DWD Synoptische Übersicht Kurzfrist

28-02-2020 17:30
SXEU31 DWAV 281800

S Y N O P T I S C H E Ü B E R S I C H T K U R Z F R I S T
ausgegeben am Freitag, den 28.02.2020 um 18 UTC


Markante Wettererscheinungen:
Wz(->TrW): Unbeständig, zeitweise windig bis stürmisch, vor allem am Samstag an
der Kaltfront verbreitet Sturmböen wahrscheinlich! Im Verlauf nur noch im
höheren Bergland und an den Alpen zeitweise leicht winterlich.

Synoptische Entwicklung bis Montag 12 UTC
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Aktuell ... ist ein umfangreicher, durch kräftige mitteltroposphärische WLA
gestützter Rücken dabei, mit seiner Achse von West- auf Mitteleuropa
überzugreifen. Die korrespondierende, kleine Hochzelle befindet sich am Abend
mit Schwerpunkt über dem Alpenraum.

Die Zeichen stehen also erst mal auf Wetterberuhigung, die sich aber nur in der
Osthälfte bis über weite Strecken der Nacht retten kann. Dort lassen letzte
Regen, im Bergland Schneeschauer alsbald nach, gebietsweise klart es auf.
Leichter Frost ist die Folge, insbesondere im Südosten und in geschützten,
höheren Lagen der zentralen und östlichen Mittelgebirge. Lokal tritt Glätte
durch überfrierende Restnässe auf.

In der Westhälfte fällt die Wetterberuhigung zeitlich dagegen fast rudimentär
aus. Denn zum einem verstärkt sich die den Rücken überlaufende, sich immer mehr
auch auf die untere Troposphäre ausweitende WLA, zum anderen greift ziemlich
bald die Warmfront des Sturmtiefs CHARLOTTE mit Kern nordwestlich von Irland
über und sorgt zusätzlich für frontale Hebungsprozesse. Die Warmfront erreicht
im Laufe der zweiten Nachthälfte dann auch die östlichen Landesteile und beendet
auch dort die ruhige Wetterphase. Die durch die vielfältigen Hebungsantriebe
induzierten, mäßigen, vielleicht kurze Zeit auch mal starken Niederschläge haben
zwar aus quantitativer Sicht keine Warnrelevanz, aber durchaus aus qualitativer
Sicht (Phase!). Zwar wird die polare Meeresluft im großen, sich aufspannenden
Warmsektor von sehr milder Subtropikluft ersetzt (T850 +1 bis +6 Grad), zur
kalten Seite der Frontalzone hin kann aber vorübergehend (für wenige Stunden)
Schnee bis auf 400 m hinab fallen, nach Norden und Nordosten zu eventuell auch
bis ganz runter. Während in tiefen Lagen wohl nur Schneematsch zu erwarten ist,
können sich die Neuschneemengen oberhalb 400 bis 600 m auf wenige Zentimeter
akkumulieren. Die Berechnungen der Änderung der Gesamtschneehöhen deuten aber
an, dass wohl kaum mehr als 5 cm zusammenkommen, zu schnell geht der
Niederschlag wohl in Schneeregen oder Regen über. Ein geringes Risiko für
örtliches Glatteis ist in geschützten Muldenlagen in der Mitte sowie im Süden
und Südosten nicht von der Hand zu weisen, gerade die hochauflösenden Modelle
deuten dies in ihrer Wetterinterpretation an. Dass es zu einer überregionalen
Glatteis-(Unwetter-)Lage kommt, wie das C-D2 zum Teil zeigt, ist sehr
unwahrscheinlich (Stichwort Gegenstrahlung der weit ostwärts ausgreifenden
mehrschichtigen Bewölkung).

Als weiter Warnparameter steht der Wind auf der Agenda, der frischt mit
Annäherung der Warmfront nach vorübergehender Abschwächung wieder auf. Der
Stabilität im Warmsektor folgend beschränken sich warnwürdige Böen meist auf die
höheren Lagen der westlichen Mittelgebirge (Bft 7, exponiert Bft 8) und
exponierte Gipfellagen (Bft 9-10, Brocken Bft 11). Ausnahmen bilden die
Nordränder der Mittelgebirge (Bft 7) und die Nordsee (Bft 7, später Bft 8-9). An
den Alpen kommt mit Rückdrehung der Strömung auf Westsüdwest eine Föhnsituation
in Gang, die für Böen Bft 9-10 auf den Gipfeln sorgt.


Samstag ... schwenkt der Rücken ostwärts durch und wir gelangen auf die
Vorderseite eines Langwellentroges. Das zugehörige Höhentief wie auch das
steuernde Zentraltief CHARLOTTE liegt dabei westlich von Schottland bzw.
nördlich von Irland, ohne ihre Lage durchgreifend zu ändern.

Deutschland befindet sich dabei zunächst im Warmsektor von CHARLOTTE, in der die
Regenfälle zunächst nachlassen bzw. nordostwärts abziehen und sich zeitweise die
Sonne zeigen kann. Die niedertroposphärische WLA erreicht ihren Höhenpunkt. Bei
T850 zwischen +2 und +10 Grad und mäßig guter (tagesgangbedingter, turbulenter
Durchmischung) wird es ein sehr milder Tag.

Der Tagesgang sorgt allerdings auch dafür, dass sich die warnwürdigen Böen auf
den gesamten Mittelgebirgsraum ausweiten (Bft 7, exp. Bft 8). In Kammlagen bzw.
Gipfellagen weht der Wind mit Böen Bft 9-11. In den Alpen verschärft sich die
Föhnsituation durch die weiter aufsteilende, an Fahrt gewinnende
Südwestströmung. Der Luftdruckunterschied zwischen Alpennord- und -südseite
erreicht 5-9 hPa, was in anfälligen Tälern Föhndurchbruch bedeuten kann (Bft
7-8). Ansonsten werden in den Alpen Böen Bft 9-10, exponiert bis Bft 11
erreicht.

Am Nachmittag greift die gut definierte Kaltfront von CHARLOTTE von Westen über
und erreicht bis zum Abend etwa die Mitte. Die frontalen Hebungsprozesse
erfahren Unterstützung durch die Dynamik (starke PVA auf der diffluenten
Vorderseite eines Kurzwellentroges). Bei zusätzlich starker hochreichender
Scherung (30-35 m/s) und eine Brise Labilität (ICON6 immerhin mit 60-80 J/kg
MLCAPE, einige hochaufgelöste Modelle wie SUPER-HD auch lokal mit >100 J/kg) ist
davon auszugehend, dass sich die Kaltfront in den radargestützten
Fernerkundungsdaten als schmales Schauerband mit einzelnen eingelagerten
Gewittern kennzeichnen wird.

Dabei verschärft sich die Windlage nochmal. Mit Durchzug der Kaltfront und der
unmittelbar folgenden Schauer ist mit Böen Bft 8-9 bis ins Tiefland zu rechnen,
was modellübergreifend simuliert wird. IFS setzt dabei in der Fläche aber
verbreiteter auf die Sturmböen als ICON oder GFS. In starken Schauern und bei
Gewittern kann es bis Bft 10 hinaufgehen, was insbesondere konvektionserlaubende
Modelle im Programm haben. AROME schießt mal wieder den Vogel ab und möchte es
an der Schauerlinie mit Böen bis Bft 12 richtig wild. Selbstredend ist diese
Variante wohl sehr unwahrscheinlich. Dass es punktuell aber in den orkanartigen
Bereich gehen könnte, ist nicht auszuschließen, wenn die Konvektion hochreichend
und organisiert genug ist und den Höhenwind (>60 kn auf 850 hPa) voll abgreifen
kann. Zumindest das IFS-EPS liefert aus probabilistischer Modellsicht westlich
des Rheins leicht erhöhte Wahrscheinlichkeiten für Böen >Bft 11 (10-25%).

Trotz der schauerartigen Verstärkungen sind die Niederschläge, was die Mengen
betrifft, wieder nicht warnwürdig, allerdings sinkt die Schneefallgrenze
postfrontal in der maritimen Polarluft wieder auf 800 bis 600 m ab. Zwar lässt
der Niederschlag gleichzeitig sehr schnell nach und auch die nachfolgenden
Schauer bringen nicht mehr viel, aber in den Kammlagen der Mittelgebirge könnte
es durch etwas Schneematsch glatt werden.

In der Nacht zum Sonntag verlagert sich das hoch reichende, steuernde Tief in
das Seegebiet knapp nördlich von Schottland. Die Kaltfront überquert die
Osthälfte meist recht schnell, im Süden gerät sie aber leicht ins Schleifen, was
daran liegt, dass die Strömung, insbesondere niedertroposphärisch, zwischen
einem Randtief über Südschweden und einem kleinräumigen Tief westliche der
Biskaya durchglättet. Da die Front den Kontakt zur stärksten Dynamik des
nachfolgenden Kurzwellentroges immer mehr verliert, "zerfleddert" sie
sukzessive, was auch die Schwere der an ihr stattfindenden Wettererscheinungen
limitiert. Dennoch dürften mit Kaltfrontdurchgang in der Osthälfte immer noch
Böen Bft 7-8 möglich sein. Hinter der Kaltfront fächert der Gradient
vorübergehend auf, bevor er sich mit Annäherung eines auch im Bodendruckfeld
erkennbaren Kurzwellentrog im Westen und Nordwesten wieder etwas verschärft.
Dort sind dann wieder Böen Bft 7, an der Nordsee Bft 8-9 zu erwarten.

Die eigentliche Föhnlage bricht mit der Kaltfront zusammen, dennoch treten auf
den Alpengipfeln wie auch in den Kammlagen der Mittelgebirge auch postfrontal
noch Böen Bft 9-10 auf.

Die Kaltfront bringt den Mittelgebirgskammlagen geringen Neuschnee, an den
Alpen, wo die Front schleift, teils auch 5-10 cm. Hinter der Kaltfront lockert
es auf, sodass es im Bergland lokal leichten Frost und Glätte durch Überfrieren
gibt.




Sonntag ... ändert sich die Druck- und Geopotentialverteilung nur wenig. Die
westsüdwestliche, zyklonale Strömung bleibt bestehen, wobei sie insgesamt etwas
auf Südsüdwest dreht. Der o.e. Kurzwellentrog wird über Deutschland nordostwärts
hinweggesteuert. Da er dabei an Kontur verliert und auch die Höhenkaltluft nicht
sonderlich ausgeprägt ist, hält sich die Schauerneigung einigermaßen in Grenzen.
Dennoch bleibt ein wechselhafter Wettercharakter mit einzelnen Schauern, aber
auch heiteren Abschnitten, erhalten. Ein vereinzeltes Gewitter ist am ehesten
ganz im Norden (Delta T850-500 >30K) möglich. An den Alpen kommt es am Tage an
der schleifenden Front weiter zu etwas Schnee (5-10, in Staulagen um 15 cm).

Der Wind lebt mit Durchschwenken des Bodentroges und mit Hilfe des Tagesganges
auf, sodass (mit Ausnahme des Südostens) Böen Bft 7-8 auftreten, im
Nordseeumfeld auch Bft 9, in den Gipfellagen Bft 10.

Das o.e. kleine Tief über der Biskaya mitsamt sich immer besser konturierendem
Randtrog wird in der südsüdwestlichen Strömung nach Nordosten gesteuert. Am
Abend steht es vor den Toren Westdeutschlands, beeinflusst das Vorhersagegebiet
wahrscheinlich aber noch nicht. Allerdings sorgt vorlaufende WLA für
Stabilisierung (nachlassender Schauer und abflauender Wind) sowie Aufzug
mehrschichtiger Bewölkung.

In der Nacht zum Montag erreicht das Randtief mit Kurzwellentrog Deutschland und
liegt am Morgen über der östlichen Mitte. Das Randtief fängt die Frontalzone
gewissermaßen wieder auf, zumindest zeichnet sich in den Modellfeldern eine
Schliere höherer Werte der pseudopotenziellen Temperatur und T850 (>0 Grad) ab.
Wie man diesem Umstand in der Analyse Rechnung tragen wird (Pseudo-Okklusion
oder doch Pseudo-Konvergenz?), kann an dieser Stelle nicht beantwortet werden,
sehr wohl aber, welches Wetter damit in Verbindung steht: Nämlich von Südwest
aufkommende, gebietsweise Niederschläge, die durch das Einsteuern der milderen
Luft meist als Regen fallen. Dieser hat unter der höhenkalten Luft im
Trogbereich schauerartigen Charakter und kann kräftig ausfallen. Signale für
warnwürdige Mengen gibt es aber keine. Schnee ist wohl nur in Kammlagen ein
Thema.

Mit dem Randtief in Verbindung steht ein kleines aber feines Windfeld an dessen
Südflanke. Randtief und Randtrog werden von den Modellen aber noch etwas
unterschiedlich simuliert - und damit auch die Intensität der Böen. Vor allem
ICON und GFS schlagen kleinräumig vom Südwesten bis zur östlichen Mitte mit Böen
Bft 8-9 zu Buche, bei IFS sieht es etwas verwaschener und schwächer aus
(gebietsweise Bft 7-8). Ansonsten lässt der Wind nach, lediglich an der Nordsee
weht er in Böen noch stark.




Montag ... stößt ein an der Westflanke in den Langwellentrog hineinlaufende
Kurzwelle bis in den westlichen Mittelmeerraum vor und neigt dort abzutropfen.
Über dem Löwengolf wird dabei eine kräftige Zyklogenese angeregt. An der
Südflanke des hochreichenden steuernden Tiefs CHARLOTTE zieht der o.e. Randtrog
über den Osten nach Polen ab. Dahinter stellt zwischen dem vielleicht
"Bald-Cut-Off" über dem westlichen Mittelmeer und CHARLOTTE eine recht glatte
westliche, leicht auffächernde Höhenströmung ein.

Deutschland befindet sich - wenn die mit dem Randtrog in Verbindung stehenden,
schauerartigen Niederschläge über die Mitte und den Osten abgezogen sind -
zwischen den beiden Protagonisten gewissermaßen im Umfeld kompensatorischen
Absinkens. Dennoch reicht es unter mäßig-kalter Höhenluft (T500 um -30 Grad,
T850 um 0 Grad) für tagesgang-getriggerte Konvektion, die für den ein oder
anderen Schauern sorgt.

Ganz im Süden zeigen sich am Rande des Mittelmeertiefs durch WLA im Verlauf hohe
und mittelhohe Wolkenfelder. Ab dem Abend wird modellübergreifend direkt an den
Alpen sogar einsetzender, leichter Schneefall simuliert, der aber bis zum Ende
des betrachteten Kurzfristzeitraums (noch) keine nennenswerten Neuschneemengen
bringt.

GFS rechnet im Gegensatz zu IFS und ICON mit einem weiteren, in der Westströmung
ablaufenden Randtrog, der etwas verbreiteter für schauerartige Regen-, in den
Hochlagen Schneefälle sorgen würde.





Modellvergleich und -einschätzung
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Im Hinblick auf die Entwicklung der Großwetterlage sowie die synoptischen
Basisfelder zeigen sich zwischen den üblicherweise an dieser Stelle betrachteten
großen Globalmodelle nur wenige Unterschiede.

Differenzen bezüglich des aus den Basisfeldern abgeleiteten Wetterablaufes
wurden, wenn signifikant, im obigen Text erwähnt. Auffällig ist wieder einmal
die (wie schon bei Orkan SABINE) sehr offensive IFS-Variante bei den Windböen an
der Kaltfront am Samstag. In der Fläche scheint dies wohl wieder etwas
übertrieben, wenngleich in stärkerer Konvektion die angesprochenen Böen Bft 10,
vielleicht sogar Bft 11 durchaus ins Kalkül gezogen werden müssen.


Vorhersage- und Beratungszentrale Offenbach
Dipl. Met. Adrian Leyser