westalpen und aktiviert die über den Alpen liegende
Kaltfront. Dies lässt erneut Niederschläge bis etwa zur Donau ausgreifen, die
allerdings nicht warnrelevant sind.
Abgesehen vom Norden und Nordosten, wo neben der Schauerbewölkung ein leichter
Gradient bestehen bleibt und den Gebieten von der Donau aus südwärts lässt
großräumiges Absinken im Bereich einer schwachen Hochbrücke den Himmel
aufklaren. Zudem sin die Luftdruckgegensätze gering, so dass die Luftmasse zur
Ruhe kommt. Daher ist verbreitet leichter Frost oder zumindest Frost in
Bodennähe zu erwarten.

Mittwoch ... folgt dem ersten ein weiterer Sekundärtrog, der in die Nordsee
schwenkt und zum Austropfen tendiert, wobei diese Struktur bis zum Abend die
holländische Küste erreicht. Dieser Sekundärtrog lässt die Strömung wieder auf
Südwest rückdrehen, wodurch die Niederschläge von den alpennahen Gebieten ein
wenig nordwärts (nach EZMW und GFS bis zur Donau, nach ICON bis zur Mainlinie)
ausgreifen lässt. Warnrelevante Niederschlagssummen sind nicht in Sicht.
Im Bodendruckfeld verlagert sich das schwache Randtief vom Oslofjord unter
Auffüllung zum Finnischen Meerbusen, so dass der Weg frei wird für einen
Hochkeil, der sich, ausgehend von dem nach wie vor kräftigen Bodenhoch südlich
von Island, über Dänemark und die Ostsee hinweg ostwärts ausweitet. Zwischen
diesem Keil und tiefem Luftdruck über den Alpen und südlich davon kommt in der
Mitte und im Süden Deutschlands eine nördliche bis nordöstliche bodennahe
Windkomponente in Gang. Das hieraus resultierende Aufgleiten
(mitteltroposphärisch ergibt sich ja eine südwestliche Strömung) erklärt zudem
das Ausgreifen der Niederschläge von den alpennahen Gebieten nordwärts.
Im Norden und Nordosten bleibt eine leichte Zyklonalität bestehen, so dass die
Schauertätigkeit, gestützt durch den Tagesgang, erneut auflebt. Zudem frischt
der Wind dort auch wieder auf (nach EZMW und GFS stärker als nach ICON), so dass
bis weit ins nördliche und nordöstliche Binnenland hinein Windböen und an der
Ostsee stürmische Böen (nach ICON nur Windböen) aufkommen.
Abgesehen vom Süden sind aufgrund der Durchmischung auch größere Auflockerungen,
in Schleswig-Holstein und im Westen, d.h. mehr in der Nähe des Bodenhochs, auch
längere sonnige Abschnitte zu erwarten. Die Temperaturen ändern sich gegenüber
Dienstag nur unwesentlich; landesweit kann die 15 Grad-Marke nicht erreicht
werden.


Modellvergleich und -einschätzung
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Die vorliegenden Modelle stützen weitgehend die oben beschriebene Entwicklung.
Anhand der synoptischen Basisfelder lassen sich kaum prognoserelevante
Unterschiede ableiten. Die am Mittwoch angesprochenen Unterschiede resultieren
auf einer abweichenden Einschätzung der Zyklonalität seitens GFS und EZMW
gegenüber ICON. Beide Modelle (und auch das Modell des kanadischen
Wetterdienstes) zeigen den Sekundärtrog kräftiger ausgeprägt (mit einem
eingelagerten abgeschlossenen Höhentief), wodurch über Südschweden erneut eine
Zyklogenese zustande kommt. Das resultierende Bodentief erklärt die stärkere
Windzunahme seitens GFS und EZMW.
Hinsichtlich der Niederschlagsstrukturen haben sich gegenüber dem Vortag die
verschiedenen probabilistischen Verfahren weitgehend angeglichen.


Vorhersage- und Beratungszentrale Offenbach
Dipl. Met. Thomas Schumann