DWD Synoptische Übersicht Kurzfrist

29-02-2020 18:01
SXEU31 DWAV 291800

S Y N O P T I S C H E Ü B E R S I C H T K U R Z F R I S T
ausgegeben am Samstag, den 29.02.2020 um 18 UTC


Markante Wettererscheinungen:
Nachts Kaltfrontpassage über der Mitte und dem Osten mit Gewittern sowie
Sturmböen und einzelnen schweren Sturmböen. Im Weiteren zeit- und gebietsweise
sehr windig.

Synoptische Entwicklung bis Dienstag 12 UTC
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Aktuell ... ist der am Tage noch wetterwirksame Rücken in 500 hPa nach Osten
bzw. Nordosten abgezogen. Seine Achse befindet sich über Ostpolen und erstreckt
sich von dort in einem weiten Boden über den Süden Skandinaviens in Richtung
Grönland. Auf seiner Westflanke ist im Geopotentialfeld ein Langwellentrog zu
erkennen, dessen abgeschlossenes Höhentief westlich von Schottland liegt, der
weite Teile Westeuropas und des Ostatlantiks überdeckt und dabei ist, auf
Mitteleuropa überzugreifen. Über Frankreich lässt die recht gleichmäßige
Krümmung der Isohypsen keine genaue Aussage zur Position seiner Achse zu. In
seinem nördlichen Teil ist dies anders, dort verläuft die Achse von Schottland
über die Nordsee bis nach Benelux. Sie zeigt sich auch in den
500-hPa-Temperaturen, die im Bereich genannter Achse teils unter -35 Grad liegen
und für eine entsprechend labile Schichtung sorgen. Die Achse kommt in der Nacht
zügig nach Osten voran und liegt zum Morgen schon über der Ostsee, während das
Höhentief bis an die Ostküste Schottlands zieht. Rückseitig schwimmen in der
Höhenströmung zwei Kurzwellentröge mit, die sich auch im Bodendruckfeld
bemerkbar machen, wobei einer zum Morgen über dem Westen Deutschlands, ein
weiterer westlich der Biskaya liegt. Letzterer induziert ein Bodentief, das über
der Biskaya zu finden ist und im Laufe der Nacht zum Montag von Westen auf
Deutschland übergreift. Doch dazu später mehr.

Mit dem Langwellentrog ist im Bodendruckfeld ein Tief gekoppelt. Es liegt
weitgehend senkrecht unter dem Höhentief (was sein Entwicklungspotential
limitiert) und zieht mit diesem ostwärts, wobei es sich zögerlich auffüllt
(Kerndruck abends etwas unter 955 hPa, morgens etwas unter 960 hPa). Die
zugehörige Kaltfront hat schon auf den Westen Deutschlands übergegriffen (sie
liegt damit günstig an der Vorderseite des Troges, so dass an ihr kräftige
Hebung und damit auch eine Labilisierung der Luftmasse erfolgt). Aktuell
erstreckt sie sich von der Elbmündung bis nach Baden, bis zum Morgen erreicht
ihr nördlicher Teil die Ostsee. Im Süden dagegen fängt die Front an zu
schleifen, was auch dem Durchglätten der Boden- in geringerem Maße auch der
Höhenströmung geschuldet ist. Beide weisen in der Frühe grundsätzlich eine
südwestliche Komponente auf, wobei es in der Höhenströmung um diese
Grundrichtung eine gewisse Streuung gibt. Beide Strömungen sind aber recht
kräftig, und entsprechend gestaltet sich die Windsituation am Boden.
Insbesondere zu Beginn der bzw. in der ersten Nachthälfte ist die synoptische
Konfiguration an der Front für konvektive Umlagerungen günstig. Die
Scherungswerte liegen um 30 m/s im Deep-Layer- und um 20 m/s im
Low-Level-Niveau. Dazu ist durchaus Labilität vorhanden (Lapse-Rates unter -0,65
K/100m, zusätzlich zur dynamischen Hebungskomponente). Es wird sogar etwas CAPE
simuliert. Letztendlich sollten an der von den Modellen recht scharf
geschnittenen Frontlinie in dieser Konstellation mit Höhenwinden um 50 kt bei
möglichen Gewitter durchaus auch vereinzelt schwere Sturmböen möglich sein,
selbst einzelne orkanartige Böen können nicht ausgeschlossen werden
(COSMO-D2-Wahrscheinlichkeiten 10 bis 20%). Am stärksten wird die Linie im
Nordwesten erwartet, was der dort höchsten Labilität, dem Trog der kräftigen
frontsenkrechten Windkomponente geschuldet ist, im Süden dagegen beginnt die
Front schon in der ersten Nachthälfte zu schleifen. Aber auch abseits von
Gewittern lebt der Wind vorübergehend erheblich auf. Es dürften recht verbreitet
auch im Flachland Böen der Stärke 8 bis 9 auftreten, die sich schon in der
ersten Nachthälfte, unter insgesamt deutlicher Abschwächung, in den Osten
Deutschlands verlagern. Da dem Haupttrog der schon o.e. Kurzwellentrog folgt und
das Sturmtief die schottische Ostküste erreicht, bleibt über dem Nordwesten und
Norden der Gradient scharf. Dort gibt es auch in der zweiten Nachthälfte
verbreitet Windböen, was allgemein auch für die Mittelgebirgslagen gilt. Im
Küstenumfeld sind auch stürmische Böen, an der Nordsee auch Sturmböen möglich,
was eine Entsprechung in den Hoch- und Gipfellagen der Mittelgebirge findet.
Nach Südosten zu ist der Wind allgemein schwächer.

Rückseitig gelangt eine Luftmasse mit etwa -4 Grad in 850 hPa zu uns, an den
Alpen liegen die entsprechenden Werte um -2 Grad, wogegen die Werte am Abend
zumindest im Osten noch um +3 Grad lagen. Dadurch kann es in den höheren
Mittelgebirgen etwas Schneefall geben, die Mengen sind aber gering. An den Alpen
setzt in den Frühstunden Schneefall ein. Ansonsten sind die Regenfälle an der
Kaltfront zwar mal kurzzeitig kräftig, aber keineswegs warnwürdig. Von hohen
Berglagen abgesehen bleibt es frostfrei.

Sonntag ... liegt Deutschland im Bereich eines breiten Höhentroges mit den
genannten kurzwelligen Anteilen, die aber kaum ausreichend Hebung verursachen,
um nennenswerte Niederschläge zu produzieren. Lediglich an den Alpen schneit es
in der ersten Tageshälfte oberhalb von 1000-1200m. Ansonsten wird der Sonntag
meist wechselnd bis stark bewölkt. Der im Nordwesten etwas stärkere Gradient
weitet sich noch bis ins Binnenland Deutschlands aus, so dass in der ersten
Tageshälfte steife Böen aus Südwest bis weit in den Süden Deutschlands hinein
auftreten können, nur der Südosten bleibt ausgenommen. Im Nordwesten und im
westlichen Bergland muss verbreitet mit stürmischen Böen Bft 8 gerechnet werden.
An der Nordsee überschreitet der Wind schon am Morgen den Zenit (mit einzelnen
Böen Bft 10) und nimmt dann wieder ab. Auf den Bergen hält sich zunächst noch
der Wind in der Stärke des Vortags (Bft 8-9, exponiert 10-12), nimmt aber dann
in der zweiten Tageshälfte auch ab. In den Süden wird mit der südwestlichen
Strömung wieder etwas wärmere Luft geführt, die 850er Temperaturen steigen dort
auf Werte über null Grad, während sie in der Mitte und im Norden im negativen
Bereich bleiben. Neue Impulse werden am Nachmittag gesetzt, wenn der schon o. e.
Biskayatrog mit seinem Tief, inzwischen deutlich markanter konturiert als noch
am Vortag, den Norden Frankreichs erreicht. Dabei ist die Lage des Tiefs
zwischen den Modellen noch umstritten, GFS sieht es um 18 UTC etwa an der
Mündung der Maas, ICON dagegen an der Südspitze Belgiens. Unabhängig von diesen
Unterschieden zieht vor dem Tief der Gradient etwas auseinander, was den Wind
vorübergehend abschwächt. Zudem sorgen kräftige Hebungsprozesse im Südwesten für
einsetzenden Regen. Mit wieder etwas zunehmendem Temperaturniveau ist dabei
Schnee kein Thema. Mitunter wird aber die Luftmasse so weit labilisiert, dass
einzelne Gewitter eingelagert sein können. Der Temperaturanstieg im Südwesten
sorgt am Oberrhein für Maxima bis an die 15 Grad. Sonst liegen die Höchstwerte
wieder etwas über 10 Grad, nur ganz im Norden bleibt es kühler.

In der Nacht zum Montag wird das Randtief unter deutlicher Abschwächung über die
Mitte Deutschlands hinweg nordostwärts gesteuert und erreicht am Morgen den
Nordosten. An seiner Südflanke nimmt der Wind ab dem Abend markant zu, wobei in
einem teils scharfem Gradienten von Baden-Württemberg bis nach Franken durchaus
Böen der Stärke 8 bis 9 bis ins Flachland auftreten können, CSOMO-D2 hält sogar
Böen Bft 10 für möglich. Auf der Nordflanke des Tiefs, also in etwa über der
Nordhälfte, ist der Wind voraussichtlich nicht warnwürdig. Die schon am Sonntag
angedeuteten Modellunterschiede bleiben erhalten, so dass für eine exakte
Beurteilung der Lage noch spätere Modellläufe abgewartet werden müssen. Höhere
Berge könnten durchaus wieder schwere Sturmböen abbekommen, die Hochlagen des
Schwarzwaldes und der Brocken wieder orkanartige Böen. Etwas kräftigere
Regenfälle ziehen vor allem an der Nordflanke des Randtiefs von NRW bis zur
Ostsee. Dort wird auf der Rückseite des Tiefs auch wieder kältere Luft
advehiert, was die Schneefallgrenze absinken lässt. Somit könnte über dem Westen
und der Mitte zuerst oberhalb von 600m, in der zweiten Nachthälfte auch oberhalb
von 400m Schnee fallen. Vielleicht reicht es im Sauerland in den Hochlagen auch
zu etwas Neuschnee, je nachdem wie die genaue Zugbahn des Tiefs verläuft. Ein
weiteres Niederschlagsgebiet zieht über den Süden hinweg, wo die
Schneefallgrenze anfangs über 1000m liegt. Später sinkt sie auch dort, so dass
auch im südlichen Bergland und in den Alpen etwas Schnee fallen kann, wobei
außerhalb der Alpen wohl eine Glättewarnung reichen wird und auch in den Alpen
wohl erst ab 800-1000 m nennenswerte Neuschneemengen liegen bleiben werden.
Abgesehen von den höheren Berglagen bleibt es wieder frostfrei.

Montag ... zieht das Randtief mit den Regenfällen und letzten steifen Böen nach
Nordosten ab. Ein neuer Trog läuft dann im Tagesverlauf über Frankreich hinweg,
er legt bezüglich der Amplitude zu und induziert über dem Ligurischen Meer die
Bildung eines neuen Tiefs. Das lässt (bei insgesamt niedrigem Potential) die
Höhenströmung wieder auf Süd drehen, so dass sich an den Alpen wieder eine
Föhnlage einstellt. Vor allem über den Bergen reicht es dann wieder für schwere
Sturmböen, ob auch in den Tälern steife Böen auftreten, ist noch ungewiss. Auch
auf dem Brocken gibt es schwere Sturmböen. Ansonsten wird durch den immer weiter
nach Süden ausgreifenden Druckfall der Gradient über Deutschland weiter
auseinandergezogen, so dass es im Flachland meist nur noch schwachen bis mäßigen
Südwind gibt, allenfalls auf den Bergen treten steife Böen auf. Am Nachmittag
erreicht ein sehr flacher Bodentrog den Westen des Landes, auf dessen Rückseite
der Wind im äußersten Westen auf West dreht. Ein neues Gebiet mit leichten
Regenfällen greift ab dem Mittag wieder auf den Westen und Südwesten über und
weitet sich langsam nordostwärts aus, so dass auch am Montag nicht allzu viel
Sonne zu sehen sein wird. Mit Höchstwerten um 10 Grad bleibt es aber weiterhin
mild.
In der Nacht zum Dienstag setzt südlich der Alpen stärkerer Druckfall ein und
ein recht kräftiges Tief erreicht in den Frühstunden die nördliche Adria.
Gleichzeitig schwenkt in Deutschland das Druckminimum langsam nach Osten durch
und ein tagsüber entstandenes Föhntief löst sich von den Alpen und erreicht in
den Frühstunden Niederschlesien. Mit gleichzeitigem Druckanstieg von Westen her
dreht der Wind meist auf West bis Nordwest und vor allem an den Alpen stellt
sich Stau ein. Windwarnungen sind aber kein Thema. Über Süddeutschland kommt es
zu länger anhaltenden Niederschlägen, wobei die Schneefallgrenze allmählich auf
etwa 600 absinkt (unter -4 Grad in 850 hPa) und sich oberhalb 800m ein
deutlicher Neuschneezuwachs einstellen kann. Auch im übrigen Land kommt es
gebietsweise zu Regenfällen, im höheren Bergland auch mit Schnee, aber ohne
nennenswerte Neuschneeakkumulation. Allgemein muss aber im höheren Bergland mit
leichtem Frost und entsprechender Glättegefahr gerechnet werden.

Dienstag ... liegt ein breiter Langwellentrog über dem Nordostatlantik, der
seine Fühler durch einen langgestreckten Randtrog über die Nordsee und das
zentrale Mittelmeer bis nach Tunesien ausstreckt. Auf der Vorderseite dieses
stark amplifizierten Randtrogs ist ein Tiefdrucksystem zu finden, dass mit
Kernen über Polen und Italien ausgestattet ist und den Osten und Südosten
Deutschlands mit seinen Ausläufern touchiert. Im Bodendruckfeld schiebt sich ein
Keil von Frankreich bis nach Polen, so dass sich das Wetter in Deutschland
insgesamt ruhig gestaltet mit nur wenig Schauertätigkeit, an den Alpen bleibt
aber die Staulage erstmal erhalten. Die 850er Temperaturen verharren bei Werten
um -4 Grad:


Modellvergleich und -einschätzung
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Insgesamt simulieren die Modelle die anstehenden Abläufe recht ähnlich.
Deutlichere Unterschiede zeigen sich ab dem morgigen Abend, wenn von Frankreich
das kleinräumige Tief mit dem zugehörigen Trog von Westen auf Deutschland
übergreift. Dabei gehen die Simulationen insbesondere bezüglich des Windes noch
recht deutlich auseinander. Hier müssen spätere Modelläufe Klarheit schaffen.

Ansonsten haben die Modelunterschiede keinen Einfluss auf das Warnmanagement.


Vorhersage- und Beratungszentrale Offenbach
Dipl. Met. Martin Jonas