DWD Synoptische Übersicht Kurzfrist

27-02-2020 08:30
SXEU31 DWAV 270800

S Y N O P T I S C H E Ü B E R S I C H T K U R Z F R I S T
ausgegeben am Donnerstag, den 27.02.2020 um 08 UTC


GWL und markante Wettererscheinungen:
GWL: Wz
In der Mitte und im Süden dank "BIANCA" ab dem Nachmittag bis in die kommende
Nacht Kurzzeitwinter teils bis in tiefe Lagen, im Bergland markante Schneefälle.
Dabei abends und nachts ganz im Süden stürmisch mit teils schweren Sturm-, im
Bergland Orkanböen. Am Wochenende nach kurzer Wetterberuhigung weiterhin
unbeständig und wieder milder.

Synoptische Entwicklung bis Samstag 24 UTC
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Donnerstag... steht die Wetterentwicklung ganz im Zeichen des kleinräumigen
Sturmtiefs "BIANCA", die den südlichen und mittleren Landesteilen tatsächlich
nochmals eine Art "Kurzzeitwinter" teils bis in tiefe Lagen bescheren könnte, in
einigen Regionen dürfte das überhaupt der erste Schnee des ganzen Winters sein.
Aber der Reihe nach: Die zyklonale Westlage hat uns weiterhin voll im Griff.
Leicht mäandrierend, erstreckt sich die kräftige Frontalzone quer über den
Nordatlantik ostwärts bis weit nach Osteuropa. Darin eingebettet, greift heute
im Tagesverlauf von den Britischen Inseln her ein markanter Kurzwellentrog unter
Amplitudengewinn auf Mitteleuropa über und überquert Deutschland rasch bereits
im Laufe der ersten Nachthälfte. Vor allem über dem Südwesten und Süden des
Landes weist der Trog eine scharfe zyklonale Krümmung auf und im Bereich der
diffluenten Vorderseite kann aufgrund kräftiger PVA - anfangs noch unterstützt
durch WLA - markante Hebung generiert werden.
Somit kann sich ein mit dem Trog korrespondierendes, aktuell sich über dem
Ärmelkanal befindendes Bodentief noch deutlich vertiefen und zieht bis zum Abend
nach Südwestdeutschland (Grenzgebiet Nordbaden/Unterfranken). Inzwischen
herrscht bzgl. Zugbahn und Kerndruck im Großen und Ganzen Einigkeit innerhalb
der Modellwelt. Vor allem an der Süd- und Westflanke des Tiefs verschärft sich
der Gradient ab den späten Nachmittags- und Abendstunden von Südwesten her
deutlich. Entsprechend legt der Wind etwa südlich einer Linie Saarland-Oberpfalz
von Westen her deutlich zu und es gibt verbreitet stürmische Böen bzw. Sturmböen
aus Südwest bis West bis in tiefe Lagen, ab den späteren Abendstunden vor allem
im Alpenvorland auch schwere Sturmböen. Vor allem IFS und SuperHD simulieren im
südlichen Alpenvorland auch orkanartige Böen, C-D2-EPS hat auch gar nicht so
geringe Wahrscheinlichkeiten dafür auf der Agenda. Somit erscheint zunächst
einmal eine Warnung vor schweren Sturmböen mit "Häkchen" (exponiert Bft 11)
angebracht.
In den Kamm- und Gipfellagen der südwestdeutschen Mittelgebirge und der Alpen
muss selbstredend mit Böen Bft 11 bis 12 gerechnet werden.
Neben dem Wind spielt warntechnisch selbstredend auch der Schnee eine Rolle. Vor
allem an der Nordflanke und entlang der Zugbahn des Tiefs werden
Niederschlagsmengen zwischen 5 und 15 mm in 6 bis 10 Stunden simuliert. Diese
können im Bereich der eingeflossenen polaren Meeresluft durch kräftige
Verdunstungsabkühlung rasch bis in die Niederungen in Schnee übergehen. Während
es unterhalb von 200 bis 400 m aber wohl nur für 1 bis 5 cm, gebietsweise auch
lediglich für etwas Schneematsch reicht, fallen in höheren Lagen (oberhalb von
400 bis 600 m) bis in die Nacht hinein durchaus 5 bis 10 cm, gebietsweise auch
über 15 cm Neuschnee (theoretisch Unwetter, aber eventuell kommt aufgrund der
exponierten Lage die Einzelfallentscheidung zum Tragen). Betroffen davon sind
nach Lesart der deterministischen Modellläufe und auch der Probabilistik vor
allem die westlichen Mittelgebirge (Hunsrück, Pfälzer Wald, vielleicht noch
Eifel und Westerwald), der Schwarzwald, der Odenwald und die Schwäbische bzw.
Fränkische Alb bis zum Fichtelgebirge und eventuell auch noch dem Oberpfälzer-
bzw. Bayerischen Wald. Im Südwesten, wo das Tief noch mit einem ausgeprägten
Warmsektor ausgestattet ist, steigt die Temperatur in 850 hPa am Nachmittag und
Abend allerdings auf über 0 Grad und die Schneefallgrenze steigt dort kurzzeitig
auf 1000 m. In mittleren Höhenlagen könnten dazu Schneebruch und
Leiterseilschwingungen für Probleme sorgen, in den Kammlagen gibt es
Schneeverwehungen.
Auch weiter nördlich setzen von Westen her leichte Schneefälle ein, die im Laufe
der ersten Nachthälfte auch auf das Erzgebirge übergreifen, dort dürften aber
kaum mehr als 5 cm zusammenkommen, in den Niederungen fällt teils auch Regen.
Im Norden und Osten gestaltet sich der Wetterablauf dagegen deutlich
entspannter. Heute tagsüber gibt es dort rückseitig eines abziehenden Troges
noch einzelne Schauer, die im Tagesverlauf abklingen. Mit Annäherung des
Kurzwellentroges gelangt am späten Nachmittag und Abend zunehmend hochreichend
kalte maritime Polarluft (-36 Grad in 500 hPa, -6 Grad in 850 hPa) nach
Norddeutschland, so dass die Schauertätigkeit am späteren Nachmittag bzw. Abend
dort wieder etwas auflebt und sich im Laufe der Nacht ostwärts ausweitet.
Teilweise fällt bis in tiefe Lagen Schneeregen, Schnee oder Graupel. Auch kurze
Gewitter sind dabei vor allem in der ersten Nachthälfte nicht ausgeschlossen.
Die Mengen bleiben aber gering, nur gebietsweise kann etwas Glätte durch Schnee-
oder Graupelmatsch auftreten.
Die Sonne zeigt sich heute am ehesten im Nordosten und Südosten und die
Temperaturen erreichen Höchstwerte zwischen 2 und 7 Grad, oberhalb von etwa 600
bis 900 m herrscht leichter Dauerfrost.

Im Laufe der zweiten Nachthälfte ziehen Tief und Höhentrog rasch ostwärts ab,
dahinter stellt sich eine zunächst recht glatt konturierte nordwestliche
Höhenströmung ein.
Im Bodenfeld schwenkt ein Hochkeil nach Südwestdeutschland, so dass sich eine
rasche Wetterberuhigung einstellt. Die Schneefälle ziehen ostwärts ab und auch
der Wind lässt deutlich nach. Morgens schneit es wohl nur noch im Südosten
Bayerns, auch von der Ostsee bis zum Erzgebirge gibt es noch einzelne
unergiebige Schnee-, Schneeregen- und Graupelschauer. Der Wind ist ausgangs der
Nacht in tieferen Lagen wohl nur noch in einigen Teilen Bayerns (Bft 7) und im
Nordseeumfeld (Bft 7 bis 8 aus Nordwest) sowie in einigen Hochlagen (Gipfellagen
Bft 8 bis 9) warnrelevant.
Vor allem in der Westhälfte lockern die Wolken stärker auf. Oberhalb von etwa
400 m gibt es verbreitet Frost, aber auch in tiefen Lagen muss vor allem bei
aufgelockerter Bewölkung mit leichtem Frost und Glätte durch Überfrieren
gerechnet werden.

Freitag... nähert sich von den Britischen Inseln ein breit angelegter und
aufgrund von WLA vorderseitig eines umfangreichen, sich vom mittleren
Nordatlantik allmählich ins Seegebiet westlich der Britischen Inseln ziehenden
Langwellentroges nach Norden aufwölbender Höhentrog und greift morgens auf die
Nordsee über. Somit ist die nordwestliche Höhenströmung über dem
Vorhersagegebiet zunehmend antizyklonal konturiert und WLA sorgt in weiten
Teilen des Landes für Stabilisierung. Somit lässt im Tagesverlauf auch im
Nordosten und Südosten die Schauertätigkeit nach, allerdings ist die Luftmasse
vor allem niedertroposphärisch anfangs noch recht labil geschichtet, so dass
aufgrund der mit dem Tagesgang zunehmenden turbulenten Durchmischung der Wind
noch einmal auffrischt. Im Nordosten und in der gesamten Osthälfte reicht das
für steife Böen, in den Kamm- und Gipfellagen der Mittelgebirge für stürmische
Böen, auf exponierten Gipfeln für Sturmböen aus West bis Nordwest. Erst am
späteren Nachmittag und Abend lässt der Wind wieder nach.
Ansonsten steht ein recht ruhiger Tag ins Haus, wobei sich zeitweise auch die
Sonne durchsetzen kann. Mit der sich verstärkenden WLA ziehen aber bald wieder
von Westen her neue hohe und mittelhohe Wolken auf, abends kann es an der Grenze
zu Benelux eventuell auch etwas regnen. Der Wind dreht im Westen mit Annäherung
einer Warmfront auf Süd zurück, ist aber zunächst noch nicht warnrelevant.
Die Temperaturen steigen gegenüber dem Vortag etwas an, auch, wenn sich die WLA
niedertroposphärisch noch nicht wirklich durchschlägt. Bis zum Abend steigt die
850 hPa Temperatur Südwesten auf etwa -3 bis 0 Grad, im Nordosten verharrt sie
bei -6 Grad. Das reicht für Höchstwerte zwischen 3 und 8 Grad, im Südwesten bis
an die 10 Grad, oberhalb von etwa 600 bis 900 m gibt es leichten Dauerfrost.

In der Nacht zum Samstag schwenkt der Höhenrücken über das Vorhersagegebiet
hinweg ostwärts, vom nahen Ostatlantik greift der kräftige Langwellentrog auf
Irland über. Das korrespondierende Bodentief verlagert sich ins Seegebiet
nordwestlich von Irland, die Warmfront überquert bis Samstagfrüh den Westen und
Nordwesten Deutschlands. Dabei kann aufgrund kräftiger WLA recht markante Hebung
wirksam werden und somit weiten sich im Laufe der Nacht Niederschläge leichter,
vor allem im Westen auch mäßiger Intensität rasch auf weite Teile des Landes
aus, lediglich ganz im Osten/Nordosten bleibt es eventuell noch trocken. Anfangs
kann es dabei teils bis in tiefere Lagen noch etwas schneien, rasch schlägt sich
die WLA aber auch niedertroposphärisch durch (T 850 hPa morgens um 06 UTC
zwischen -5 Grad im noch trockenen Nordosten und +6 Grad im Südwesten) und die
Niederschläge gehen bis in die Kammlagen in Regen über. Nach Warmfrontpassage
klingen die Regenfälle im Westen später wieder ab.
Der Gradient verschärft sich mit Warmfrontpassage deutlich, aufgrund der
zunehmend stabilen Schichtung macht sich das aber wohlhauptsächlich auf den
Bergen sowie an der Küste bemerkbar. Dort gibt es stürmische Böen, vereinzelt
Sturmböen, auf exponierten Gipfeln der nördlichen und östlichen Mittelgebirge
auch schwere Sturmböen, zunächst aus Süd bis Südost, später aus Süd bis Südwest.
In den Niederungen reicht es wohl nur in Küstennähe sowie in einigen Lee-Lagen
für steife Böen.
Vor Einsetzen der Niederschläge kann es vor allem im Südosten, im zentralen
Mittelgebirgsraum und im äußersten Osten noch leichten Frost und gebietsweise
Glätte geben, wenn es ganz blöd kommt, kann der Regen in einigen geschützten
Tälern anfangs auch gefrieren. Im Westen und Norden bleibt es frostfrei.

Samstag... greift der Trog auf die Britischen Inseln über, weitet sich nach
Südosten aus und erfasst zunehmend auch das Vorhersagegebiet. Ein vorgelagerter
kurzwelliger Randtrog überquert bis zum Abend BeNeLux und Frankreich. Somit
dreht die Höhenströmung über Deutschland vorübergehend auf Südwest bis Süd,
verstärkt sich und ist zunehmend zyklonal konturiert.
Das korrespondierende Sturmtief kann sich noch etwas vertiefen (auf unter 955
hPa) und zieht ins Seegebiet knapp westlich der Hebriden. Die Warmfront
überquert rasch auch die Osthälfte des Landes ostwärts, die mit dem Trog
interagierende Kaltfront greift nachmittags auf den Westen und Nordwesten über.
Im Warmsektor lassen die Regenfälle vorübergehend nach und vor allem im Osten
und Süden lockern die Wolken auch mal stärker auf, im Alpenvorland wird es
föhnig und die Sonne kann auch länger zum Zuge kommen. Von Westen her setzen
aber ab der Mittagszeit mit Annäherung der Kaltfront vermehrt schauerartige
Regenfälle ein und weiten sich rasch ostwärts aus, lediglich Richtung Oder und
Neiße, in der Lausitz sowie in Südostbayern sollte es bis zum Abend noch trocken
bleiben.
Von Warnrelevanz ist in erster Linie der Wind. Der frischt mit Kaltfrontpassage
im Westen und Südwesten auch in tiefen Lagen wieder aus Südwest auf und es gibt
dort dann recht verbreitet steife, exponiert auch stürmische Böen. Im
Nordseeumfeld gibt es verbreitet stürmische Böen, abends exponiert auch
Sturmböen, auf den Berggipfeln Sturm- und schwere Sturmböen.
Im Warmsektor kann sich die sehr milde Luftmasse subtropischen Ursprungs rasch
nach Osten ausweiten, die Temperatur in 850 hPa steigt auf 5 bis 9, im
Alpenvorland bis über 10 Grad. Mit der Kaltfront gelangt erwärmte Meeresluft
nach Westdeutschland und es kühlt in 850 hPa auf etwa -2 Grad ab. Somit steht
mit Höchstwerten zwischen 7 und 14 Grad ein sehr milder Tag ins Haus, Richtung
Alpen und im südlichen Oberrheingraben auch darüber, im südlichen Alpenvorland
sind vielleicht sogar die 18 Grad "drin".

In der Nacht zum Sonntag passieren uns der Kurzwellentrog und die Kaltfront mit
schauerartigen Regenfällen rasch ostwärts, postfrontal lockern die Wolken wieder
auf und mangels Labilität bzw. Hebungsantrieb sind kaum mehr Schauer zu
erwarten.
Das Sturmtief zieht allmählich über Schottland hinweg ostwärts zur
nordwestlichen Nordsee, an dessen Südflanke bleibt der Gradient vor allem im
Norden noch scharf ausgeprägt. Mit Kantfrontpassage gibt es auch im Osten und
Süden verbreitet steife, exponiert auch stürmische Böen, danach flaut der Wind
vorübergehend ab, ehe er mit der Gradientverschärfung im Nordwesten wieder mit
Böen Bft 7, im Nordseeumfeld Bft 8 aus Südwest auffrischt.
Postfrontal sinken die Temperaturen in 850 hPa auf etwa -4 Grad, trotzdem reicht
es aufgrund des noch teils lebhaften Windes wohl nur in höheren bzw. geschützten
Lagen für leichten Frost.


Modellvergleich und -einschätzung
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Die Windentwicklung in Süddeutschland ab heute Abend wird noch leicht
unterschiedlich simuliert, wobei vor allem IFS und auch einige höher aufgelösten
Modelle im südlichen Alpenvorland durchaus auch mal häufiger die Bft 11 auf der
Agenda haben. Die Entwicklung sollte also im Auge behalten werden, sollten die
06 UTC-Läufe des ICON-EU, C-D2 und GFS noch eine "Schippe drauflegen", könnte
für diese Regionen aus der aktuellen "Häkchenlösung" (Bft 11 nur exponiert)
durchaus noch eine Unwetterwarnung bis in tiefe Lagen (die sich dort in etwa 400
bis 600 m über NN befinden) werden.
Ansonsten fahren die Modelle im Kurzfristzeitraum aber eine recht einheitliche
Linie.

Vorhersage- und Beratungszentrale Offenbach
Dipl. Met. Jens Winninghoff