DWD Synoptische Übersicht Kurzfrist

10-03-2020 08:30
SXEU31 DWAV 100800

S Y N O P T I S C H E Ü B E R S I C H T K U R Z F R I S T
ausgegeben am Dienstag, den 10.03.2020 um 08 UTC


GWL und markante Wettererscheinungen:
GWL: Wz
Weiterhin unbeständig, zeitweise, vor allem am Donnerstag, auch in den
Niederungen stürmische Böen und Sturmböen. Auf den Bergen schwere Sturm- bis
Orkanböen, am Donnerstag vorübergehend auch an den Küsten. In Weststaulagen der
Mittelgebirge Dauerregen.

Synoptische Entwicklung bis Donnerstag 24 UTC
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Dienstag... weitet sich die quer über den Nordatlantik verlaufende, nur wenig
mäandrierende kräftige Frontalzone weiter nach Mittel- und Osteuropa aus. Darin
eingebettet und gestützt durch kräftige WLA an der Südflanke des Jetstreams
verlagert sich ein flacher Höhenrücken über das Vorhersagegebiet hinweg
ostwärts, dahinter stellt sich eine glatte westliche Höhenströmung ein.
Im Bodenfeld greift aktuell die Warmfront eines zentralsteuernden Sturmtiefs
südlich von Island auf Deutschland über und kommt rasch nach Osten voran, abends
hat sie bereits Polen und Tschechien erreicht. Markante, aus WLA resultierende
Hebung der feuchten Luftmasse subtropischen Ursprungs führt vor allem im
Frontbereich bzw. im Vorfeld, in den klassischen Weststaulagen aber auch noch im
Warmsektor zu teils länger anhaltenden Niederschlägen, wobei es präfrontal in
einigen Mittelgebirgen und an den Alpen noch bis auf etwa 600/800 m
herunterschneien kann. Mit Frontpassage steigt die 850 hPa-Temperatur aber auf
+2 bis +6 Grad und die Schneefallgrenze spielt warntechnisch keine Rolle mehr.
Die Kaltfront erreicht in den Abendstunden die Nordsee.
Bis zum Abend fallen vor allem in den Weststaulagen der südwest-, westdeutschen
und zentralen Mittelgebirge mehr als 20 mm in 12 Stunden, im Schwarzwald und
später auch im Oberallgäus vor allem nach Lesart der höher aufgelösten Modelle
auch um 30 mm. Für diese Regionen wurde bereits eine Dauerregenwarnung
ausgegeben, zumal die nachfolgende Kaltfront ins Schleifen gerät, was vor allem
für den zentralen Mittelgebirgsraum von Relevanz ist.
Im Fokus der Warntätigkeit steht aber einmal mehr der Wind. Der Gradient
verschärft sich im Warmsektor weiter, so dass es trotz recht stabiler Schichtung
auch in den Niederungen vielerorts für steife Böen (Bft 7), vor allem in den
Lee-Lagen einiger Mittelgebirge sowie (in erster Linie noch präfrontal, später
an der Nordsee auch im Vorfeld der Kaltfront) an den Küsten auch für stürmische
Böen (Bft 8) aus Südwest reicht. Auf den Bergen gibt es dagegen verbreitet
Sturmböen (Bft 9), in den Gipfellagen auch schwere Sturmböen (Bft 10),
eventuell, insbesondere auf dem Brocken, auch Orkanböen (Bft 11 bis 12).
Trotz des bedeckten Himmels wird es mild, im Warmsektor auch sehr mild. Die
Höchstwerte liegen im Osten und Südosten zwischen 6 und 10 Grad, sonst zwischen
9 und 14 Grad.

In der Nacht zum Mittwoch greift die Kaltfront auf Norddeutschland über, gerät
aber aufgrund zunehmend höhenströmungsparalleler Exposition mehr und mehr ins
Schleifen und erreicht morgens in etwa die mittleren Landesteile. Auch, wenn die
dynamische Unterstützung durch PVA bzw. WLA mehr und mehr fehlt, reichen die
frontalen Hebungsprozesse im Zusammenspiel mit der sich durch einen hohen Gehalt
an Flüssigwasser auszeichnenden Luftmasse im Frontbereich weiterhin für
anhaltende Regenfälle, vor allem in den Staulagen der westlichen und zentralen
Mittelgebirge. Dort sowie in den Staulagen des Oberallgäus fallen nochmals 15
bis 20 mm in 12 Stunden, im Oberallgäu auch mehr, so dass 24-stündig in diesen
Regionen die Kriterien für eine Dauerregenwarnung auf jeden Fall erfüllt sind.
IFS und GFS haben zwar etwas geringere Mengen auf der Agenda, die Probabilistik
(COSMO-LEPS, ICON-EU-EPS und auch ECMWF-EPS) zeigt jedoch erhöhte
Wahrscheinlichkeiten für Dauerregen, zumal in der Nacht zum Donnerstag noch eine
weitere Welle die Kaltfront entlangläuft.
Im Südwesten lassen die Regenfälle dagegen nach, in der zweiten Nachthälfte dann
auch im Südosten.
Postfrontal gelangt erwärmte Polarluft nach Norddeutschland. Diese ist stabil
geschichtet, so dass es nach Abzug der Front überwiegend trocken bleibt. Mit
Frontpassage simulieren einige Konvektion erlaubende Modelle eine kräftigere
Schauerlinie, für Gewitter dürfte es aber mangels Labilität nicht reichen
(wobei, ganz ausschließen darf man sie nie..).
Der Südwest-, postfrontal eher Westwind frischt mit Frontpassage vorübergehend,
aber auch präfrontal durch den sich dort aufgrund eines von Frankreich dorthin
vorstoßenden flachen Bodenhochkeils noch etwas verschärfenden Gradienten noch
etwas auf und es gibt wohl auch in den Niederungen häufiger stürmische Böen, am
ehesten ind en mittleren Landesteilen. Auffallend ist dabei die Diskrepanz
zwischen ICON-EU und IFS, letztere simulieren verbreitet Bft 8, vor allem in der
Mitte vereinzelt sogar Bft 9 und somit im Mittel etwa 1 bis 1,5 Bft mehr als
ICON-EU. GFS ähnelt eher der deutschen Modellkette.
Auf den Bergen gibt es nach wie vor, je nach Exposition, Sturm- bis Orkanböen.
Postfrontal fächert der Gradient auf und der Wind lässt nach, lediglich an den
Küsten gibt es noch Böen Bft 7 bis 8. Frost und Glätte spielen warntechnisch
keine Rolle.

Mittwoch... wölbt sich vorderseitig eines weiteren Trogvorstoßes auf den nahen
Ostatlantik über Mitteleuropa durch WLA erneut ein flacher Höhenrücken auf,
wobei sich Deutschland weiterhin an der Südflanke des Jetstreams befindet. Die
weiterhin über den mittleren Landesteilen schleifende Front kommt mangels
Schubkomponente nicht weiter nach Süden voran, eine weitere frontale Welle
greift abends auf Frankreich über. Mangels dynamischer Unterstützung klingen die
Regenfälle im Frontbereich weiter ab, ganz zum Erliegen kommen sie aber nicht
und vor allem in den Staulagen der westlichen und zentralen Mittelgebirge kommen
bis zum Abend nochmal 10 bis 20 mm zusammen (IFS ähnlich, nach Lesart des GFS
befindet sich die Front etwas weiter nördlich mit geringeren Mengen). Nördlich
der Front und auch im Warmsektor in Süddeutschland bleibt es dagegen überwiegend
trocken.
Das zentralsteuernde Tief hat Dipolstruktur angenommen, wobei sich ein
Drehzentrum südwestlich von Island befindet, ein weiteres über der Norwegischen
See, in etwa vor der Haltenbank. Nach wie vor bleibt ein flacher Hochkeil nach
Süddeutschland gerichtet, der sich allerdings etwas abschwächt, so dass der
Gradient im Tagesverlauf zögernd auffächert. Vielerorts reicht es aber weiterhin
für steife Böen (Bft 7) aus West bis Südwest, an den Küsten auch zeitweise für
stürmische Böen, auf den Berggipfeln gibt es Sturm-, exponiert schwere
Sturmböen. Zum Abend hin flaut der Wind allerdings etwas ab.
Im Warmsektor gelangt weiterhin Meeresluft subtropischen Ursprungs (3 bis 6 Grad
in 850 hPa) nach Süddeutschland, der Norden bleibt im Einflussbereich subpolarer
Meeresluftmassen (-2 bis +2 Grad in 850 hPa). Somit bleibt es allgemein sehr
mild mit Höchstwerten zwischen 9 und 14 Grad in der Mitte und im Norden bzw.
zwischen 13 und 18 Grad in der Südhälfte. An den Alpen und im südlichen
Oberrheingraben können mit Sonnenunterstützung eventuell auch Werte nahe 20 Grad
erreicht werden. Auch im Norden setzt sich zeitweise die Sonne durch, während es
in der Mitte im Frontbereich bedeckt bleibt.

In der Nacht zum Donnerstag überquert ein markanter Kurzwellentrog vom
Ostatlantik her den Norden der Britischen Inseln rasch ostwärts und erreicht
morgens bereits die mittlere Nordsee. Markante, hauptsächlich PVA geschuldeter
Hebung auf dessen diffluenter Vorderseite führt zu einer kräftigen Zyklogenese
über der westlichen Nordsee, das daraus resultierende Bodentief erreicht morgens
Jütland. Die frontale Welle über Frankreich kann mit diesem Tief interagieren,
verstärkt sich und greift auf die (nördliche) Mitte des Vorhersagegebietes über.
Erneut werden in einigen Staulagen (insbesondere Bergisches Land und Sauerland)
zumindest nach Lesart des ICON-EU mehr als 15 mm in 12 Stunden simuliert, auch
entlang des Wellenkopfes fallen (im Westmünsterland, am Niederrhein und
eventuell auch bis Ostwestfalen) mehr als 10 mm. Somit ergeben sich für die
Dauerregenregionen im westlichen und zentralen Mittelgebirgsraum bis
Donnerstagvormittag 48-stündige Mengen zwischen 40 und 60 mm, vor allem nach
Lesart des ICON-EU in exponierten Staulagen auch bis 70 mm.
Die Annäherung des sich deutlich verstärkenden Tiefs führt zu einer markanten
Gradientverschärfung, so dass der Wind an dessen Südflanke ausgangs der Nacht
auch im Nordwesten zulegt. Dort gibt es dann bereits verbreitet stürmische Böen
aus Südwest, im Nordseeumfeld Sturmböen und zunehmend schwere Sturmböen. Im
Osten und Süden spielt der Wind - außer auf den Bergen - warntechnisch
vorübergehend mal keine Rolle.
Zwar klart der Himmel ganz im Süden vorübergehend mal auf, aber außer in höher
gelegenen Alpentälern dürfte Frost keine Rolle spielen.

Donnerstag... verlagert sich der Kurzwellentrog über Südschweden rasch ins
Baltikum, ein weiterer erreicht abends die nordwestliche Nordsee. Dazwischen
stellt sich über dem Vorhersagegebiet eine recht glatte, aber scharfgradientige
westliche Höhenströmung ein.
Das mit dem Trog korrespondierende Bodentief zieht rasch weiter Richtung Estland
und beginnt sich allmählich aufzufüllen. Die frontale Welle über der Mitte des
Vorhersagegebietes kommt somit deutlich rascher als Kaltfront nach Südosten
voran und erreicht abends in etwa die Donau. Somit lassen die Dauerregenfälle in
der Mitte des Landes nach, postfrontal bleibt es sogar vorübergehend mal
trocken. Mit Kaltfrontpassage kann es bei Temperaturen um -2 Grad in 850 hPa in
den höchsten Kammlagen allerdings vielleicht kurzzeitig mal ein paar
Schneeflocken geben.
Die Nordhälfte gerät mit Trogdurchgang zunehmend in den Einflussbereich
höhenkalter Meeresluft. Die Temperatur in 500 hPa sinkt auf etwa -35 Grad, in
850 hPa bis zum Abend auf -5 Grad. Somit lebt dort im Tagesverlauf die
Schauertätigkeit auf, auch kurze Graupelgewitter sind möglich.
Im Fokus der Warntätigkeit steht aber weiterhin eindeutig der Wind. Mit Passage
des Tiefs verschärft sich deutschlandweit der Gradient vorübergehend deutlich,
vor allem aber im Norden und Nordosten. Dort gibt es im Laufe des Vormittags und
mittags auch im Binnenland wohl verbreitet Sturmböen (Bft 9), Richtung Küsten
und in Schauer- bzw. Gewitternähe schwere Sturmböen (Bft 10) aus West, an den
Küsten selbst simuliert vor allem ICON-EU verbreitet, IFS nur vereinzelt
orkanartige Böen (Bft 11). Weiter südlich gestaltet sich die Windentwicklung
etwas entspannter mit (nach Südwesten zu abnehmend) Böen Bft 7 bis 8, in den
Niederungen Südwestdeutschlands gibt es wohl gebietsweise keine warnrelevanten
Böen. In den Kamm- und Gipfellagen der Mittelgebirge und der Alpen muss aber
verbreitet mit Böen Bft 9 bis 10 gerechnet werden, nach Osten zu eher mit Bft 10
bis 12. Mit Abzug des Tiefs schwächt sich der Wind im Laufe des Nachmittags und
Abends von Südwesten her allmählich wieder ab.
Insgesamt gibt es, die Windentwicklung betreffend, noch Modellunsicherheiten;
die schärfste Variante fährt das ICON-EU, GFS simuliert dagegen im Mittel etwa
1,5 bis 2 Bft weniger, IFS aber nur wenig weniger.
Präfrontal kann sich im äußersten Süden, vor allem an den Alpen, nochmal
zeitweise die Sonne durchsetzen und dort wird es mit 15 bis nahe 20 Grad erneut
sehr mild. Auch postfrontal lockern die Wolken auf. In der Mitte und im Norden
liegen die Höchstwerte zwischen 8 und 14 Grad.

In der Nacht zum Freitag überquert ein weiterer Kurzwellentrog die Nordsee
südostwärts und erreicht morgens Nordwestdeutschland. Ein korrespondierendes
Bodentief zieht Richtung Oslo-Fjord und kann sich ein wenig vertiefen, der
zugehörige Bodentrog greift morgens auf Nordwestdeutschland über. Nach
Vorübergehender Abnahme dreht der Wind im Vorfeld des Troges auf Südwest zurück
und frischt ausgangs der Nacht wieder deutlich auf. Morgens dreht er auf
Nordwest, dann gibt es im Nordwesten und Westen auch im Binnenland verbreitet
steife bis stürmische Böen, im Nordseeumfeld, vor allem im Bereich der
Ostfriesischen Inseln, Sturm-, exponiert schwere Sturmböen. Erneut hat ICON-EU
die markanteste Windentwicklung auf der Karte, GFS und IFS simulieren nur an den
Küsten markante Böen.
Weiter landeinwärts ist der Wind wohl nur auf den Bergen warnrelevant.
Die Kaltfront erreicht im Laufe der Nacht die Alpen und gerät dort ins
Schleifen. Vor allem im südlichen Alpenvorland und später auch an den Alpen gibt
es teils länger anhaltende Niederschläge (10 bis 15 mm, gebietsweise mehr),
wobei die Schneefallgrenze in den Frühstunden zumindest nach ICON-EU und IFS auf
unter 1000 m sinken könnte, GFS lässt die Kaltluft erst etwas später auf die
Alpen übergreifen.
Mit Übergreifen des Troges auf Nordwestdeutschland verstärkt sich dort die
Schauertätigkeit erneut, bei -34 Grad in 500 hPa und -4 Grad in 850 hPa kann es
auch kurze Graupelgewitter geben. Zwischen dem Regen im Süden und den Schauern
im Nordwesten gibt es kaum Niederschläge; wenn, dann fallen diese oberhalb von
etwa 400 bis 500 m als Schnee, sind aber nicht nennenswert. Vor allem im höheren
Bergland gibt es leichten Frost.


Modellvergleich und -einschätzung
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Die synoptischen Basisfelder werden von allen vorliegenden Modellen sehr ähnlich
simuliert. Im Detail ergeben sich kleinere Unterschiede bzgl. der Regenmengen
(typischerweise sind ICON-EU und die hochauflösenden Modelle bei sehr ähnlicher
Synoptik mit etwas höheren Mengen ausgestattet als IFS und vor allem GFS). Bzgl.
des Windes ist die oben angesprochene Diskrepanz zwischen ICON-EU und IFS vor
allem für die kommende Nach auffällig.
GFS simuliert das Tief am Donnerstag schwächer und auf etwas nördlicherer
Zugbahn als ICON-EU und entsprechend auch geringere Windgeschwindigkeiten.
Selbst an den Küsten reicht es meist nur für Bft 9, vereinzelt Bft 10. Auch IFS
hat die Windentwicklung nicht ganz so markant auf der Agenda.

Vorhersage- und Beratungszentrale Offenbach
Dipl. Met. Jens Winninghoff