DWD Synoptische Übersicht Kurzfrist

23-02-2020 08:30
SXEU31 DWAV 230800

S Y N O P T I S C H E Ü B E R S I C H T K U R Z F R I S T
ausgegeben am Sonntag, den 23.02.2020 um 08 UTC


GWL und markante Wettererscheinungen:
Heute zum Teil schwere Sturmlage und einzelne Gewitter. In Staulagen der
Mittelgebirge markanter Dauerregen. In der Nacht auf Dienstag und am Dienstag
selbst in der Nordhälfte erneute Sturmlage, in Küstennähe auch schwer.

Synoptische Entwicklung bis Dienstag 24 UTC
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Sonntag... liegen große Teile Europas unter einer aktiven und relativ glatten
Frontalzone, wobei die westliche Grundströmung einen leicht nordwestlichen Touch
hat. Entscheidend für die heutige Wetterentwicklung ist eine in die Frontalzone
eingelagerte kurzwellige Störung. Diese liegt zum Mittagstermin eingangs der
Nordsee und erreicht zum Abend Deutschland.

Daran gekoppelt ist ein markantes Randtief, dass derzeit noch als offene Welle
in den Analysen zu finden ist und sich im Tagesverlauf stärker entwickeln soll.
Abhängig vom Vorhersagemodell soll sich in seiner Hauptentwicklungsphase eine
eigenständige Kernisobare um 1000 hPa ausbilden und es damit vom Wellen- zum
Randtief werden. Die Zugbahn des Tiefs hat sich mittlerweile gut angenähert,
wenngleich die deutsche Modellkette immer noch eine leicht südlich versetzte
Variante im Vergleich zu GFS, EURO4 und anderen Anschlussmodellen zeigt. Die
wahrscheinlichste Variante verläuft von den Niederlanden kommend südlich von
Bremen über die Altmark weiter nach Berlin und zieht dann nach Polen ab.

Dementsprechend ist die gesamte Region südlich der angesprochenen Zugbahn vom
Hauptwindfeld betroffen. Dem Gradienten folgend muss daher ab den Mittagsstunden
im Warmsektor abgesehen von geschützten Lagen häufig mit stürmischen- und
Sturmböen gerechnet werden. Die stärksten Höhenwinde 60 kn in 925 hPa werden
dabei aufgrund der stabilen Schichtung im Warmsektor zunächst noch nicht
heruntergemischt.

Ab dem Nachmittag greift von den Niederlanden und dem Emsland kommend die
Kaltfront auf NRW und das südliche Niedersachsen über. Sie erreicht bis zum
Abend die mittleren Landesteile und wird sich zonal ausrichten. Im Laufe der
ersten Nachthälfte wird die Wetterwirksamkeit der Front durch ein neues
stromaufwärts liegendes Tief allmählich abgeschwächt.

Mit der Kaltfront werden durch die dann stattfindende Durchmischung die
stärksten Böen erwartet. So muss vor allem in einem breiten Streifen über der
Mitte (Südniedersachsen, NRW, Hessen, nördliches RLP, Thüringen, Südhälfte
Sachsen- Anhalt und Brandenburg, sowie Sachsen) häufig mit Sturmböen und
einzelnen schwere Sturmböen gerechnet werden, die vor allem im östlichen Teil
des Streifens wahrscheinlicher werden. Dort bietet das COSMO-D2 Ensemble dann
streifenartig auch orkanartige Böen an, wobei die Wahrscheinlichkeiten zum Teils
bis 25 % in Sachsen liegen.

Ob und wie verbreitet orkanartige Böen auftreten können hängt natürlich mit der
Stärke der Konvektion zusammen. So wird zumindest etwas CAPE simuliert, sodass
entlang der Kaltfront auch Abschnitte gewittrig verstärkt sei können. Zudem
zeigen die Prognosesoundings eine sich absenkenden, wenn auch nicht sonderlich
kräftig ausgeprägten Trockeneinschub in der mittleren Troposphäre. Zudem deuten
die LL-LapseRates (Boden bis 850 hPa) gute Durchmischung an. Etwas hinderlich
ist indes die wenig frontensenkrechte Komponente der Winde in der unteren und
mittleren Troposphäre.

Kurzum, auch wenn das Auftreten orkanartiger Böen nicht gesichert ist, sollte
das bestehend Potential vor allem nach Osten zum Abend berücksichtig werden.
Auch kann es noch kleinere Verschiebung in der genauen Zugbahn geben.

Ein Augenmerk sei auch noch auf den Süden gerichtet, wo mit Annäherung der
Kaltfront vor allem am Abend und in der ersten Nachthälfte durch den
Leitplankeneffekt häufig Sturmböen auftreten und auch das Potential für einige
schwere Sturmböen deutlich erhöht ist.

Im Norden ist es zunächst noch windschwach. Erst nach Passage des Tiefzentrums
dürfte es zunächst an der Nordsee, in der Nacht dann auch an der Ostsee Windböen
und stürmische Böen geben. An der Vorpommerschen Ostseeküste sind auch Sturmböen
denkbar. Aufgrund der postfrontalen deutlichen Stabilisierung sollten sich sonst
die Böen zumeist auf Bft 7 beschränken.

Zu erwähnen ist davon abgesehen noch der Niederschlag. Diese sollte knapp
südlich des Tiefkernpassage am intensivsten ausfallen. In den bekannten
Weststaulagen sollten damit in den zentralen und insbesondere in den westlichen
Mittelgebirgen die markante Dauerregenschwelle überschritten werden.

Eingangs der Nacht konzentriert sich das Hauptwindfeld noch auf den Osten und
Südosten Deutschlands, während im Westen der Wind mit einem postfrontal deutlich
auffächernden Gradienten rasch in die Knie geht. Das Auffächern ist vor allem
der Entwicklung stromaufwärts geschuldet, wo eine neues Randtief die Britischen
Inseln erreicht und vorderseitig einen Bodenhochkeil aufwölbt.

Diese deutlich Wetter- und Windberuhigung greift in der zweiten Nachthälfte auch
auf die östlichen Landesteile aus. Am längsten böig bleibt der Wind an der
Ostsee.

Die Kaltfront befindet sich über dem Süden, erreicht aber die Alpen nicht.
Stattdessen wird diese von Westen kommen als Warmfront rückläufig. Entsprechend
regnet es im Süden und Südwesten noch länger anhaltend. Vor allem im
Nordschwarzwald besteht dabei das Potential, dass (den Tagesbeginn des Montags
mit einberechnet) die markante Dauerregenschwelle überschritten wird. Für den
Alpenrand ist dies (auch in Verbindung mit Tauwetter) ebenfalls nicht
ausgeschlossen.

Weiter nach Nordosten sind zum Teil größere Auflockerungen möglich. Insbesondere
in den zentralen und östlichen Mittelgebirgen bis runter zum Bayerischen Wald
ist in der eingeflossenen polaren Kaltluft (um -5 Grad in 850 hPa) mit leichtem
Frost und damit Glätte durch Überfrieren zu rechnen.


Montag... zieht ein flacher Rücken ostwärts. Dahinter macht sich bereits der
nächste Kurzwellentrog mit vorderseitig kräftige WLA bemerkbar. Das Bodentief
überquert im Tagesverlauf Schottland. Durch diese Entwicklung ist die Kaltfront
vom Vortag endgültig rückläufig geworden und zieht als Warmfront mit
Aufgleitniederschlägen nordostwärts.

Während die Niederschläge im Süden bald nachlassen und sich längere sonnige
Auflockerungen zeigen, können sich diese im Norden am Nachmittag intensivieren,
sodass sechsstündig Mengen zwischen 10 und 20 l/qm fallen. Die Intensivierung
ist der Nähe des Okklusionspunktes geschuldet, wo starke Hebungsprozesse wirksam
sind.

Der Wind ist zunächst vielerorts schwach, beginnt aber im Tagesverlauf von
Westen her allmählich aufzufrischen. Vor allem in den westlichen Einzugsgebieten
sind ab dem Nachmittag Windböen, vereinzelt auch stürmische Böen zu erwarten. In
den Hochlagen des west- und südwestdeutschen Berglandes treten dann Sturmböen
auf, an der Nordsee stürmische Böen.

Im Südwesten wird es im Oberrheingraben frühlingshaft mild mit bis zu 18 Grad.

In der Nacht auf Dienstag zieht das Tief über die Nordsee bis nach Jütland.
Seine Kaltfront erreicht bis zum Morgen etwa die Mitte. Dahinter fließt ein
Schwall Kaltluft polaren Ursprungs (850 hPa Temperatur bei -5 Grad) in den
Nordwesten des Landes.

Den Nordwesten erreicht in der zweiten Nachthälfte der nachfolgende Bodentrog,
der mit kräftiger KLA überlaufen ist. Dabei zeigt sich ein scharfer
Luftdruckgegensatz. Die Folge sind stürmische Böen vom Emsland bis ins nördliche
NRW. Von der Nordsee bis ins schleswig-holsteinische Binnenland kann es
Sturmböen und einzelne schwere Sturmböen geben. Allerdings bestehen
diesbezüglich noch größere Unterschiede, da nicht alles Modelle den Gradienten
so ausgeprägt sehen, wie ICON. Weiter nach Südosten nimmt der Wind ab, im Süden
ist er teils nur schwach unterwegs. Im Bergland zeigen sich in höheren Lagen
allgemein Sturmböen, auf exponierten Gipfeln auch orkanartige Böen.


Dienstag... gelangt Deutschland in den breiten Trogsektor. Das Bodentief zieht
weiter ostwärts in Richtung Nordsee weiter. Seine Kaltfront erreicht die Alpen.
An der Südflanke des Tiefs wird auch weiterhin ein recht kräftiger
Luftdruckgegensatz gezeigt, wobei es fortgesetzt Modellunterschiede in der
Stärke gibt. Der deutschen Modellkette folgend sind in der gesamten Nordhälfte
stürmische Böen und einzelne Sturmböen zu erwarten. Von der Nordsee über das
schleswig-holsteinischen Binnenland bis zu Ostsee sind dann schwere Sturmböen
und auch einzelne orkanartige Böen denkbar. Dies vor allem in Verbindung mit
kräftigeren Schauern und kurzen Gewittern in der Höhenkaltluft.
Das ECMWF ist da insgesamt etwa ein Beaufort schwächer und greift weniger stark
nach Süden aus.

Im Süden regnet es mit der Kaltfront noch längere Zeit. Sonst sind es wie
angesprochen Schauer und im Norden mit der stärksten Höhenkaltluft auch einzelne
Gewitter.

In der Nacht auf Mittwoch greift dann ein neuer Randtrog auf Deutschland über,
der sich auch im Bodenfeld mit einem eigenständigen Randtief zeigt. Entsprechend
lebt die Schauertätigkeit im Laufe der Nacht von Westen erneut auf. Im höheren
Bergland gibt es bei Temperaturen um den Gefrierpunkt Glätte durch überfrierende
Nässe oder etwas Neuschnee. Nach Osten besteht durch vor allem anfänglich
größere Auflockerungen Bodenfrost- und damit streckenweise Glättegefahr.

Der Wind weht an der Ostsee anfangs noch mit Sturmböen, sonst ist es
vorübergehend auch einmal windschwach. Mit dem neuen Randtrog und der in Gang
kommenden Schaueraktivität muss dann aber wieder mit Windböen und auch einzelnen
stürmischen Böen gerechnet werden. Auf den Bergen kann es Sturmböen und schwere
Sturmböen geben.


Modellvergleich und -einschätzung
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Grundlegend zeigen die Modelle Einigkeit. Unterschiede zeigen sich aber durchaus
im Detail. Während der heutige Tag schon grundlegend in Sack und Tüten ist, muss
für die Nacht auf Dienstag und den Dienstag selbst geschaut werden, wie intensiv
sich der Bodentrog entwickelt. Daran gekoppelt ist auch, wie weit südwärts die
Sturmböen ausgreifen und wie verbreitet im Norden schwere Sturmböen oder
einzelne orkanartige Böen auftreten.


Vorhersage- und Beratungszentrale Offenbach
Dipl. Met. Marcus Beyer