DWD Synoptische Übersicht Kurzfrist

22-03-2020 18:01
SXEU31 DWAV 221800

S Y N O P T I S C H E Ü B E R S I C H T K U R Z F R I S T
ausgegeben am Sonntag, den 22.03.2020 um 18 UTC


Markante Wettererscheinungen:
Meist ruhiges und kühles Hochdruckwetter. Auf den Gipfeln der südwestdeutschen
Mittelgebirge Sturmböen. In den Nächten verbreitet leichter bis mäßiger, im
Südosten in ungünstigen Lagen auch strenger Frost.

Synoptische Entwicklung bis Mittwoch 12 UTC
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Aktuell ... befindet sich Deutschland zwischen einem Höhenhoch mit Schwerpunkt
über der Nordsee, von dem aus sich Höhenkeile einerseits über Südskandinavien
hinweg nordostwärts bis zum Weißen Meer sowie über BeNeLux nach Südfrankreich
erstrecken, und einem markanten Höhentrog, der von Nordwestrussland bis zum
nördlichen Balkan reicht, unterhalb einer nordöstlichen Höhenströmung. Im Laufe
der Nacht weitet sich das Höhenhoch ein wenig Richtung Mitteleuropa aus, so dass
der Gradient vor allem im Norden und Westen des Landes etwas auffächert.
Das mit dem nach Nordwesteuropa gerichteten Keil korrespondierende Bodenhoch
erstreckt sich vom Westen Russlands über das Baltikum bis nach
Nordostdeutschland. KLA und Absinken bewirken noch einen weiteren leichten
Druckanstieg (Kerndruck nach Lesart des ICON-EU nahe 1045 hPa über dem Baltikum)
zudem weitet sich das Hoch ein wenig südwestwärts aus, so dass der Gradient auch
über den mittleren Landesteilen des Vorhersagegebietes allmählich etwas
auffächert.
Nach Südwesten zu ändert sich am Gradienten dagegen zunächst nur wenig und
aufgrund des Zuschlags durch die Supergeostrophie weht dort auch die Nacht über
vor allem in den Kamm- und Gipfellagen stürmischer Ost- bis Südostwind, im
Südwesten eher Ost- bis Nordostwind. Während der Wind in den Niederungen mit
zunehmender Stabilisierung abnimmt, kann er sich in einigen Kuppen- und
Gipfellagen aufgrund lokaler Low Level Jet-Effekte sogar noch ein wenig
verstärken. Die Folge sind stürmische Böen und auch einzelne Sturmböen, auf
exponierten Schwarzwaldgipfeln muss auch mit schweren Sturmböen gerechnet
werden. In den Niederungen treten im Laufe der Nacht dagegen kaum mehr steife
Böen auf, am ehesten noch am Hochrhein, am Bodensee und in Oberschwaben.
An der Südflanke des Hochs wird von Osten her kontinentale Polarluft ins
Vorhersagegebiet advehiert, die im Westen lediglich bis etwa 950 hPa hoch
reicht, in der Lausitz dagegen eine Mächtigkeit von über 1500 m aufweist (850
hPa-Temperatur dort bei -13 Grad!). Dabei ist es lediglich im Ostseeumfeld
(durch Lake Effekt), am Erzgebirge bzw. im ostbayerischen Mittelgebirgsraum (in
der Nähe des Höhentroges) sowie an den Alpen (durch Staueffekte) zunächst noch
locker bewölkt, ansonsten zeigt sich der Himmel fast überall sternenklar. Somit
gibt es verbreitet Frost, im Westen und Norden sowie in den Niederungen
Südwestdeutschlands nur leicht, nach Osten und Süden zu mäßig, in einigen
windgeschützten Tälern der östlichen und ostbayerischen Mittelgebirge sowie der
Alpen muss mit strengem Frost gerechnet werden. Glätte spielt aufgrund der
trockenen Luftmasse warntechnisch keine Rolle.

Montag ... weitet sich der von der Nordsee ausgehende Höhenkeil noch weiter nach
Nordwestrussland aus, dessen Achse bleibt aber weiterhin nördlich des
Vorhersagegebietes. Außerdem verstärkt sich ein von den Azoren bis zum Süden der
Britischen Inseln reichender Höhenkeil. Der Höhentrog über Ost- bzw.
Südosteuropa weist Dipolstruktur auf, wobei sich das südwestliche Drehzentrum
allmählich über Ungarn hinweg südwärts verlagert.
Das mit dem Keil korrespondierende Bodenhoch kann sich nur ein wenig nach weiter
nach Südwesten ausweiten und wird durch kräftige KLA weiterhin gestützt. Somit
ist der Gradient im Südwesten und Süden Deutschlands weiterhin am schärfsten
ausgeprägt. Dort frischt der Wind im Tagesverlauf auch in den Niederungen erneut
aus östlichen Richtungen auf. Allerdings dürfte es nicht mehr ganz so verbreitet
steife Böen geben wie noch am Vortag. In den Kamm- und Gipfellagen der
Mittelgebirge Südwestdeutschlands schwächt sich der Wind aufgrund der besseren
Durchmischung mit der Grundschicht zwar etwas ab, dennoch muss dort noch mit
stürmischen Böen, auf exponierten Schwarzwaldgipfeln mit Sturmböen gerechnet
werden.
Großräumiges Absinken lässt keine nennenswerte Wolkenbildung zu, lediglich im
Ostseeumfeld sowie in den östlichen Mittelgebirgen reicht es eventuell für
flache Quellwolken. Die Temperaturen erreichen im Südosten (dort weist die
Luftmasse nach wie vor eine größere Mächtigkeit als im Westen auf) nur
Höchstwerte zwischen 2 und 6 Grad, sonst zwischen 5 und 9 Grade, im Westen und
im südlichen Oberrheingraben werden dagegen bis zu 12 Grad erreicht. Im
östlichen und ostbayerischen Mittelgebirgsraum gibt es oberhalb von etwa 600 bis
900 m leichten Dauerfrost.

In der Nacht zum Dienstag verlagert sich das aus dem südwestlichen Dipol des
Höhentroges hervorgegangene Cut-Off-Tief als Kaltlufttropfen vom Balkan
allmählich Richtung Adria. Dadurch kann auch der von der Nordsee bis nach
Nordwestrussland reichende Höhenrücken ein wenig nach Süden vorankommen, bleibt
aber mit seiner Achse nördlich des Vorhersagegebietes.
Das Bodenhoch verlagert somit seinen Schwerpunkt ebenfalls etwas nach Süden, die
an dessen Südflanke ins Vorhersagebiet advehierte kontinentale Polarluft weist
am Dienstagfrüh über Südostbayern ihre größte Mächtigkeit auf. An der
Windsituation ändert sich im Großen und Ganzen nur wenig; tagesgangbedingt nimmt
der Wind in den Niederungen ab und auf den Bergen Südwestdeutschlands wieder zu,
auf exponierten Schwarzwaldgipfeln kann es Sturmböen geben, wobei die
Wahrscheinlichkeit dafür insgesamt etwas abnimmt. An der Nordsee frischt der
Wind aus Süd bis Südost etwas auf, eventuell reicht es auf Helgoland für steife
Böen (Bft 7).
Ansonsten verläuft die Nacht gering bewölkt oder klar und somit wettertechnisch
ruhig. An den Tiefsttemperaturen ändert sich gegenüber der Vornacht nur wenig.

Dienstag ... kann sich der Höhenkeil an der Südflanke der sehr weit nördlich
verlaufenden Frontalzone durch WLA und daraus resultierenden Potenzialgewinn
über dem mittleren Skandinavien noch etwas verstärken und erstreckt sich nach
wie vor - ausgehend vom Seegebiet westlich der Iberischen Halbinsel - über den
Süden der Britischen Inseln und die Nordsee bis nach Karelien. Auch das
Cut-Off-Tief bleibt quasistationär.
Durch KLA an dessen Nordflanke wird das Hochdruckgebiet mit Schwerpunkt über dem
Baltikum bzw. Weißrussland weiterhin gestützt. Es schwächt sich aber allmählich
etwas ab, wodurch der Gradient auch im Südwesten weiter auffächert.
Warnrelevante Böen (Bft 7) sind am ehesten noch in Oberschwaben und am Bodensee
denkbar, in den Kamm- und Gipfellagen der Alb und des Südschwarzwaldes kann es
auch noch stürmische Böen aus östlichen Richtungen geben.
Nach wie vor dominieren über dem Vorhersagegebiet schwache KLA und Absinken, die
Wolkenbildung weitgehend unterbinden. Lediglich im Nordseeumfeld macht sich
eventuell schon über die Achse des Höhenkeils hinaus nach Süden reichende
mitteltroposphärische WLA in Form dünner Cirren bemerkbar. An den Höchstwerten
ändert sich nur wenig gegenüber dem Vortag.

In der Nacht zum Mittwoch ändert sich an der Konstellation der Geopotenzial- und
Druckgebilde nur wenig. An der Nordflanke des Cut-Off-Tiefs, das sich inzwischen
über der mittleren Adria befindet, verlagert sich ein kurzwelliger Randtrog von
der Ukraine her nach Ostösterreich, schwacher, PVA-induzierter Hebungsantrieb
auf dessen Vorderseite wird aber auch über Südostdeutschland durch die KLA so
weit überkompensiert, dass es nicht einmal für nennenswerte Wolkenbildung
reicht.
Das Bodenhoch kann sich wieder etwas verstärken, ändert seinen Schwerpunkt aber
kaum. Mit der damit einhergehenden Gradientverschärfung (unterstützt durch
nächtliche regionale Low Level Jets) steigt die Wahrscheinlichkeit für
stürmische Böen bzw. Sturmböen aus Ost bis Nordost in den Kamm- und Gipfellagen
der südwestdeutschen, aber auch der ostbayerischen Mittelgebirge wieder an.
Ansonsten ändert sich gegenüber den beiden Vornächten nur wenig, auch bzgl. der
Temperatur.

Mittwoch ... schwächt sich der weiterhin vom Seegebiet nordöstlich der Azoren
bis zum Baltikum reichende Höhenkeil im Tagesverlauf vor allem über dem Süden
der Britischen Inseln und der Nordsee etwas ab. Das Cut-Off-Tief über der Adria
verlagert sein Drehzentrum ein wenig nach Norden, der Randtrog an dessen
Nordflanke schwenkt über Süddeutschland hinweg westwärts. Nach wie vor werden
die von ihm ausgehenden Hebungsprozesse durch KLA kompensiert, dennoch können
rückseitig des Troges von Südosten her lockere Wolkenfelder in den Süden und
Osten Bayerns vordringen, es bleibt aber trocken.
Das Bodenhoch ändert seinen Schwerpunkt räumlich kaum, schwächt sich im
Tagesgang aber ab, zusammen mit der besseren Durchmischung nimmt somit der
Ostwind auch in den Kamm- und Gipfellagen der süddeutschen Mittelgebirge wieder
ab. Die Polarluft altert allmählich und die zunehmend positive Strahlungsbilanz
vermag es, die Luftmasse gegenüber dem Vortag etwas zu erwärmen. Die Höchstwerte
liegen somit zwischen 3 Grad bei wolkigem Wetter in Südbayern und 12 Grad im
Rheinland bzw. Emsland. Dabei scheint, mit Ausnahme des Südostens und des
Nordseeumfeldes (dünne Cirren) die Sonne nahezu überall von einem wolkenlosen
Himmel.


Modellvergleich und -einschätzung
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Anhand der synoptischen Basisfelder lassen sich im Kurzfristzeitraum keine warn-
und prognoserelevanten Unterschiede zwischen den vorliegenden Modellen ableiten.



Vorhersage- und Beratungszentrale Offenbach
Dipl. Met. Jens Winninghoff