DWD Synoptische Übersicht Mittelfrist

17-04-2020 11:01

S Y N O P T I S C H E Ü B E R S I C H T M I T T E L F R I S T
ausgegeben am Freitag, den 17.04.2020 um 10.30 UTC



Zunächst meist sonniges und trockenes Frühlingswetter, ab Freitag von Westen
voraussichtlich unbeständiger, sehr mild, teils warm.
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Synoptische Entwicklung bis zum Freitag, den 24.04.2020


Zu Beginn des mittelfristigen Zeitraums am kommenden Montag liegt Deutschland
nach den neusten Berechnungen des deterministischen IFS ausgehend von einem
Höhenhoch vor Norwegen im Einflussbereich eines breiten Rückens, der sich bis
nach Nordafrika erstreckt und am Boden mit einem kräftigen Hoch über der Nordsee
korreliert. Vorderseitig stützt der Rücken einen Langwellentrog von
Nordwestrussland bis nach Südosteuropa, der sich allmählich weiter nach Osten
verlagert und kaum noch Wetteraktivität im Bundesgebiet hat. Zwischen dem Rücken
und dem Langwellentrog liegt weiter eine nördliche Strömung vor, die sich auf
der Südostflanke des Bodenhochs bis in tiefere Troposphärenschichten durchsetzt.
Entsprechend fließt in die Osthälfte noch Kaltluft polaren Ursprungs ein,
während im Südwesten schon wärmere subtropische Luft einsickert. Dabei stellen
sich auf 850 hPa Temperaturunterschiede von -3 Grad im Nordosten und bis 10 Grad
im äußersten Süden ein. Da sich über dem Atlantik ein Trog südwärts bis zur
Iberischen Halbinsel ausdehnt, wird der mitteleuropäische Rücken in die Zange
genommen.

Am Dienstag und Mittwoch ändert sich von den Geopotential- und
Luftdruckstrukturen nur wenig. Über Osteuropa wirbelt weiter ein Höhentief, was
sich von Norden her regeneriert und wieder stärkt und dessen Trogachse sich über
Rumänien hinweg nach Südosteuropa zieht. Auch das Höhenhoch über der nördlichen
Ostsee kann sich weiter behaupten, wenngleich es bis Mittwoch deutlich an Stärke
einbüßt. Übrig bleibt nur noch ein schwächlicher Rücken, der sich wiederum
weiter über Deutschland südsüdostwärts bis zur Adria erstreckt. Da die Achse des
Rückens aber von der Nordsee bis zum östlichen Alpenrand einmal quer über
Deutschland liegt, können sich im Südwesten und Westen allmählich zyklonale
Strömungsverhältnisse ausbilden. Damit in Verbindung stehend verlagert sich ein
Bodentief von Frankreich ostwärts bis in die westliche Alpenregion und
labilisiert die Atmosphäre in dessen Umfeld. Die größten Veränderungen sind über
dem Ostatlantik sowie West- bzw. Südwesteuropa zu verzeichnen. Dort soll der
Trog abtropfen und als eigenständiges Höhentief bis nach Nordafrika wandern.
Korrelierend dazu wird im westlichen und zentralen Mittelmeerraum eine
Tiefdruckzone im Bodenniveau simuliert, in die zahlreiche Bodentiefs eingebettet
sind.

Auch am Donnerstag bleibt zunächst weiter der Höhenrücken über West- und großen
Teilen Mitteleuropas für das Wetter in Deutschland wetterbestimmend. Bis auf den
äußersten Südwesten, wo das großräumig, flache Bodentief versucht an Einfluss zu
gewinnen, herrschen hochreichend antizyklonale Strömungsverhältnisse vor. Da der
Schwerpunkt des Rückens wieder etwas nach Westen steuert und auch das Bodenhoch
unter Abschwächung wieder über dem südlichen Norwegen zu finden ist, kann durch
die nördliche Grundströmung der Osten nochmals von kühlerer Luft aus nördlichen
Gefilden geschrammt werden. Während z.B. auf Rügen auf 850 hPa nachfolgend
Temperaturen von -1 Grad vorliegen sollen, liegen die Werte im Südwesten um 10
Grad.

Ab Freitag gelangt Deutschland von Nordwesten zunehmend auf die Vorderseite
eines Kurzwellentroges, der den Rücken von Norden her abhobelt und dessen Achse
am Freitag von der Küste Norwegens bis zu den Britischen Inseln reicht. Die
Achse des Rückens wird dabei nach Osten geschoben und liegt vom Hochrhein bis
zur Ostsee. Im Bodenniveau kann sich das Tief vorderseitig des Troges stärken
und den Schwerpunkt etwas weiter nach Osten verlagern, sodass in der unteren
Troposphäre nun auch weite Teile Deutschlands zyklonal geprägt sind.
Einhergehend werden vom Niederrhein bis zu den Alpen Hebungsprozesse generiert
und erste konvektive Niederschläge zugelassen.

Ab Samstag soll der Kurzwellentrog weiter an Amplitude zulegen und somit das
Bodentief auf der Vorderseite weiter stärken. Diese wird vom IFS direkt über
Deutschland an einer Luftmassengrenze prognostiziert. Zunächst wären demnach vor
allem in der Mitte und im Süden konvektiv verstärkte Niederschläge zu erwarten,
am Sonntag dann bevorzugt im Norden, Osten und an den Alpen.

Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass sich durch den Abtropfprozess und
die Verlagerung des Höhentiefs in den Mittelmeerraum aus der Omega-Struktur eine
High over Low Situation einstellt, die durch wiederholt abtropfende
Kurwellentröge zunächst weiter regeneriert wird. Erst durch das schwächelnde
Höhenhoch wird die Struktur aufgebrochen und tiefes Geopotential
wetterbestimmend.
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Bewertung der Konsistenz des operationellen Laufs


Zu Beginn des mittelfristigen Zeitraums am Montag und Dienstag zeigen die
letzten deterministischen Läufe des IFS eine gute Konsistenz. Ab Mittwoch weicht
der aktuelle 00-UTC-Lauf teils signifikant von den Vorläufen ab. Das Höhenhoch
über der Nordsee wird stärker und etwas weiter nach Osten verschoben simuliert.
Entsprechend wurden die Niederschlagssignale des gestrigen 00-UTC-Laufes bis
Freitag komplett herausgerechnet. Erst ab Freitag lässt der neuste Lauf,
getriggert durch die Annäherung eines Höhentrogs, von Südwesten und Westen
konvektive Niederschläge zu, die am Samstag Trog vorderseitig das ganze Land
erfassen sollen. Von dieser Entwicklung wollten dagegen die Vorläufe nichts
wissen, die es ab Freitag kein Niederschlagsrisiko prognostizierten.
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Vergleich mit anderen globalen Modellen


Bis einschließlich Donnerstag simulieren die Hauptläufe verschiedener
Wettermodelle (ICON, IFS, GFS, GEM, UKMO) die großskaligen Strukturen im
Geopotential- und Luftdruckfeld recht ähnlich, wenngleich es im Detail doch
schon Unterschiede gibt.

Das ICON zeigt eine zum IFS vergleichbare Lösung, die jedoch den Trog über
Osteuropa in der zweiten Wochenhälfte etwas weiter nach Westen ausgreifen lässt,
was wiederum bedeutet, dass es im äußersten Osten des Landes schon zum
Donnerstag ein geringes Niederschlagsrisiko gibt. Zudem wird der Abtropfprozess
eines zweiten Kurzwellentroges über dem Ostatlantik sowie auch die weitere
Zugbahn des etwas schwächeren Höhentiefs weiter östlich gesehen, was aber
zunächst keinen Einfluss auf das Wetter in Deutschland hat.
Das GFS zeigt bis Freitag sowohl das Höhenhoch über der Nordsee am stärksten.
Einhergehend sind nach GFS bis weit nach Osteuropa hinein antizyklonale
Strömungsverhältnisse zu verzeichnen. Den ersten Abtropfprozess über dem
Ostatlantik am Dienstag wird zunächst zu ICON und IFS vergleichbar gezeigt. Im
weiteren Verlauf nimmt das Höhentief beim GFS jedoch eine deutlich nördlichere
Bahn ein. Zudem ist es wesentlich langsamer unterwegs und zieht sich in Breite.
Die Folge ist, dass die Tiefdruckzone im Bodenniveau im Vergleich zum IFS und
ICON weiter nach Norden verschoben ist. Die Niederschlagshinweise kommen somit
schon am Mittwoch und Donnerstag bis nahe an die deutsche Grenze im Südwesten
des Landes voran.
Das GEM beschreibt eine zum GFS vergleichbare Variante, wobei das Höhenhoch
nochmals deutlich intensiver ist und mit Schwerpunkt nördlich von Schottland
liegt. Gleichzeitig lässt das GEM das Höhentief etwas schneller vorankommen und
liegt am Mittwoch schon zwischen Sardinien und Sizilien. Deutschland würde
demnach zwischen beiden Geopotentialextreme in einer östlichen bis südöstlichen
Grundströmung liegen. Das UKMO simuliert ebenfalls zum GFS analoge Strukturen
mit gewissen Abweichungen im Bereich des tiefen Geopotentials.
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Bewertung der Ensemblevorhersagen


Die Rauchfahnen diverser Städte in Deutschland zeigen übereinstimmende
Entwicklungen, wobei die Abweichungen stetig zunehmen. Am Montag, zu Beginn des
mittelfristigen Zeitraums, kann noch von einer recht guten Vorhersagegüte
ausgegangen werden. Schon ab Dienstag beginnt sich das ENS bezüglich der
Temperatur zu spreizen, wobei die Mehrzahl der Modellläufe eine recht
gleichbleibende Temperatur prognostizieren. Einzelläufe sehen allerdings auch
einen signifikanten Temperaturrückgang. Die Unterschiede liegen in der Lage der
Rücken-Trog-Konstellation begründet. Umso weiter diese nach Westen verschoben
ist, desto eher kann kühlere Nordluft Deutschland erreichen. Der Haupt- und auch
der Kontrolllauf befinden sich überwiegend im oberen Drittel des ENS. Beim
Geopotential in 500 hPa nehmen die Abweichungen erst am Mittwoch deutlich zu.
Auch dort bleibt aber die Mehrzahl der Läufe konstant. Der größere Spread geht
voll auf Kosten von Einzelläufen die den osteuropäischen Trog in der zweiten
Wochenhälfte weiter westlich sehen. Die Meteogramme spiegeln die Zunahme der
Unsicherheiten schön wieder, indem der Median im oberen Teil des Box-Plots
liegt, der sich jedoch mit der Vorhersagezeit nach unten weiter aufspannt.

Bei der Clusteranalyse werden für den Zeitraum +72 bis +96h insgesamt sechs
Cluster benötigt, um die Unsicherheiten im Geopotential- und Luftdruckfeld
ausreichend zu beschreiben. Alle Cluster sind dabei im Schema Blocking
eingeordnet. Die Abweichungen zwischen den Clustern sind noch recht gering und
beziehen sich überwiegend auf die beiden Tröge sowie den Abtropfprozess über dem
Atlantik und Südwesteuropa. Vor allem Cluster 1 mit Haupt- und Kontrolllauf
sowie Cluster 2 dominieren mit 14 bzw. 13 Mitgliedern.

Im Zeitraum von +120 bis +168h beschreiben fünf Cluster die Abweichungen des
Geopotential- und Luftdruckfeldes des ENS. Während Cluster 2 und Cluster 5 über
dem gesamten Zeitraum weiter das blockierende Schema mit großräumig hohem
Geopotential über dem Nordatlantik und Nordwesteuropa zeigen, wechselnd die
restlichen Cluster früher oder später zum Schema eines atlantischen Rückens. Bei
diesen Entwicklungen wird der Trog über Osteuropa stärker und meist auch weiter
nach Westen verschoben simuliert. Cluster 1 enthält Haupt- und Kontrolllauf und
umfasst insgesamt 15 Member. Vor allem zu Cluster 2 weist das erste Cluster
bezüglich der Geschehnisse in Mitteleuropa kaum Unterschiede auf. Unterschiede
gibt es besonders bei der Lage des Höhentiefs vor der Iberischen Halbinsel. Die
Cluster 3 bis 5 stehen dagegen etwas konträr zu den ersten beiden Strukturen.
Bei diesen ist die High over Low Situation mit recht starkem Langwellentrog über
Osteuropa am deutlichsten ausgeprägt. Während bei Cluster 1 und 2 bis
einschließlich Freitag nahezu kein Niederschlagsrisiko besteht, können bei den
restlichen Clustern im Osten und Süden durchaus schon Hebungsprozesse nachhaltig
einsetzen.

In der erweiterten Mittelfrist reicht ein Cluster, um die Unsicherheiten der
hochreichenden Strukturen zu analysieren. Das Cluster zeigt einen schmalen
rücken über dem Nord- und Ostatlantik und einen ausgeprägten Langwellentrog über
Osteuropa und Asien. Aufgrund der Blockierung über dem Atlantik wird das Cluster
auch dem Schema eines atlantischen Rückens zugeordnet. In Deutschland wäre der
Südwesten weiter antizyklonal geprägt, während der Nordosten in den
Einflussbereich tiefen Geopotentials geraten würde.
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Wahrscheinlichkeiten für signifikante Wettererscheinungen


Vom EWI gibt es anfangs Hinweise für überdurchschnittliche Temperaturen sowie
Signale vergleichsweise hohe Windspitzen am Montag und Dienstag im Süden und
Südwesten.

Auch von der Probabilistik gibt es nur für den Wind Hinweise auf mögliche
markante Böen im Süden und Südwesten am Montag und Dienstag. An beiden Tagen
sind vor allem dort im höheren Bergland einzelne stürmische Böen wahrscheinlich,
Sturmböen gering wahrscheinlich. In tieferen Lagen besteht allenfalls in
exponierten Lagen ein geringes Risiko für stürmische Böen. Gestützt werden die
stürmischen Böen oder Sturmböen im Bergland beim ICON-EPS mit einer
Wahrscheinlichkeit von 30 bis 70%, beim EZ-EPS mit 20 bis 50% und beim C-LEPS 15
bis 60%. Für markante Böen in tiefen Lagen stehen modellübergreifend nur 5 bis
20%.
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Basis für Mittelfristvorhersage
EZ-EPS, det. EZ, MOSMIX bei TT
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VBZ Offenbach / Dipl. Met. Lars Kirchhübel