DWD Synoptische Übersicht Kurzfrist

01-05-2020 17:30
SXEU31 DWAV 011800

S Y N O P T I S C H E Ü B E R S I C H T K U R Z F R I S T
ausgegeben am Freitag, den 01.05.2020 um 18 UTC


Markante Wettererscheinungen:
Aprilwetter Anfang Mai - morgen Trogpassage mit Schauern und Gewittern, dabei
kühl und recht windig. Am Sonntag etwas Beruhigung, am Montag wahrscheinlich
aber schon wieder ein neuer Trog.

Synoptische Entwicklung bis Montag 12 UTC
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Aktuell ... zeigt der Blick auf Deutschland aus der Remote-Sensing-Perspektive
ein relativ erfreuliches Bild. Mit südwestlicher Strömung zogen und ziehen
Schauer oder Meso-Beta-Regengebiete sowie einzelne Gewitter übers Land, die dem
Start in den neuen Monat zumindest regionsweise eine zwar nicht überbordende, so
doch aber solide Niederschlagsbilanz bescheren. So fielen z.B. von heute 08:00
bis 18:00 MESZ in Teilen des Saarlands 15 bis 20 l/qm und auch das chronisch
trockene Rhein-Main-Gebiet konnte stellenweise bis zu 10 l/qm auf der Habenseite
verbuchen. Es soll aber nicht verschwiegen werden, dass es bezogen auf den
heutigen Tag auch reichlich Verlierer gibt. U.a. von Ostwestfalen über das
südliche Niedersachsen bis hinüber zur Lausitz bzw. zur Uckermark stehen aktuell
nicht selten 0.0 l/qm auf der Tageskarte der jeweiligen Messstationen. Mal
sehen, wie am Sonntagabend die Wochenbilanz ausfallen wird.
Der Grund für die Regenfälle liegt in der Großwetterlage, die zum einen zyklonal
aufgestellt ist, zum anderen mit mehr oder weniger feuchten Luftmassen hantiert,
die vom Atlantik zu uns gesteuert werden. Die Frontalzone verläuft dabei relativ
weit südlich, was erklärt, warum die atlantischen Luftmassen ziemlich unterkühlt
und alles andere als warm bei uns ankommen. So liegt die 850-hPa-Temperatur
heute Abend etwa zwischen 0 und +4°C, Tendenz bis zum Samstagmorgen noch etwas
zurückgehend. Ansonsten fällt der breite, aber kaum amplifizierte Höhentrog über
der Nordsee sowie bzw. Westeuropa ins Auge, von dem aus sich immer wieder
kurzwellige Anteile lösen, um ost-nordostwärts über den Vorhersageraum (oder
besser Teile davon) hinwegzuschwenken. Korrespondierend zum Trog befindet sich
über der Nordsee und Umgebung das steuernde Bodentief ZLATINA, das eher durch
Trägheit denn Mobilität auffällt und nur langsam sein Zentrum gen Osten
verlagert.
Auf seiner Südflanke bleibt die südwestliche Bodenströmung erhalten, die
tagesgangbedingt aber an Stärke einbüßt, so dass auf Warnungen zumindest in
tiefen Lagen vorübergehend verzichtet werden kann. Im höheren Bergland kommt es
in der Nacht aber zu Böen 7-8 Bft, exponiert bis zu 9 Bft. Niederschlags- und
gewittertechnisch sind wie beim Wind Abschwächungstendenzen erkennbar, ganz zum
Erliegen kommen die Schauer aber nicht. Insbesondere in der Nordhälfte, wo die
kurzwelligen Sekundär- und Tertiärtröge am aktivsten sind, ist mit einem Refresh
der Schaueraktivität von Westen her zu rechnen. Einzelne Gewitter sind dabei
nicht ausgeschlossen, insgesamt aber weniger wahrscheinlich als tagsüber.

Samstag ... kommt die Progression des gesamten Strömungsmusters allmählich aus
der Hufe. So entert Bodentief ZLATINA südskandinavisches Festland, während die
Hauptachse des o.e. breiten Höhentrogs den Vorhersageraum ostwärts überquert.
Derweil baut sich über dem nahen Ostatlantik und Südwesteuropa ein ebenfalls
recht breit angelegter Rücken auf, dem zudem solide meridionale
Wachstumsprognosen attestiert werden können.
Fakt ist, dass die Nordhälfte vorübergehend in den Genuss höhenkalter und labil
geschichteter Meeresluft gelangt (T500 -25 bis -29°C über T850 um 0°C), in der
sich ein reges, mangels Scherung aber vergleichsweise anarchisches konvektives
Geschehen mit Schauern und kurzen Gewittern einstellt. Neben steifen Böen 7 Bft
sowie Graupel ist schlechtestenfalls auch mal eine stürmische Böe 8 Bft dabei.
Warum COSMO-D2 von 12 UTC für die Mitte Spitzenböen der Stärke 9-10 Bft im
Angebot hat, ist so direkt nicht erkennbar. Die Höhenwinde der unteren
Troposphäre jedenfalls können nicht als Begründung herhalten, liegen diese doch
maximal bei 25 bis 30 Kt (925 und 850 hPa).
Feucht und labil (weniger Höhenkaltluft, dafür niedertroposphärisch wärmer) ist
die Luft auch ganz im Süden, grob südlich der Donau respektive in Südbaden.
Entsprechend auch dort mit Unterstützung des Tagesgangs auflebende Konvektion,
die bei höheren Scherwerten als im Norden zwar etwas besser organisiert sein
kann, mangels ausreichend Energie (ML-CAPE wenn überhaupt nur wenig über 100
J/kg) aber keine großen Sprünge zulässt. Wenn´s hochkommt, reicht es mal für
eine stürmische Böe 8 Bft.
Am trockensten und wenigsten labil ist die einströmende Luftmasse etwa zwischen
Donau und Main (PPW um oder unter 10 mm, spez. Feuchte in der Grundschicht meist
unter 5 g/kg, Taupunkte teils unter 0°C), was die Modellwelt unisono mit
geringen bis gar nicht vorhandenen konvektiven Umlagerungen würdigt. Oder mit
anderen Worten, dort bleibt es weitgehend trocken bei einer gepflegten Mischung
aus Quellungen und sonnigen Abschnitten.
Bliebe noch der Wind, der von Südwest auf West bis Nordwest rechtdreht und mit
Hilfe des Tagesgangs sowie konvektiver Unterstützung nochmalig auflebt. Vor
allem etwa südlich einer Linie Haselünne-Hannover-Berlin muss insbesondere, aber
nicht ausschließlich in Verbindung mit Schauern/Gewittern mit steifen Böen 7
Bft, in höheren Lagen vereinzelt 8 Bft gerechnet werden. Auch im o.e. weitgehend
trockenen Streifen zwischen den beiden großen Flüssen kann die eine oder andere
steife Böe 7 Bft am Start sein.
Thermisch bleibt die Erwartungshaltung gedämpft, mehr als 10 bis 17°C gibt die
wolkenreiche atlantische Luftmasse nicht her.

In der Nacht zum Sonntag gelangen wir auf die Rückseite des ostwärts abziehenden
Trogs unter eine nordwestliche Höhenströmung. Darin eingelagert ist ein weiterer
kurzwelliger Anteil, der sich zusammen mit einem flachen Bodentrog tapfer gegen
den konvektionshemmenden Tagesgang stellt, dabei wohl aber nur kleine
Teilerfolge erzielen wird. Im Klartext, im Osten (abziehender Haupttrog) sowie
in einem von der Nordsee südostwärts bis in den Mittelgebirgsraum reichenden
Korridor kommt es noch zu einzelnen Schauern (teils mit orografischer Hilfe),
die Ergiebigkeit ist aber gering und die Gewitterwahrscheinlichkeit sinkt nahe
null.
Der meiste Niederschlag wird modellübergreifend und synoptisch gut
nachvollziehbar für den Alpenrand simuliert, wo sich mit in der unteren
Troposphäre auf Nordwest drehenden Wind eine leichte Stausituation einstellt.
Andauernde KLA lässt die 850-hPa-Temperatur dort bis zum Morgen auf nahe 0°C
zurückgehen, was ein Absinken der Schneefallgrenze - je nach Intensität des
Niederschlags - auf 1500 m oder noch etwas darunter zur Folge hat.
Ansonsten setzt von Westeuropa her Druckanstieg ein, der sich in der Südhälfte
in einem nach Osten gerichteten Hochkeil widerspiegelt. Dabei geht nicht nur der
Wind zusehends in die Knie (lediglich im Nordosten noch mäßiger
West-Nordwestwind), vornehmlich im Südwesten und Süden (abgesetzt von den Alpen)
lockert auch die Wolkendecke stärker auf. Im Falle längeren Aufklarens besteht
dabei Bodenfrost-, in den südwestlichen Mittelgebirgen stellenweise gar
Luftfrostgefahr.

Sonntag ... nehmen die Bemühungen der Atmosphäre, die Rahmenbedingungen auf
antizyklonal zu stellen, weitere Formen an. Die Wellenlänge zwischen dem über
dem östlichen Mitteleuropa liegenbleibenden Höhentrog und dem sich von Westen
nähernden Rücken verkürzt sich, wobei Deutschland unter einer nordwestlichen
Höhenströmung verbleibt. Etwaige KW-Tröge sind darin nicht mehr auszumachen,
stattdessen nehmen die Isohypsen eine zunehmend antizyklonale Krümmung an.
Im Bodendruckfeld greift von Westen her eine schwache Hochdruckzone über (um
1020 hPa), die die Fortsetzung eines stationären Hochs mit Schwerpunkt südlich
von Island darstellt. Leichtes Absinken setzt ein, demzufolge sich in den
westlichen Landesteilen eine schwache Inversion zwischen 650 und 700 hPa
aufbaut. Damit liegt sie etwa 5000 bis 7000 Fuß über der Nullgradgrenze, was zur
Bildung einzelner lascher Schauer hinreichend wäre, sofern noch genug
Feuchtigkeit da ist. ICON simuliert diesbezüglich defensiv, ergo weitgehend
trocken, während GFS und IFS vornehmlich im Nordwesten noch einige Schauer
zulassen. Nach Osten und Südosten zu, wo man dem Höhentrog näher ist und eine
Absinkinversion z.T. nicht mal in Ansätzen erkennbar ist, sind Schauer insgesamt
wahrscheinlicher. Auf der anderen Seite nimmt aber auch die potenzielle
Sonnenscheindauer gegenüber den Vortagen zu, wobei Südwestdeutschland (etwa
zwischen Eifel und Schwarzwald bzw. Schwäbischer Alb) sowie der unmittelbare
Küstensaum und die vorgelagerten Inseln (Stabilitätseffekt durch "kaltes"
Oberflächenwasser) die besten Karten haben.
Der Wind spielt nur eine untergeordnete Rolle, lediglich im Nordosten ist er aus
West bis Nordwest so flott unterwegs, dass an der vorpommerschen Küste und auf
Fehmarn ein paar steife Böen 7 Bft nicht ganz ausgeschlossen sind. Nahezu
ausgeschlossen sind dagegen Temperaturen jenseits der 20°C-Marke. Zwar geht es
gegenüber Samstag etwas bergauf, bei 850-hPa-Werten von gerade mal 0 bis +4°C
sind aber nicht mehr als 12 bis 18°C möglich. Lediglich im Rheintal nähert sich
das Thermometer an der einen oder anderen Stelle zaghaft und bescheiden den 20°C
an.

In der Nacht zum Montag dreht die Höhenströmung nicht nur etwas zurück auf
westliche Richtungen, sie wird auch glatter und über dem Vorhersageraum leicht
diffluent. Hinzu kommt im Südwesten etwas WLA, was dort für einen dynamischen
Hebungsimpuls mit dichten Wolken und gebietsweise Regen hinreichend ist. Sicher
ist diese Vorhersage aber keineswegs, wurde der Regen in den Vorläufen doch eher
im Nordwesten gesehen. Immerhin zeichnet GFS von 06 UTC ein ähnliches Bild und
auch IFS von 00 UTC ist mit seinem leichten Niederschlag im Süden Bayerns und
BWs nicht so weit weg.
Ansonsten lockert die Wolkendecke nach Abzug letzter Restschauer z.T. für
längere Zeit auf, was bei schwachem Wind eine spürbare Abkühlung nach sich
zieht. Gebietsweise kühlt es in Bodennähe auf Gefrierpunktnähe ab, lokal sogar
etwas darunter. Nur an der Ostsee bleibt noch etwas Wind (nicht warnwürdig) aus
westlichen Richtungen übrig.

Montag ... knallt von der Nordsee und Benelux her der nächste Höhentrog zu uns
rein. Gleichzeitig stellt sich eine frontogenetische Situation ein; während am
Rande des o.e. Hochs südlich Islands maritime Polarluft südwärts gesteuert wird,
lenkt ein Tief weit westlich der Biscaya warme bis heiße Luft nord-nordostwärts.
Bezogen auf Deutschland bedeutet das, dass der Temperaturgradient in 850 hPa
ansteigt, um 12 UTC reicht die Spanne von rund -2°C im äußersten Norden bis zu
+6/7°C im äußersten Süden. In der Mitte etabliert sich dabei eine zonal
exponierte Tiefdruckrinne, die wie eine Trennlinie zwischen den Luftmassen
wirkt. Allerdings soll an dieser Stelle nicht verschwiegen werden, dass
hinsichtlich der Details noch einige Fragen offen sind. Es deutet sich aber ein
wechselhafter Tag mit schauerartigen Regenfällen und Gewittern an bei vor allem
nach Norden hin unterkühlten Temperaturen.


Modellvergleich und -einschätzung
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Im Großen und Ganzen ziehen die Modelle an einem Strang. Gleichwohl nehmen die
Detailunterschiede mit zunehmendem Prognosezeithorizont zu.


Vorhersage- und Beratungszentrale Offenbach
Dipl. Met. Jens Hoffmann