DWD Synoptische Übersicht Kurzfrist

19-02-2020 09:30
SXEU31 DWAV 190800

S Y N O P T I S C H E Ü B E R S I C H T K U R Z F R I S T
ausgegeben am Mittwoch, den 19.02.2020 um 08 UTC


GWL und markante Wettererscheinungen:
GWL: Abwechselnd Wa und Wz (West antizyklonal/zyklonal)

Rache Abfolge von Störungen, Tiefausläufern, Fronten (oder wie immer man will)
auf der einen und meist nur schwachen Zwischenhochs auf der anderen Seite.
Höhepunkt dabei die Kaltfrontpassage des Sturmtiefs WILTRUD in der Nacht zum
Freitag.

Synoptische Entwicklung bis Freitag 24 UTC
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Mittwoch... Zugegeben, der Gedanke scheint ziemlich weit hergeholt, trotzdem
wird man den Eindruck nicht los, dass - seitdem die Briten aus der EU
ausgetreten sind - sie uns mit ihrem Wetter regelrecht torpedieren. West, West
und noch mal West soweit das Auge reicht. Und selbst der getrübt-flüchtige
Morgenblick auf die 16er-Blätter verschiedener Vorhersagemodelle lässt keine
Zweifel aufkommen. Es geht weiter so bis Sankt-Nimmerlein.
Zur aktuellen Lage, die hier und heute von einer Trogpassage geprägt ist - ein
Trog, der in der mäandrierenden Frontalzone eingebettet ist und von der oberen
Troposphäre bis ganz nach unten reicht. Der Bodentrog wird mit einer
eingelagerten Konvergenz markiert, die um 03 UTC leicht nach Südwesten
zurückhängend bereits den Westen und Nordwesten des Vorhersageraums hinter sich
gelassen hat und in den nächsten Stunden relativ zügig nach Osten durchgewunken
wird. Pünktlich zum VBZ-internen Kantinengang dürfte sie bereits unsere
östlichen Nachbarn erreicht haben oder zumindest kurz davorstehen. Der Höhentrog
hinkt etwas hinterher und wird erst im Laufe des Nachmittags das Bundesgebiet
ostwärts passiert haben.
Mit dem Trog respektive der Konvergenz wird ein Schwall hochreichender und labil
geschichteter Meereskaltluft subpolaren Ursprungs nach Mitteleuropa geschaufelt,
in der die 850-hPa-Temperatur auf rund -5°C, die 500-hPa-Temperatur
vorübergehend auf rund -35°C zurückgeht. Vorübergehend deswegen, weil T500 im
Gegensatz zur konservativeren T850 am Nachmittag von Westen her ziemlich rasch
wieder ansteigt und somit für eine Stabilisierung der subpolaren Luftmasse
sorgt. Bis es soweit ist, kommt es aber erst mal verbreitet zu schauerartig
durchsetzen Niederschlägen, die in allen Facetten auftreten und sogar von kurzen
Gewittern durchsetzt sein können. Regen, Schnee, Graupel, alles ist am Start,
wobei die Phase nicht selten von der Intensität des Niederschlags abhängt, der
sehr unterschiedlich ausfällt. Ein Intensitätsschwerpunkt dürfte sicherlich mit
dem Durchgang des Bodentrogs respektive der Konvergenz einhergehen, auch wenn
sich wahrscheinlich keine klar definierte Linie ausbilden wird. Wie auch immer,
die Schneefallgrenze pendelt sich tagsüber etwa zwischen 400 und 600 m (im Süden
am Vormittag noch etwas höher) ein, die Schneegrenze (also die Höhe, aber der
der Schnee auch für längere Zeit liegenbleibt) bei 600 bis 800 m. Darüber fallen
in den meisten Mittelgebirgen wenige Zentimeter Neuschnee, in den Hochlagen von
Schwarzwald und Bayerischem Wald sowie an den Alpen bis zu 10 cm, in einigen
Staulagen (Alpen, Bayerwald) unter Zuhilfenahme der ersten Nachthälfte sogar bis
zu 15 cm - in diesem Winter, der keiner ist, ein echter Grund zum Feiern.
Zweiter beachtenswerter Punkt neben dem Niederschlag ist der Wind, der in der
Basis (also im Mittel) mäßig, mitunter auch frisch unterwegs ist und mit
Trogpassage von Südwest auf westliche Richtungen dreht. In Böen wird verbreitet
Stärke 7 Bft, in exponierten Lagen (Nordsee, höheres Alpenvorland,
Mittelgebirge) sowie bei kräftigen Schauern bzw. in kurzen Gewittern 8 Bft, in
Kamm-, Kuppen- und Gipfellagen 9-10 Bft erreicht. Schon im Laufe des
Nachmittags, verstärkt dann am Abend knickt der Wind von Südwesten her merklich
ein. Grund ist kräftiger Druckanstieg, der bereits jetzt von Westen her zu
beobachten ist und schlussendlich für eine Gradientauffächerung in Form eines
sich bis nach Süddeutschland vorschiebenden Hochkeils sorgt.
Die Chancen auf Wolkenlücken und einige Sonnenhappen stehen in den westlichen
Landesteilen, wo die Schauer aufgrund besagter Stabilisierung zuerst in die Knie
gehen, am besten. Die Temperatur erreicht Höchstwerte zwischen 4 und 9°C, an
Vadder Rhein stellenweise um 10°C.

In der Nacht zum Donnerstag greift ein Höhenrücken von Westeuropa auf
Deutschland über, der auch am Boden für Zwischenhocheinfluss sorgt. Weit her ist
es damit aber nicht, denn im Zuge einer neuerlichen Austrogung über dem nahen
Ostatlantik wird die weit nach Osten ausgreifende WLA nicht nur über den Rücken
geführt, sie kündigt auch bereits das nächste Frontensystem an, das unweigerlich
den Weg zu uns finden wird. Das Frontensystem besteht - klassisch möchte man
fast behaupten - aus Warm- und Kaltfront sowie einer Okklusion, die zu einem
weiteren Sturm-/Orkantief gehört, welches knapp südlich an Island vorbeizieht
(Kerndruck um 24 UTC knapp unter 950 hPa) und auf den Namen WILTRUD hört. Bevor
WILTRUD aber Aktien auf deutsches Wetter erwirbt, gibt sich die Nacht
vergleichsweise handzahm.
So lässt nicht nur Wind weiter nach, auch niederschlagsmäßig gibt es eine - wenn
auch nur kurze - Pause. Letzte Schauer im Osten, etwas Schneefall an den Alpen
sowie im Bayerischen Wald, die nach Mitternacht Geschichte sein sollten. Dafür
setzt im Westen bereits schon wieder leichter präfrontaler Warmfrontregen ein,
der sich bis zur Mitte vorarbeitet. In den Mittelgebirgen kann es dabei
kurzzeitig mal schneien, bevor die Schneefallgrenze dann aber ziemlich flott auf
rund 1000 m (und damit für westliche Mittelgebirge nicht mehr erreichbar)
ansteigt. Gefrierender Regen ist bei dieser Lage weniger wahrscheinlich, weil
die erforderliche Abkühlung der Grundschicht bei gleichzeitig
niedertroposphärischer Erwärmung (=> "warme Nase") nur rudimentär oder gar nicht
gegeben ist. Wenn, dann tritt FZRA nur sehr lokal und kurzzeitig auf.
Im Süden und Südosten, wo die Wolkendecke bei gleichzeitigem Einschlafen des
Windes vielfach aufreißt, kühlt sich die Luft ebenso wie allgemein im höheren
Bergland bis in den leichten Frostbereich ab. Dabei kann es glatt werden durch
gefrierende Nässe, anfangs auch noch durch geringen Schneefall, so dass eine
offensive Warnstrategie vor Glätte nicht nur ratsam, sondern sogar zwingend ist.
Weit unklarer ist die Glättesituation im Osten, wo die Abkühlungszeit
möglicherweise nicht ausreicht, um (Boden)Frost zu generieren. Außerdem ist es
aktuell schwer abzuschätzen, ob die Beläge noch nass/feucht oder bereits
abgetrocknet sind.
Sieht man mal von exponierten Hochlagen ab, die in unseren Berichten häufig
etwas zu stark gewürdigt werden, macht sich der auf Südwest bis Süd rückdrehende
Wind lediglich an und auf der Nordsee bemerkbar mit ersten Böen 7 Bft, lokal 8
Bft.

Donnerstag... wandert der Rücken unter leichtem Amplitudenverlust, vor allem
aber unter Verkürzung seiner Wellenlänge zum nachfolgenden Höhentrog ostwärts
über Deutschland hinweg. Die Warmfront des in Richtung Norwegische See ziehenden
Sturmtiefs WILTRUD (es beginnt sich aufgrund seiner quasisenkrechten
Achsstellung allmählich aufzufüllen) überquert uns ebenfalls ostwärts,
wohingegen die nachfolgende Kaltfront aufgrund einer Wellenbildung zunächst noch
etwas auf sich warten lässt. Somit gelangt der Vorhersageraum über weite
Strecken des Tages in den vor allem nach Süden hin antizyklonal konturierten
Warmsektor, in dem relativ milde Atlantikluft advehiert wird. Allerding hat die
Luftmasse bei weitem nicht die "Qualitäten" der Warmluft vom vergangenen
Wochenende, was u.a. der eher schleppende Temperaturanstieg in 850 hPa
eindrucksvoll beweist. So geht es bis zum Abend gerade mal hoch auf -2 bis +1°C,
einzig am Alpenrand, wo die Luft am ehesten absinkt (=> viel Sonnenschein und
trocken), geht es hoch auf +4°C. Dort sind ebenso wie im Oberrheingraben
punktuell 13 oder 14°C drin, während sonst die Spanne der höchsten 2m-Temperatur
zwischen 6 und 12°C angesiedelt ist.
Wettermäßig zieht der Warmfrontniederschlag (meist Regen, nur anfangs und
kurzzeitig in den Mittelgebirgen als Schnee) recht zügig ostwärts durch. Im
Warmsektor selbst passiert eher wenig, wenn man mal von ein paar vereinzelten
Spritzern Regen oder Nieselregen absieht. Der Süd- bis Südwestwind tut sich
trotz erkennbarer Gradientzunahme aufgrund der stabilen Schichtung schwer, sich
in tiefen Lagen durchzusetzen. Am besten gelingt das neben der freien Nordsee
(dort sowie an der Küste und auf den Inseln Böen 8 Bft, später vereinzelt 9 Bft)
im west- und nordwestdeutschen Binnenland, wo durchaus mit der einen oder
anderen steifen Böe 7 Bft, exponiert (z.B. Eifellee) auch stürmischen Böe 8 Bft
gerechnet werden muss. Dass es in Kamm- und Gipfellagen bis in den Sturm- (8-10
Bft), auf dem Brocken später sogar Orkanbereich (11 Bft) hochgeht, ist evident.


Richtig interessant wird es in den Abendstunden bzw. in der Nacht zum Freitag,
wenn die Kaltfront und der unmittelbar nachfolgende, immer spitzer werdende
Höhentrog über uns ostwärts hinwegziehen. Die Interaktion der beiden scheint
hervorragend zu funktionieren, wobei die Front bei besten Scherungsbedingungen
(LLS z.T. über 20 m/s, DLS z.T. über 40 m/s) wahrscheinlich als diskrete und
durch Querzirkulation wohldefinierte, mit konvektiven Elementen (trotz
limitierter Labilität eingelagerte starke Schauer oder kurze Gewitter)
durchsetzte Linie durchgehen wird. 925-hPa-Winde bis 50 Kt, 850-hPa-Winde bis 65
Kt (wobei 850 hPa im Winter als für durchschlagende Böen relevantes Niveau in
der Regel zu hoch ist) sowie eine postfrontale Druckwelle vervollständigen das
imposante und Respekt einflößende Gesamtbild. Kurzum, der Frontdurchgang erfolgt
kurz und knackig mit Sturmböen 8-9 Bft, und selbst schwere Sturmböen 10 Bft
sollten trotz derzeit noch unterschiedlicher Böeninterpretation der Modelle
(ICON sehr offensiv) hinterher nicht das Attribut "völlig überraschend" bekommen
- aus jetziger Sicht wären sie keine Überraschung. Genauso wenig übrigens wie
die Tatsache, dass in exponierten Hochlagen Orkanböen bis 12 Bft auf der Karte
stehen.
Das zitierte "kurz und knackig" bezieht sich übrigens nicht nur auf den Wind
sondern auch auf den Niederschlag. So wird es kurzzeitig kräftig schütten
(wahrscheinlich aber nicht warnrelevant), teils begleitet von Blitz und Donner
und bis mindestens 400 m (lokal geht es möglicherweise noch weiter nach unten)
hinab schneien, ohne dass dabei große Mengen Neuschnee zusammenkommen (=>
Glättewarnung; am ehesten an den Alpen eine kleine Schneefallwarnung bis
Freitagvormittag). Postfrontal gelangt ein Schwall ziemlich abgetrockneter
Meeresluft aus subpolaren Breiten zu uns (T850 -4 bis -7°C), in der sich die
Schaueraktivität sehr in Grenzen hält.

Freitag... ist nach Abzug des Höhentrogs mal wieder ein Rücken an der Reihe,
bevor am Wochenende - so viel sei an dieser Stelle schon verraten - die
Frontalzone mal wieder einem substanziellen Glättungsprozess unterworfen wird.
Der Rücken ist vergleichsweise flacher Gestalt und auch recht forsch unterwegs,
so dass er in der Nacht zum Samstag schon "durch" ist. Zuvor sorgt er aber für
Druckanstieg respektive Zwischenhocheinfluss, der sich vornehmlich im Süden in
Form eines zonal exponierten Hochkeils (quasi die Fortsetzung des
"plattgelatschten" Azorenhochs) widerspiegelt. Dort scheint entsprechend die
Sonne bei allerdings "nur" 5 bis 9°C.
Nach Norden hin gibt sich der Freitag nicht nur wolkiger (immerhin mit Lücken
und kaum Regen), sondern auch windiger. Von der Küste bis in den
Mittelgebirgsraum frischt der westliche, später auf Südwest rückdrehende Wind
mitunter böig auf mit Böen 7 Bft, exponiert 8 Bft, Küste vereinzelt bis 9 Bft,
Kamm und Kuppe bis zu 10 Bft. Im Laufe des Tages schwächt sich der Wind von
Westen her vorübergehend ab, bevor er in der Nacht zum Samstag von der Küste her
südwärts ausgreifend wieder merklich, sprich stürmisch auffrischt - wenn man so
will die Ouvertüre zu einem strömungstechnisch lebhaften Wochenende mit
möglichen "Überraschungen".??

Modellvergleich und -einschätzung
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Die Modelle haben die rasche Abfolge von Trog-Keil-Mustern sehr gut im Griff,
und auch die Glättung der Frontalzone zum Wochenende hin wird unisono gerechnet.
Gespannt sein darf man vor allem auf den Kaltfrontdurchgang in der Nacht zum
Freitag.

Vorhersage- und Beratungszentrale Offenbach
Dipl. Met. Jens Hoffmann