DWD Synoptische Übersicht Kurzfrist

08-03-2020 18:01
SXEU31 DWAV 081800

S Y N O P T I S C H E Ü B E R S I C H T K U R Z F R I S T
ausgegeben am Sonntag, den 08.03.2020 um 18 UTC


Markante Wettererscheinungen:
Am Montag Troglage mit Schauern, danach wieder zunehmende Zonalisierung. Mild
bis sehr mild.

Synoptische Entwicklung bis Mittwoch 12 UTC
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Aktuell ... sind die letzten Reste des Zwischenhochs dabei, Deutschland zu
verlassen. Und so kommt es wie es kommen muss, das nächste Tief nimmt das Heft
des Handelns für den gesamten Vorhersageraum in die Hand. FLORA heißt das gute
Stück, das mit einem Kerndruck von etwas unter 975 hPa und quasisenkrechter
Achse langsam die Norwegische See in Richtung Nordosten kreuzt. Gleichzeitig ist
der korrespondierende Höhentrog dabei, sich unter Verkürzung seiner Wellenlänge
immer dichter an das Bundesgebiet heranzuschieben. Im vorgeschaltet ist eine
etwas nach Südwesten zurückhängende Kaltfront, die uns bis Montagfrüh weitgehend
von West nach Ost-Südost passiert haben wird. Rückseitig wird ein Schwall
erwärmter Meereskaltluft subpolaren Ursprungs eingespült, in der die
850-hPa-Temperatur auf 0 bis -3°C zurückgeht. Mit der Front verlagert sich das
zugehörige Regengebiet via Mitte in den Osten und Süden, wobei die Mengen meist
überschaubar bleiben. Allenfalls in den zentralen und südwestlichen
Mittelgebirgen reicht es staubedingt mal für 5 bis 10 mm, ganz lokal vielleicht
bis 15 mm innert 12 h. Nach wie vor unsicher ist, ob am Morgen in einigen höher
gelegenen Tälern der Alpen und des Bayerischen Waldes gefrierender Regen
auftritt. Wahrscheinlich geht die Temperatur dort in den leichten Frostbereich
zurück, allerdings ist noch nicht ganz klar, ob der Regen auch ankommt. Insofern
ist FZRA zwar nicht ausgeschlossen, er dürfte - wenn überhaupt - aber nur sehr
lokal und auch nur sehr kurzzeitig auftreten.
Während der Niederschlag im Osten und Süden bei vergleichsweise stabilen
Schichtungsverhältnissen fällt, kommt es weiter westlich zu einer
kontinuierlichen Labilisierung der Luftmasse. Grund dafür ist das Nachrücken des
Höhentroges, der zwar immer schmaler und länger wird, es aber trotzdem schafft,
etwas Höhenkaltluft einzuschmuggeln. Bis zum frühen Montagmorgen sinkt die
500-hPa-Temperatur zwischen SH und BW auf rund -30°C oder etwas darunter (DeltaT
850-500 hPa bei 27/28 Grad), was trotz "ungünstiger" Tageszeit ausreicht, um
einige Schauer ins Leben zu rufen. Dabei kann ein kurzes Gewitter ebenso nicht
ausgeschlossen werden wie ein paar (nasse) Schneeflocken in höheren Lagen.
Der südliche bis südwestliche Wind nimmt in den Abendstunden bereits wieder ab,
da der Gradient nach Durchgang der Kaltfront und mit Annäherung eines
nachfolgenden Bodentrogs deutlich auffächert. Selbst in exponierten Hochlagen
bleibt bis zum Frühstück nicht mehr viel übrig (nur noch einzelne 8er-Böen im
Hochschwarzwald).

Montag ... tropft der Höhentrog südlich der Alpen im französisch-italienischen
Grenzbereich ab, wobei über dem Ligurischen Meer eine Zyklogenese angestoßen
wird. Cut-Off-Tief und auch Bodentief zieht es aber rasch in südlichere Gefilde
um Sizilien herum, so dass sie kaum bis keinen Einfluss auf unser Wetter
ausüben. Hier gilt es sich auf das immer kärglicher werdende Trogresiduum zu
konzentrieren, das ganz langsam über den Vorhersageraum ostwärts schwenkt. Viel
Schmackes ist nicht dahinter, aber es reicht für eine Labilisierung der von
Westen einfließenden subpolaren Meeresluft (T850 um -2°C). Nach Abzug des
frontalen Regens aus dem Osten und Südosten - am längsten hält sich der skalige
Niederschlag in der Lausitz sowie am östlichen Alpenrand, wo die
Schneefallgrenze allmählich auf etwa 1000 bis 800 m sinkt und in höheren Lagen
staubedingt 5 bis 10 cm Neuschnee fallen - entwickeln sich vermehrt Schauer,
vereinzelt auch kurze Gewitter. Dabei dominiert die flüssige Phase, es kann aber
auch mal Graupel und oberhalb etwa 700-800 m Schnee am Start sein. Zwischen den
Schauern lockert die Wolkendecke aber auch mal etwas auf bei Tageshöchstwerten
von 6 bis 12°C. Der westliche Wind hält sich zumindest tagsüber noch dezent
zurück, nur ganz oben reicht es für ein paar Böen aus der Kategorie 7-8 Bft.

Das ändert sich in der Nacht zum Dienstag, wenn der kümmerliche Trogrest nach
Osten abgeschoben wird und ein flacher Rücken folgt, der von immer kräftiger
werdender WLA überlaufen wird. Fast noch wichtiger aber ist die Tatsache, dass
sich über dem Seegebiet knapp süd-südwestlich von Island das nächste Sturmtief
in Stellung bringt - GIESELA. Etwas unter 970 hPa Kerndruck sind es um
Mitternacht, wobei sich einmal mehr eine Doppelkernstruktur abzeichnet. Der für
uns relevante ist der östliche der beiden Druckminima, der sich relativ zügig
ostwärts verlagert. Für den Vorhersageraum resultieren daraus drei wesentliche
Konsequenzen: Zum ersten wird massiv niedertroposphärische Warmluft advehiert,
in der die 850-hPa-Temperatur im äußersten Westen und Nordwesten von -3°C am
Abend auf Werte um +3°C am Morgen steigt. Zum zweiten nähert sich die Warmfront
von GIESELA mit stratiformen Regenfällen, die bis zum Morgen etwa die gesamte
Westhälfte erfassen. In höheren Lagen fällt anfangs Schnee. Und zum dritten
schließlich frischt der Süd-Südwestwind ebenfalls in der Westhälfte sowie
allgemein in den Hochlagen des Berglands auf mit Spitzen bis 7 Bft, in einigen
Leelagen 8 Bft (die stabile Schichtung verhindert mehr) im Tiefland und bis 10
Bft in exponierten Kamm-, Kuppen- und Gipfellagen. Meist bleibt es frostfrei
(Luft), einzig in geschützten Tälern der Alpen sowie der östlich gelegenen
Mittelgebirge reicht es für negative Zahlen auf der Temperaturskala. Allerdings
kann es im Osten und Süden vor Eintreffen der Aufgleitbewölkung gebietsweise
leichten Frost in Bodennähe geben.

Dienstag ... wandert der Höhenrücken zügig durch und wir gelangen auf die
Vorderseite der über dem nahen Ostatlantik einmal mehr sehr gut ausgeprägten
Frontalzone mit einem Jetmaximum von knapp 170 Kt (etwas über 300 km/h) in 300
hPa. Auf seiner kalten Seite steuert Sturmtief GIESELA mit gleichbleibender
Intensität nördlich an Schottland vorbei in Richtung Norwegen. Die zugehörige
Warmfront überquert uns ostwärts, während die nachfolgende Kaltfront aufgrund
geringer Schubkomponente sowie wahrscheinliche Wellenbildung stromauf auf sich
warten lässt und wohl erst am Abend bzw. in der Nacht zum Mittwoch auf
Deutschland übergreift. Somit kommen weite Teile des Landes tagsüber in den
breiten Warmsektor des Frontensystems, in dem mit südwestlicher Strömung milde
bis sehr milde Biscayaluft (bis +7°C in 850 hPa => Tageshöchstwerte zwischen 6°C
in Teilen Süddeutschlands und bis zu 14°C im Westen) herangeführt wird.
Zuvor breitet sich der stratiforme Regen im Eiltempo auf das gesamte
Bundesgebiet aus, wobei Oberbayern und Oberlausitz zuletzt dran sein werden.
Aufgrund der starken niedertroposphärischen WLA sowie der relativ guten
Durchmischung steigt die Schneefallgrenze rasch über das Kammniveau der
Mittelgebirge, an den Alpen auf 1800 bis 2000 m an. Noch immer sind die Modelle
uneins in Bezug auf Intensität sowie räumliche Verteilung der
warmfrontinduzierten Regenfälle. Akkumuliert über 12 h hat ICON nach wie vor die
Nase vorn mit gebietsweise 10 bis 20 mm im Süden, im Schwarzwald und im Allgäu
punktuell bis 30 mm. Ob daraus am Ende tatsächlich eine Dauerregenwarnung
resultiert bleibt angesichts der kontrollierten Offensive anderer Modelle
fraglich.
Zweiter wichtiger Aspekt neben dem Regen ist der Wind, der tagsüber aus
südwestlichen Richtungen zunimmt und vielerorts Stärke 7 Bft erreicht. An der
Nordsee sowie in orografisch "günstigen" Lagen (z.B. im Lee der Mittelgebirge)
stehen Böen 8 Bft, ganz vereinzelt 9 Bft, in exponierten Hochlagen bis zu 11 Bft
auf dem Programm.

Die Nacht zum Mittwoch bietet nach wie vor ein abwechslungsreiches Programm mit
weiteren Regenfällen und spürbarem Wind. Dabei schaltet sich jetzt auch die
Kaltfront ins Geschehen ein, die wellend auf den Norden übergreift, von wo aus
sie sich aber nicht weiter lösen kann. Südlich davon dauert die Zufuhr milder
Biscayaluft an (T850 4 bis 7°C), während rückseitig ein Schwall subpolarer
Meeresluft angezapft wird (T850 0 bis -2°C).
Im Frontbereich kommt es zu länger andauernden und gebietsweise ergiebigen
Regenfälle, deren Maximum ICON (von 12 UTC), GFS (12 UTC) und IFS (00 UTC) in
einem schmalen, von Westfalen bis ins südliche Niedersachsen reichenden Korridor
sehen. Dabei sollen 10 bis 20, lokal um 25 mm innert 12 h fallen (GFS am
defensivsten). Ob diese Größenordnung mit der allmählich abziehenden Warmfront
auch am Alpenrand sowie im Bayerischen Wald erreicht wird, wie von ICON
simuliert, muss abgewartet werden.
Fakt ist, dass der Wind in der Mitte und im Süden - also quasi präfrontal - sehr
zackig aus Südwesten unterwegs bleibt, gegenüber dem Tage sogar vorübergehend
noch etwas zunimmt (7-8 Bft, vereinzelt 9 Bft, Bergland je nach Exposition bis
11 Bft). Dagegen deutet sich im norddeutschen Binnenland eine Windabnahme an
(Gradientauffächerung), einzig an der See weht er weiterhin mäßig bis frisch mit
Spitzen 7-8 Bft.
Wind, Luftmasse und Bewölkung sorgen für eine frostfreie Nacht, in der die
Temperatur im Westen gebietsweise noch nicht mal unter die 10°C-Marke sinkt.

Mittwoch ... setzt sich im Mitteleuropa eine hochreichende Zonalströmung durch
(GWL Wz => West zyklonal), mit der insbesondere in den Süden weiterhin milde bis
sehr milde Luftmassen gesteuert werden (T850 4 bis 7°C => Tmax (2m) 12 bis 17°C,
am leicht föhnigen Alpenrand mit etwas Einstrahlung vielleicht noch etwas
wärmer). Angesichts der strömungsparallelen Exposition hat die Kaltfront nach
übereinstimmenden Berechnungen verschiedener Modelle wenig Chancen, Boden nach
Süden hin gut zu machen. Immerhin lassen nach Abzug einer flachen Welle die
Regenfälle von Westen her nach, trotzdem reicht es im Frontbereich noch mal für
5 bis 10 mm, lokal bis zu 15 mm binnen 12 h. Ob daraus letztlich eine markante
Dauerregenwarnung erwächst (Dienstag bis Mittwoch z.B. im Harz, Weserbergland,
Sauerland), muss im Laufe des Montags entschieden werden.
Es bleibt windig bis stürmisch, wobei auch in Norddeutschland der Südwest- bis
Westwind wieder zunimmt.


Modellvergleich und -einschätzung
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Der Generalkurs steht, die geschilderte Entwicklung lässt sich nicht aufhalten.
Unsicher bleibt weiterhin die genaue Verteilung der bevorstehenden
Niederschläge, besser Regenfälle. Hier müssen am Montag "Nägel mit Köpfen"
gemacht werden.


Vorhersage- und Beratungszentrale Offenbach
Dipl. Met. Jens Hoffmann