DWD Synoptische Übersicht Kurzfrist

11-04-2020 08:30
SXEU31 DWAV 110800

S Y N O P T I S C H E Ü B E R S I C H T K U R Z F R I S T
ausgegeben am Samstag, den 11.04.2020 um 08 UTC


GWL und markante Wettererscheinungen:
GWL: Übergang zu NWa (Nordwest antizyklonal)

Heute nix, morgen vielleicht etwas mehr (leichte Konvektion), am Ostermontag von
Norden Kaltfrontdurchgang mit markanter Abkühlung. Na dann mal "Frohe Ostern"!

Synoptische Entwicklung bis Montag 24 UTC
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Samstag... 11.04.2020, Karsamstag, aber eigentlich auch - wird dieser Tage
verständlicherweise gerne vergessen - der 29. Spieltag der Fußballbundesliga. So
weit wären wir schon, wenn, ja wenn... Trösten wir (also die, die sowohl mit
Fußball und Wetter was am Hut haben) uns damit, dass der Spielplan an diesem
Osterwochenende nicht die ganz großen Kracher offeriert hätte. Das Duell mit dem
geringsten Abstand in der allerdings eingefrorenen Tabelle vom 25. Spieltag wäre
Hertha (wahrscheinlich mit Bruno auf der Trainerbank) vs. "Datschi" Augsburg
(ebenfalls mit neuem Trainer Herrlich) gewesen - 13. vs. 14., mit Verlaub und
allem gegebenen Respekt nicht unbedingt ein Duell, das die Massen mobilisieren
würde (es sei denn, es wäre das einzige Spiel).
Ehe man hier nun aber auf den Gedanken kommt, den KICKER in der Hand zu halten,
schnell zum eigentlichen Thema dieses Bulletins, dem Wetter. Da tut sich
durchaus was in den nächsten Tagen, auch wenn heute eher noch "Hertha vs.
Augsburg" angesagt ist. So befinden sich Mitteleuropa respektive Deutschland
aktuell immer noch unter Hochdruckeinfluss, der im Laufe des Tages zwar etwas
schwächelt, dessen Substanz aber noch dicke ausreicht, diesen Tag über weite
Strecken sonnig und mindestens in der Hälfte des Landes (nämlich der
Südwesthälfte) warm (Tmax > 20°C) zu gestalten. Protagonisten des Geschehens
sind ein relativ abgeflachter Höhenrücken, der von Italien aus über die Alpen
nach Norden reicht und nur langsam ostwärts schwenkt sowie das korrespondierende
Bodenhoch MAX, das seinen Schwerpunkt von Nordostdeutschland nach Belarus (dort
wird übrigens noch gekickt) verlagert. Derweil sorgt ein von UK/Irland bis nach
Nordwestfrankreich vorrückender flacher Höhentrog für leichten Druckfall und den
Aufbau einer leicht amorph anmutenden Tiefdruckrinne bei unseren westlichen
Nachbarn. Zwischen dem abwandernden Hoch und der Rinne stellt sich bei uns eine
schwache Grundströmung aus Ost bis Süd ein, die kaum einen advektiven Beitrag
leistet. So muss es die vor allem in den Norden und Osten eingeflossene und
mittlerweile etwas gealterte polare Luftmasse "selbst richten" und sich mit
Hilfe von Einstrahlung erwärmen, was ihr angesichts avisierter Höchstwerte von
11 bis 18°C nur teilweise gelingt. Ist ja auch schwer, zumal der nötige
Energieinput durch einige mehr oder weniger dichte hohe und mittelhohe
Wolkenfelder durchaus getrübt sein kann. Diese sind übrigens schwacher WLA
geschuldet, die den flachen Rücken überläuft und zudem eine Warmfront markiert,
welche über die nördliche Nordsee langsam ostwärts schwenkt (Absender ist
übrigens das Tief TANJA, das sich heute für eine von West nach Ost gerichtete
Kreuzfahrt auf der Norwegischen See entscheiden hat; wir werden später noch auf
TANJA zurückkommen).
In der Südwesthälfte wird die dort lagernde Warmluft zwar peu a peu labiler und
auch etwas feuchter, mehr als ein paar Quellungen - vor allem getriggert durch
das Bergland - sollten am Ende dabei aber nicht herauskommen. Mit 18 bis 25°C
wird es deutlich wärmer als in der Nordosthälfte.

In der Nacht zum Ostersonntag gelangt Deutschland mehr und mehr auf die
Vorderseite des flachen und leicht progressiven Höhentrogs über Frankreich.
Konfluenz und die ohnehin sehr schwache Höhenströmung bewirken aber eine
ausgeprägte Ineffizienz des Troges, so dass unter dem Strich (man bedenke, auch
die Luftmasse ist weiterhin ziemlich trocken) außer ein paar hoher, vielleicht
mittelhoher Wolkenfelder rauskommt. Nicht zuletzt auch wegen
niedertroposphärisch steigender Temperaturen (Winddrehung auf 850 hPa auf
Südwest bis West => Anstieg T850 auf 6 bis 10°C) rückt das Thema Luftfrost in
den Hintergrund. Nur noch vereinzelt dürfte es im Norden (z.B. in der Lüneburger
Heide) oder im Osten (z.B. in der Niederlausitz) sowie im Bergland für Werte
knapp unter dem Gefrierpunkt reichen. In Erdbodennähe hingegen muss bevorzugt in
der Osthälfte, bedingt aber auch weiter westlich mit leichtem Frost gerechnet
werden.

Sonntag... greift der o.e. Höhentrog auf Deutschland über, wobei er zumindest in
500 hPa rasch von seiner ohnehin nicht gerade verschwenderisch vorhandenen
Kontur einbüßt. In 300 hPa ist er aber noch leidlich auszumachen und auch anhand
der IPV-Felder ist die Anwesenheit des guten Stückes belegt. Trotzdem, die ganz
große Nummer wird der Trog nicht, es reicht aber, um die Höhenströmung
tendenziell auf leicht zyklonal zu stellen. Da trifft es sich natürlich gut,
dass auch die bis dato sehr trockene Luftmasse allmählich ins Schwitzen kommt,
sprich, ihr Feuchtegehalt erhöht sich bei gleichzeitig weiterer Labilisierung.
Hauptursache dafür ist die auf südwestliche Richtungen drehende Strömung, mit
der etwas feuchtere Luft herangeführt wird. Vergleicht man die Prognosesoundings
eines beliebigen Ortes im Schwarzwald von heute mit morgen Mittag 12 UTC, so
lässt sich eine vom Boden bis knapp über 400 hPa reichende Anfeuchtung erkennen.
Außerdem wird es in der unteren Troposphäre bis etwa 700 hPa etwas wärmer (wenn
auch nur ca. 1 Grad), während es darüber bis über 300 hPa hinauf abkühlt (=>
labiler). Dabei wird gleichzeitig die heute noch bei 700 hPa vorhandene
Absinkinversion abgebaut.
Höhentrog, feuchte und labile Luft, das riecht förmlich nach Konvektion und
Gewitter, doch Vorsicht. Noch befinden wir uns zu einem recht frühen Zeitpunkt
im Jahr (auch wenn es im April schon mal ordentlich krachen kann). Vor allem
aber bleibt die Luftmasse trotz Anfeuchtung gerade in der unteren Troposphäre
weiterhin ziemlich trocken, was ihr eine schöne inverse V-Struktur verleiht. So
geht das PPW im Westen und Südwesten gerade mal auf 15 mm oder wenig darüber
rauf und auch die spez. Feuchte in der unteren Schicht bleibt mit maximal 6 g/kg
in einem wenig Schrecken einflößenden Bereich. Von daher verwundert es nicht,
dass insgesamt nur wenig ML-CAPE von 100 bis 200, maximal bis zu 300 J/Kg
aufgebaut wird. Kurzum, mit Hilfe des Tagesgangs, der Orografie und dem o.e.
Trog werden sich im Westen und Süden sowie in der Mitte zum Nachmittag hin zwar
einige Schauer entwickeln, die Gewitterneigung hält sich hingegen in Grenzen.
Sollte es doch irgendwo blitzen und donnern, wird das Gewitter am ehesten von
einer steifen bis stürmischen Böe 7-8 Bft oder - absoluter worst case - Sturmböe
9 Bft begleitet (inverses V => Downburst), während kleiner Hagel und Starkregen
keine Rolle spielen dürften.
Ansonsten sollten wir uns durch das eben Beschriebene aber nicht darüber
hinwegtäuschen lassen, dass auch am morgigen Ostersonntag verbreitet und für
längere Zeit die Sonne scheint, was gesamtheitlich sicherlich mehr im
Vordergrund stehen sollte als die potenzielle Konvektion. Dabei rückt die
20°C-Isotherme der Höchsttemperatur ein bedeutendes Stück nach Norden (im
Südwesten werden derweil lokal 26°C angesteuert), lediglich die Inseln, der
Küstensaum sowie das angrenzende Binnenland kommen je nach Exposition und Wind
(von Südwest auf West bis Nordwest drehend) auf 13 bis 19°C. Dabei sollte nicht
vergessen werden, dass über der Nordsee eine leicht wellende Kaltfront auf Reede
liegt, die der über Skandinavien mittlerweile mächtig in Wallung geratenen TANJA
(Kerndruck um 12 UTC etwas unter 990 hPa) zugehörig ist. In ihrem unmittelbaren
Vorfeld tummeln sich nicht nur einige Wolkenfelder im hohen Norden, präfrontal
wird sogar die landesweit feuchteste Luft in den Nordwesten advehiert (PPW um 20
mm), in der sich einzelne Schauer entwickeln können. Ob es sogar für ein
isoliertes Gewitter reicht, ist allerdings fraglich.

In der Nacht zum Ostermontag wird die wellende Kaltfront durch eine von der
Nordsee vorstoßende, sich nach Westen hin aber zunehmend auflösende zweite
Kaltfront angestoßen und nach Süden in Marsch gesetzt. Die Gesamtkonstellation
ist äußerst frontogenetisch, da von Norden her rasch trockene Polarluft
arktischen Ursprungs südwärts vorstößt, während präfrontal die Temperatur
konservativ bleibt oder von Südwesten sogar leicht ansteigt. Fakt ist, dass die
Baroklinität an der Front extrem zunimmt, was die morgendliche Verteilung der
850-hPa-Temperatur eindrucksvoll belegt. Sind es um 06 UTC in Nordfriesland
bereits -7/-8°C, sind es in Hannover noch +1°C, in Erfurt +6°C und in München
rund +9°C. Druckanstieg über der Nordsee bzw. dem Seegebiet zwischen Island und
Schottland (wahrscheinlich die Geburtsstunde des nächsten, von Westen für
unseren Raum an Bedeutung gewinnenden Hochs, es wäre NIKOLAS) sowie die sich
noch etwas vertiefende und Richtung Lappland ziehende TANJA sorgen an der Küste
sowie im unmittelbar angrenzenden Binnenland für einen merklich auffrischenden
Nordwestwind mit Böen 7-8 Bft, in Nordfriesland exponiert 9 Bft.
Ansonsten gilt es noch zu konstatieren, dass Quellungen und Schauer (Gewitter)
am Abend rasch zusammenfallen. Dafür fällt an der Front bzw. im unmittelbaren
Vorfeld zeitweise Regen (wenige Millimeter, wenn überhaupt), der sich von Norden
her bis in die mittleren Landesteile vorarbeitet. Postfrontal trocknet es dann
aber rasch ab respektive stabilisiert die frische Luftmasse.


Montag... verlagert sich das Zentrum des neuen Hochs nach Schottland (etwas über
1035 hPa um 12 UTC), während Tief TANJA von Finnland aus das Weiße Meer
ansteuert (Kerndruck um 12 UTC knapp unter 990 hPa). Angetrieben von einem
weiterhin veritablen Gradienten oder besser dem daraus resultierenden Nordwest-
bis Nordwind überquert die Kaltfront die mittleren Landesteile gen Süden, wo sie
gegen Abend etwa die Donau (oder knapp nördlich davon) erreicht. Auf ihrer
Rückseite breitet sich nicht nur die skandinavische Kaltluft aus (T850m am Abend
-4 bis -8°C im Norden und in der Mitte, südlich der Donau z.T. noch bis zu
+7°C), von Skandinavien her weitet sich auch ein satter Potenzialtrog mit leicht
positiv geneigter Achse südwärts aus. Dieser Trog schwenkt nur langsam ostwärts
und spült ab dem Nachmittag vorübergehend eine Portion höhenkalter Luft (T500
-30 bis -34°C) in den Nordosten und Osten. Damit wird die zunächst sehr stabil
einfließende Kaltluft zwar wieder labilisiert, für allzu viel Konvektion dürfte
es aber trotzdem nicht reichen, da die Luft extrem trocken ist (PPW unter 10 mm,
spez. Feuchte um 3 g/kg, deutlich negative Taupunkte).
Mit der Kaltfront verlagert sich auch das zugehörige Niederschlagsgebiet langsam
südwärts, wobei die Modelle eine leichte Intensivierung gegenüber der Nacht
simulieren. Grund dafür könnte die Interaktion mit dem nachstoßenden Trog bzw.
dessen Vorderseite sein, wo PVA wirksam ist, die aber mehr und mehr von KLA
kompensiert wird. Während im Luv der Mittelgebirge stellenweise etwas über 5 mm
innert 12 h zusammenkommen können, bleibt im Lee meist nicht viel übrig. Dort
muss man dann auf die in der präfrontal einfließenden instabilen Warmluft
auftretende Konvektion setzen (Schauer/Gewitter), die aufgrund einer
Feuchteflusskonvergenz (Anstieg PPW auf bis rund 20 mm) und dem damit
verbundenen Aufbau von CAPE nicht unwahrscheinlich ist. In den Hochlagen der
zentralen Mittelgebirge reicht es im Frontbereich vielleicht noch für ein paar
Flocken, allerdings lassen die Niederschläge in der Kaltluft ziemlich rasch
nach.
Warntechnisch rückt am österlichen Montag sicherlich der Wind auf die
Pole-Position. So sind mit Frontpassage und einhergehender Drehung von West auf
Nord einige steife, in höheren Lagen auch stürmische Böen 7-8 Bft zu erwarten.
Auch konvektiv ist diese Kategorie erreichbar. Frontrückseitig stellt sich
insbesondere über Norddeutschland ein ordentliches Nordwest- bis Nordgebläse ein
mit Böen 7 Bft, Küste 8 Bft.
Temperaturmäßig stehen große Kontraste auf der Karte: Während postfrontal im
Norden nur noch 7 bis 11°C erreicht werden (und das trotz von Norden her wieder
zunehmender Sonnenscheindauer), erwärmt sich die Luft im präfrontalen Süden noch
mal auf 17 bis 22°C.

Abschließend noch kurz die Nacht zum Dienstag, in der die Kaltfront die Alpen
erreicht. Dort sowie im Vorland sinkt die Schneefallgrenze bis ganz nach unten,
im Alpenstau können vor allem nach Osten hin durchaus mehr als 10 cm Neuschnee
fallen. Ansonsten steigt der Luftdruck, was sich in Form eines bis nach
Süddeutschland reichenden Hochkeils widerspiegelt. Dabei lockert die Bewölkung
vielerorts auf und bei nachlassendem Wind sinkt die Temperatur verbreitet in den
Frostbereich, möglich Glätte durch gefrierende Nässe (dort, wo es vom Tage nicht
abgetrocknet ist) inclusive. Die mögliche troggebundene Konvektion im Osten
dürfte - wenn überhaupt in Gang kommend - schwach bleiben, gleichwohl ist im
Fall der Fälle ein Schneeschauer bis ganz unten nicht ausgeschlossen. Frostfrei
bleibt es unter den Wolken Süddeutschlands sowie an der See bei auflandigem Wind
und im Nordwesten, wo sich von der Nordsee SC-Bewölkung reinschiebt
(Absinkinversion zwischen 800 und 850 hPa).


Modellvergleich und -einschätzung
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Die Umstellung der Wetterlage mit markantem Kaltfrontdurchgang ist unstrittig.
Unschärfen betreffen am ehesten die Niederschlags- und Konvektionsentwicklung ab
dem morgigen Ostersonntag.

Vorhersage- und Beratungszentrale Offenbach
Dipl. Met. Jens Hoffmann