DWD Synoptische Übersicht Kurzfrist

06-03-2020 18:01
SXEU31 DWAV 061800

S Y N O P T I S C H E Ü B E R S I C H T K U R Z F R I S T
ausgegeben am Freitag, den 06.03.2020 um 18 UTC


Markante Wettererscheinungen:
Good bye ELLI - Tief geht, kleines Zwischenhoch kommt. Ab Sonntag dann die
nächste Madame (FLORA). Wechselhafter Wettercharakter dauert an.

Synoptische Entwicklung bis Montag 12 UTC
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Aktuell ... steigt der Luftdruck im gesamten Bundesgebiet an, was nichts anderes
bedeutet, dass ELLI - so der Name des Tiefs, das uns seit dem gestrigen
Donnerstag beehrt - kurz davor ist, den Vorhersageraum zu verlassen und einem
sich nach Süddeutschland vorschiebenden Azorenhochkeil Platz zu machen. Um 15
UTC konnte der Kern des Tiefs mit 992 hPa südwestlich von Berlin analysiert
werden, Tendenz ost-nordostwärts ziehend und weiter auffüllend. Etwa gegen
Mitternacht dürfte die gute ELLI die deutsch-polnische Grenze im Norden BBs
überschreiten, wobei der Kerndruck bis dahin auf etwa 998 hPa angestiegen sein
sollte. Folgerichtig weist das Tief auch eine senkrechte Achse zum darüber
liegenden Höhentrog respektive dem eingelagerten Drehzentrum auf, die sich
ebenfalls in Richtung Osten verabschieden. Derweil wölbt sich westlich von uns
ein veritabler Höhenrücken auf, dessen Achse am frühen Samstagmorgen vom
Seegebiet knapp westlich der Iberischen Halbinsel via UK/Irland bis zum Südrand
des Europäischen Nordmeers reicht. Zwischen dem Rücken und dem scheidenden Trog
stellt sich eine hochreichend nordwestliche Strömung ein, mit der ein Schwall
maritimer Polarluft advehiert wird (T850 um -5°C).
Trotz Druckanstiegs und "ungünstiger" Tageszeit kommt es zu weiteren, vielfach
schauerartig geprägten Niederschlägen, die von Westen her nur langsam
nachlassen. Bedingt durch Staueffekte (West- bis Nordwestwind in Bodennähe,
darüber Nordwestwind) kommt es in einigen Regionen sogar zu einer
Intensivierung. Die Schneefallgrenze sinkt auf 600 bis 400 m ab, wobei der
meiste Schnee oberhalb rund 800 m im Erzgebirge und am Alpenrand (im Westen mehr
als im Osten) fällt. Dort stehen bis zum Morgen bis zu 10 cm, im Allgäu
stellenweise rund 15 cm Neuschnee auf der Karte. Sonst kommen bis zu 5 cm, nur
vereinzelt nahe 10 cm zusammen. In den Lagen zwischen 400 und 800 m fallen die
Neuschneemengen meist so gering aus, dass eine Glättewarnung ausreichen dürfte,
die dann aber auch gleichzeitig das Thema "gefrierende Nässe" mitabdeckt
(Luftfrost etwa in Lagen > 600 m, darunter hier und da Frost in Bodennähe nicht
ausgeschlossen).
Der Wind befindet sich weiterhin auf Abstiegskurs, so dass am Ende nur noch
exponierte Hochlagen mit warnwürdigen Böen bis 9 Bft, im Südosten vereinzelt 10
Bft am Start sind.

Samstag ... "kippt" der Höhenrücken im Uhrzeigersinn südostwärts, wobei er im
Tagesverlauf immer größere Areale des Vorhersageraums okkupiert. Zum Tagesende
verläuft seine Achse (500 hPa) von Südportugal bis zur westlichen Ostsee bzw.
Mittelschweden. Inzwischen formiert sich über dem nahen Ostatlantik bereits der
nächste Trog, der nichts anderes vorhat, als früher oder später in Mitteleuropa
Asyl zu beantragen. Dass ihm das gelingen wird, steht außer Frage, am Samstag
allerdings muss der dem Zwischenhoch den Vortritt lassen. So dehnt sich der
Azorenhochkeil (das Zentrum des gleichnamigen Hochs befindet sich derzeit knapp
westlich der Iberischen Halbinsel) dehnt sich bis nach Norddeutschland aus.
Die Profiteure dieser Expansion sitzen vor allem im Westen und Nordwesten der
Nation, wo nicht nur die Schichtung merklich stabiler wird (T850 am Nachmittag
-3/-4°C, T500 bei -22°C => keine Schauer mehr), sondern (trotz leichter WLA)
auch die Wolkendecke mal mehr, mal weniger aufreißt, um der Sonne etwas Platz
zur Entfaltung zu geben. Die bei solchen Lagen obligatorische Absinkinversion
wird bis zum Abend auf etwa 800 hPa heruntergedrückt. Im Süden und Osten
hingegen sollte man diesbezüglich eher pessimistisch bleiben; zu schwach das
Absinken und zu kompakt die Bewölkung. Außerdem bleibt noch für längere Zeit
ausreichend Restlabilität vorhanden, um weitere Schauer zu generieren, die im
Stau von Erzgebirge und Alpen noch verstärkt werden. Die Schneefallgrenze steigt
tagsüber auf 600 bis 800 m an. Oberhalb von 800 bis 1000 m kommen noch mal
wenige Zentimeter, im Erzgebirge und an den Alpen 5 bis 10 cm Neuschnee
zusammen, was in den aktuell laufenden Schneefallwarnungen aber bereits
berücksichtigt wurde.
Der Wind spielt am 25. Spieltag der Fußballbundesliga, der einige
hochinteressante Samstagspartien vorhält, nur eine Nebenrolle. Zwar lebt der
West-Nordwestwind im Osten und Nordosten tagesgangbedingt noch mal etwas auf,
bis auf orografisch bevorzugte Regionen (Mittelgebirge, aber auch Alpengipfel)
wird es nur vereinzelt für warnrelevante Böen >= 7 Bft reichen. Im Westen dreht
der Wind nach Durchgang der Keilachse auf Südwest bis Süd zurück, ohne dabei
irgendwelche Anzeichen erhöhter Mobilität an den Tag zu legen.
Temperaturmäßig ist mit Höchstwerten von 4 bis 8°C biederer Durchschnitt
angesagt. Zweistellig mit rund 10°C wird es wohl nur im Westen an Mittel- und
Niederrhein, wo die Sonne etwas mithilft.

Kommen wir zur Nacht auf Sonntag, die den nächsten Wetterwechsel ankündigt. So
nähert sich von Westen her nicht nur besagter Höhentrog, auch eine Warmfront
macht sich auf den Weg nach Deutschland. Sie ist Bestandteil eines Doppeltiefs
namens FLORA mit Kernen südöstlich (mit etwas unter 965 hPa um 00 UTC der
dominante) und südwestlich (zum Vergessen) von Island. Zwar erreicht sie den
Westen und Norden des Landes, mangels dynamischer Unterstützung aus der Höhe
sowie langsam versiegender WLA wird es wohl nur für mehrschichtige Bewölkung,
nicht (oder nur ganz marginal) aber für irgendwelchen Regen reichen. Unstrittig
hingegen ist die niedertroposphärische im Westen und Nordwesten, wo die
850-hPa-Temperatur bis zum frühen Morgen auf 0 bis +5°C ansteigt. Dabei frischt
der südliche Wind auf der freien Nordsee sowie in einigen Hochlagen auf mit Böen
7-8 Bft, ansonsten verhindert die stabile Schichtung eine nachhaltige Belebung
des bodennahen Windes.
Im Osten und Süden bleibt nicht nur der Wind schwach, dort kommt auch die neue
Bewölkung gar nicht oder erst relativ spät an. Die Folge ist ebenso wie im
zentralen Mittelgebirgsraum ein Absinken der Temperatur in den leichten
Frostbereich. Inwieweit es dabei auch Glätte durch gefrierende Nässe kommt, wird
stark davon abhängen, wie lange und wo es am Samstagnachmittag/-abend noch
Niederschlag gibt und wann sich die Restbewölkung vom Tag auflöst.

Sonntag ... kommt es wie es kommen muss bei progressiver Strömungskonfiguration.
Der Trog nähert sich unweigerlich dem Vorhersageraum, wobei er sich noch etwas
amplifiziert, seine Achse aber bis Datumswechsel noch außen vor lässt. Derweil
steuert FLORA, das mit weiterhin knapp unter 965 hPa Kerndruck durchaus den
Status eines Sturmtiefs besitzt, die südliche Norwegische See an. Die Warmfront
überquert vergleichsweise geräuschlos (also mit mehrschichtiger Bewölkung, aber
nur wenig bis überhaupt kein Regen) den Norden und die Mitte des Landes, bevor
die Kaltfront im Laufe des Nachmittags, spätestens am Abend auf den Westen und
Nordwesten übergreift. Bereits zuvor setzt trotz ungünstiger Omegaterme (KLA und
konfluente Trogvorderseite) leichter Regen ein (unter 5 mm innert 6 h), der bis
zum Abend etwa eine Linie Lübecker Bucht-Weserbergland-Südpfalz (+/-) erreicht.

Während sich der Westen und Nordwesten also auf einen sehr wolkenlastigen und
später auch feuchten, aber nicht unbedingt feucht-fröhlichen Sonntag einstellen
müssen, bestehen im Osten und Süden berechtigte Chancen auf Auflockerungen und
im Alpenvorland sogar auf längeren Sonnenschein. Bei 850-hPa-Temperaturen
zwischen -1 und +4°C steigt die 2m-Temperatur auf 7 bis 13°C, im Rheintal lokal
vielleicht 14°C an.
Thema Wind, der legt aus Süd bis Südwest kommend mit Annäherung der Kaltfront
insbesondere im Westen und Nordwesten sowie im zentralen Mittelgebirgsraum
vorübergehend ein paar Kohlen mehr ins Feuer. Heraus kommen Böen der Stärke 7
Bft, exponiert 8 Bft, in einigen freien Hochlagen wie beim Brockenwirt auch mal
9 Bft - nichts Besonderes also, vor allem wenn man den Vergleich zu den meisten
vergangenen Sonntagen anstellt.

In der Nacht zum Montag rückt der Höhentrog unter Verkürzung seiner Wellenlänge
bei gleichzeitiger Amplitudenvergrößerung noch dichter an Deutschland heran.
Gleichwohl bleibt seine Längsachse noch knapp westlich von uns, wobei sich über
Südostfrankreich (Provence-Alpes, Cote d´ Azur) eine mögliche Abtropfung
andeutet. Die Kaltfront marschiert ost-südostwärts über den Vorhersageraum
hinweg, wobei der Gradient (also der Luftdruckgradient) schon wieder auffächert.
Mit Ausnahme einiger Hochlagen spielt der überall auf Südwest drehende Wind
keine tragende Rolle, Warnungen dürften kaum fällig werden.
Rückseitig der Kaltfront gelangt eine Portion erwärmter Meereskaltluft
subpolaren Ursprungs in den Vorhersageraum, in der die 850-hPa-Temperatur auf 0
bis -3°C zurückgeht. Der frontale Regen arbeitet sich über die Mitte und den
Norden bis nach Ost- und Süddeutschland voran. Viel fällt nicht, auch wenn es im
Süden hier und da (insbesondere dort, wo topografische Hindernisse stehen) mal
für rund 5 mm oder etwas mehr binnen 12 h reicht. Im Bayerischen Wald sowie am
Alpenrand, wo die Temperatur in einigen Tälern vor Eintreffen des Regens in den
leichten Frostbereich zurückgeht, besteht lokal und kurzzeitig die Gefahr
gefrierenden Regens (Nowcast!). Ansonsten gilt es noch zu konstatieren, dass mit
Annäherung des Troges die Labilität von Westen her zunimmt (Abkühlung in 500 hPa
auf rund -30°C in der Westhälfte), was dort einzelne Schauer, vielleicht auch
mal ein kurzes Gewitter auf den Plan ruft. Im höheren Bergland können sich dann
auch wieder Schneeflocken daruntermischen.

Montag ... tropft der Trog über dem Ligurischen Meer bzw. Korsika tatsächlich
ab, wobei dort eine Zyklogenese initiiert wird. Gleichzeitig schafft es das im
Norden übrigbleibende Trogresiduum - befreit vom "südlichen Bremsklotz" - auf
ganz Deutschland überzugreifen. Gemeinsam mit dem Tagesgang wird in der
weiterhin von Westen einfließenden, labil geschichteten subpolaren Meeresluft
eine rege Schaueraktivität in Gang gesetzt, bei der auch ein kurzes Gewitter
nicht ausgeschlossen werden kann. Die Schauer fallen als Regen oder Graupel,
oberhalb etwa 600 bis 800 m als Schnee. An den Alpen kann es am Vormittag noch
längere Zeit am Stück regnen oder schneien, wobei sich die Schneefallgrenze bei
etwa 700 m einpendelt. Bedingt durch den Tagesgang sowie leichten
Impulstransport von oben lebt der westliche Wind (generiert durch das Azorenhoch
westlich Iberiens und einem umfangreichen Tiefkomplex über Nord- und
Nordwesteuropa) mitunter etwas auf, eine große Warnerregung ist aber nicht zu
befürchten (Böen 7-8 Bft wohl nur in einigen Hochlagen, in tiefen Lagen bei
Schauern meist Böen bis 6 Bft)). Dazu wird eine Tagdeshöchsttemperatur von 7 bis
12°C serviert.


Modellvergleich und -einschätzung
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Es herrscht weitgehende Übereinstimmung innerhalb des großen Modellpools.


Vorhersage- und Beratungszentrale Offenbach
Dipl. Met. Jens Hoffmann