DWD Synoptische Übersicht Kurzfrist

29-04-2020 17:01
SXEU31 DWAV 291800

S Y N O P T I S C H E Ü B E R S I C H T K U R Z F R I S T
ausgegeben am Mittwoch, den 29.04.2020 um 18 UTC


Markante Wettererscheinungen:
Kühles und zeitweise windiges Schauerwetter, einzelne kurze Gewitter, dabei
Gefahr von stürmischen Böen.

Synoptische Entwicklung bis Samstag 12 UTC
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Aktuell ... liegt Deutschland unter einer west- südwestlichen und leicht
mäandrierenden Strömung, die die Frontalzone darstellt. Ein darin eingelagerter
schwacher Trog überquert am Abend und in der ersten Nachthälfte das
Vorhersagegebiet, gefolgt von einem flachen Rücken und einen weiteren, markanten
Trog, der die Britischen Inseln überquert und bis Donnerstagfrüh bereits die
Benelux-Staaten und Ostfrankreich erreicht hat. Der heutige Trog macht sich im
Norden und Osten Deutschlands in Form von einer leichten Labilisierung
bemerkbar. Zudem wird die über dem Norden noch vorhandene flache Tiefdruckrinne
etwas aktiviert, so dass sich einzelne, wenn auch schwache Gewitter entwickeln.
Dabei handelt es sich in der Regel um kurzlebige Einzelzellen. In den
Abendstunden dürfte die Konvektion ohnehin in sich zusammenfallen. Vor allem
mitteltroposphärisch macht sich von Westen und Süden her schwacher
antizyklonaler Einfluss bemerkbar. Dies dämpft die Schauertätigkeit zusätzlich.
Tagesgangsbedingt flaut ab dem Abend auch der Wind zusehends ab.
In der Nacht zum Donnerstag greift das dem nachfolgenden Trog vorgelagerte,
mittlerweile weitgehend okkludierte Frontensystem (mit Kaltfrontcharakter) auf
den Nordwesten und Westen Deutschlands über. Hierdurch setzen schauerartige
Niederschläge bereits gegen Mitternacht ganz im Nordwesten und Westen ein, die
bis Donnerstagfrüh sich bis zu den nördlichen und zentralen Mittelgebirgen
ausweiten. Weiter nach Osten hin sowie im Südosten bleibt es noch
niederschlagsfrei. Die Schichtung ist nicht allzu labil, aber aufgrund der
kräftigen trogvorderseitigen Hebung, die hauptsächlich aus positiver
Vorticityadvektion resultiert, können einzelne eingelagerte Gewitter nicht
ausgeschlossen werden. Dabei besteht Gefahr von Sturmböen. Die
Wahrscheinlichkeit hierfür ist jedoch nur sehr gering. Ansonsten sind Böen bis
Sturmstärke auf die Gipfellagen der Mittelgebirge beschränkt.

Donnerstag ... schwenkt der Trog von den Benelux-Staaten kommend über den
Nordwesten Deutschlands hinweg nordostwärts. Diesem folgt ein weiterer Trog, der
von einem Zentraltief über Nordengland ausgehend nach Mittelfrankreich gerichtet
ist. Über dem Vorhersagegebiet bleibt somit eine südwestliche Strömung bestehen.
Diese bewirkt, dass der Norden von der Okklusionsfront weitgehend überquert
wird, aber nach Süden hin frontales Schleifen einsetzt. Präfrontal wird die
leicht labile Luftmasse gehoben, so dass sich im Nordosten und Osten sowie auch
im Südosten einzelne Gewitter entwickeln. Gegenüber heute sind CAPE (bis 500
J/kg) und auch die Scherung etwas ausgeprägter, so dass der Organisationsgrad
der Konvektion höher sein dürfte. Die Zellen sind etwas langlebiger; markant zu
bewarnende Gewitter (aufgrund von Sturmböen) sind somit wahrscheinlicher als
heute. Die Wahrscheinlichkeit für unwetterartige Entwicklungen ist jedoch
gering. Aber auch der Nordwesten, d.h. der Bereich des durchschwenkenden Troges,
sollte nicht außer Acht gelassen werden. Dort dürfte es sich um kurze
Kaltluftgewitter handeln, die zwar nicht so hochreichend sind, aber ebenfalls
mit Böen bis Sturmstärke einhergehen können.
Im Westen und Südwesten ist die Schichtung weniger labil (aber auch nicht
richtig stabil), so dass dort die Wahrscheinlichkeit für konvektive Umlagerungen
geringer ist.
Das Durchschwenken des Troges macht sich auch im Bodendruckfeld bemerkbar. Der
Gradient zieht hierdurch an, im Nordwesten, Westen und in Teilen der Mitte sind
Windböen, im Bergland stürmische Böen und auf exponierten Berggipfeln Böen bis
Sturmstärke zu erwarten. Hier ist die durch den Tagesgang bedingte Windzunahme
mit eingerechnet.
Auflockerungen kommen am ehesten im Nordwesten sowie ganz im Osten und Südosten
zustande. Ansonsten sind, abgesehen von den Leegebieten der Mittelgebirge,
größere Wolkenlücken selten. In der Lausitz und in Niederbayern sowie im
östlichen Oberbayern werden noch einmal Maxima um 20 Grad erreicht, im großen
Rest des Landes bewegen sich die Temperaturen zwischen 13 und 18 Grad.
In der Nacht zum Freitag verlagert sich das Zentraltief in die Nordsee, was den
von diesem Tief ausgehenden Trog auf den Nordwesten und Westen Deutschlands
übergreifen lässt. Weiter stromaufwärts zeichnet sich eine Zonalisierung ab. Mit
der Annäherung dieses Troges legt die Strömung zu, so dass das über dem Süden
und Südosten noch leicht schleifende Frontensystem nach Osten abgedrängt wird.
Positive Vorticityadvektion und die hieraus resultierende Hebung, bedingt durch
einen weit südlich nach Nordosten ablaufenden Kurzwellentrog, bewirkt eine
Intensivierung der frontalen Niederschläge im Süden und Südosten Deutschlands.
Am östlichen Alpenrand kann Starkregen nicht ganz ausgeschlossen werden, wobei
dann das 6-std. Kriterium anzusetzen wäre. Anfangs können in diese Niederschläge
noch einzelne Gewitter eingelagert sein, wenngleich aufgrund der geringeren
Labilität die Wahrscheinlichkeit hierfür nicht allzu hoch ist.
Ansonsten bleibt im Nordwesten und Westen der kräftige Gradient bestehen. Für
warnrelevante Böen sollte es aber nur in freien Lagen im Nordwesten reichen, auf
höheren Berggipfeln der nördlichen, westlichen und zentralen Mittelgebirge sind
nach wie vor Böen bis Sturmstärke möglich. Der nordostwärts durchschwenkende
Trog lässt die Schauertätigkeit erneut aufleben, wobei dies in Ermangelung des
Tagesganges nur abgeschwächt erfolgen sollte. Für kurze Gewitter würde es daher
nur in Nordseenähe reichen.

Freitag ... verbleibt Deutschland unter einem breiten Trog, so dass sich eine
zyklonale Westströmung ergibt. Das Zentraltief, von welchem dieser Trog ausgeht,
verlagert sich bis Freitagabend über die Nordsee hinweg nach Jütland. An dessen
Südflanke frischt, gestützt durch den Tagesgang, der Wind auf. Verbreitet sind
Windböen, im Nordwesten und in Teilen der Mitte in freien Lagen auch stürmische
Böen zu erwarten, auf höheren Berggipfeln muss mit Böen bis Sturmstärke
gerechnet werden.
Mit der zunehmenden Zyklonalität kommt von der Nordsee und später auch von
Westen her wieder eine rege Schauertätigkeit bis hin zu kurzen Gewittern in
Gang. Diese können bei einem Oberwind im 850 hPa-Niveau bis 40 kt mit Böen bis
Sturmstärke einhergehen. Ganz im Süden wird durch eine kurzwelligen, nach Osten
ablaufenden Teiltrog, der die erforderliche Hebung beisteuert, die über den
Alpen schleifende Front reaktiviert, so dass in der zweiten Tageshälfte von
Südwesten her im Südwesten und ganz im Süden kräftigere Niederschläge aufkommen.
Dabei können einzelne eingelagerte Gewitter nicht ausgeschlossen werden,
wenngleich die Labilität hierfür nicht allzu hoch ist. Starkregen ist dagegen
als eher wahrscheinlich anzunehmen, wobei auch hier das 6-std. Kriterium zum
Ansatz kommen sollte.
Auflockerungen sind in einem breiten Streifen vom westlichen Mittelgebirgsraum
bis zur Ostseeküste und zur Oder am wahrscheinlichsten. Im Nordwesten lässt der
Trog nur wenige Wolkenlücken zu, im Süden sorgt die über den Alpen schleifende
Front für eine weitgehend dichte Wolkendecke. Mit Hilfe der Sonne sind
Tageshöchsttemperaturen um 18 Grad möglich, ansonsten bleibt es mit 10 bis 16
Grad eher kühl.
In der Nacht zum Samstag bleibt die zyklonale Westströmung bestehen. Der o.g.
Trog schwenkt weiter nach Osten, in der relativ glatten Strömung lassen sich
kaum Strukturen finden, die synoptisch interessant wären. Somit bleibt nur, auf
Erhaltungstendenz zu setzen. Ganz im Süden sorgt die über den Alpen schleifende
Front weiterhin für kräftige Niederschläge bis hin zum Starkregen. Dort ist auch
noch etwas Labilität vorhanden, so dass diese Niederschläge konvektiv durchsetzt
mit eingelagerten Gewittern sind. Im Norden ergibt sich durch den breiten Trog
und die dort vorhandene Labilität (mit Temperaturen im 500 hPa-Niveau bis -28
Grad) ebenfalls eine rege Schauertätigkeit bis hin zu kurzen Kaltluftgewittern.
In den Gebieten dazwischen lässt kompensierendes Absinken den Himmel verbreitet
aufklaren. Dabei stellen sich durchweg Tiefsttemperaturen im einstelligen
Bereich ein.

Samstag ... läuft in den wetterbestimmenden Trog ein neuer Trog hinein, der die
Britischen Inseln überquert und den bisherigen Trog regeneriert. Der neue Trog
tritt dann als markanter Sekundärtrog in Erscheinung, der bis zum Abend den
äußersten Westen Deutschlands erreicht. Ein leichtes Rückdrehen der Strömung
lässt die über den Alpen schleifende Front rückläufig werden; möglicherweise
kommt an dieser Front eine Wellenbildung zustande. Hierdurch gewinnt die ganz im
Süden liegende labil geschichtete Luft wieder etwas an Boden und erfasst nahezu
den gesamten Südwesten und Süden Deutschlands. Die Welle (sofern sich eine
bilden sollte) gelangt an den linken Ausgang des Jets, etwas CAPE (bis über 300
J/kg) ist auch vorhanden, die Scherung ist gut ausgeprägt und das
Hebungskondensationsniveau sinkt auf etwa 600 m. Das Potential für kräftigere
konvektive Umlagerungen ist somit gegeben, wenngleich aufgrund des geringen
Gehalts an niederschlagbarem Wasser (bis etwa 20 mm) unwetterartige
Entwicklungen noch nicht unbedingt auftreten sollten. Dabei dürfte es sich im
Wesentlichen um eingelagerte Gewitter handeln. Im späteren Tagesverlauf greift
dann der Trog in das Wettergeschehen ein, so dass dann auch von Westen her mit
konvektiven Umlagerungen zu rechnen ist. Relativ wenig Niederschlag zeichnet
sich dagegen im Nordosten und im Lee der östlichen Mittelgebirge ab.
Bedingt durch die westliche bodennahe Strömung und mit Unterstützung durch den
Tagesgang kommen im Westen, Südwesten und in Teilen der Mitte in freien Lagen
Windböen auf. Der Gradient gibt derartige Böen noch nicht unbedingt her. Auf
höheren Berggipfeln sind stürmische Böen möglich.
Aufgrund der Durchmischung im Trogbereich sind Auflockerungen wahrscheinlicher
als am Vortag. In den mittleren Gebieten und nach Nordosten hin sind auch
vorübergehend sonnige Abschnitte vorstellbar. Nach Süden zu sind aufgrund der
o.g. frontalen Prozesse Wolkenlücken eher selten. Mit Tageshöchsttemperaturen
zwischen 12 und 18 Grad bleibt es relativ kühl.


Modellvergleich und -einschätzung
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Die vorliegenden Modelle stützen bis Samstagfrüh weitgehend die oben
beschriebene Entwicklung. Anhand der synoptischen Basisfelder lassen sich keine
prognoserelevanten Unterschiede ableiten.
Danach, d.h. am Samstag, lassen EZMW(00) und auch GFS den Trog, der nach ICON
vorerst nur den äußersten Westen Deutschlands erreichen soll, rascher ostwärts
und somit bereits auf Deutschland übergreifen. Die oben beschriebene Entwicklung
könnte hierdurch etwas rascher vonstattengehen. Ob dann hinsichtlich der
Entwicklung Gewitter noch der Tagesgang behilflich werden kann, ist noch nicht
sicher.


Vorhersage- und Beratungszentrale Offenbach
Dipl. Met. Thomas Schumann