DWD Synoptische Übersicht Kurzfrist

23-02-2020 17:01
SXEU31 DWAV 231800

S Y N O P T I S C H E Ü B E R S I C H T K U R Z F R I S T
ausgegeben am Sonntag, den 23.02.2020 um 18 UTC


Markante Wettererscheinungen:
WIND/STURM:
Über der Mitte und dem Süden verbreitet stürmischen und Sturmböen, (Bft 8/9, bis
85 km/h). Mit Passage der Kaltfront von Nordwest nach Südost vorübergehend
Sturm- und schwere Sturmböen (Bft 9/10, 80 bis 100 km/h) und Winddrehung von
West auf Nordwest. Vor allem im Osten einzelne orkanartige Böen nicht
ausgeschlossen (Bft 11, bis 110 km/h).
Im höheren Bergland schwere Sturm- bis Orkanböen (Bft 10 bis 12, 90 bis 120
km/h), auf Bergkuppen darüber. Im Norden vorerst windschwach. Erst zum Abend an
der Nordsee, später an der Ostsee Wind- und stürmische Böen (Bft 7/8, 60 bis 75
km/h). In der Nacht zum Montag im Osten und Süden noch Sturmböen (Bft 8/9),
vereinzelt (Alpenvorland) schwere Sturmböen (Bft 10), auf den Bergen Orkanböen
(Bft 11/12) aus West bis Nordwest.

Am Montag zunächst windschwach. Am Nachmittag im Westen auffrischender Süd- bis
Südwestwind, exponiert einzelne stürmischen Böen (Bft 8). Auf den Bergen und
später auch an der Nordsee dann Sturmböen (Bft 9). In der Nacht zum Dienstag
stürmische Böen ins nordwestliche Binnenland, auf die Ostseeküste und Teile der
Mitte ausgreifend. Auf Berggipfeln und an der Nordsee dann Gefahr von Sturm- und
schweren Sturmböen Bft 9/10.

Am Dienstag im Norden und Nordwesten neue Sturmlage, Sturmböen bis Bft 9 bis in
Teile der Mitte ausgreifend. Ganz im Norden und auf höheren Gipfeln der
nördlichen und zentralen Mittelgebirge schwere Sturmböen Bft 10, orkanartige
Böen Bft 11 nicht ausgeschlossen. Weiter nach Süden hin im Bergland ebenfalls
stürmische Böen, in Kamm- und Gipfellagen Sturmböen Bft 9. In der Nacht zum
Mittwoch an der Ostsee anfangs noch Sturmböen Bft 8/9, später nach kurzer
Wetterberuhigung im Westen und Südwesten erneut auffrischender Wind mit
stürmischen Böen in freien lagen, auf Berggipfeln Sturmböen Bft 9.
Am Mittwoch in der Mitte und im Süden verbreitet stürmische Böen Bft 8, im
Bergland, in freien Lagen und in Verbindung mit kräftigeren Schauern und kurzen
Gewittern Sturmböen Bft 9, auf exponierten Gipfeln schwere Sturmböen Bft 10. Im
Norden dagegen vergleichsweise windschwach.

DAUERREGEN:
Bis in die Nacht zum Montag hinein im Harz sowie von den westlichen bis hinüber
zu den fränkischen Mittelgebirgen und dem Bayerischen Wald Dauerregen. Erwartete
Mengen zwischen 20 und 40 l/qm, in exponierten Staulagen lokal um 50 l/qm
innerhalb von 24 bis 30 Stunden.
In der Nacht zum Montag bis Montagmittag in den Staulagen des Schwarzwaldes und
am Alpenrand 12-stündiger Dauerregen mit Regenmengen um 30 l/qm, im Allgäu lokal
auch um 50 l/qm. Dort weitgehendes Abschmelzen der in Tallagen noch vorhandenen
Schneedecke.

GEWITTER:
Mit Passage der Kaltfront einzelne kurze Gewitter mit schweren Sturmböen (Bft
10), vornehmlich nach Osten auch einzelnen orkanartigen Böen (Bft 11) nicht ganz
ausgeschlossen.

Synoptische Entwicklung bis Mittwoch 12 UTC
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Aktuell ... liegt Deutschland unter einer kräftig ausgeprägten Frontalzone. In
diese ist eine Welle eingelagert, die leicht nördlich der Mittelgebirge über
Deutschland hinweg ostwärts gesteuert wird. Diese Welle liegt
entwicklungsungünstig, da in der Frontalzone ein Trog erst mit einer größeren
Phasenverschiebung folgt. Dennoch ist der Gradient hinreichend, so dass,
abgesehen vom Norden und Nordosten Deutschlands, verbreitet stürmische und
Sturmböen auftreten. Der Oberwind erreicht im 850 hPa-Niveau 60 bis 80 kt.
Aufgrund der stabilen Schichtung im Bereich des Warmsektors dieser Welle besteht
jedoch keine Gefahr, dass derartige Böen durch vertikalen Impulsaustausch
bedingt auch in Bodennähe auftreten. Selbst mit dem Übergreifen der Kaltfront
zeichnet sich keine weitere Windzunahme ab. Zwar können im Frontbereich mit
etwas höherer Wahrscheinlichkeit schwere Sturmböen bis Bft 10 auftreten, auch
erfolgt bis etwa 600 hPa hinauf eine leichte Labilisierung, wodurch die Bildung
einer Schauerlinie vorstellbar ist, aber für Gewitter sollte die Labilität nicht
hinreichend sein. Auch wenn die Labilisierung nicht so weit hinaufreicht, können
mit Passage der Kaltfront einzelne orkanartige Böen vor allem nach Osten hin
nicht ganz ausgeschlossen werden. Im Bergland muss ohnehin mit schweren Sturm-
und orkanartigen Böen, auf Berggipfeln mit Böen bis Orkanstärke gerechnet
werden.
Im Norden (vor allem in Nordseenähe) und Nordosten, d.h. im Bereich der Zugbahn
dieser Welle, ist es hingegen vergleichsweise windschwach. Dort legt der
Gradient erst zu, wenn diese Gebiete deutlich auf die Rückseite der Welle
gelangen. Dort sind bis in die erste Nachthälfte hinein Wind- und stürmische
Böen, an der Ostsee, im östlichen Bergland und in Alpennähe (Leitplankeneffekt)
Sturmböen bis Bft 9 und exponiert schwere Sturmböen zu erwarten. Auch an der
Nordsee treten noch Wind- und einzelne stürmische Böen auf.
Ab Mitternacht greift ein Zwischenhoch auf Süddeutschland über, das durch
Kaltluftadvektion gestützt wird. Dieses Hoch sorgt für eine weitgehende
Wetterberuhigung. Warnrelevante Böen (auf höheren Berggipfeln dann nach wie vor
bis Sturmstärke) sind auf Berglagen und die Ostseeküste beschränkt. Allerdings
kann es in Teilen der Mitte sowie im östlichen Mittelgebirgsraum aufklaren,
wodurch dort Glättegefahr durch überfrorene Nässe besteht.
Die Kaltfront der Welle wird zwar bis nach Süddeutschland gedrückt, wird aber
durch ein kräftiges, sich Irland näherndem Tief alsbald als Warmfront
rückläufig. Dies führt in einigen zentralen und östlichen Mittelgebirgen sowie
im Schwarzwald zu weiteren Niederschlägen, was dort die zu erwartenden
Dauerniederschläge erklärt. Da die Kaltluft rückseitig nicht bis zu den Alpen
vorstößt, bleibt am Alpenrand die Tauwetterwarnung bestehen. Unterhalb von 1200
bis 1500 m, am östlichen Alpenrand etwa unterhalb von 1000 m, sollte der dort
ggf. noch vorhandene Schnee weitgehend abschmelzen.

Montag ... überquert ein flacher Rücken das Vorhersagegebiet, gefolgt von einem
weiteren Trog, der die Britischen Inseln erreicht. Das mit dem Trog
korrespondierende Bodentief überquert Schottland.
Durch den Rücken wird das Zwischenhoch vorerst noch gestützt, so dass sich
zunächst eine relativ windschwache Lage ergibt. Mit dem Übergreifen der
Warmfront des Tiefs bei Schottland (die zunächst langsam, später aber aufgrund
zunehmender frontsenkrechter Windkomponente rascher nach Osten vorankommt und
bis zum Abend etwa die Linie Wesermündung - Osterzgebirge erreicht, legt im
Warmsektor dieses Tiefs der Gradient erneut zu. Von Westen auf Teile der Mitte
übergreifend sind dann wieder Windböen, in freien Lagen Westdeutschlands
stürmische Böen zu erwarten. In höheren Berglagen treten dann Sturmböen,
exponiert auch schwere Sturmböen auf. In den anderen Gebieten bleibt es noch
relativ windschwach.
Mit dem Übergreifen der Warmfront gehen Niederschläge einher. Diese sind in
Bezug auf die Menge nicht warnrelevant, aber im Bereich der Elbe und weiter nach
Nordosten hin können diese Niederschläge anfangs als Schnee fallen, wobei die
Ausbildung einer nassen Schneedecke von mehreren Zentimetern nicht
auszuschließen ist. Dies wird präfrontal durch die bodennahe südöstliche
Windkomponente begünstigt, wodurch in Erdbodennähe Kaltluft advehiert wird. Der
Wind dreht erst mit Passage der Warmfront von Südost auf Südwest, wodurch sich
dann auch wieder die mildere Luft durchsetzt. Auflockerungen sind im Süden und
anfangs, bedingt durch das abziehende Zwischenhoch, im Osten möglich. Ansonsten
hält sich meist mehrschichtige und geschlossene Bewölkung.
Während präfrontal Tageshöchsttemperaturen zwischen 6 und 10 Grad zu erwarten
sind, erfolgt mit Passage der Warmfront alsbald wieder ein Temperaturanstieg auf
10 bis 15 Grad.
In der Nacht zum Dienstag greift der Trog von den Britischen Inseln kommend auf
die Nordsee über. Hierdurch gelangt das korrespondierende Bodentief in eine
entwicklungsgünstige Position und intensiviert sich zu einem Sturmtief, das sich
bis vor Jütland verlagert. Das Starkwindfeld dieses Tiefs erfasst dann den
Nordwesten, Norden und Teile der Mitte mit Windböen bis Bft 7, im nordwestlichen
Binnenland sowie in freien Lagen mit stürmischen Böen. Die kräftigsten Böen
treten an der Kaltfront dieses Tiefs auf, die bis zu einer Linie
Uckermark-Saarland vordringt. An der Nordsee und in den Gipfellagen der
nördlichen und zentralen Mittelgebirge sowie des Schwarzwaldes kommen Sturm- und
schwere Sturmböen bis Bft 10 auf. Relativ windschwach bleibt es hingegen im
Osten und in weiten Teilen Süddeutschlands. Dabei bleibt es durchweg frostfrei.

Dienstag ... zapft ein Trog über dem nahen Ostatlantik arktische Polarluft aus
dem grönländischen Raum an und intensiviert sich folglich. Somit ergibt sich
zunehmend zyklonaler werdende Westströmung, wobei nach Mitteleuropa Polarluft
aus dem mittleren Nordatlantik gelangt.
Das mit einem vorlaufenden Trog korrespondierende Sturmtief wird über Jütland
hinweg nach Südschweden gesteuert, wobei hinsichtlich der Zugbahn dieses Tiefs
noch Unsicherheiten bestehen. Zumindest im Nordwesten und im Norden Deutschlands
bewirkt die Gradientzunahme an der Südflanke dieses Tiefs eine erneute
Sturmlage. Abgesehen vom Südosten treten Windböen, von den Mittelgebirgen aus
nordwärts stürmische Böen und im Nordwesten und Norden Böen bis Sturmstärke auf.
Ganz im Norden, d.h. vor allem in Schleswig-Holstein, besteht die Gefahr
schwerer Sturmböen. Ob es für orkanartige Böen reicht, ist abhängig von der
Zugbahn dies Tiefs. Mit dem Vordringen labil geschichteter Luft, was durch die
Annäherung des Haupttroges bedingt ist, wird die Schichtung im Nordwesten und
ganz im Norden zusehends labiler, wodurch die Böigkeit des Windes zunimmt und
die Gefahr schwerer Sturmböen, vielleicht sogar orkanartiger Böen vor allem in
Nordseenähe steigt. Zudem sind einzelne kurze Gewitter nicht auszuschließen.
Wahrscheinlich wird dann aber, bedingt durch das abziehende Tief, von Westen her
der Gradient etwas auseinandergezogen, so dass sich beide Effekte die Waage
halten könnten. Mit schweren Sturm- und zum Teil auch orkanartigen Böen ist aber
auch in den Hochlagen der nördlichen, östlichen und zentralen Mittelgebirge zu
rechnen.
Mit der vordringenden maritimen Polarluft geht ein rascher Wechsel von
Schauerbewölkung und kurzen Auflockerungen einher, wogegen sich nach Süden hin
mehrschichtige und meist geschlossene Bewölkung hält. Die
Tageshöchsttemperaturen erreichen 7 bis 12 Grad, im östlichen Alpenrand bei
leicht föhnigem Einfluss Werte noch etwas darüber.
In der Nacht zum Mittwoch greift der Trog unter weiterer leichter Intensivierung
auf Frankreich über, wobei Deutschland noch an dessen Vorderseite verbleibt. Das
mit dem Trog korrespondierende Bodentief wird in die Deutsche Bucht gesteuert.
Mit der Annäherung dieses Troges und dem weiteren Vordringen von hochreichend
labiler Polarluft (die nur den Südosten Deutschlands noch verschont) stellt sich
eine rege Schauerlage bis hin zu kurzen Gewittern ein. Im 850 hPa-Niveau sinkt
die Temperatur auf -5 bis -8 Grad, wodurch bis in Lagen um 400 m, bei
kräftigeren Schauern durchaus auch bis in tiefere Lagen, diese Niederschläge in
fester Phase fallen.
Zudem frischt an der Südflanke des o.g. Tiefs der Wind auch wieder auf, wodurch
abgesehen vom Nordosten und Südosten Windböen und in freien Lagen vor allem
Südwestdeutschlands stürmische Böen auftreten. In den Hochlagen der
Mittelgebirge sowie in Verbindung mit Schauern oder kurzen Gewittern besteht die
Gefahr von Böen bis Sturmstärke.

Mittwoch ... greift von Frankreich kommend der Trog auf Deutschland über und
sorgt deutschlandweit für eine ausgewachsene Schauerlage. Bei Temperaturen, die
im 500 hPa-Niveau zwischen -35 und -38 Grad und in 850 hPa zwischen -5 und -8
Grad liegen, sind Schauer in allen möglichen Phasen und auch wiederholt kurze
Gewitter zu erwarten. Hiervon lässt sich keine Region so recht ausnehmen.
Oberhalb von 400 m fällt durchweg Schnee, ab 600 m kann es für eine dünne
Schneedecke reichen. Im Schwarzwald und im Allgäu können durchaus auch mehr als
10 cm Schnee zusammenkommen, wobei oberhalb von 800 bis 1000 m die Gefahr von
Verwehungen besteht.
Das mit dem Trog korrespondierende Bodentief wird über das nördliche
Schleswig-Holstein in die Mecklenburger Bucht gesteuert. An dessen Südflanke
bleibt ein kräftiger Gradient bestehen. In der Mitte und im Süden sin daher
verbreitet stürmische Böen, in freien Lagen vor allem im Westen Deutschlands und
bedingt durch den Leitplankeneffekt auch im südlichen Alpenvorland Sturmböen, im
Bergland und in Verbindung mit kräftigeren Schauern oder kurzen Gewittern
ebenfalls Sturmböen und auf höheren Berggipfeln schwere Sturmböen zu erwarten.
Nach Norden hin ist der Gradient aufgrund der Nähe zum Tief etwas
auseinandergezogen, so dass es dort wahrscheinlich nur für Windböen reicht.
Die Tageshöchsttemperaturen erreichen 3 bis 8 Grad. Oberhalb von etwa 800 m
dürfte sich auch tagsüber leichter Frost einstellen.


Modellvergleich und -einschätzung
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Die vorliegenden Modelle zeigen eine weitgehend ähnliche Entwicklung. Anhand der
synoptischen Basisfelder lassen sich kaum prognoserelevante Unterschiede
ableiten.
Größere Unsicherheiten bestehen noch im Hinblick auf die Verlagerung des
Sturmtiefs am Dienstag. Hier nehmen die externen Modelle gegenüber ICON eine um
etwa 150 bis 200 km weiter nördliche Verlagerung an und simulieren zum Teil eine
etwas intensivere Entwicklung. Allerdings positioniert auch der aktuellste Lauf
dieses Tief ein wenig weiter nördlich, wenngleich auch nicht so weit wie es bei
den anderen Modellen zu sehen ist. Demnach zeigt ICON noch das gefährlichste
Szenario, wobei die Böensimulation des ICON aufgrund der hohen und zunehmenden
Labilität (wenn die vom ICON prognostizierte Zugbahn dieses Tiefs auch
eintrifft) plausibel ist. Probabilistische Verfahren halten die Version des ICON
für wahrscheinlicher als das Szenario der externen Modelle.


Vorhersage- und Beratungszentrale Offenbach
Dipl. Met. Thomas Schumann