DWD Synoptische Übersicht Kurzfrist

23-03-2020 18:01
SXEU31 DWAV 231800

S Y N O P T I S C H E Ü B E R S I C H T K U R Z F R I S T
ausgegeben am Montag, den 23.03.2020 um 18 UTC


Markante Wettererscheinungen:
Ruhiges und kühles Hochdruckwetter mit verbreitetem Nachtfrost. In den
südwestdeutschen Mittelgebirgen Sturmböen.

Synoptische Entwicklung bis Donnerstag 12 UTC
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Aktuell ... erstreckt sich ein Höhenkeil vom Seegebiet nordwestlich der Azoren
über den Süden der Britischen Inseln und die Nordsee bis weit nach
Nordwestrussland. Dieser wird gestützt durch kräftige WLA an der Südflanke der
über das Nordmeer und Skandinavien bis zur Barentssee reichenden Frontalzone, so
dass sich über der Nordsee eine abgeschlossene Höhenantizyklone noch etwas
verstärken kann. Dem Keil gegenüber steht ein markantes Cut-Off-Tief, respektive
Kaltlufttropfen (im Bodenfeld sind keine zyklonale Strukturen erkennbar) über
dem nördlichen Balkan, der sich allmählich Richtung Adriaküste verlagert. Daraus
resultiert eine vor allem über dem Süden des Landes recht kräftig ausgeprägte
nordöstliche Höhenströmung über dem Vorhersagegebiet, wobei weiterhin KLA und
Absinken dominieren.
Das mit dem Keil korrespondierende Bodenhoch mit Schwerpunkt über dem Baltikum
bzw. Weißrussland kann sich im Laufe der Nacht mit der bodennahen Auskühlung
bzw. aufgrund der Absinkprozesse wieder etwas verstärken und erstreckt sich
weiterhin über Mitteleuropa hinweg bis nach Frankreich bzw. dem Süden der
Britischen Inseln. An dessen Südwestflanke gelangt von Osten her nach wie vor
kontinentale Polarluft mit Taupunkten zwischen -7 und -13 Grad in der
Grundschicht, an den Küsten etwas darüber. Nach wie vor weist diese Luftmasse im
Südosten des Landes eine deutlich größere Mächtigkeit auf (bis ca. 800 hPa mit
Temperaturen dort um -13 Grad) als im Westen (ca. 950 hPa, -1 Grad). Vor allem
im Südwesten und Süden des Landes bleibt der Gradient recht scharf ausgeprägt.
Zwar schwächt sich der Wind in den Niederungen mit Stabilisierung der
Grundschicht im Laufe der Nacht wieder ab, in den Mittelgebirgen nimmt er
dagegen grade aufgrund der Abkopplung der Grundschicht und der daraus
resultierenden lokalen Low Leven Jets wieder etwas zu. Vor allem in den
Hochlagen von Alb und Schwarzwald gibt es stürmische Böen, auf den
Schwarzwaldgipfeln auch Sturmböen oder schwere Sturmböen aus östlichen
Richtungen. Im Nordseeumfeld weht ebenfalls lebhafter Wind, allerdings aus
Südost bis Süd, eventuell reicht es auf Helgoland für einzelne Böen Bft 7.
Ansonsten steht erneut eine meist wolkenlose und somit frostig kalte Nacht ins
Haus. Verbreitet gibt es leichten bis mäßigen, in einigen windschwachen Tälern
der östlichen und ostbayerischen Mittelgebirge sowie der Alpen auch strengen
Frost. Lediglich an den Küsten bleibt es bei auflandigem Wind teilweise
frostfrei, ähnlich wie gebietsweise im Rheinland.

Dienstag ... kann sich das Höhenhoch über der Nordsee noch etwas verstärken. Der
Kaltlufttropfen bleibt etwa über der albanischen Adriaküste quasistationär. An
dessen Nordflanke werden flache kurzwellige Troganteile über die Alpen und
Süddeutschland hinweg westwärts geführt, allerdings aufgrund der nach wie vor
kräftigen KLA ohne Wetterwirksamkeit, eventuell schaffen es ein paar lockere
Wolkenfelder über die Alpen hinweg nach Südbayern.
Das Bodenhoch schwächt sich im Tagesgang wieder etwas ab und verlagert seinen
Schwerpunkt geringfügig nach Süden. Gegenüber dem Vortag fächert der Gradient
über Südwestdeutschland geringfügig auf, dennoch gibt es vom westlichen
Oberbayern über das Allgäu und Oberschwaben bis zum Bodensee bzw. Hochrhein im
Tagesverlauf erneut einzelne steife, am Bodensee in freien Lagen eventuell auch
vereinzelte stürmische Böen aus östlichen Richtungen. In den Kamm- und
Gipfellagen der Alb und des Schwarzwaldes muss mit stürmischen Böen, auf
exponierten Schwarzwaldgipfeln mit Sturmböen gerechnet werden.
Ansonsten ändert sich gegenüber dem Vortag kaum etwas am Wetterablauf. Zwar
nimmt die vertikale Mächtigkeit der kontinentalen Polarluftmasse auch im
Südosten des Landes ab und es werden auch niedertroposphärisch nicht mehr ganz
so kalte Luftmassen dorthin advehiert, das reicht aber gegenüber dem Vortag für
kaum mehr als einen Temperaturaufschlag von etwa 1 bis 2 K, so dass die
Höchstwerte zwischen 4 Grad im Alpenvorland und 12, vielleicht 13 Grad im Rhein-
und Emsland liegen dürften. Dazu scheint fast überall die Sonne, lediglich ganz
im Nordwesten machen sich vielleicht schon ein paar WLA-Cirren bemerkbar.

In der Nacht zum Mittwoch verlagert das Höhenhoch seinen Schwerpunkt nach
Südschweden, der Kaltlufttropfen sein Drehzentrum zur nördlichen Adria. Nach wie
vor werden die schwachen Hebungsprozesse an dessen Nordflanke durch die KLA
kompensiert, so dass es maximal für wenige lockere Wolkenfelder im Süden Bayerns
bzw. im Südosten Baden-Württembergs reicht.
Das Bodenhoch verbleibt mit seinem Schwerpunkt über Weißrussland und verstärkt
sich wieder ein wenig. Insgesamt verschärft sich der Gradient jetzt vor allem im
ostbayerischen und im zentralen Mittelgebirgsraum etwas. Mit der Abkopplung der
Grundschicht beschränken sich warnrelevante Böen aber lediglich auf die Kamm-
und Gipfellagen, bevorzugt im Bayerischen Wald und im Schwarzwald kann es auf
exponierten Gipfeln - unter Zuhilfenahme lokaler Low Leven Jets - Sturmböen
geben.
Ansonsten verläuft die Nacht wieder gering bewölkt oder klar. Verbreitet gibt es
leichten, in ungünstigen Lagen mäßigen und in einigen windschwachen Tälern der
östlichen und ostbayerischen Mittelgebirge eventuell auch noch einmal strengen
Frost.

Mittwoch ... verlagert sich das Drehzentrum des umfangreichen Höhentiefs über
dem westlichen Mittelmeerraum Richtung Golf von Genua. Insgesamt weitet es
seinen Einflussbereich mehr und mehr Richtung Mitteleuropa aus, ein Randtrog,
der sich an dessen Ostflanke nordwestwärts verlagert, erreicht abends das
östliche Mitteleuropa. Auf dessen Vorderseite verschärft sich die Höhenströmung
an der Südflanke des von Südskandinavien über das Baltikum bis nach Russland
reichenden und unverändert kräftigen Höhenhochs über Mitteleuropa und dreht mehr
auf Nordost. Mit zunehmender Hebung und Annäherung des Troges labilisiert die
Luftmasse über dem Südosten des Landes, die Temperatur in 500 hPa sinkt dort auf
unter -30 Grad, in 850 hPa verharrt sie bei etwa -6 Grad. Aufgrund des geringen
Feuchtegehaltes der Polarluftmasse reicht es aber maximal für ein paar flache
Quellwolken, von Südosten her driften zudem auch einige mittelhohe Wolkenfelder
nach Südostbayern. Insgesamt sollte es aber trocken bleiben und auch die Sonne
zeigt sich immer wieder.
An Lagre und Intensität des Bodenhochs ändert sich nur wenig, allerdings setzt
im Südwesten und äußersten Süden Deutschlands schwacher Druckfall ein, wodurch
sich der Gradient vor allem im Südosten etwas verschärft. Vor allem im
Alpenvorland bis nach Oberschwaben sowie im ostbayerischen und östlichen
Mittelgebirgsraum, vielleicht auch noch im Harz dürfte das im Tagesverlauf für
steife Böen aus Ost reichen, in einigen Mittelgebirgskammlagen bzw. in für diese
Windrichtung prädestinierten Tälern auch für stürmische Böen. Im Südwesten nimmt
der Wind dagegen gegenüber den Vortagen eher ab.
Ansonsten ändert sich am Wetterablauf nur wenig. Außer im Südosten bleibt es
überwiegend sonnig bei ähnlichen Höchstwerten wie am Vortag.

In der Nacht zum Donnerstag geraten wir in den Einflussbereich des Randtroges,
der bis Donnerstagfrüh den Süden und die Mitte Deutschlands westwärts überquert
und sich dann über dem äußersten Westen befindet. Trogrückseitig setzt von Osten
her mitteltroposphärisch WLA ein, die sich später auch anhand mittelhoher
Wolkenfelder über dem Südosten des Landes bemerkbar macht. In 850 hPa geht die
Temperatur mit Passage des Troges aber auch in der Mitte und im Westen
Deutschlands erst einmal deutlich zurück. Zugleich feuchtet die Luftmasse in der
Grundschicht von Südosten her etwas an, vor allem im ICON-EU simuliert in der
Südhälfte bis in den zentralen Mittelgebirgsraum gebietsweise aufgelockerte
Sc-Bewölkung, die sich an den Nordosthängen einiger Mittelgebirge staut. GFS und
IFS haben dagegen so gut wie keine tiefen Wolken auf der Agenda.
Das Bodenhoch bleibt mit seinem Schwerpunkt in etwa über Weißrussland, so dass
sich am Druckgradienten kaum etwas ändert. Aus den schon weiter oben genannten
Gründen nimmt der Wind in den Niederungen im Laufe der Nacht somit eher etwas
ab, während er auf den Bergen dagegen ein wenig zulegt. Auf exponierten Gipfeln
der ostbayerischen Mittelgebirge, auf dem Fichtelberg und auf dem Brocken kann
es Sturmböen aus Südost geben.
Mit den etwas dichteren Wolkenfeldern wird es im Süden und Südosten nicht mehr
ganz so kalt wie in den Vornächten, dennoch muss verbreitet - mal abgesehen von
einigen Küstenregionen mit auflandigem Wind und von den Ballungszentren im
Westen - mit leichtem, in ungünstigen Lagen auch mit mäßigem Frost gerechnet
werden.

Donnerstag ... verlagert sich der Randtrog von Westdeutschland bis zum Abend
nach Zentral- und Südfrankreich. Damit dreht die Höhenströmung über dem
Vorhersagegebiet an der Südwestflanke des inzwischen über dem Westen Russlands
angelangten Höhenhochs auf Südost. Die WLA verstärkt sich noch etwas und wird
von Osten her zunehmend auch niedertroposphärisch wirksam, die Temperatur in 850
hPa steigt bis zum Abend auf Werte zwischen -3 Grad am Rhein und +3 Grad an der
Oder.
Im Bodenfeld weitet sich die flache Tiefdruckrinne etwas weiter nach Südwest-
und Süddeutschland aus, während sich an Lage und Intensität des Hochs nur wenig
ändert. Somit verschärft sich der Gradient neben dem äußersten Südosten vor
allem auch in den mittleren und in den nordwestlichen Landesteilen etwas, ob es
dort auch in den Niederungen für warnrelevante Böen (Bft 7) aus Ost bis Südost
reicht, ist aber noch unsicher. ICON-EU geht dabei etwas aggressiver vor als IFS
und GFS. In den Kamm- und Gipfellagen der ostbayerischen und östlichen
Mittelgebirge sowie des Harzes gibt es aber wohl verbreiteter stürmische Böen,
exponiert auch Sturmböen. In West-Ost ausgerichteten Tälern der oben genannten
Mittelgebirge ist mit steifen, vereinzelt auch stürmischen Böen zu rechnen.
Mit der WLA nimmt auch die Tendenz zu mittelhoher Bewölkung etwas zu, vor allem
im Südosten. Aber auch dort zeigt sich wohl immer wieder die Sonne, am
sonnigsten bleibt es im Norden. Niederschläge werden keine simuliert.
Insgesamt wird es etwas milder mit Höchstwerten zwischen 5 und 13 Grad, die
höchsten Werte im Lee einiger Mittelgebirge.



Modellvergleich und -einschätzung
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Die synoptischen Basisfelder werden im Kurzfristzeitraum von allen Modellen sehr
ähnlich simuliert, prognose- und warnrelevante Unterschiede sind kaum
auszumachen. Lediglich die Windentwicklung am Donnerstag ist im Detail noch mit
leichten Unsicherheiten behaftet.


Vorhersage- und Beratungszentrale Offenbach
Dipl. Met. Jens Winninghoff