DWD Synoptische Übersicht Kurzfrist

05-05-2020 08:01
SXEU31 DWAV 050800

S Y N O P T I S C H E Ü B E R S I C H T K U R Z F R I S T
ausgegeben am Dienstag, den 05.05.2020 um 08 UTC


GWL und markante Wettererscheinungen:
GWL: Na (Nord antizyklonal)

Heute im Osten in der Peripherie eines Kaltlufttropfens Schauer, vereinzelt
kurze Gewitter mit Graupel. Kommende Nacht vielerorts Frost. Sonst nicht viel
los auf der Gass.

Synoptische Entwicklung bis Donnerstag 24 UTC
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Dienstag... befindet sich Deutschland am Rande eines über Südschweden
abgetropften Höhentrog, der seine Karriere als Kaltlufttropfen (KLT) fortsetzt
und bis zum Datumswechsel den beschwerlichen Weg bis in den Südosten Polens auf
sich nimmt. Als Konterpart fungiert ein flacher Rücken über Südwesteuropa und
Frankreich, der Fühlung zu einem abgeschlossenen Höhenhoch zwischen Island und
Schottland hält, sich dabei aber kaum nach Osten verlagert. Dieses Höhenhoch
wiederum - und damit wären wir am Boden angelangt - stützt ein umfangreiches
Bodenhoch namens PAUL, das sich von der Irminger See bis nach Mitteleuropa
erstreckt und das seinen mit gerade mal etwas über 1025 hPa wahrlich nicht
überbordend ausgeprägten Schwerpunkt (gut trainiert und nicht übergewichtig, der
PAULE) mehr und mehr zur Nordsee verlagert. Vereinfacht gesagt bedeutet diese
Gemengelage für den Vorhersageraum "unten antizyklonal" (durch den wuchtigen,
von der Nordseeweit südostwärts greifenden Hochkeil), "oben eher zyklonal" (die
rückseitig des KLT induzierte nordwestliche Höhenströmung weist heute eine
eindeutig zyklonal gekrümmte Struktur auf). Ach ja, dann wäre da noch eine
nahezu stationäre Luftmassengrenze zu nennen, die einem Tief weit westlich der
Biscaya anhängig ist und am Südrand der Hochdruckzone von Frankreich her über
den Alpenraum ost-nordostwärts verläuft. Sie wird heute durch einen flachen, den
o.e. Rücken überlaufenden KW-Trog soweit aktiviert, dass ihr Wirkungsradius bis
in den Süden und Südwesten des Landes reicht.
So weit, so gut, und wie wird nun das Wetter bei uns? - Nun, recht
unterschiedlich lautet die einfache Antwort. Fangen wir im Süden und Südwesten
an, wo die ansonsten von Norden frisch eingeflossene polare Kaltluft (T850 -4
bis 0°C) nicht so richtig bis gar nicht angekommen ist (T850 heute Mittag vom
Hochrhein bis hinüber an den Alpenrand 4 bis 7°C). Dort hat sich bis fast hoch
zur Kölner Bucht, nach Hessen sowie Franken hohe und mittelhohe Bewölkung
ausgebreitet, die die die Einstrahlung in den nächsten Stunden mal mehr (nach
Süden hin), mal weniger (nach Norden hin) dämpfen wird. Ab dem Nachmittag zeigen
diese Wolken dann aber erkennbare Rückzugstendenzen in Richtung Süden. Apropos
Süden, in einem vergleichsweise schmalen, etwa vom Südschwarzwald bis hinüber
ins Berchtesgadener Land breitet sich heute von der Schweiz, dem Vorarlberg und
Tirol her länger andauernder Regen aus, der akkumuliert über 12 h durchaus bis
zu 10 l/qm, im unmittelbaren Grenzbereich zu CH und A teils mit orografischer
Unterstützung auch etwas mehr in die Töpfe spült.
Vom Süden in den Osten und Nordosten, wo man nicht nur dem KLT am nächsten ist,
sondern die einströmende Polarluft zwar recht trocken, aber veritabel labil
geschichtet ist. Immerhin liegt die die 500-hPa-Temperatur zur Mittagszeit um
-30°C und die Absinkinversion auf 600 bis 500 hPa hoch genug, so dass mit Hilfe
des Tagesgangs (diabatische Erwärmung der Grundschicht; erste "Geräte" sind
bereits jetzt erkennbar) zwischen Ostsee und Erz- bzw. Zittauer Gebirge
vertikale Umlagerungen meist in Form von (Graupel)Schauern, evtl. sogar kurzen
Graupelgewittern initiiert werden. Schauer und Gewitter können, müssen aber
nicht von steifen Böen 7 Bft begleitet sein, wohingegen der reine
Luftdruckgradient kaum ausreichen dürfte, Böen dieser Liga zu generieren. Noch
schwieriger wird es allerdings, die von COSMO-D2 lokal angebotenen 8er-Böen aufs
Parkett zu zaubern, zumal die Oberwinde nichts dergleichen hergeben (maximal 25
Knoten in den Niveaus 850 und 925 hPa). Grundsätzlich wird beim Wind ein
defensives Warnmanagement empfohlen.
Kommen wir nun noch vom Osten und Nordosten in den Westen respektive Nordwesten,
wo die Grenzschicht deutlich gestauchter ist als weiter östlich (Inversion
zwischen 700 und 800 hPa) und die Kaltluft zudem um Längen stabiler. Dort wird
sich heute eine trockene Mischung aus Sonnenschein und flachen Quellwolken
einstellen, in der die Temperatur aber nicht so wirklich aus dem Quark kommt.
Mehr als 16/17°C rund um Herne und Wanne-Eickel sind kaum drin, während man in
Nordseenähe ebenso wie im Osten und Nordosten sowie im stark bewölkten bzw.
regnerischen Süden mit 11 bis 14°C zufrieden sein muss. Zum Spitzenreiter könnte
sich heute der Rhein-Neckar-Raum krönen, wo sagenumwobende 18°C angesteuert
werden.

Die Nacht zum Mittwoch wird kalt, zumindest in den meisten Regionen. Frische und
meist trockene Kaltluft, Wolkenarmut, dazu der gradientschwache und somit wenig
windanfällige PAULE ergeben die optimale, wenn auch wenig wünschenswerte
Mischung für Nachtfrost. Vor allem in einem von Nordbayern über die Mitte bis in
den Norden und Westen reichenden Korridor reicht es gebietsweise für leichten
Luft- und verbreitet für leichten, lokal sogar mäßigen (unter -5°C) Bodenfrost.
Angesichts der fortgeschrittenen Jahreszeit sollte man warntechnisch eine
offensive Taktik verfolgen und nicht zu pinzig agieren. Gute Chancen auf
Luftfrostfreiheiheit haben weite Teile des Nordostens, wo zwar die Schauer zum
Erliegen kommen, dafür aber WLA auf der Rückseite des abziehenden KLTs einige
Wolken an den Start schickt. Die gibt es auch noch im Süden und Südwesten, wenn
auch tendenziell - ebenso wie der Regen - auf dem Rückzug gen Alpen. Auch die
Metropolen Westdeutschlands sowie die Nordseeküste, wo gegen Morgen
SC/ST-Bewölkung von der Deutschen Bucht her aufkreuzt, kommen um das
Minuszeichen vor den Temperaturwerten herum.

Mittwoch... verlagert sich das Zentrum des Höhenhochs zur westlichen Nordsee, wo
es sich zwar abschwächt, dafür nun aber eine ernstzunehmende Liaison mit dem
weiter südlich positionierten flachen Höhenkeil einnimmt. Unter dem Strich
ergibt das einen substanziellen Rücken, der am Tagesende von Nordwestafrika bis
zur Nordsee und von dort nach Nordwesten abbiegend bis zur Südspitze Grönlands
reicht. Da der KLT derweil die ukrainische Schwarzmeerküste anpeilt, bekommt die
weiterhin aus Nord-Nordwest kommende Höhenströmung immer antizyklonalere
Konturen.
Das Ganze bleibt natürlich nicht ohne Folgen auf unseren Freund PAUL, der zwar
weiter strikt an seiner Diät festhält (das Gewicht bleibt unter der
1030-hPa-Marke) und sein Zentrum über der Nordsee belässt, dafür aber seinen
inzwischen bis nach Griechenland reichenden Keil weiter kräftigt. Fortwährendes
Absinken drückt die Inversion im Nordwesten bis auf rund 950 hPa hinunter,
während die Grenzschicht im Südosten noch bis 700 hPa hinaufreicht.
Angesichts dieser Aussichten verwundert es nicht, dass es morgen erstens
weitgehend trocken bleibt und zweitens die Sonnenanteile bezogen auf die Fläche
gegenüber heute zunehmen. Das bedeutet aber nicht - darauf sei hier ausdrücklich
hingewiesen -, dass sich landesweit Affenhochglanz einstellt. Vor allem im Osten
und Norden ist es zeit- und gebietsweise wolkiger (teils dehnt sich die
SC-Bewölkung von der Nordsee etwas landeinwärts aus, teils bilden sich mehr oder
weniger dichte Quellungen) und in den ost- und südostdeutschen Mittelgebirgen
verirren sich vielleicht sogar ein, zwei Tropfen Regen bis zum Erdboden. Im
Süden wird es deutlich wolkenärmer als heute, gleichwohl können sich gerade in
und an den Alpen einige Cumulanten bilden. Die daraus in Einzelfällen durchaus
erwachsenden Schauer dürften aber weitgehend inneralpin runterkommen.
An der Nordostflanke des Hochkeils lebt der Nordwestwind tagesgangbedingt etwas
auf, hinzu kommt ein von Südskandinavien gen Polen schwenkender Bodentrog, der
eine temporäre Gradientverschärfung bedingt. Kurzum, an der Ostsee sowie im
nördlichen SH könnte der Wind in Spitzen Stärke 7 Bft erreichen. Weniger Kon-,
dafür mehr Indikativ bei der Temperatur, die sich - wenn auch nicht mit
Monsterschritten - nach oben orientiert. In 850 hPa erwärmt sich die Luft
absinkbedingt auf 0 bis 5°C, in 2 m Höhe reichen die Tageshöchstwerte von etwa
14 bis 20°C (Oberrhein am mildesten), abzüglich der bei dieser Windrichtung
chronisch kühlen Küste incl. vorgelagerter Inseln.

In der Nacht zum Donnerstag ändert sich nicht viel an der großräumigen
Konstellation, sieht man einmal davon ab, dass sich der Höhenrücken von Westen
her etwas ostwärts verlagert. Außerdem rückt der Hochschwerpunkt etwas dichter
ans Festland heran. Für Deutschland bedeutet das Ganze eine verbreitet klare
Nacht, in der es stellenweise noch mal leichten Luft- und verbreitet Bodenfrost
gibt. Ausgenommen davon sind der Norden und Osten, wo sich am Rande des
Hochkeils tiefe, vielfach geschlossene Bewölkung ausbreitet, deren Entstehung
u.a. dem o.e. Bodentrog sowie einem WLA-Maximum geschuldet ist, das die
Ostabdachung des Rückens südwärts abläuft. Unter den Wolken weht mitunter ein
mäßiger West- bis Nordwestwind, der in exponierten Hochlagen in Böen Stärke 7
Bft erreichen kann.

Donnerstag... erreicht der Höhenrücken endgültig Mitteleuropa und auch Meister
PAUL begibt sich nun von hoher See auf sicheres Festland, genauer gesagt
Nordwestdeutschland. Das Setup ist also hochgradig antizyklonal, was sich
freilich ebenso hochgradig auf das Wetter auswirkt. So scheint in weiten Teilen
des Landes die Sonne, auch wenn von Westen bzw. Südwesten her einige hohe, meist
aber transparente Wolken den Weg bis in den Vorhersageraum finden. Nicht ganz so
hoch wird die Sonnenscheindauer im Osten und Norden des Landes ausfallen, wo es
etwas dauert, bis die anfänglich weitgehend geschlossene tiefe Bewölkung
wegerodiert respektive perforiert ist. ICON_NEST wirft im und am Erzgebirge
sogar ein paar Tropfen Regen ab, was aber als fraglich anzusehen ist.
Weniger fraglich ist die Erholung der Temperatur, nicht nur in der unteren
Troposphäre, sondern auch in den bodennahen Luftschichten. In 850 hPa geht es
rauf auf 5 bis 10°C, einzig im Osten und Nordosten bleibt es mit 0 bis 5°C
frischer. Dort muss man mit 13 bis 18°C vorliebnehmen, während sich sonst die
Luft auf 18 bis 24°C erwärmt mit den Spitzen im Südwesten.

In der Nacht zum Freitag gelangt Deutschland auf die Rückseite der Rückenachse
unter eine west-südwestliche Höhenströmung. Dort ist schwache WLA wirksam, was
den Vorhersageraum weiterhin anfällig für hohes Gewölk, zunehmend aber auch
mittelhohe Wolken macht. Der Vorteil davon ist die abnehmende Frostgefahr.
Luftfrost sollte gar nicht mehr, Bodenfrost nur noch lokal (Osten, Südosten)
auftreten.

Modellvergleich und -einschätzung
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Die Entwicklung steht, die Unterschiede marginal.

Vorhersage- und Beratungszentrale Offenbach
Dipl. Met. Jens Hoffmann