DWD Synoptische Übersicht Kurzfrist

12-04-2020 17:01
SXEU31 DWAV 121800

S Y N O P T I S C H E Ü B E R S I C H T K U R Z F R I S T
ausgegeben am Sonntag, den 12.04.2020 um 18 UTC


Markante Wettererscheinungen:
Von Nord nach Süd windaffine Kaltfrontpassage, nachfolgend deutlicher
Temperaturrückgang und Nachtfrost durch einfließende Polarluft. Am morgigen
Montag im Süden vor Frontpassage noch gewittrig.

Synoptische Entwicklung bis Mittwoch 12 UTC
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Aktuell ... liegt Deutschland unter einer Geopotential-Übergangszone. Im
500hPa-Niveau stehen sich dabei einerseits tiefes Geopotential über Skandinavien
und ein damit über eine schwächer werdende Geopotentialrinne verbundenes
abgeschlossenes Höhentief vor dem Westausgang des Ärmelkanals und andererseits
hohes Geopotential über dem Mittelmeer gegenüber. Die Höhenströmung ist dabei
über dem Süden antizyklonal, über dem Norden dagegen schon zyklonal geprägt. Da
der skandinavische Langwellentrog im Laufe der Nacht weiter nach Süden
ausgreift, nimmt dann auch über dem Süden die Höhenströmung ein zyklonales
Muster an. Mit dem Langwellentrog korrespondiert ein sich kaum verlagerndes Tief
an der Nordspitze des Bottnischen Meerbusens. Die zugehörige Kaltfront greift
von Norden her mit einer Doppelstruktur auf Deutschland über, die unter anderem
in zwei Feuchtebändern in der 700-hPa-Feuchte zu erkennen ist. In der Folge
fließt die herangeführte Kaltluft in Staffeln ein, bis zum Morgen erreicht die
erste Kaltfront, die aktuell etwa im Bereich der Elbmündung sowie über
Mecklenburg zu finden ist, bis zum Main voran. Die zweite, aktuell noch über
Dänemark befindliche Frontalzone schafft es bis zum Morgen bis in die
Norddeutsche Tiefebene hinein, letztendlich deutet sich schon zu diesem
Zeitpunkt ein zusammenlaufen der Frontalzonen an. Insgesamt ist die
Konstellation stark frontogenetisch, da von Norden her trockene Polarluft
arktischen Ursprungs südwärts vorstößt (was auch für eine rasche Stabilisierung
hinter der zweiten Fontalzone sorgt). So liegen zum Abend die 850er Temperaturen
im Norden noch um 4 Grad, im Süden dagegen um 11 Grad, während sie ausgangs der
Nacht dann im Norden um -7, im Süden dagegen immer noch um 8 Grad verharren. Mit
anderen Worten: Die Baroklinität nimmt deutlich zu. Die einfließende Kaltluft
und auch die kräftige Ausstrahlung in der postfrontal trockenen Luft machen sich
im Norden schon in Tiefstwerte um 3 Grad bemerkbar, was in etwa den Werten in
höheren Lagen der Mitte und des Südens entspricht. Für Frost reicht es aber
nicht, weder deterministisch noch probabilistisch, wobei es eine Ausnahme gibt:
IFS-EPS sieht in Schleswig-Holstein lokal Wahrscheinlichkeiten von bis zu 10%
für Minima unter null Grad.

Da im Bereich der Front der Gradient recht scharf konturiert ist, zieht der Wind
etwas an. Dabei kommt es im Bereich der Front vorübergehend zu Böen der Stärke
7. An den Küsten lebt der Wind um den Datumswechsel und in der zweiten
Nachthälfte auf, dann sind dort durchgängig Böen der Stärke 7-8, in
Nordfriesland auch Böen der Stärke 9 zu erwarten. Postfrontal steigt von Westen,
also vom Seegebiet zwischen Island und Schottland der Druck rasch an. Dies ist
wahrscheinlich die Geburtsstunde des nächsten, von Westen für unseren Raum an
Bedeutung gewinnenden Hochs NIKOLAS.

Der Vollständigkeit halber: Am frühen Abend hält sich im Süden noch feuchte
(PPWs um 18 mm), labile (Lapse-Rates unter -0,75 K/100m) und energiereiche Luft
(CAPE-Werte lokal über 500 J/kg). Insofern sind, mit nachlassender Tendenz,
anfangs vielleicht noch einzelne kurze Gewitter am Start, bei denen Starkregen
nicht ausgeschlossen ist.

Montag ... verlagert sich das Zentrum des neuen Hochs bis zum Abend bis am die
Schottische Ostküste (knapp 1035 hPa um 18 UTC), während das schon angesprochene
Tief TANJA von der Spitze des Bottnischen Meerbusens etwas nach Südosten bis zur
Westküste Finnlands verlagert. Angetrieben von einem weiterhin veritablen
Gradienten oder besser dem daraus resultierenden Nordwest- bis Nordwind
überquerten die nunmehr zusammengelaufenen Kaltfrontstaffeln die mittleren
Landesteile gen Süden, wo sie abends etwa die Donau bzw. das Alpenvorland
erreichen. Auf ihrer Rückseite breitet sich einerseits die skandinavische
Kaltluft aus (850er Temperaturen am Abend nördlich des Mains -5 bis -8 Grad,
südlich der Donau dagegen noch bis zu +5 Grad), was zwischen Nord und Süd eine
Temperaturspanne in 2 m Höhe zwischen 7 und 22 Grad erwarten lässt. Andererseits
weitet sich von Skandinavien her auch der Langwellentrog südwärts aus. Dieser
Trog schwenkt nur langsam ostwärts und spült ab dem Nachmittag mit einem
Streifschuss vorübergehend eine Portion höhenkalter Luft (Temperaturen in 500
hPa -30 bis -35 Grad) in den Nordosten. Damit wird die zunächst sehr stabil
einfließende Kaltluft zwar wieder labilisiert, für allzu viel Konvektion dürfte
es aber trotzdem nicht reichen. Grund: Die Luft ist extrem trocken (PPWs unter
10 mm, spez. Feuchte um 3 g/kg, deutlich negative Taupunkte).

Mit der Kaltfront verlagert sich auch das zugehörige Niederschlagsgebiet langsam
südwärts, wobei die Modelle über Mitteldeutschland und der Lausitz eine leichte
Intensivierung gegenüber der Nacht simulieren. Dies liegt an der der
trogvorderseitigen Hebungsintensivierung, einer leichten Feuchteanreicherung
(PPW zum Mittag nördlich des Erzgebirges bis 14 mm) sowie der Zunahme der
hebungsbegünstigenden Scherung. Während im Stau der Mittelgebirge stellenweise
bis zum Abend etwas über 5 mm zusammenkommen können, ist es im Lee meist
deutlich weniger. Die für die Natur aktuell wünschenswerten Mengen kommen
jedenfalls nicht zusammen. Diesbezüglich muss man auf die in der präfrontal noch
vorhandenen instabilen Warmluft auftretende Konvektion setzen
(Schauer/Gewitter), die aufgrund einer Feuchteflusskonvergenz (Anstieg der PPWs
auf bis rund 20 mm) und dem damit verbundenen Aufbau von CAPE nicht
unwahrscheinlich ist. Insbesondere die hochauflösenden Modelle COSMO-D2 und
EURO4 sehen in einem Streifen von der Oberpfalz im Osten bis zur Pfalz und zur
Eifel im Westen zumindest punktuell Starkregenpotential. In den Hochlagen der
zentralen Mittelgebirge reicht es im Frontbereich vielleicht noch für ein paar
Flocken, allerdings lassen die Niederschläge in der Kaltluft ziemlich rasch
nach.

Warntechnisch rückt am Ostermontag sicherlich der Wind in den Vordergrund. So
sind mit Frontpassage und einhergehender Drehung von West auf Nord einige steife
(Bft 7), in höheren Lagen auch stürmische Böen (Bft 8) zu erwarten. Auch
konvektiv ist diese Kategorie erreichbar, wenn es ungünstig läuft, ist in einem
Gewitter vielleicht auch mal die volle Sturmstärke (Bft 9) am Start.
Frontrückseitig stellt sich insbesondere über Norddeutschland ein ordentliches
Nordwest- bis Nordgebläse ein mit Böen der Stärke Bft 7 Bft, Küste der Küste
auch Bft 8, in Nordfriesland weiterhin bis Bft 9.


In der Nacht zum Dienstag erreicht die Kaltfront die Alpen. Dort sowie im
Vorland sinkt die Schneefallgrenze bis in tiefe Lagen, wobei im Vorland mit der
sinkenden Schneefallgrenze auch der Niederschlag selbst nachlässt. Somit sollte
sich dort keine Schneedecke ausbilden. Im Alpenstau können dagegen ein paar
Flocken für einen leicht angezuckerten Charakter sorgen, vielleicht sind im
Berchtesgadener Land auch mal um 5 cm Neuschnee drin. Ansonsten steigt der
Luftdruck, was sich in Form eines bis nach Süddeutschland reichenden Hochkeils
widerspiegelt. Dabei lockert die Bewölkung auf und bei nachlassendem Wind sinkt
die Temperatur häufig in den Frostbereich. Glätte durch gefrierende Nässe ist
vor allem im Nordosten und im östlichen Mittelgebirgsraum möglich, dann nämlich,
wenn zuvor ein (Graupel-)Schauer aufgetreten ist. Die troggebundene Konvektion
im Osten dürfte schwach bleiben, Schneeschauer sind aber nicht ausgeschlossen.
Frostfrei (und mit Frost ist auch Bodenfrost gemeint) bleibt es wohl nur im
Nordwesten, wo von der Nordsee unterhalb einer Inversion in etwa 850 hPa etwas
flache Bewölkung hereindriftet. Ferner gilt Frostfreiheit wohl unmittelbar an
der Ostsee, lokal in den großen Flusstälern des Südwestens und an den Alpen, wo
die Kaltluft sich noch durchsetzen muss und Staubewölkung die Ausstrahlung
unterbindet. Bezüglich des Windes ist eine allgemeine Abnahme zu konstatieren,
an der Vorpommerschen sowie der Nordfriesischen Küsten sind noch Böen Bft 7
möglich.

Dienstag ... kräftigt sich der Hochdruckeinfluss bei uns wieder und das Hoch
weitet sich von England nach Süddeutschland aus. Der Höhentrog schwenkt dabei
nach Osteuropa ab und der nachfolgende Rücken stabilisiert mit Absinken und vor
allem im Norden mit einsetzender Warmluftadvektion die Schichtung weiter. Die
WLA im Nordwesten sorgt für eine Intensivierung des dortigen Wolkenaufzugs und
nachfolgend ist gegen Abend im unmittelbaren Nordseeumfeld vereinzelt
geringfügiger Regen möglich. Auch im Südosten hält sich zunächst Bewölkung, die
erst mal auflockern muss, bevor sich hier, wie schon in den anderen Gebieten mit
Ausnahme des Nordwestens, wieder zwischen Quellwolken zeitweise die Sonne
durchsetzt. In der kalten Luftmasse (Temperaturen in 850 hPa zwischen -4 und -7
Grad) helfen aber auch die sonnigen Abschnitte nicht viel und mit maximal 7 Grad
im höheren Vogtland und bis 13 Grad am Oberrhein steht ein sehr frischer Tag an.
Der Wind lebt im Norden, Osten sowie im Südschwarzwald auf und bringt an der
Nordfriesischen Küste und an der Ostsee einzelne 7er Böen.

In der Nacht zum Mittwoch ist es im Norden meist bewölkt, in der Mitte gibt es
hohe Wolkenfelder und im Süden ist es oft klar. Demgemäß ist es im Norden
frostfrei, während in der Mitte und im Süden recht verbreitet Frost erwartet
werden muss, der in geschützten Lagen punktuell auch in den mäßigen Bereich
gehen kann. In Bodennähe liegen die Tiefstwerte im Süden sogar recht verbreitet
zwischen -5 und-8 Grad und damit im mäßigen Frostbereich. Der Wind bleibt an der
Ostsee warnwürdig (Bft 7, exponiert 8).

Mittwoch ... weist das großräumige Potenzialfeld eine Omegastruktur auf mit
einem veritablen Rücken über Westeuropa und flankierenden Trögen respektive
Höhentiefs über dem Ostatlantik bzw. vor der Iberischen Halbinsel sowie dem
nahen Osteuropa. Das zitierte Hoch NIKOLAS weitet sich von Großbritannien und
Irland über weite Teile Mitteleuropas bis zum Balkan aus. Bedingt durch starkes
Absinken sowie kräftige Einstrahlung kann sich die vor allem im Süden und Osten
anfangs noch vorhandene Kaltluft rasch und deutlich erwärmen (T850 um 00 UTC
noch -5 bis 0°C, um 24 UTC bereits um +9°C).


Modellvergleich und -einschätzung
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Die Modelle simulieren die Abläufe im Großen und Ganzen recht einheitlich. Wenig
überraschend haben die hochauflösenden Modelle morgen im Süden die intensivste
Niederschlagsentwicklung im Programm. Das gilt auch für den Schnee, der vor
allem in der ersten Hälfte der Nacht zum Dienstag fällt. Während die im Text
genannten 5 cm von ICON6 stammen, schwingt sich EURO4 zu bis zu 10 cm Neuschnee
auf, und dies in den Staulagen entlang des gesamten deutschen Alpenrandes.


Vorhersage- und Beratungszentrale Offenbach
Dipl. Met. Martin Jonas