DWD Synoptische Übersicht Mittelfrist

30-03-2020 10:01

S Y N O P T I S C H E Ü B E R S I C H T M I T T E L F R I S T
ausgegeben am Montag, den 30.03.2020 um 10.30 UTC



Zunächst recht kühl mit Nachtfrösten und leicht wechselhaft, im Norden windig.
Ab dem Wochenende zunehmender Hochdruckeinfluss und steigende Temperaturen.
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Synoptische Entwicklung bis zum Montag, den 06.04.2020


Ein ziemlich "zerzauster", d.h. unregelmäßig geformter troposphärischer
Polarwirbel in der ab Donnerstag beginnenden Mittelfrist weist darauf hin, dass
in den mittleren Breiten meridionale Strömungsmuster vorherrschen. Kein Wunder
ist es daher, dass die NAO entgegen des bisherigen wochenlangen Trends in den
negativen Bereich abgerutscht ist, in dem sie vorerst gedenkt zu bleiben. Mit
dem Vorzeichenwechsel der NAO hat sich die Großwetterlage geändert, die von
zonalen Strömungen und Westwetterlagen mit viel Wind sowie deutlich zu hohen
Temperaturen bestimmt wurde. In der meridionalen Strömung hat der Anteil
blockierender Hochdruckgebiete nun deutlich zugenommen, in deren "Genuss" auch
Deutschland bereits gekommen ist und die in der Mittelfrist weiterhin eine Rolle
spielen wollen.

Auf der anderen Seite muss aber auch die den troposphärischen Polarwirbel
umlaufenden Pertubationen Beachtung geschenkt werden. Eine solche schickt sich
an, am kommenden Donnerstag von Grönland über den Nordostatlantik als
Langwellentrog gen Nordsee bzw. Skandinavien zu laufen, um am Freitag
Norddeutschland zu erreichen. Im Zuge dieses Trogvorstoßes wird ein Bodentief in
den Bottnischen Meerbusen getrieben, dessen Ausläufer (bzw. die Kaltfront) von
Norden bzw. Nordwesten her nach Deutschland vordringen.

Dem gegenüber steht hohes Geopotenzial über dem Nordostatlantik, sodass das
blockierende Hoch "Keywan" gestützt wird. "Keywan" schwächt sich am Donnerstag
im "Würgegriff" des neuen Trogs bzw. Bodentiefs sowie eines westlich von ihm
liegenden Höhentief samt Bodenzyklone auf einen Kerndruck von etwa 1025 hPa ab,
nachdem er in den Tagen zuvor teilweise noch 1050 hPa erreichte. "Keywan" bildet
eine Brücke zu hohem Luftdruck über Südosteuropa, womit die Kaltfront in den
hohen Druck hinein läuft und an Wetteraktivität einbüßt. Mit dieser
Konstellation wird aus dem Norden bzw. Nordwesten erneut maritim erwärmte
Polarluft nach Deutschland verfrachtet. Die T850 hPa liegen daher meist zwischen
0 und -7 Grad, einzig im Süden stehen örtlich leichte Pluswerte auf der Karte.

Bis zum Sonntag verabschiedet sich der Trog rasch schon wieder nach Osteuropa.
Damit kann sich ausgehend von Nordafrika und der Iberischen Halbinsel ein Rücken
bis nach Deutschland aufwölben, der dabei Teile des hohen Geopotenzials über dem
Nordostatlantik einfängt. Hoch "Keywan" (sofern die Berliner Kollegen nicht
einen neuen Namen vergeben) wandert deshalb vom Ärmelkanal am Freitag unter
Verstärkung auf einen Kerndruck von über 1035 hPa zur Ukraine am Sonntag. Die
nordwestliche Strömung dreht folglich zunächst auf Ost und dann auf Süd bis
Südwest. Bei zusätzlicher adiabatischer Erwärmung machen sich deutliche mildere
Luftmassen mit T850 hPa von 5 bis 8 Grad bei uns breit.

Mit dem "Kippen" des Rückens am Montag und Dienstag (und damit bereits im
Zeitraum der erweiterten Mittelfrist) nach Südosten hin verzieht sich das Hoch
noch Südosteuropa und verliert ab Dienstag seinen Einfluss auf Deutschland.
Gleichzeitig formiert sich durch einen weiteren Trog und das immer noch über dem
Nordostatlantik liegende Höhentief ein Tiefdrucksystem mit Zentren westlich von
Island und westlich von Portugal. Beide Tiefdruckgebiete sind durch ein
Frontensystem verbunden, das ab Montagabend den Nordwesten von Deutschland
erreicht und am Dienstag auch die restlichen Landesteile. Mit südwestlicher
Strömung wird dabei weiterhin milde Luft mit T850 hPa von 6 bis 9 Grad
angezapft, die auch am Mittwoch unter Tiefdruckeinfluss vorherrschend bleibt.
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Bewertung der Konsistenz des operationellen Laufs


Der gestrige und der heutige 0 UTC-Lauf des EZMW sind sich in den Grundzügen
sehr ähnlich. Der gestrige 12 UTC-Lauf zeigt zu diesen beiden Läufen jedoch
größere Abweichungen. So sollte der Trogvorstoß bis zum Freitag dem gestrigen 12
UTC-Lauf zufolge nicht nach Norddeutschland reichen, sondern nur in die Ostsee.
Diese Linie verfolgte allerdings auch schon der gestrige 0 UTC-Lauf. Mit dem
neuesten Lauf dringen die Niederschläge am Donnerstag und Freitag weiter nach
Süden vor. Ab Samstag zeigen sich nachfolgend auch im Aufwölben des Rückens
Unterschiede, wiederum vor allem beim Vergleich des 12 UTC-Laufs zu den beiden 0
UTC-Läufen. Der gestrige 12 UTC-Lauf brachte einen weiteren Trog ins Spiel, der
abermals Richtung Ostsee ablaufen sollte. Dahinter hätte sich über dem
Nordostatlantik ein Rücken aufgewölbt, der ein Hoch über den Britischen Inseln
gestützt hätte. Diese hätte sich erst am Mittwoch soweit abgeschwächt, dass von
Westen her Tiefdruckeinfluss hätte greifen können. Mit dem Hoch über den
Britischen Inseln wäre erneut polare Meeresluft zum Zuge gekommen, sodass die
T850 hPa um rund 10 Kelvin unter denen der beiden anderen Läufe prognostizierten
Temperaturen gelegen hätten. In den Rauchfahnen des 12 UTC-Lauf wird jedoch
ersichtlich, dass der Hauptlauf jeweils am unteren Rand der Schar lag. Damit ist
die Eintreffwahrscheinlichkeit des gestrigen 12 UTC-Laufs deutlich minimiert.
Den beiden 0 UTC-Läufen ist außerdem noch gemein, dass ab Dienstag neuerlich ein
Wetterwechsel hin zu Tiefdruckeinfluss erfolgt.
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Vergleich mit anderen globalen Modellen


ICON orientiert sich größtenteils am EZMW. GFS auch, allerdings hauptsächlich am
gestrigen 12 UTC-Lauf, der große Diskrepanzen zum heutigen 0 UTC-Lauf des EZMW
zeigte (siehe vorheriger Abschnitt). GEM hält es wie das aktuelle EZWM, lässt
aber den Hochdruckeinfluss in der erweiterten Mittelfrist länger durchhalten.
NAVGEM bildet eine dem EZWM fast kongruentes Bild ab.
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Bewertung der Ensemblevorhersagen


Die Rauchfahnen des EZMW-Ensembles offenbaren angesichts des gestrigen 12
UTC-Laufs (siehe Ausführungen zur Konsistenz des EZMW) ein überraschend klares
Bild. Haupt- und Kontrolllauf betten sich in den Rauchfahnen diverser Städte
meist im engen Median ein, sodass der deterministische Lauf bestätigt wird.
Ausreißer finden sich so gut wie keine. Erst in der erweiterten Mittelfrist ab
Dienstag gibt es ein paar wenige davon und die Kurven öffnen sich etwas.
Niederschlagssignale finden sich vornehmlich in Peaks am Donnerstag/Freitag und
am Dienstag.

Die Clusteranalyse liefert zwar für Samstag (0 UTC) bis Montag (0 UTC) drei
Cluster, diese unterschieden sich für den für uns relevanten Bereich aber kaum.
Zwischen Dienstag (0 UTC) und Donnerstag (0 UTC) ist sowieso nur ein Cluster
vorhanden.

FAZIT: Das anfangs recht kühle Wetter mit Kaltfrontdurchgang am Donnerstag bzw.
Freitag ist sicher. Danach baut sich Hochdruckeinfluss auf und die Temperaturen
steigen deutlich. Leichte Zweifel bleiben ob des gestrigen 12 UTC-Laufs des EZWM
und des heutigen GFS. Allerdings wischen die Rauchfahnen diese Zweifel fast
beiseite und ein zunehmend frühlingshaftes Wochenende ist wahrscheinlich. Das
Hoch hält voraussichtlich bis zum Dienstag durch, dann dürften Tiefdruckgebiete
wieder das Heft in die Hand nehmen, wobei die Temperaturen vorerst nicht sinken
sollen. Aufgrund einzelner Modellergebnisse muss aber auch hinter diesem
erneuten Wetterwechsel noch ein Fragezeichen gemacht werden.
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Wahrscheinlichkeiten für signifikante Wettererscheinungen


EFI zeigt am Donnerstag an der Küste und am Freitag im Norden sowie in einigen
Mittelgebirgen Signale für starken Wind. Die Ensembles quittieren dies mit
erhöhten Wahrscheinlichkeiten für stürmische Böen Bft 8 und noch geringen
Wahrscheinlichkeiten für Sturmböen Bft 9 für diese Bereiche. Das Windmaximum ist
am Freitag zu erwarten, danach schwächt sich der Wind deutlich ab.

Darüber hinaus sind weitere markante Wettergefahren nicht zu erkennen, in den
Nächten gibt es aber noch häufig leichten bis mäßigen Frost.
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Basis für Mittelfristvorhersage
MOSMIX, EZMW, EZMW-ENS
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VBZ Offenbach / Dipl. Met. Simon Trippler