DWD Synoptische Übersicht Kurzfrist

25-03-2020 09:01
SXEU31 DWAV 250800

S Y N O P T I S C H E Ü B E R S I C H T K U R Z F R I S T
ausgegeben am Mittwoch, den 25.03.2020 um 08 UTC


GWL und markante Wettererscheinungen:
GWL: HFa (Hoch Fennoskandien antizyklonal)

Bis auf Weiteres von Osten her Kontinentalluft, die step by step etwas feuchter
und wärmer wird. Trotzdem weiterhin Nachtfrost, wenn auch allmählich
abschwächend. Vor allem im Süden, bedingt auch in der Mitte gebietsweise windig,
in höheren Lagen teils stürmisch.

Synoptische Entwicklung bis Freitag 24 UTC
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Mittwoch... steht weiterhin im Zeichen trocken-kalter Kontinentalluft, die
schier unaufhörlich von Osten her zu uns strömt und für raue Hände sorgt. Wie
und warum das so ist, wer der Absender ist usw., dazu später mehr. Zunächst mal
der Blick in die mittlere und obere Troposphäre, wo wir - wenn man so will -
aktuell eine High-Over-Low-Situation anfinden: auf der einen, der nördlichen
Seite ein langgestreckter Rücken mit elliptisch abgeschlossenem
Potenzialmaximum, das heute früh von der südwestlichen Nordsee bis vor die
baltische Küste reicht (500 hPa, 570 gpdm). Auf der anderen, der südlichen Seite
ein elliptisches Höhentief mit Kern über der Toskana. Während die Achse des
Rückens im Tagesverlauf geringfügig nach Norden rückt, zieht es das Höhentief
gen Korsika. Dabei kippt die anfangs weitgehend zonal exponierte Längsachse
gegen den Uhrzeigersinn in eine zunehmend meridional ausgerichtete Stellung, was
dazu führt, dass vom Balkan her ein Randtrog in Marsch gesetzt wird. Dieser
erreicht in den Abendstunden Niederösterreich und die Steiermark bzw. die
benachbarte Slowakei. Ungeachtet dessen herrscht über Deutschland tagsüber eine
leidliche ost-nordöstliche Höhenströmung, die in den nächsten Stunden leicht
zunimmt.
Auf das Wetter in den unteren Luftschichten hat das Ganze zunächst nur geringe
bis gar keine Auswirkungen. Okay, mit Annäherung des Troges setzt im äußersten
Südosten eine allmähliche Labilisierung der Luftmasse ein, aufgrund der
andauernden Trockenheit (die Taupunkte verbleiben landesweit und von wenigen
Ausnahmen abgesehen um -10°C, teils noch darunter) reicht es aber allenfalls für
ein paar gequälte flache Cumuli sowie vielleicht einige wenige mittelhohe oder
hohe Wolkenfelder, die von Österreich herüberdriften. Darüber hinaus sieht es
auch heute wieder mau aus, was die Wolkenausbeute angeht. Einige charmante und
transparente Cirren im Nordwesten, ansonsten nichts, nothing, nichego,
stattdessen Sonne satt. Die braucht es aber auch, um die frostigen
Frühtemperaturen (auch heute Morgen wieder verbreitet leichter bis mäßiger, ganz
lokal sogar strenger Frost) zu liften, was mal mehr, mal weniger gut gelingt. Am
besten klappt es mit der Erwärmung im Westen und Nordwesten, wo die 10°C-Marke
um 1 bis 2, bestenfalls mal 3 Grad überschritten wird, was man von einem 25.
März aber auch erwarten darf. So gar nicht in Schwung hingegen kommt das
Quecksilber im östlichen Alpenvorland, wo bei 3, vielleicht 4°C Schluss ist -
immerhin über null.
Kommen wir abschließend noch zu dem Parameter, der heute tagsüber die einzigen
Warnungen erfordert, dem Wind. Er wird generiert vom nach wie vor mit seinem
Zentrum über Belarus verorteten Hoch JÜRGEN (der "Sack" hat uns die Kälte
gebracht) sowie tiefem Luftdruck über Süd- und Südwesteuropa. Der daraus
resultierende Gradient verschärft sich im Zuge leichten Druckfalls noch etwas,
was vor allem Süddeutschland zugutekommt (okay, ab das gut oder eher schlecht
ist, mag jeder mit sich selbst ausmachen). In weiten Teilen des Alpenvorlands
(allerdings nicht in der Nähe des Alpenrands) bis hinüber zur Schwäbischen Alb
und zum Schwarzwald bzw. zum Hochrhein frischt der Ost-Nordostwind merklich auf
mit steifen Böen 7 Bft. Auch in den ostbayerischen Mittelgebirgen reicht es in
"günstig" geschnittenen Täler mit Ost-West-Ausrichtung für die eine oder andere
Böe 7 Bft, in höheren Lagen auch 8 Bft. Ansonsten sind weiter nördlich bis zur
Mitte hin auch Böen 7 Bft möglich, allerdings nicht so flächig und häufig wie
weiter südlich, so dass man auf Warnungen durchaus verzichten kann. Im
Hochschwarzwald lässt die Bise tagsüber etwas nach, für stürmische Böen 8 Bft in
exponierten Kamm- und Kuppenlagen reicht es aber noch.

In der Nacht zum Donnerstag erreicht der nach Nordosten zurückhängende, sich
noch etwas intensivierende Randtrog den Vorhersageraum. Mangels passenden
Treibstoffs verkommt der optisch durchaus ansprechende Trog zu einem zahnlosen
Tiger ohne jegliche Wirkung, zumal vorderseitig auch noch KLA wirksam ist.
Lediglich im rückseitigen WLA-Gebiet schaffen es einige hohe und mittelhohe
Wolken in den Südosten. Ob dabei auch tiefe Bewölkung am Start sein wird, ist
noch offen. EURO4 sowie das polnische UM senden durchaus signifikante Signale,
andere Modelle wiederum fallen diesbezüglich durch extreme Lustlosigkeit auf.
Wie auch immer, abgesehen von Trog ändert sich kaum etwas an der großräumigen
Strömungskonfiguration, so dass weitestgehend der Tagesgang die Abläufe
bestimmt. Dabei sind zwei Dinge von Bedeutung: Zum einen sorgt die zunehmende
Abkopplung der Grundschicht für eine Windabnahme in tiefen Lagen, während in
exponierten Hochlagen mit Hilfe von Low-Level-Effekten eine Zunahme zu erwarten
ist (8-9 Bft, vereinzelt vielleicht sogar 10 Bft). Betroffen sind die südlichen
und zentralen Mittelgebirge sowie der Brocken. Der zweite wichtige Punkt ist die
abermalige Abkühlung infolge klarer bzw. gering bewölkter Verhältnisse. Zwar
lässt sich gegenüber den Vornächten eine gewisse Frostabschwächung nicht leugnen
(Gründe gibt´s verschiedene: höhere Tageserwärmung, etwas Wind, gebietsweise
Wolken), gleichwohl dürfte der größte Teil des Landes auch morgen früh wieder
negative Zahlen auf der Temperaturskala ablesen (überwiegend leichter,
stellenweise aber auch noch mal mäßiger Frost). Frostfrei bleibt es an
Küstenabschnitten mit auflandigem Wind sowie teilweise am Rhein und seinen
Nebenflüssen.

Donnerstag... schwenkt der Randtrog nach Westen durch, verliert dabei aber seine
nordöstliche Spitze, sprich, über Nordpolen bzw. der Ostsee kommt es zu einem
Cut-Off. Klingt spannend, ist es aber nicht, scheint doch auch morgen - trotz
einiger trogrückseitiger (WLA) Wolkenfelder insbesondere im Süden sowie der
Mitte, vielerorts wieder die Sonne. Zwar wird die nach wie vor von Osten
einströmende Luftmasse kontinuierlich etwas feuchter, die Taupunkte bleiben aber
negativ, wenn auch nicht mehr zweistellig. Somit wird es auch für tiefe Wolken
schwer, einen Fuß in die Tür bei uns zu bekommen, meist dürften die Wolkenfelder
im hohen und mittelhohen Bereich ihren Weg suchen und auch finden.
Die Druckverteilung ändert sich insofern etwas, als dass wir nun mehr auf die
Südflanke einer Brücke gelangen, die Dauerbrenner JÜRGEN im Osten mit einem Hoch
über dem nahen Ostatlantik verbindet. KEYWAN heißt der Zeitgenosse, der morgen
Mittag mit einer kleinen, eher unscheinbar anmutenden 1030-hPa-Isobare
west-nordwestlich von Irland aufwartet. Von ihm wird in den nächsten Tagen noch
die Rede sein, wobei er - so viel sei an dieser Stelle schon verraten -
sicherlich nicht jedermanns Freund werden wird (siehe Synoptische Übersicht
Mittelfrist, Ausgabe heute Mittag). Zwischen der Brücke und verschiedenen Tiefs
über dem Mittelmeer wird weiterhin eine nicht unflotte, durch den Tagesgang
animierte östliche Bodenströmung generiert, in der der Wind wieder gebietsweise
böig und spürbar auflebt. Während heute der schärfste Gradient im Süden zu
finden ist, wird er morgen über der Mitte sowie im Südosten erwartet. Vor allem
im Osten und Südosten Bayerns ist vermehrt mit Böen 7 Bft, in höheren Lagen 8
bis 9 Bft zu rechnen. Aber auch in Mitteldeutschland stehen einige steife Böen 7
Bft auf der Karte, auf dem Brocken und dem Fichtelberg Böen 8-9 Bft. Ansonsten
gilt es nur noch zu konstatieren, dass es mit ansteigender 850-hPa-Temperatur
(von -7 bis 0°C am Morgen auf -2 bis +1°C am Abend) auch in den Sphären, in
denen sich der Mensch für gewöhnlich aufhält - die Rede ist von den bodennahen
Luftschichten - wärmer wird. So steigt die 2m-Temperatur bis zum Nachmittag auf
6 bis 13°C, wobei die Areale mit zweistelligen Höchstwerten gegenüber heute
zunehmen.

Kommen wir zur Nacht auf Freitag, in der sich bei wenig veränderter Wetterlage
die bekannten Muster der Vornacht wiederholen: Windabschwächung unten, z.T.
leichte Zunahme oben und allgemeine Abkühlung. Dabei muss allerdings betont
werden, dass die Abkühlung aufgrund der vielerorts höheren Tagestemperatur, der
zunehmenden Anfeuchtung der Luftmasse, durchziehenden Wolkenfeldern sowie
gebietsweise etwas Wind deutlich schwächer ausfällt als zuvor. Die Gebiete, in
denen es frostfrei bleibt, nehmen deutlich zu. Allerdings fällt es aus heutiger
Sicht schwer, belastbare Aussagen über die räumliche Verteilung von Frost und
Nicht-Frost zu treffen. Nur so viel, für mäßigen Frost unter -5°C wird es sehr
wahrscheinlich nicht mehr reichen.
Vom Bayerischen Wald über die fränkischen Mittelgebirge und das Erzgebirge bis
zum Oberharz kommt es in Kamm- und Kuppenlagen zu stürmischen Böen oder
Sturmböen 8-9 Bft.

Freitag... verlagert sich die Hochdruckbrücken noch ein kleines Stück nach
Norden, wobei erste Sollbruchstellen über der (nördlichen) Nordsee erkennbar
sind. Inzwischen hat sich der "linke Brückenpfeiler", gemeint ist das Hoch über
dem Ostatlantik, nicht nur vergrößert, sondern auch gekräftigt. So dürfen wir
spätestens am Abend, wahrscheinlich aber schon etwas eher eine angeschlossene
1040-hPa-Isobare auf den Wetterkarten begrüßen, was aber noch keinesfalls das
Ende der Fahnenstange darstellt. An der Ostabdachung des Hochs, das zunehmend
von einem sich aufwölbenden Rücken gestützt und auch gefördert wird, setzt in
der weit nördlich verlaufenden Frontalzone eine Austrogung ein, die die o.e.
Sollbruchstelle im Laufe des Wochenendes schamlos nutzen wird, um seine polaren
und damit kalten Fühler bis nach Mitteleuropa respektive Deutschland
auszustrecken.
Bevor es soweit ist, steht uns aber noch ein ziemlich passabler Freitag ins
Haus, dem man regionsweise ohne rot zu werden sogar das Attribut
"vorfrühlingshaft" anheften kann. Nach wir vor driften mit der sich
abschwächenden östlichen Höhenströmung Wolkenfelder gen Westen, die
unterschiedlich dicht sind, der Sonne aber trotzdem häufig Platz zur Entfaltung
bieten. Dabei steigt die Temperatur auf 11 bis 16°C, mit Hilfe von Leeeffekten
punktuell vielleicht sogar 17°C. Etwas gekniffen sind die Küstenregionen und
Inseln, wo der Nordostwind direkt von der See her weht. Dort liegen die
Höchstwerte gerade mal um 8°C, wohingegen die Nordfriesischen Inseln und die
Halligen aufgrund des von Jütland herüberwehenden Windes auf zweistellige Maxima
etwas über 10°C hoffen dürfen.
Thema Wind, der weiterhin aus östlichen Richtungen kommt, aufgrund des leicht
auffächernden Gradienten aber etwas an Bewegungsenergie abgeben muss. Das
Maximum liegt nach wie vor in einem gekrümmten Korridor, der von Ostbayern bis
nach Mitteldeutschland bzw. zum Harz reicht. Böen 7 Bft treten an ehesten noch
mal von Niederbayern über die Oberpfalz bis nach Oberfranken auf, in höheren
Lagen je nach Exposition Böen 8-9 Bft.

Modellvergleich und -einschätzung
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Die Modelle betrachten die Angelegenheit als Gemeinschaftsprojekt, das keine
abweichenden Meinungen duldet. Kleine Unschärfen betreffen am ehesten noch die
Parametrisierung der erwähnten Wolkenfelder, was akademisch zwar interessant,
warntechnisch aber nur im Hinblick auf Frost ja/nein relevant ist.

Vorhersage- und Beratungszentrale Offenbach
Dipl. Met. Jens Hoffmann