DWD Synoptische Übersicht Kurzfrist

09-05-2020 08:01
SXEU31 DWAV 090800

S Y N O P T I S C H E Ü B E R S I C H T K U R Z F R I S T
ausgegeben am Samstag, den 09.05.2020 um 08 UTC


GWL und markante Wettererscheinungen:
HNz
In den nächsten Tagen vor allem in der Mitte und im Süden gebietsweise markante
Gewitter, lokal Unwetter bezüglich Starkregen nicht ausgeschlossen. Ab
Sonntagabend von Norden Durchzug einer markanten Kaltfront mit merklichem
Temperaturrückgang und Windzunahme, in höheren Lagen Schneefall möglich.

Synoptische Entwicklung bis Montag 24 UTC
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Samstag... stellt sich als Übergangstag zu zyklonalerem Geschehen beim Wetter
dar. Zu spüren bekommt dies zuerst die Südhälfte des Landes, bevor in den beiden
nächsten Tagen auch im Norden ein Wetterwechsel vollzogen wird.
Aber der Reihe nach. Am heutigen Samstag zeigt sich in der Höhe ein breit
aufgestellter Rücken, der vom zentralen Mittelmeer bis nach Spanien, Frankreich,
Deutschland und bis zum Balkan aufragt und einen Keil in Richtung Britische
Insel aufweist. Als Konterpart fungiert ein Langwellentrog mit hoher
Wellenlänge, der sich von Ostgrönland und Island bis in den Norden Skandinaviens
erstreckt und von Höhentiefs flankiert wird. Diese haben sich zum einen über dem
Nordostatlantik und zum anderen über der Ukraine und Südwestrussland platziert.
Alle Gebilde machen im Tagesverlauf nur wenig Anstalten, sich schnell
fortzubewegen. Am meisten Aktion geht noch vom Höhentief über dem
Nordostatlantik aus, das sich Richtung Iberische Halbinsel aufmacht. Es ist
verbunden mit einer Tiefdruckrinne, die sich bis in den Süden Deutschlands
ausgedehnt hat, zum Tief mit dem Namen "Aki" mit Zentrum über der Biskaya gehört
und die in der Frühanalyse durch eine Warmfront über Süddeutschland gewürdigt
wurde. Durch diese Front wird feuchtwarme und potenziell instabile Luft
subtropischen Ursprungs mit T850 hPa von 10 bis 15 Grad im Süden von stabilerer
Warmluft mit T850 hPa von 5 bis 10 Grad nördlich davon getrennt. Die
Luftmassengrenze zieht im Tagesverlauf ein wenig nach Norden und belagert dann
die Mitte des Landes mit einigen Wolken und Schauern. Durch die starke Bewölkung
fehlt allerdings die Sonneneinstrahlung, womit die Labilität nicht allzu hoch
ist und Gewitter höchstens vereinzelt auftreten sollten.
Anders sieht es südlich der Tiefdruckrinne aus. Dort kann die Sonne einheizen
und die Luftmasse stärker labilisieren. Das schlägt sich nicht nur in höheren
Lapse Rates nieder (-0,65 bis -0,7 K/100 m), sondern auch in erhöhten
ML-CAPE-Werte bis 1250 J/kg. Weil zudem Feuchtflusskonvergenz einsetzt und die
PPW's am Nachmittag bei 25 bis 30 mm liegen, sind alle Zutaten für Gewitter
vorhanden. Organisiert ist nicht viel zu erwarten, da es kaum Scherung und SRH
gibt. Gewitter beschränken sich dadurch vornehmlich auf Einzelzellen. Bei den
Begleiterscheinungen rücken bei eher langsamem Antrieb aus der Höhe (was auch
einen Hinweis auf fehlende Dynamik liefert) Starkregen mit Mengen zwischen 15
und 25 l/qm in kurzer Zeit und bei den CAPE-Werten auch kleinkörniger Hagel in
den Fokus. Hagelansammlungen sind dabei denkbar. Der Wind spielt bei nur
schwachem Gradienten und fehlenden Oberwinden kaum eine Rolle, mehr als örtlich
Bft 7 oder mit viel "Good-Will" (immerhin inverses V in der teils noch trockenen
Grundschicht) auch mal eine stürmische Böe Bft 8 stehen wohl nicht ins Haus.
Unwetterartige Entwicklungen hauptsächlich wegen Starkregen sind nicht komplett
ausgeschlossen, aber höchstens lokal gering wahrscheinlich.
Bliebe noch die Region nördlich der Luftmassengrenze zu begutachten. Diese liegt
noch im Einflussbereich des seit Tagen bei uns herrschenden Hochs "Paul" mit
Zentrum derzeit über Süditalien. So scheint dort heute länger die Sonne,
gebietsweise ziehen ein paar hohe oder mittelhohe Wolken durch. Richtung Küste
sind jedoch einige tiefe Wolken unterwegs, die am Vormittag an der Ostsee den
einen anderen schwachen Schauer bringen. Verantwortlich dafür zeichnet sich ein
schwacher Randtrog, der an der Südflanke des LWT rasch nach Osten abläuft.
Bereits am Nachmittag schwächt sich die Schauertätigkeit mit Abzug des Randtrogs
nach Osten an der Ostsee bereits wieder ab.
Ein Blick auf die Temperaturen offenbart Höchstwerte zwischen 20 und 26 Grad mit
den höchsten Peaks im Nordwesten (Rheinland bis Emsland) und im Südwesten
(Oberrhein bis Bodensee), dort trägt der Sonnenschein dazu bei. In der Mitte
werden unter dichteren Wolken meist um 20 Grad gemessen werden, an der See trägt
das noch recht kalte Meer zu kühleren Temperaturen von 15 bis 22 Grad bei.

In der Nacht zum Sonntag wandert das westliche Höhentief zur Iberischen
Halbinsel, während der Langwellentrog nördlich von uns durch einen Randtrog
regeneriert wird und dabei in Richtung Britische Inseln amplifiziert. Über
Skandinavien hat sich im Zuge dessen bereits am Samstag das neue Tief "Britta"
ausgebildet, dessen Ausläufer uns aber noch nicht erreichen. Im Prinzip bleibt
die Wetterdreiteilung damit erhalten.
Im Norden herrscht also lockere oder geringe Bewölkung vor und es bleibt
trocken. Über der Mitte liegt die Tiefdruckrinne mit dichter Bewölkung, die
daran gekoppelten Niederschläge weisen zunächst Abschwächungstendenzen auf,
bevor zum Morgen hin eine Welle von Südwesten her die Niederschlagsbereitschaft
wieder erhöht (den einen oder anderen elektrischen Impuls nicht ausgeschlossen).
Südlich der Luftmassengrenze nimmt die Schauer- und Gewitteraktivität meist ab,
weil mit fehlender diabatischer Einstrahlung der Hauptimpuls verlorengeht.
MU-CAPE sinkt folglich auf 250 J/kg bis zum Morgen, und auch die Lapse Rates
gehen etwas zurück.
Die Temperaturen sinken je nach Bewölkung auf 14 bis 7 Grad.

Sonntag... flacht der Rücken unter leichter Progression nach Osten ab. Die
Luftmassengrenze über der Mitte Deutschlands kommt ein wenig nach Norden voran,
wobei sie labiler ist als am Vortag. Ursache sind Hebungsimpuls, die mit der
weiteren Annäherung des amplifizierenden LWT zusammenhängen. Zum anderen liefert
aber auch die Wellenbildung im Bereich der Tiefdruckrinne einen Beitrag. So
werden dann ausgehend vom Westen (NRW, Rheinland-Pfalz) bis in den Osten
(Südhälfte Brandenburg, Sachsen) Schauer und Gewitter simuliert. ML-CAPE zeigt
Werte bis 1000 J/kg, die Lapse Rates liegen um -0,65 K/100 m. Scherung ist kaum
vorhanden, die PPW's betragen 25 bis 30 mm, Oberwinde sind weiterhin schwach.
Kurzum: Ähnliche Bedingungen wie am Vortag mit zumeist markanten Gewittern
bezüglich Starkregen (15 bis 25 l/qm), kleinkörnigem Hagel bzw.
Hagelansammlungen und starken bis stürmischen Böen. Vereinzelte
Überentwicklungen (Unwetter) vor allem wegen Starkregen sind nach wie vor
möglich, vermutlich aber nur lokal und nicht sehr häufig. Immerhin ist ein wenig
Bewegung in 850 hPa (10 bis 15 Knoten) und in der Höhe (500 und 700 hPa) zu
erkennen, sodass sich die Gewitter zumindest langsam bewegen.
Weiter südlich nimmt das Schauer- und Gewitterrisiko im Vergleich zum Vortag ab,
weil etwas trockenere Luft einsickert (PPW's nur noch 20 bis 25 mm) und die
Lapse Rates geringer sind.
Im Norden dagegen pirscht sich die Kaltfront von Tief "Britta" an, abends trifft
sie auf die deutsche Bucht. Zuvor ist es dort meist noch trocken, aber oft schon
stärker bewölkt.
Zudem nimmt der Gradient zu, sodass an der Nordsee nachmittags erste starke Böen
Bft 7, auf den Inseln stürmische Böen Bft 8 auftreten.
Die Temperaturen steigen nochmals auf 20 bis 26 Grad mit den höchsten Werten in
der Lausitz und am Oberrhein.

In der Nacht zum Montag schwenkt der Langwellentrog in die Nordsee und drückt
die Kaltfront von Tief "Britta" nach Süden bzw. Südosten. Im Nordwesten fließt
postfrontal deutlich kühlere Polarluft mit T850 hPa von 0 bis -5 Grad ein, die
zudem trocken ist. Daher lockern die Wolken hinter der Front bereits auf.
Im Bereich der Kaltfront dagegen gibt es schauerartigen Regen, der morgens eine
Linie Rheinland - Südniedersachsen - Vorpommern erreicht. Gewitter sind dabei
kaum zu erwarten (stabil durch überlaufende KLA), wohl aber Schneeflocken bis
auf 800 m herab. Eine nennenswerte Schneedecke bildet sich vermutlich nicht aus.

Darüber hinaus frischt im Frontbereich der Wind auf und kann zu einzelnen
starken Böen Bft 7 führen. An der See reicht der Gradient ebenfalls weiterhin
für starke Böen Bft 7, auf den Inseln für stürmische Böen Bft 8. Zudem kommt in
den Alpen leichter Südföhn in Gang, der auf den Gipfeln ebenso starke bis
stürmische Böen bringt.
Weiter südlich ist noch die Tiefdruckrinne zu erkennen, die genauso nach Süden
gedrückt wird wie die Kaltfront und schauerartige Niederschläge bringt. Diese
können noch von Gewittern begleitet sein, bei allerdings tagesgangbedingt wieder
abnehmenden Tendenz.
Im Südosten (hauptsächlich in Bayern) bleibt es hingegen trocken bei einzelnen
Auflockerungen, weil dort keine Fronten liegen und auch keine Labilität
herrscht.
Die Temperaturen sinken auf 13 bis 6 Grad, im Norden und Nordwesten aber schon
auf 7 bis 3 Grad, lokaler Frost in Bodennähe nicht ausgeschlossen.

Montag... stößt der nun recht spitze Langwellentrog bis an die Nordseeküste vor
und drückt die Kaltfront von Tief "Britta" immer weiter nach Süden und Südosten.
Dabei verschmilzt sie im Tagesverlauf mit der Tiefdruckrinne.
Schauerartige Niederschläge von der Mitte bis in den Nordosten und im Süden sind
die Folge. Gewitter werden vor allem noch im Südosten (am meisten über Bayern)
simuliert, MU-CAPE zeigt nochmals Werte bis etwa 600 J/kg. Die PPW's betragen 25
bis 28 mm, sodass nochmals markante Begleiterscheinungen mit Starkregen und
kleinkörnigem Hagel dabei sein können. Unwetter sind nach wie vor nicht
ausgeschlossen, mit dem Herannahen der Kaltfront stabiliert sich die Atmosphäre
allerdings, was am Nachmittag auch für den Südosten gilt.
Nicht zu verachten sind allerdings die Hebungsimpulse, die aus der Annäherung
des spitzen Troges rühren. Damit intensivieren sich die Niederschläge, lokal
kann es zur Überschreitung von markantem Starkregen mit mehr als 20 l/qm in 6
Stunden oder sogar von 12-stündigem Dauerregen mit mehr als 30 l/qm kommen.
Signale sind vor allem im Stau der südlichen Mittelgebirge und dort insbesondere
im Schwarzwald und auf der Schwäbischen Alb vorhanden. Ganz oben schneit es zum
Teil, die Schneefallgrenze liegt im Süden bei 1000 m und in der Mitte bei rund
800 m. Höhere Neuschneemengen gibt es vorerst aber noch nicht.
Der Nord- bis Nordwestwind weht bei durchaus vorhandenem Gradienten in Böen
gebietsweise stark, an der See und auf den Bergen teils stürmisch. Der Südföhn
in den Alpen hält zunächst noch an, bevor ab Nachmittag mit Winddrehung daraus
rasch ein Nordföhn mit ähnlicher Böenstarke wird.
Die Höchsttemperaturen bewegen sich nur noch zwischen 8 und 15 Grad, im Südosten
werden vor der Front nochmals 15 bis 22 Grad erreicht.

In der Nacht zum Dienstag überquert die Kaltfront bereits den Süden. Die
Niederschläge verlagern sich folglich immer mehr in den Süden des Landes, am
Morgen regnet (oder schneit) es vornehmlich noch am Alpenrand.
Die Schneefallgrenze sinkt dabei im Süden auf 500 bis 800 m. Oberhalb kann sich
eine dünne Neuschneedecke ausbilden, örtlich sind auch mal 5 cm drin. Im
Erzgebirge und im Bayrischen Wald gibt es vom Ensemble sogar Hinweise für etwa
10 cm Neuschnee.
Postfrontal lockern die Wolken auf und es bleibt trocken, einzig an der Nordsee
werden ein paar schwache Schauer simuliert.
Der Wind lässt wieder nach, da von Nordwesten her der Druck allmählich steigt
und den Gradienten auseinanderzieht. An der See reicht es jedoch weiterhin für
starke Böen, der Nordföhn in den Alpen bleibt noch erhalten.
Es kühlt sich auf 3 bis -3 Grad ab, an der See bleibt es etwas milder. Im Süden
ist bei nachlassenden Niederschlägen Glätte nicht ausgeschlossen.

Modellvergleich und -einschätzung
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Die Modelle simulieren die anstehende Wetterlage sehr ähnlich, kleinere
Unterschiede fallen für das Warn-Management und die Vorhersage nicht allzu stark
ins Gewicht.

Vorhersage- und Beratungszentrale Offenbach
Dipl. Met. Simon Trippler