DWD Synoptische Übersicht Kurzfrist

24-02-2020 09:30
SXEU31 DWAV 240800

S Y N O P T I S C H E Ü B E R S I C H T K U R Z F R I S T
ausgegeben am Montag, den 24.02.2020 um 08 UTC


GWL und markante Wettererscheinungen:
GWL: Übergang von Wz (West zyklonal) zu TrM (Trog Mitteleuropa) respektive NWz
(Nordwest zyklonal)

Auf YULIA folgt ZEHRA - Rosenmontag noch einigermaßen beschaulich,
Faschingsdienstag im Norden Sturm, an der Küste schwerer Sturm. Aschermittwoch
dann - schau, schau - winterliche Komponenten.

Synoptische Entwicklung bis Mittwoch 24 UTC
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Montag... heißt es vielerorts nicht nur Helau und Alaaf - als bekennender
Norddeutscher geht das dem Verfasser eher am Allerwertesten vorbei -, es gilt
auch das nächste Tief zu begrüßen. Nachdem gestern die kleine, aber sehr agile
YULIA in weiten Teilen des Landes die Puppen ordentlich hat tanzen lassen (Wind,
Sturm, Orkanböen, Regen, Gewitter, alles, was das Herz begehrt oder auch nicht),
folgt nun noch ZEHRA als Letzte dieses alphabetischen Durchlaufs. Die erste Lady
des neuen Durchlaufs steht auch schon fest; sie heißt ANNELIE, tummelt sich
heute über dem Seegebiet unweit von Island und wird sehr wahrscheinlich bei
weitem nicht so schlagzeilenträchtig wie ihre Vorgängerinnen. YULIA und ZEHRA
haben oder werden unser Wetter nachhaltiger beeinflussen, wobei beide eine
durchaus unterschiedliche Vita zu bieten haben. Während YULIA, die heute Mittag
bereits über der Ukraine liegt, uns weitgehend als offene und direkt über den
Vorhersageraum ziehende Welle traktiert hat, ist ZEHRA bereits jetzt ein
"fertiges", wenn auch längst noch nicht vollständig austrainiertes Tief. Es wird
knapp nördlich an Deutschland vorbeiziehen und mit seinem Sturmfeld vornehmlich
Norddeutschland respektive Teile davon beeinflussen.
Aber der Reihe nach. Wie das so ist bei Westwetterlagen hat sich in der
vergangenen Nacht ein Zwischenhoch aufgebaut (quasi zwischen den Damen Y. und
Z.), das so kärglich und schwächlich daherkommt, dass die FU Berlin dafür keinen
Namen spendieren wollte. Wie soll man aber auch zu Kräften kommen, wenn in der
Höhe nur ein sehr flacher und zudem noch progressiver Rücken unterwegs ist,
dessen Support alles andere als nachhaltig ist. Beide, Rücken und Bodenhoch,
werden heute rasch nach Osten durchgereicht. Bereits heute Morgen beginnt der
Luftdruck im Westen bereits schon wieder zu fallen, was die Annäherung von ZEHRA
signalisiert, die als heutiges Endziel die mittlere Nordsee auf dem Reiseplan
hat und dabei die übliche Route via UK/Irland (bzw. umgekehrt) wählt. Dabei
speckt sie ordentlich ab, wenn man den Luftdruck mal BMI (Body-Mass-Index)
betrachtet; erfolgt der Start heute früh bei etwas unter 1000 hPa, sind es am
Ende des Tages nur noch knapp 985 hPa. Der Massenverlust geht im Wesentlichen
auf die günstige Exposition zur Frontalzone bzw. deren Jetstreaks zurück, wobei
das Tief vom rechten Eingangsbereich (heute früh) des abwandernden Rückens in
den linken Ausgangsbereich des nachfolgenden breiten Troges rückt.
So viel zur Synoptik, jetzt zum Wetter. Da kommt es - wenn man so will - zu
einer Rolle rückwärts. Im Klartext, die Kaltfront, die Deutschland gestern im
Schlepptau der abziehenden YULIA von Nordwest nach Süd überquert hat, kommt
heute als vorlaufende Warmfront von ZEHRA wieder zurück. Genau genommen
überquert sie den Vorhersageraum von Südwest nach Nordost, wobei weite Teile des
Landes in den Warmsektor gelangen (Anstieg T850 auf 3 bis 8°C). Der Nordosten
hingegen bleibt tagsüber noch präfrontal im Genuss der gestern eingeflossenen
subpolaren Meereskaltluft (T850 -1 bis -6°C). Mit der Warmfront verlagert sich
der zugehörige und zunächst nur leichte Regen aus dem Süden und Südwesten
allmählich nordostwärts. Dabei kann es in den Mittelgebirgen kurzzeitig mal
schneien, bevor der Schnee rasch in Regen übergeht. Am Nachmittag kommt es im
Nordwesten mit Annäherung des Okklusionspunktes respektive der nachfolgenden
Kaltfront (und zudem PVA in leicht diffluenter Höhenströmung) zu einer
Intensivierung der Regenfälle, so dass gebietsweise durchaus mal 10 bis 15 mm
innert 6 h in die Töpfe fallen können und mögliche Rosenmontagsumzüge in den
Hochburgen Meppen, Lingen, Wittmund und Wiesmoor zu einer echten Herausforderung
werden. Unmittelbar vor der Warmfront bzw. dem Okklusionspunkt kann die
Hebungsabkühlung bei anfangs noch schwachen Windverhältnissen (aus Südost
kommend) so stark werden, dass der Regen bei isothermer Schichtung nahe 0°C
vorübergehend in Schneeregen oder nassen Schneefall übergeht. Mit Winddrehung
auf Südwest ist dieser Spuk dann aber rasch wieder vorbei.
Während man im Norden also mit Nasskälte und vielleicht sogar winterlich
anmutenden Unbilden zu kämpfen hat, hat sich zur gleichen Zeit im äußersten
Süden und Südwesten bereits die Sonne in Szene gesetzt und die Temperatur auf
satte 12 bis 16°C, an Hoch- und Oberrhein stellenweise sogar 17/18°C
hochgetrieben. Nicht ganz so warm, aber immerhin noch zweistellig wird es in den
echten Karnevalsepizentren Westdeutschlands, während sich die gesamte
Nordosthälfte heute mit Höchstwerten unterhalb der 10°C-Marke begnügen muss.
An dieser Stelle zu erwähnen sei noch der Wind, der vor der Warmfront auf Süd
bis Südost rückdreht und dabei eine Pause einlegt. Im Warmsektor legt er dann
erst im Westen und Südwesten, später auch in der Mitte mit Drehung auf Südwest
wieder zu mit Böen 7 Bft (die stabile Schichtung verhindert im Tiefland mehr),
exponiert (z.B. Leelagen) 8 Bft, Kamm, Kuppen und Gipfel des höheren Berglands
je nach Ausrichtung 8 bis 10 Bft. An und auf der Nordsee dürften die ersten
stürmischen Böen wohl erst in den Abendstunden auf den Plan treten.

In der Nacht zum Dienstag kommt dann an der Nordsee Südweststurm auf, der bis
zum frühen Morgen aber noch recht glimpflich ablaufen dürfte mit Spitzenböen der
Stärke 8-9 Bft. Noch ist ZEHRA etwas zu weit weg und noch hat das Tief ihren
Höhepunkt nicht erreicht. Im Binnenland macht sich derweil die Kaltfront mit
seinem frontalen Regenband auf Weg von Nordwestdeutschland über die Mitte in
Richtung Süden. Südlich der Donau bleibt es noch trocken, sonst liegen die
RR-Raten in der Spitze zwischen 5 und 10 mm/12 h. Dazu frischt der Südwestwind
zeitweise auf, so dass die untere Warnschwelle 7 Bft vor allem im Norden, teils
aber auch im Westen und Mitte erreicht oder sogar knapp überschritten wird. Im
Osten und Süden hingegen bleibt es vielfach windschwach.

Dienstag... erfolgt die Weichenstellung für einen etwas kälteren, aber nicht
wirklich kalten Wetterabschnitt. Die bereits zuvor begonnene Austrogung über dem
nahen Ostatlantik setzt sich weiter fort (=> fortschreitende Amplifizierung) und
greift nun zunehmend auch auf den europäischen Kontinent über. Gleichzeitig
erreicht Tief ZAHRA bis Mittag den Norden Jütlands, wo sie sich bis knapp an 975
hPa vertieft haben soll. Auf ihrer Süd- bzw. Südwestflanke kommt es im Bereich
eines Bodentrogs zu einer Stauchung des Isobarenabstands und somit zu einer
weiteren Wind- respektive Sturmzunahme. Dabei greift das Starkwindfeld von der
Küste bis weit in die Norddeutsche Tiefebene aus. Während im Binnenland die Böen
überwiegend Stärke 8 bis 9 Bft erreichen, sind es an der Küste selbst sowie im
schleswig-holsteinischen Binnenland vermehrt Sturm- und schwere Sturmböen 9-10
Bft, vereinzelt sogar orkanartige Böen 11 Bft. Dabei muss die "11" nicht
zwingend aus dem Gradienten heraus generiert werden, die kann auch konvektiv
getriggert sein. Immerhin kommt ein Schwall höhenkalter Meeresluft polaren
Ursprungs (T500 unter -30°C) bei T850 um -4°C) in den äußersten Norden und
Nordwesten, die dort für eine Labilisierung und eine zunehmende Schaueraktivität
(Regen, Graupel, auch kurze Gewitter) sorgt. Angesichts 925-hPa-Winden bis rund
60 Kt wären vereinzelte 11er-Böen keine wirkliche Überraschung. Auf der anderen
Seite soll aber auch nicht verschwiegen werden, dass die externen Modelle wie
z.B. GFS oder IFS eine geringfügig schwächere Sturmentwicklung simulieren als
ICON.
Ansonsten tut sich die Kaltfront im Süden schwer, die Alpen zu erreichen. Zwar
ist keine wirkliche Wellenbildung an der Front erkennbar, die angesprochene
Austrogung und das damit einhergehende leichte Rückdrehen der Höhenströmung sind
alles andere als förderlich für die Progression der Front. So wird es in weiten
Teilen Süddeutschlands morgen zwar regnen, vor allem zwischen Werdenfelser Land
und Chiemgau bleibt es aber noch längere Zeit trocken und anfangs z-T. sogar
aufgelockert.
Postfrontal entwickeln sich bevorzugt im Norden und Nordwesten Schauer, die im
Bergland bis etwa 600-400 m herab mehr und mehr in Schnee übergehen. Allerdings
ist tagsüber sehr wahrscheinlich noch nicht mit der Bildung einer Neuschneedecke
zu rechnen. Der Wind weht mäßig bis frisch und böig mit Spitzen 7-8 Bft, im
Bergland je nach Lage auch darüber, auf dem Brocken bis 11 Bft. Temperaturmäßig
reicht die Spanne von rund 7°C im äußersten Norden bis zu 14°C im südlichen
Oberbayern.

In der Nacht zum Mittwoch zieht das Tief ZAHRA unter Abschwächung über
Südschweden ostwärts ab. Wirklicher Zwischenhocheinfluss stellt sich aber nicht
ein, folgt doch von der Nordsee rasch ein Bodentrog nach, in den sogar eine
zweite Kaltfront eingelagert ist. Diese erfasst von Westen her den
Vorhersageraum, während die erste (die o.e.) sich nun endgültig dazu durchringt,
die Alpen anzusteuern. Kaltfrontpassagen und die fortschreitende Austrogung in
der Höhe sorgen dafür, dass ganz Deutschland bis Mittwochfrüh von hochreichender
Kaltluft polaren Ursprungs geflutet ist (T850
-4 bis -8°C, T500 -30 bis knapp -38°C). In dieser Luftmasse kommt es zu
schauerartigen, teils gewittrigen Niederschlägen, die bis ganz unten mit Schnee
vermischt sein oder gar als nasser Schnee fallen kann. Es ist also gut möglich,
dass am Aschermittwoch nicht alles vorbei ist, sondern es erst richtig losgeht.
So sollte es nicht verwundern, wenn es morgens gebietsweise mal irgendwo weiß
ist - Hinweise der Numerik gibt es genug, sei es für den Westen (SuperHD), sei
es für den Norden (ICON). Im Bergland stehen die Chancen auf einen "weißen
Morgen" freilich ungleich besser, wobei dort auch noch leichter Frost mit Glätte
(wenn nicht durch Schnee, dann durch gefrierende Nässe) hinzukommt.
Der Wind geht mit Abzug des Sturmtiefs vorübergehend mal in die Knie (im Norden
wird es nach dem Sturm z.T. sogar windstill), bevor der Südwest- bis Westwind
mit Übergreifen des Bodentrogs und der Kaltfront von Westen her wieder
auffrischt (7-8 Bft, Bergland je nach Exposition höher).

Mittwoch... stellt sich kurzzeitig die Großwetterlage TrM (Trog Mitteleuropa)
ein. Ein Hauch von Winter erinnert uns am viertletzten Tag des meteorologischen
Winters daran, dass diese Jahreszeit doch noch nicht ausgestorben ist. Nicht
dass uns der große Wintereinbruch mit sibirischer oder auch skandinavischer
Kälte bevorstehen würde, aber immerhin finden Begriffe wie Schnee und Frost mal
wieder den Weg in die Wetterberichte.
In der hochreichenden Polarluft (T850 um -6°C, T500 -34 bis -38°C) entwickeln
sich wiederholt Schauer, wobei keine Region davon ausgenommen werden kann.
Teilweise wachsen die Schauer zu kleinen mesoskaligen Niederschlagsgebieten
zusammen. Je nach Intensität fällt bis ganz runter Schnee, so dass selbst dort
mal eine Schneefallwarnung nötig werden könnte - wann hat es das zuletzt
gegeben? Wo genau das allerdings der Fall sein wird (oder könnte), ist heute
schwer zu prognostizieren. Fakt ist, dass es im Weststau der Mittelgebirge und
des Allgäus am stärksten schneit. Dort können bis Donnerstagfrüh stellenweise um
10 cm, im höheren Schwarzwald und Allgäu um 20 cm Neuschnee fallen. Während der
Wind im Norden nicht für Schlagzeilen taugt, frischt er aus westlichen
Richtungen kommend in der Mitte und im Süden immer wieder böig auf mit Spitzen
7-8 Bft, Bergland 9-10 Bft. Apropos Bergland, trockener Schnee und Sturm lassen
zunehmend auch das Thema "Verwehungen" auf die Agenda rücken, was die Palette
warnwürdiger Wetterparameter am Aschermittwoch noch facettenreicher gestaltet.
Darüber hinaus wird es bannig kalt, mehr als 3 bis 8°C (im höheren Bergland
leichter Dauerfrost) sind nicht mehr drin - wow!


Modellvergleich und -einschätzung
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Die beschriebene Entwicklung wird von allen gängigen Modellen sehr ähnlich
gesehen. Etwas unscharf präsentieren sich noch die Themen "Niederschlagsphase"
und "Sturm" (morgen Norddeutschland), was im Text hinreichend angesprochen
wurde.

Vorhersage- und Beratungszentrale Offenbach
Dipl. Met. Jens Hoffmann