DWD Synoptische Übersicht Kurzfrist

09-05-2020 17:01
SXEU31 DWAV 091800

S Y N O P T I S C H E Ü B E R S I C H T K U R Z F R I S T
ausgegeben am Samstag, den 09.05.2020 um 18 UTC


Markante Wettererscheinungen:
Heute im Süden einzelne Gewitter, Gefahr von Starkregen, kleinkörnigem Hagel und
Böen bis Bft 8; Unwetter nur wenig wahrscheinlich. In der Nacht schauerartiger
Regen, Starkregen mit eingelagerten Gewittern nicht auszuschließen.
Am Sonntag Gewitter vom Süden auch bis auf den östlichen Mittelgebirgsraum und
die Lausitz ausgreifend, Unwetter etwas wahrscheinlicher als am Samstag.
Außerdem an der Küste auffrischender Nordwind mit stürmischen, exponiert auch
Böen bis Sturmstärke. In der Nacht zum Montag anfangs noch weitere Gewitter mit
der Gefahr von Starkregen. Dann auch auf höheren Berggipfeln Sturmböen.
Am Montag ganz im Süden und Südosten zunächst noch Gewitter. Ansonsten länger
andauernder Regen, in Staulagen 12-std. Dauerregen möglich, Schneefallgrenze bis
zum Abend auf 900 bis 600 m absinkend. Außerdem verbreitet auffrischender
Nordwind, im Nordwesten, Westen und in Teilen der Mitte in freien Lagen und an
der See einzelne stürmische Böen, auf Berggipfeln Sturmböen. In der Nacht zum
Dienstag im Osten und Süden in Staulagen Dauerregen möglich, oberhalb von 800 m
Ausbildung einer nassen Schneedecke. In den Kamm- und Gipfellagen der östlichen
Mittelgebirge anfangs noch Sturmböen.
Am Dienstag dann wahrscheinlich keine markanten Wettergefahren mehr.

Synoptische Entwicklung bis Dienstag 12 UTC
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Aktuell ... liegt Deutschland an der Nordflanke eines Höhenrückens. Dieser
flacht jedoch, bedingt durch einen in die Nordsee vorstoßenden markanten Trog,
zusehends ab. Zudem wird dieser Rücken von schwachen Keil-Trog-Strukturen
überlaufen, d.h. die zunächst noch antizyklonale Strömung beginnt leicht zu
flattern. Ein etwas kräftigerer Kurzwellentrog nähert sich dem Südwesten
Deutschlands dann in der Nacht zum Sonntag. Bis dahin hat sich die Achse des
Rückens bereits nach Polen verlagert. Auf die Iberische Halbinsel greift ein
Höhentief über, wodurch die Strömung auf Südwest dreht. Vorderseitig ließ
Druckfall eine flache Tiefdruckrinne entstehen. Diese weitet sich von Frankreich
her nach Süddeutschland aus. In deren Bereich hat sich über dem Süden
Deutschlands feuchtlabile Luft durchgesetzt. CAPE erreicht etwa 1000 J/kg, der
Gehalt an niederschlagbarem Wasser liegt um 25 mm. Aufgrund fehlender Dynamik
und der noch vorherrschenden Antizyklonalität kommt die Konvektion nicht so
recht in Gang. Einzelne Gewitter, die sich vor allem mit Hilfe der Orografie
entwickeln, sind dennoch möglich, wobei dann die Gefahr von Starkregen besteht.
Abgesehen von einem einzelnen Unwetter am bayerischen Wald sind unwetterartige
Entwicklungen jedoch unwahrscheinlich.
In der Nacht zum Sonntag kommt die Konvektion vorübergehend zur Ruhe, bevor der
von Frankreich übergreifende Kurzwellentrog in Aktion tritt. Dieser lässt von
den westlichen Mittelgebirgen und aus den Alpen heraus die Konvektion aufleben,
wobei es sich hierbei um schauerartig verstärkten Regen mit eingelagerten
Gewittern und der Gefahr von Starkregen handeln dürfte. In den anderen Gebieten
bleibt noch schwacher antizyklonaler Einfluss bestehen; vor allem im Norden und
Nordosten kann es längere Zeit aufklaren.

Sonntag ... stößt der o.g. Trog über Schottland hinweg schwenkend in die
mittlere Nordsee vor. Der zuvor wetterbestimmende Höhenrücken wird nach
Osteuropa abgedrängt und verliert seinen Einfluss auf unser Wettergeschehen.
Durch diesen Trog wird eine Zyklogenese induziert. Das resultierende Tief
verlagert sich in den Bottnischen Meerbusen. Zwischen diesem Tief und einem sich
südlich von Island kräftigenden Bodenhoch, das durch ein blockierendes Höhenhoch
gestützt wird, kommt eine nördliche, relativ glatte und straffe Strömung
zustande, mit der arktische Polarluft nach Süden vorstößt. Die Vordergrenze
dieser Luftmasse wird durch eine stabile aktive Kaltfront markiert, die ab dem
Nachmittag auf den Nordwesten und Norden Deutschlands übergreift. Dies lässt den
Wind auf Nord drehen und auffrischen. Zunächst sind nur an der Nordsee, bis zum
Abend im küstennahen Binnenland Windböen, an der See stürmische Böen und
exponiert einzelne Sturmböen zu erwarten.
Durch den sich nach Süden ausweitenden Trog wird die über der Mitte Deutschlands
liegende Luftmassengrenze aktiviert, wodurch schauerartig verstärkte und von
Gewittern durchsetzte Niederschläge von den westlichen Mittelgebirgen weiter
ost-nordostwärts bis auf den zentralen und östlichen Mittelgebirgsraum sowie bis
auf die Lausitz ausgreifen. Der Charakter der Luftmasse bleibt weitgehend
unverändert; aber der Gehalt an niederschlagbarem Wasser kann noch ein wenig bis
auf Werte um 30 mm ansteigen. Im Gegensatz zu heute steuert jedoch die Dynamik
etwas Hebung bei, so dass hochreichende Konvektion wahrscheinlicher ist als
heute. Dabei dürfte es sich erneut um relativ rasch verlagernde, aber mangels
Scherung relativ kurzlebige konvektive Ereignisse handeln, wobei am ehesten
Fokus auf Starkregen und vielleicht auch stürmische Böen zu richten ist.
Unwetter sind jedoch nur geringfügig wahrscheinlicher als heute.
Weiter nach Süden hin, d.h. abseits der Luftmassengrenze, können sich ebenfalls
einzelne Gewitter entwickeln, die eher isoliert sind und vorrangig mit
orografischer Unterstützung entstehen. Die Auslösetemperatur, die zwischen 20
und 24 Grad liegt, sollte in der feuchtwarmen und labil geschichteten Luftmasse
nahezu überall erreichbar sein.
Auflockerungen sind im Süden weit abseits der Luftmassengrenze und im Nordosten
am wahrscheinlichsten. Vom Westen bis in die mittleren Gebiete, d.h. im Bereich
der Luftmassengrenze, sind Wolkenlücken eher selten. In deren Bereich bewegen
sich die Temperaturen um oder etwas unter 20 Grad. Ansonsten werden 22 bis 26
Grad erreicht. Allerdings erfolgt ab dem Nachmittag im Nordwesten und ganz im
Norden ein rascher Temperaturrückgang auf 15 bis 11, in Nordseenähe auf Werte um
8 Grad.
In der Nacht zum Montag überquert die Kaltfront die Mittelgebirge und vereinigt
sich mit der dort liegenden Luftmassengrenze. Der horizontale Temperaturgradient
zwischen Nordseeküste steigt im 850 hPa-Niveau auf etwa 20 K (-6 Grad an der
Nordsee, +14 Grad im Alpenvorland). Mit Frontpassage sind bis in tiefe Lagen
(vor allem im Westen und in Teilen der Mitte) Windböen und in höheren Bergland
Böen bis Sturmstärke zu erwarten. Postfrontal reicht der Gradient an der See
weiterhin für Windböen (Ostseeküste) und stürmische Böen (an der Nordsee). Im
Bereich der sich vereinigenden Front sind zumindest in der ersten Nachthälfte
noch schauerartig verstärkte Niederschläge mit eingelagerten Gewittern und der
Gefahr von Starkregen zu erwarten, Unwetter ist nicht auszuschließen. Hier
empfiehlt sich das 6-std. Warnkriterium für Starkregen. In der zweiten
Nachthälfte macht aber die über die Mitte Deutschlands ausgreifende
Stabilisierung der Konvektion den Garaus, so dass dann die Niederschläge einen
skaligen Charakter annehmen dürften. Weiter nach Süden und Südosten hin ist aber
die Luftmasse noch hinreichend labil, so dass sich auch in diesen Gebieten
einzelne Gewitter bilden können. Allerdings sollte es sich dort aufgrund des
beginnenden Entrainments trockenerer Luft um Einzelentwicklungen handeln.

Montag ... erreicht der Trog unter Vergrößerung der Amplitude südostwärts
schwenkend mit seiner Achse den Nordwesten Deutschlands. Vorderseitig lässt eine
südwestliche Strömung über Südostdeutschland leicht föhnigen Einfluss aufkommen,
so dass dort die feuchtwarme Luft bis in die Mittagszeit noch erhalten bleibt.
Aufgleiten der trogvorderseitig nach Nordosten geführten Warmluft auf die
bodennah von Nord einfließenden arktischen Polarluft lässt ein breites
Niederschlagsband entstehen, das vom westlichen Mittelgebirgsraum und vom
Südwesten Deutschlands bis zu den östlichen Mittelgebirgen und zur Oder reicht.
In Staulagen kann nicht ausgeschlossen werden, dass die 12-std. Schwellenwerte
für Dauerregen überschritten werden. Dabei setzt sich mit einer nördlichen
Strömung stabil geschichtete und spürbar kältere Luft durch, so dass oberhalb
von 600 bis 900 m die Niederschläge in Schnee übergehen. Allerdings dürfte
aufgrund der Vorgeschichte der Schnee nicht liegenbleiben.
Aufgrund des kräftigen Gradienten und gestützt durch den Tagesgang frischt im
Norden, Westen und in Teilen der Mitte der Nordwind böig auf und erreicht in
Böen Bft 7 und in freien Lagen sowie an der See Bft 8. In höheren Berglagen sind
Böen bis Sturmstärke möglich.
Ganz im Südosten sowie im Bereich der südostwärts vordringenden Kaltfront können
sich noch einmal Gewitter entwickeln, die durchaus mit Starkregen einhergehen.
Allerdings hat der Tagesgang keine Chance, hier noch eine Intensivierung zu
bewirken. Die rasch bis zu den Alpen vorstoßende Kaltluft ist schneller.
Neben dem äußersten Südosten sind Auflockerungen im Norden und Nordwesten am
wahrscheinlichsten. In Küstennähe können, bedingt durch Skandinavienföhn, auch
längere sonnige Abschnitte zustande kommen. Gegenüber dem Wochenende ergibt sich
ein Temperatursturz auf Maxima zwischen 7 und 12 Grad. Nur ganz im Südosten
werden noch einmal 14 bis 18, mit Hilfe der Sonne auch etwas mehr als 20 Grad
erreicht.
In der Nacht zum Dienstag erreicht die Achse des markanten Troges den Osten
Deutschlands. Dabei gehen landesweit die 850-er Temperaturen unter -5 Grad
zurück. Die Niederschläge, die oberhalb von 600 bis 800 m und in den östlichen
Mittelgebirgen bis in Lagen um 400 m als Schnee fallen, erfassen die östlichen
und süddeutschen Mittelgebirge und dauern Dienstagfrüh an den Alpen noch an. In
Staulagen können durchaus einige Zentimeter nasser Schnee zusammenkommen.
Aufgrund des geringen Flüssigwassergehalts der Polarluft sollte es dann in
tieferen Lagen für Dauerregen nicht mehr reichen.
Mit der Trogpassage und der damit verbundenen vorübergehenden Labilisierung
kommen in Küstennähe ein paar Schauer auf. Ansonsten lässt Kaltluftadvektion
ausgehend von dem Bodenhoch südlich von Island einen Keil entstehen, der sich in
den Südwesten Deutschlands ausweitet. Während in der ersten Nachthälfte an der
Ostsee noch Windböen und in den Kamm- und Gipfellagen der östlichen
Mittelgebirge noch Sturmböen auftreten können, flaut bis Dienstagfrüh auch dort
der Wind zusehends ab und ist dann nur noch auf exponierten Berggipfeln
warnrelevant.
Abgesehen vom Südosten und der Schauerbewölkung im Nordwesten und ganz im Norden
sorgt großräumiges Absinken für Aufklaren. In windgeschützten Lagen sowie im
Bergland bereits oberhalb von 200 bis 400 m ist leichter Frost zu erwarten. In
den Mittelgebirgen besteht hierdurch Glättegefahr.

Dienstag ... folgt dem wetterbestimmenden, nach Polen schwenkenden Trog ein
weiterer Sekundärtrog, der bis in die nördliche Nordsee vordringt und den über
Skandinavien liegenden Langwellentrog regeneriert. Dieser Sekundärtrog lässt die
Strömung auf West-Nordwest rückdrehen und bringt eine leichte Zyklogenese in
Gang, wodurch sich über dem Skagerrak ein schwaches Randtief entwickelt.
Zwischen diesem Tief und dem über Süddeutschland liegenden Bodenhochkeil erfolgt
eine leichte Gradientzunahme, so dass im Norden und Nordosten von der Küste bis
weit ins Binnenland hinein, gestützt durch den Tagesgang, Windböen bis Bft 7
auftreten können. Zudem dürfte infolge der noch vorhandenen Zyklonalität in
diesen Gebieten leichte Schauertätigkeit einsetzen. Für Gewitter ist die
Labilität nicht hinreichend. Zwischen 700 und 500 hPa zeichnet sich eine
Absinkinversion (oder zumindest Isothermie) ab.
An den Alpen hält sich noch die Restbewölkung der bis dahin längst abgezogenen
Kaltfront. Die Niederschläge lassen dort jedoch spätestens am Vormittag nach.
In den anderen Gebieten, d.h. vom Westen und Südwesten über den
Mittelgebirgsraum, das Lee der östlichen Mittelgebirge und bis in die Lausitz,
führt Absinken im Bereich des Bodenhochkeils zu längeren sonnigen Abschnitten
oder zumindest zu Auflockerungen. Die Tageshöchsttemperaturen erreichen 8 bis
12, bei überadiabatischen Verhältnissen im Südwesten in tieferen Lagen ein oder
2 Grad mehr, im höheren Bergland jedoch nur Werte um 6 Grad.


Modellvergleich und -einschätzung
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Die vorliegenden Modelle stützen weitgehend die oben beschriebene Entwicklung.
Anhand der synoptischen Basisfelder lassen sich kaum prognoserelevante
Unterschiede ableiten. Lediglich in Verbindung mit einer vorübergehenden
möglichen leichten Föhnlage ergeben sich leichte Diskrepanzen. Hier sind es EZMW
und LFPW, die am längsten die feuchtwarme und labil geschichtete Luft im
Südosten Deutschlands halten. GFS lässt dagegen am raschesten (schneller als
ICON) die Polarluft nach Süden vordringen.
Probabilistische Verfahren zeigen die deutlichsten Signale für Dauerregen in den
südwestdeutschen Mittelgebirgen (ICON-EPS) und ausgehend vom Schwarzwald und der
Pfalz bis in den zentralen Mittelgebirgsraum (COSMO-LEPS und EZ-EPS).


Vorhersage- und Beratungszentrale Offenbach
Dipl. Met. Thomas Schumann