DWD Synoptische Übersicht Kurzfrist

11-03-2020 18:30
SXEU31 DWAV 111800

S Y N O P T I S C H E Ü B E R S I C H T K U R Z F R I S T
ausgegeben am Mittwoch, den 11.03.2020 um 18 UTC


Markante Wettererscheinungen:
In einigen Mittelgebirgen bis Donnerstagmittag/Abend Dauerregen. Windig, in
Gipfellagen Sturm- bis Orkanböen, in den Niederungen morgen und Freitag vor
allem im Norden, Osten und in der Mitte Böen Bft 8 bis 9, an der See morgen
schwere Sturmböen. Orkanartige Böen nicht ausgeschlossen.
Auf exponierten Bergen Böen bft 10 bis 12.
Ab Freitagabend Wetterberuhigung, jedoch Nachtfrostgefahr.

Synoptische Entwicklung bis Samstag 12 UTC
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Aktuell ... Ein flacher höhenrücken hat aktuell Deutschland erreicht und
schwenkt zum östlichen Mitteleuropa. Ind er Mitte ist eine Warmfront
eingelagert, die anfangs kaum nach Norden vorankommt und vor allem in den
westlichen und nördlichen Mittelgebirgen noch für Regen sorgt. Von Westen nähert
sich aber ein breitet Höhentrog, in den nnach Norden hin noch ein Kurzwellentrog
eingelagert ist, der morgens die mittlere Nordsee erreicht. Vorderseitig
entwickelt sich ein Bodentief, da um 06 UTC über dem Skagerrak erwartet wird.
Damit wird die Warmfront ab dem späten Abend deutlich nach Norden ´gesaugt´ und
es folgt eine Kaltfront, die um 00 UTC über Holland erwartet wird und um 06 UTC
auf einer Linie Eifel - Vorpommern sich erstreckt. Mit dieser Entwicklung
breiten sich die Regenfälle vom nördlichen Mittelgebirgsraum nach
Norddeutschland aus. In den Dauerregen-Regionen fallen dabei noch einmal 5 bis
10 mm, in exponierten Staulagen auch gut 15 mm (CD2, nördlicher Westerwald). Da
dort bereits gut 50 mm Regen gefallen ist, wird an einzelnen Stationen die
Dauerregengrenze wohl übertroffen. Mit der Tiefentwicklung verschärft sich
nachts der Gradient und so kommen zunächst im Westen und Nordwesten,
Donnerstagfrüh im gesamten Norden und teils in der Mitte Böen bft 8 bis 9 auf.
An der Nordsee werden von allen operationellen Modellen 10er Böen, teils auch
11er Böen simuliert (vor allem ICON und EZMW). Wahrscheinlich reichen die
schweren Sturmböen auch einige Kilometer in Binnenland hinein. Die Probabilistik
deutet mit 20 bis 40 Prozent an der Nordsee 11er Böen an, wenn man von CosmoLEPS
einmal absieht.

Donnerstag ... zieht der sich verstärkende Trog rasch weiter zum Baltikum, das
korrespondierende Tief kann sich noch etwas vertiefen und erreicht am Abend den
Finnischen Meerbusen. Nun weist auch die Kaltfront genügend Schubkomponente auf,
um rascher nach Südosten voranzukommen, sie erreicht abends fast die Donau.
Somit endet die Dauerregenlage im Tagesverlauf, zuletzt wohl am Abend im
Bayerischen Wald.
Der Kaltfront folgt ein Schwall maritimer Polarluft (um -4 Grad in 850 hPa), die
zunächst noch nicht hochreichend labil geschichtet ist, so dass die Wolken
postfrontal rasch auflockern und es kaum für Schauer reicht. Nach Durchschwenken
des Troges am Nachmittag und Abend gelangt dann zunehmend höhenkalte Luft nach
Norddeutschland (-32 bis -35 Grad), so dass dort die Schauertätigkeit beginnt
aufzuleben, ein kurzes Gewitter am Abend im Nordwesten inbegriffen.
Markant gestaltet sich dagegen die Windentwicklung. In vor allem hochreichend
gut gescherter Umgebung (DLS gut 40 m/s, LLS 15 bis 20 m/s) bildet sich entlang
der Kaltfront nach Lesart der vorliegenden Konvektion erlaubenden Modelle eine
markante Schauerlinie (teilweise auch zwei, vor allem AROME hat eine klassische
Splitfront auf der Agenda), auch einzelne Gewitter sind dabei nicht
ausgeschlossen. Bei 40 bis 50 kn in 900 bis 850 hPa sind mit Frontpassage dabei
durchaus Sturm-, vereinzelt auch schwere Sturmböen in Betracht zu ziehen, in
erster Linie im Norden und Osten. Nach Süden und Westen zu schwächt sich die
Wetteraktivität der Kaltfront aufgrund überlaufender kräftiger KLA wohl rasch
ab.
Zudem verschärft sich der Gradient an der Südflanke des nach Osten ziehenden
Sturmtiefs im Norden und Nordosten Deutschlands vorübergehend deutlich und es
gibt bis weit ins Binnenland reichend Sturmböen aus West bis Südwest, Richtung
Küsten auch schwere Sturmböen. Vor allem ICON-EU hat im deterministischen Lauf
an der Nordfriesischen Küste und an der Ostsee von Fischland bis nach Rügen
orkanartige Böen auf der Agenda und auch in der Probabilistik zeigt ICON-EU-EPS
dort höhere Wahrscheinlichkeiten für Bft 11 als ECMWF-EPS. GFS tendiert Richtung
IFS mit einer eher noch etwas schwächeren Windentwicklung.
Nach Süden zu fächert der Gradient rasch auf und es reicht meist nur für
stürmische Böen, im Südwesten und Süden teilweise auch nur für steife Böen und
einige Regionen im Südwesten bekommen vielleicht auch nur 6er Böen. Lediglich in
den Kamm- und Gipfellagen gibt es auch dort Sturmböen.
Bereits am Nachmittag und Abend fächert der Gradient mit Abzug des Tiefs weiter
auf und der Wind nimmt auch im Norden und Osten allmählich etwas ab.
Präfrontal gelangt weiterhin sehr milde Luft nach Süddeutschland, südlich des
Mains werden erneut Höchstwerte zwischen 13 und 17 Grad, Richtung Alpen
eventuell auch bis 19 Grad erreicht. Aber auch in der Mitte und im Norden bleibt
es mit 8 bis 13 Grad verhältnismäßig mild.

In der Nacht zum Freitag schwenkt ein weiterer Kurzwellentrog von der Nordsee
her nach Nordwestdeutschland. Mit Annäherung eines korrespondierenden
Bodentroges, der sich morgens über der Deutschen Bucht befindet, verschärft sich
der Druckgradient im Nordwesten erneut und nach vorübergehender Abnahme frischt
der Wind in der zweiten Nachthälfte dort wieder aus Südwest bis West auf. Dann
gibt es dort erneut steife, teils auch stürmische Böen, im Nordseeumfeld auch
Sturmböen, entlang der Ostfriesischen Inseln nach Lesart von ICON-EU vereinzelt
auch schwere Sturmböen.
Im Süden und Osten sowie in den mittleren Landesteilen spielt der Wind dagegen
warntechnisch wohl nur noch in den Kamm- und Gipfellagen der Mittelgebirge und
der Alpen eine Rolle.
Mit dem Kurzwellentrog kommt die Höhenkaltluft weiter südwärts, etwa bis zu den
mittleren Landesteilen voran. Bei -32 bis -35 Grad in 500 hPa und -4 bis -5 Grad
in 850 hPa reicht es aber zunächst wohl nur für vereinzelte Regen- und
Graupelschauer, am ehesten im Nordwesten und an den Küsten sowie im westlichen
Mittelgebirgsraum, wo oberhalb von etwa 400 bis 600 m auch mal ein Schneeschauer
mischen können (aber wohl zu wenig für eine eventuelle Schneedecke). Kurze
Gewitter sind nicht ganz ausgeschlossen, am ehesten wohl im Nordwesten.
Die Kaltfront erreicht die Alpen und verwellt dort ein wenig, so dass dort sowie
im südlichen Alpenvorland 8 bis 15 mm in 12 Stunden fallen, in Staulagen
(Oberallgäu) auch mehr. Die Schneefallgrenze sinkt dort morgens auf etwa 800 m.
In den Regionen zwischen Front und Höhenkaltluft lockern die Wolken stärker auf
und es bleibt trocken. Vor allem im Bergland kann es gebietsweise leichten Frost
und Glätte geben.

Freitag ... Zieht der o. e. Boden- und Höhentrog zum östlichen Mitteleuropa ab
und von Westen nähert sich langsam ein flacher Höhenrücken, der den
Azorenhochkeil über Süddeutschland stützt, wobei sich abends am Alpenrand eine
separate Hochzelle entwickelt. Von diesem erstreckt sich dann ein Keil zur
südwestlichen Nordsee. Durch die Nähe zum Höhentrog entwickeln sich aber in der
Nordhälfte noch weitere Regen- oder Graupelschauer, im nördlichen
Mittelgebirgsraum oberhalb von 500 bis 600 m Schneeschauer. Ein kurzes Gewitter
mit Graupel und Sturmböen kann angesichts einem Temperaturunterschied von gut 30
K (T850 -4, T500 -34 Grad) nicht ausgeschlossen werden. Höhen- und Bodentrog
werden im Nordosten gegen Abend noch einmal regeneriert.
Im Süden ist es bei einer Mischung aus Sonne und Wolken meist trocken, wenn man
einmal von letzten Niederschlägen im Alpenraum einmal absieht. Den meisten
Sonnenschein gibt es dabei nicht nur im südlichen Baden-Württemberg, sondern
auch an der Nordsee (Mosmix Sonnenanteile knapp über 50 Prozent). Die
Temperaturen liegen nur noch zwischen 7 Grad an der Nordsee und 12 bis
vereinzelt 13 Grad am Oberrhein.
Der Wind ist auf der Bodentrogrückseite in der Mitte und im Norden sowie Osten
kräftig mit stürmischen Böen und einzelnen Sturmböen. Durch die Regeneration des
Bodentroges fächert sich der Gradient erst zum späteren Abend auf, so dass der
Wind auch abends in Böen anfangs in der Nordosthälfte noch mit steifen bis
stürmischen Böen einhergeht.

In der Nacht zum Samstag verlagert sich der flache Höhenrücken von der Nordsee
allmählich nach Mitteleuropa. Der Bodentrog über Polen zieht weiter ostwärts und
mit Annäherung des Höhenrückens setzt über dem gesamten Vorhersagegebiet und
über Mitteleuropa deutlicher Druckanstieg ein, so dass sich Samstagfrüh mit
knapp 1025 hPa im Raum Sachsen eine Hochzelle zeigt. Die Schauer klingen abends
und eingangs der Nacht rasch ab und die Wolken lockern auf, vielerorts klart der
Himmel sogar auf. Der anfangs vor allem in der Osthälfte in Böen stürmische
Nordwestwind lässt bereits in der ersten Nachthälfte auch dort rasch nach und
ist spätestens um Mitternacht nicht mehr warnrelevant. Somit kann die
eingeflossene maritime Polarluft rasch auskühlen und es gibt recht verbreitet
leichten Frost. Vor allem im Bergland kann stellenweise Glätte durch Überfrieren
auftreten.

Samstag ... Der o. e. Höhenrücken schwenkt unter Abschwächung über Deutschland
hinweg nach Osten und das korrespondierende Bodenhoch wandert zum nördlichen
Balkan. Damit kommen wir niedertroposphärisch in eine südliche bis südwestliche
Strömung. In der Folge kommt in der 2. Tageshälfte in der Mitte und im Norden
kräftige WLA auf, mit der in der Folge ein weiterer, von Westen
heranschwenkender Rücken gestützt wird. Dieser erreicht mit seiner Achse zum
Tagesende den äußersten Westen Deutschlands. Damit erreicht eine Warmfront mit
etwas Regen den Westen und Nordwesten Deutschlands. Mit übergreifen der Front
frischt der Wind dort auf, bringt aber wahrscheinlich gegen Abend nur 6er und
einzelne 7er Böen an der Nordsee. Abgesehen vom Westen und Nordwesten ist es
sonst recht freundlich mit einer Mischung aus Sonne und Wolken.
Die mildere Luft kann sich lediglich im Westen durchsetzen und sorgt immerhin
für Werte um 11 Grad. In der Osthälfte bleibt es kühler mit Werten um 9 Grad.
Nach Auslaufen der Frostwarnungen sind somit am Tage meist keine Warnungen
erforderlich.


Modellvergleich und -einschätzung
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Einige Unterschiede wurden bereits oben besprochen.

Was die Sturmböen Bft 9 am Freitag angeht so sind nach CosmoLEPS und ICON-EU-EPS
die Wahrscheinlichkeiten hierfür von Sachsen bis zum südlichen Niedersachsen und
an der Küste mit 20 bis 50 Prozent erhöht. EZMW-EPS legt sogar noch 20 bis 40
Prozent drauf. Daher sind am Freitag verbreitet zumindest 8er Böen zu erwarten,
wenn man von Südwestdeutschland einmal absieht.


Vorhersage- und Beratungszentrale Offenbach
Dipl. Met. Olaf Pels Leusden