DWD Synoptische Übersicht Kurzfrist

02-05-2020 17:01
SXEU31 DWAV 021800

S Y N O P T I S C H E Ü B E R S I C H T K U R Z F R I S T
ausgegeben am Samstag, den 02.05.2020 um 18 UTC


Markante Wettererscheinungen:
Abziehender Höhentrog => Wetterberuhigung. Am Montag Kaltluft vs. Warmluft mit
Regenfällen und Gewittern.

Synoptische Entwicklung bis Dienstag 12 UTC
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Aktuell ... ist das "Aprilwetter" im Mai gerade dabei, sich mehr und mehr zu
beruhigen. Neben der nachlassenden Wirkung des Tagesgangs spielt dabei auch die
Tatsache eine Rolle, dass der hauptverantwortliche Höhentrog bereits weite Teile
Deutschlands hinter sich gelassen hat. Trotzdem kommt es noch zu einigen
abendlichen Schauern oder Gewittern, die ihren Schwerpunkt aber mehr und mehr
gen Osten respektive zu den Alpen hin verlagern.
In der Nacht zum Sonntag gelangen wir endgültig auf die Rückseite des ostwärts
abziehenden Trogs unter eine nordwestliche Höhenströmung. Darin eingelagert ist
- quasi als Nachläufer - ein vorerst letzter kurzwelliger Anteil, der sich
zusammen mit einem flachen, von der Nordsee kommenden Bodentrog tapfer gegen den
schier übermächtig scheinenden Tagesgang stellt. Mit anderen Worten, im Osten
(abziehender Haupttrog) sowie einem von der Nordsee südostwärts bis in den
Mittelgebirgsraum reichenden Korridor kommt es noch zu einzelnen Schauern (teils
mit orografischer Hilfe), deren Ergiebigkeit aber gering ist; die
Gewitterwahrscheinlichkeit sinkt nahe null.
Etwas Niederschlag fällt auch noch im äußersten Süden, wo sich mit in der
unteren Troposphäre auf Nordwest drehenden Wind eine leichte Stausituation
einstellt. Andauernde KLA lässt die 850-hPa-Temperatur dort bis zum Morgen auf
nahe 0°C zurückgehen, was ein Absinken der Schneefallgrenze - je nach Intensität
des Niederschlags - auf 1500 bis 1000 m zur Folge hat. Da der Niederschlag
bereits in der zweiten Nachthälfte die Arbeit einstellt, dürfte nicht allzu viel
Neuschnee zusammenkommen.
Ansonsten gilt es noch zu erwähnen, dass von Westeuropa her Druckanstieg
einsetzt, der sich in der Südhälfte in einem nach Osten gerichteten Hochkeil
widerspiegelt. Dabei handelt es sich um einen Ableger des sich unweit von Island
etablierenden Hochs PAUL. Mit dem Keil geht nicht nur der Wind zusehends in die
Knie (lediglich im Nordosten noch mäßiger West-Nordwestwind), vornehmlich im
Südwesten und Süden (abgesetzt von den Alpen) lockert auch die Wolkendecke
stärker auf. Im Falle längeren Aufklarens besteht dabei Bodenfrost-, in den
westlichen und südwestlichen Mittelgebirgen stellenweise gar leichte
Luftfrostgefahr. Glätte sollte dabei kein großes Thema sein, da die Fahrbahnen
und Wege beim (späten) Erreichen des Gefrierpunktes bereits abgetrocknet sein
dürften.

Sonntag ... arbeitet sich die Atmosphäre weiter daran, die Rahmenbedingungen bei
uns auf antizyklonal zu stellen. So nähert sich von der Nordsee und Benelux her
ein flacher Rücken, der sich vergleichsweise progressiv gibt und bei
Datumswechsel den Vorhersageraum bereits knapp hinter sich gelassen hat. Darüber
hinaus dehnt sich besagter Hochkeil nach Norden aus, was ganz Deutschland in
einen gradientschwachen Bereich von etwas über 1015 hPa bringt. Leichtes
Absinken setzt ein, demzufolge sich in den westlichen Landesteilen eine schwache
Inversion aufbaut, die irgendwo (die Modellergebnisse schwanken) zwischen 650
und 800 hPa zu liegen kommt. Darunter ist die Grenzschicht weiterhin labil
geschichtet und vor allem im Norden ist der Feuchteeintrag von der Nordsee
ausreichend, um leichte Schauer oder ein paar Tropfen Regen aus dem
breitlaufenden SC (im Nordwesten) zu generieren.
Nach Osten und Südosten zu, wo man dem mittlerweile über dem östlichen
Mitteleuropa positionierten Höhentrog näher ist und eine Absinkinversion z.T.
nicht mal in Ansätzen erkennbar ist, sind Schauer trotz abnehmender Labilität
insgesamt wahrscheinlicher, wohingegen Gewitter kaum noch eine Chance haben.
In Sachen Sonnenscheindauer fallen morgen der Südwesten und Westen ins Auge, wo
Quellwolken und Lady Sunshine eine akzeptable Symbiose eingehen. Auch an der
Ostsee sowie im Norden Schleswig-Holsteins bekommt die Sonne ihre Chancen, was
u.a. an der durch das Überströmen der norwegischen Gebirge abgetrockneten
Luftmasse liegt.
Der Wind spielt nur noch eine untergeordnete Rolle, lediglich im Nordosten ist
er aus West bis Nordwest kommend noch etwas flotter unterwegs. Die
Wahrscheinlichkeit, dass an der Ostsee Windstärke 7 Bft erreicht wird, ist aber
gering. Während im Süden und Südwesten die 850-hPa-Temperatur langsam etwas
ansteigt (bis auf 5/6°C), verharrt sie in den übrigen Regionen bei 0 bis +4°C.
Für den Norden und Osten bedeutet das Höchstwerte von 11 bis 16°C, für den Rest
14 bis 19°C und für den Oberrheingraben lokal 20°C.

In der Nacht zum Montag dreht die Höhenströmung rückseitig des Rückens und
vorderseitig eines neuen, von der Nordsee heranschwenkenden Troges zurück auf
westliche Richtungen. Dabei weist sie über dem Vorhersageraum eine leicht
diffluente Struktur auf. Hinzu kommt etwas WLA, die die Annäherung einer
Warmfront signalisiert, welche zu einem Tiefkomplex nördlich der Azoren gehört.
Darüber hinaus findet man im Grenzbereich von Frankreich zu Belgien ein kleines
Tief, an das die Warmfront spätestens am Montag angebunden werden kann und ihr
somit das Aussehen einer Warmfrontwelle verleiht.
Wie auch immer, die Hochdruckzone wird ostwärts abgedrängt und von Westen her
setzen Regenfälle ein, die sich allmählich ostwärts ausbreiten. Quantität und
räumliche Verteilung des Regens sind aufgrund von Modellunterschieden und
Konsistenzschwächen noch fragil, warnwürdige Mengen zeichnen sich aber so oder
so nicht ab.
Nach Osten hin, gebietsweise auch im Norden lockert die Wolkendecke nach Abzug
letzter Restschauer z.T. für längere Zeit auf, was bei schwachem Wind eine
spürbare Abkühlung nach sich zieht. Gebietsweise kühlt es in Bodennähe auf
Gefrierpunktnähe ab, lokal sogar etwas darunter.

Montag ... greift der o.e. Höhentrog auf Deutschland über. Dabei ist in breitem
Strome KLA wirksam, die vor allem in Norddeutschland zu Druckanstieg führt,
wodurch sich ein Keil des atlantischen Hochs PAUL (den es übrigens in Richtung
UK zieht) über der Nordsee bilden kann. Am Rande des Keils respektive des Hochs
selbst gelangt auf direktem Wege leicht labil geschichtete, aber auch
abgetrocknete Polarluft in den äußersten Norden (T850 am Abend um -3°C).
Nennenswerte Konvektion ist damit nicht möglich, so dass an den Küsten sowie im
angrenzenden Binnenland neben einigen flachen Quellwolken die Sonne scheint.
Dabei frischt der Nordwest- bis Nordwind über der Deutschen Bucht merklich auf,
was den Nordfriesischen Inseln, den Halligen und Helgoland ab dem Nachmittag die
eine oder andere steife Böe 7 Bft, Sylt gegen Abend vielleicht sogar ´ne
stürmische Böe 8 Bft beschert.
Während also im Norden kalte Luft versucht, Boden nach Süden hin gutzumachen,
schaufelt der o.e. Tiefkomplex bei den Azoren warme und potenziell instabile
Subtropikluft nord-nordostwärts, was vor allem über Westeuropa, mit Abstrichen
aber auch bei uns eine frontogenetische Situation entstehen lässt. Um 18 UTC
beträgt der Temperaturgradient in 850 hPa immerhin rund 13 Grad: im äußersten
Norden -3°C, an der Grenze zur Schweiz +10°C. Die Mitte etabliert sich dabei als
Demarkationslinie, zieht doch das kleine, von Belgien kommende Wellentief
(wahrscheinlich wird es zwei lokale Druckminima geben) mit der zugehörigen
Luftmassengrenze über die mittleren Regionen hinweg nach Osten.
Auf der kalten Seite der Front kommt es von West nach Ost verlagernd zu
schauerartig verstärktem Regen (die KLA wird auf der diffluenten Trogvorderseite
von PVA teilweise überkompensiert, außerdem sind vorübergehend günstige
Scherungsbedingungen wirksam (bis 900 hPa nördliche, darüber südwestliche bis
westliche Winde). Ob die Labilität der postfrontalen Luftmasse ausreicht, ein
oder zwei eingelagerte Gewitter zuzulassen, ist derzeit noch fraglich. Fakt ist,
dass die Voraussetzungen für konvektive Umlagerungen in der warmen und feuchten
Subtropikluft der Südhälfte ungleich besser sind. Feuchte (PPWs von 20 bis 25
mm, spez. F. bis 10 g/kg) und Labilität (Lapse Rates -0,6 bis -0,65 K/100 m
nicht mordmäßig labil, aber immerhin labil) führen zum Aufbau einiger 100 J/kg
ML-CAPE, die zudem von extrem solider LLS (teils etwas über 10 m/s) und DLS
(teils um 30 m/s) begleitet werden. Somit sind unter der immer noch diffluenten
Höhenströmung mit Hilfe der Orografie sowie später auch der südostwärts
schwenkenden Kaltfront einige durchaus organisierte Gewitter (markant) zu
erwarten. Allerdings ist das letzte Wort dazu noch nicht gesprochen, weil sich
die Modelle offensichtlich erst noch so richtig auf diese durchaus diffizile
Wetterlage einstellen müssen. Auf alle Fälle agierten das sonst so
konvektionsfreudige GFS ebenso wie das Super-HD-Anschlussmodell (zeigt einzelne
Gewitter auch im Osten) defensiver als ICON. Interessant wird die Wetterlage zum
Wochenstart allemal.
Während im Norden und auch bei länger andauerndem Regen die 15°C-Marke nicht
erreicht, geschweige denn überschritten wird, reicht es im übrigen Land für
Maxima zwischen 15 und 20°C, im Südwesten mit etwas Sonnenunterstützung bis zu
22°C.

In der Nacht zum Dienstag verlagert sich der Höhentrog nur zögerlich nach Osten.
Dagegen wird das flache Bodentief recht zügig vom andauernden Druckanstieg
Richtung Polen abgeschoben und durch einen von der Nordsee sich weit nach
Südosten erstreckenden Bodenkeil ersetzt. Auf seiner Ost- bzw. Südflanke setzen
sich landesweit nördliche Winde durch, die die Kaltfront des abziehenden Tief
nach Süden in Richtung Alpen drücken. Damit ziehen sich anfänglich noch im Osten
und Süden auftretenden, teils gewittrigen Niederschläge immer mehr an die Alpen
respektive das südliche Vorland zurück.
In der postfrontal einfließenden Polarluft - in der Nordhälfte sinkt die
850-hPa-Temperatur auf rund -5°C - lockert die Wolkendecke teilweise auf. Dort,
wo das für längere Zeit der Fall ist (z.B. Norddeutsche Tiefebene, Teile der
Mitte), ist lokal leichter Luftfrost möglich und gebietsweise leichter
Bodenfrost wahrscheinlich. In Küstennähe hingegen wären in höhenkalter Luft
(T500 um oder sogar unter -30°C) einzelne Schauer oder sogar kurze Gewitter
keine ganz große Überraschung. Gleiches gilt für den Wind, der an und über der
Nordsee sowie der westlichen Ostsee in Böen Stärke 7 Bft erreicht.

Dienstag ... verlagert das atlantische Hoch - wir sprechen immer noch von PAUL -
seinen Schwerpunkt nach Schottland bzw. zur westlichen Nordsee. Der zugehörige,
nach Südosten gerichtete und mitten über Deutschland verlaufende Keil verstärkt
sich noch etwas auf über 1020 hPa am Ende des Tages. Derweil hat es der
korrespondierende Höhenrücken schwer, sich von Westeuropa her gegen den nur
langsam nach Osten weichenden Höhentrog (der mittlerweile ein eigenständiges
abgeschlossenes Drehzentrum aufweist) durchzusetzen. Trotzdem nehmen die
Sonnenanteile in der relativ trockenen Polarluft (T850 um 12 UTC verbreitet -4
bis 0°C) zu, auch wenn sich unterhalb der zwischen 750 und 850 hPa
positionierten Absinkinversion Quellungen bilden. Nach Osten und Nordosten zu
ist die Sperrschicht allerdings zu schwach oder gar nicht existent, was die
Bildung einzelner Schauer zulässt und tendenziell auch weniger Sonnenschein
bedeutet.
Eine Sonderstellung in dem Ganzen nehmen der äußerste Süden und Südwesten ein,
wo die Kaltluft gar nicht richtig hinkommt (T850 +2 bis +6°C). Die
Luftmassengrenze liegt quasistationär über den Alpen, immer bereit, bei
entsprechender Unterstützung (z.B. durch kurzwellige Tröge oder Wellen)
zuzuschlagen. Ob sie das am Dienstag wirklich tut, ist derzeit noch offen. Mann
und Frau sollten sich aber nicht wundern, wenn im Süden Bayerns und BWs die
Sonne nicht allzu häufig oder sogar überhaupt nicht zu sehen ist und es
stattdessen hin und wieder regnet.
Im Osten und Nordosten weht ein mitunter ruppiger Nordwestwind mit Spitzen 6-7
Bft, sonst spielt der Wind keine prominente Rolle. Die Temperatur erreicht
Höchstwerte von 12/13°C im Nordosten und bis knapp 20°C im Südwesten. Zur
Erinnerung: Am vergangenen Wochenende haben viele mittelfristigen Prognosen eine
erste Hitzewelle für die erste Wochenhälfte bei uns vorhergesagt. Davon ist
nicht viel, um nicht zu sagen, rein gar nichts übriggeblieben. So kann´s gehen
in der Wettervorhersage oder wie Spötter gerne mal bemerken: "Wetter ist nicht
vorhersagbar." In dem Sinne einen schönen Abend!


Modellvergleich und -einschätzung
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Die Basisfelder werden von den verschiedenen sehr ähnlich simuliert. Trotzdem
ist die Detailentwicklung insbesondere am Montag noch mit einigen Unschärfen
(vor allem hinsichtlich der Regen- und Gewitterverteilung) versehen.


Vorhersage- und Beratungszentrale Offenbach
Dipl. Met. Jens Hoffmann