DWD Synoptische Übersicht Kurzfrist

21-07-2016 09:00
SXEU31 DWAV 210800
S Y N O P T I S C H E Ü B E R S I C H T K U R Z F R I S T
ausgegeben am Donnerstag, den 21.07.2016 um 08 UTC


GWL und markante Wettererscheinungen:
GWL: HFz (Hoch Fennoskandien zyklonal)

Vielerorts schwülwarm und gewittrig mit Unwettergefahr vor allem durch
Starkregen, aber auch Hagel. Im Nordosten geringste Gewitterwahrscheinlichkeit.

Synoptische Entwicklung bis Samstag 24 UTC
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Donnerstag... befindet sich Deutschland rückseitig eines nach Osten abwandernden
Höhenrückens, in dessen Rückseite von Frankreich her ein kurzwelliger Trog
hineingestoßen ist. Der Trog induziert ein mesoskaliges Niederschlagsgebiet, das
derzeit Teile des Südens und der Mitte überdeckt, um von dort eher gemächlich
ost-nordostwärts voranzukommen. Das Niederschlagsgebiet ist auf seiner (warmen)
Vorderseite stark konvektiv geprägt mit Gewittern, die derzeit maximal im
markanten Status (vor allem Starkregen) anzusiedeln sind. Nach Westen und
Südwesten hin überwiegt der skalige respektive stratiforme Anteil, auch wenn im
Radar schauerartige Einlagerungen erkennbar sind. Mit Verlagerung des gesamten
Systems nach O bzw. NO, das übrigens mit recht starkem Druckanstieg und
vorübergehend auffrischendem westlichen Wind im Süden verbunden ist, ist
tendenziell eher mit einer Abschwächung zu rechnen, da sich der KW-Trog mehr und
mehr "die Zähne" am besagten Rücken ausbeißt und somit an PS verliert. Zum
anderen laufen wir tageszeitmäßig in die klassische vormittägliche Depression
hinein, in der auch eher mit einer Abschwächung konvektiver Umlagerungen zu
rechnen ist. Ganz wird die Gewitteraktivität wohl aber nicht zum Erliegen
kommen.
Im Norden sind anfangs auch noch einzelne Schauer und Gewitter möglich, die sich
in der letzten Stunde sogar wieder etwas verstärkt haben. Sie sind den Resten
eines weiteren, mittlerweile aber kaum noch auszumachenden Sekundärtroges sowie
einer gestern Abend noch gut ausgeprägten Gewitterlinie geschuldet. Die Gewitter
kommen kaum noch ostwärts voran, möglicherweise werden sie sogar noch mal leicht
rückläufig. Dabei besteht die Gefahr von Starkregen. Ansonsten wird auf der
Südflanke des inzwischen über Nordeuropa positionierten Hochs mit östlichen
Winden trockenere und stabilere Warmluft in den NO advehiert.
Im weiteren Verlauf des Tages regeneriert sich der Höhenrücken hinter dem
zunehmend an Kontur verlierenden KW-Trog wieder, so dass er scheinbar retrograd
wird. Zum Tagesende liegt seine Achse meridional orientiert mitten über
Deutschland bis hoch nach Südskandinavien. Nun ist dieser Rücken zwar kein
Herkules in der Zunft antizyklonler Potenzialgebilde, gleichwohl scheint seine
Präsenz auszureichen, die aus der Luftmasse heraus mögliche, ja sogar
wahrscheinliche Gewitteraktivität zwar nicht gänzlich zu verhindern, so aber
doch zumindest zu dämpfen. Apropros Luftmasse, die heiße und verbreitet trockene
Luft des gestrigen Tages ist mittlerweile weitgehend (nach Südosten hin läuft
der Prozess noch) durch weniger heiße, aber weiterhin warme bis sehr warme, vor
allem aber feuchtere Subtropikluft ersetzt worden, obwohl kein wirklicher
Frontdurchgang stattgefunden hat. Die Kaltfront - einem Tiefdrucksystem um
Island zugehörig - wird auch heute westlich von uns bleiben, so dass wirklich
kühlere aber auch stabile Meeresluftmassen unseren Raum nicht erreichen werden.

Am labilsten ist die hiesige Luft im W und NW geschichtet, wo am Nachmittag und
Abend ML-CAPE-Werte von gebietsweise über 1000 J/kg, lokal bis 1500 J/kg
erwartet werden. Weiter östlich ist das CAPE in der Regel geringer, z.T.
simulieren die Modelle überhaupt kein CAPE, was im NO noch am plausibelsten ist.
Feucht genug ist die Luftmasse allemal (PPWs 30 bis 40 mm), so dass mit
Unterstützung des Tagesgangs und der Orografie, teils auch durch konfluente
Windstrukturen die Gewitteraktivität später wieder auflebt. Dabei ist von
weitgehend unorganisierten und nur wenig beweglichen Einzel- bis Multizellen
auszugehen, in denen Starkregen bis in den Unwetterbereich (25-40 mm/h) ganz
oben auf der Agenda steht. Allerdings sind auch größerer Hagel bzw. größere
Hagelansammlungen möglich, während Wind und Sturm eher eine untergeordnete Rolle
spielen. Aufgrund von vielfach gut ausgeprägter Richtungsscherung bei
gleichzeitig geringer Geschwindigkeitsscherung in der unteren Troposphäre sowie
einer relativ feuchten Grundschicht sind vereinzelte Typ2-Tornados nicht ganz
ausgeschlossen. Besonders an der nordfriesischen Nordseeküste ist die
Wahrscheinlichkeit dafür gar nicht mal so gering, trifft doch der westliche Wind
von der Deutschen Bucht her auf den südöstlichen Wind vom Binnenland.
Den meisten Sonnenschein gibt es in Norddeutschland sowie gebietsweise im
Südwesten, wo entsprechend die höchsten Tagestemperaturen mit rund 30°C erwartet
werden (abzüglich Küstenabschnitten mit auflandigem Wind). Sonst stehen Maxima
von 25 bis knapp 30°C auf der Karte.

In der Nacht zum Freitag schwächt sich das konvektive Geschehen dem Tagesgang
folgend mehr und mehr ab. Besonders in der ersten Nachthälfte sind aber noch
einige kräftige Entwicklungen mit Unwettergefahr unterwegs. Dort, wo es für
längere Zeit aufklart, sind in der feuchten Grundschicht später einige
Nebelfelder möglich.

Freitag... wandert der Höhenrücken langsam über die Osthälfte hinweg in Richtung
Polen und Tschechien. Damit gelangen die westlichen Landesteile zunehmend auf
die Vorderseite des mittlerweile vom nahen Ostatlantik bis nach Frankreich
vorgepreschten Höhentroges. Bei insgesamt nur schwacher Höhenströmung sind aber
keine nennenswerten dynamischen Hebungsimpulse zu erwarten.
Im Bodendruckfeld befinden wir uns am Freitag in einer gradientschwachen
Umgebung, in der sich möglichweise über Süddeutschland ein flaches Tief
ausbildet. Dem gegenüber steht über Fennoskandien ein Hoch mit etwas über 1020
hPa, auf dessen Südflanke nach wie vor relativ trockene und stabile Warmluft von
Osten her zu uns gesteuert wird. Somit verwundert es nicht, dass die höchste
Feuchte (PPWs über 30 mm, lokal um 40 mm) und die höchsten ML-CAPE-Werte (lokal
bis zu 2000 J/kg) in der Westhälfte anzutreffen sind. Vornehmlich dort
entwickeln sich im Tagesverlauf kräftige Gewitter, die meist unorganisiert
daherkommen und besonders Starkregen, aber auch größeren Hagel bzw.
Hagelansammlungen bis in den Unwetterbereich (lokal auch extrem) auf dem
Beipackzettel stehen haben.
Im S und SO können ebenfalls einzelne Gewitter entstehen, auch wenn sich die
deutsche Modellkette mit Ausnahme des Alpenrands sehr zurückhält. Am stabilsten
präsentiert sich der Nordosten, wo zudem deutschlandweit die höchste
Sonnenscheindauer erwartet wird. Temperaturmäßig reicht die Spanne etwa von 25
bis 31°C, wobei im O und NO von einer trockenen und somit für die meisten recht
erträglichen Wärme ausgegangen werden kann, während sich sonst vielerorts
schwülwarme Verhältnisse einstellen.

In der Nacht zum Samstag simulieren nicht wenige Modelle eine Verstärkung der
Niederschlagsprozesse sowie der konvektiven Umlagerungen im W und SW.
Möglicherweise geht die Intensivierung auf einen vor allem in unteren
Troposphärenschichten ausgeprägten Sekundärtrog zurück, der sich vom
eigentlichen, zur Abtropfung neigenden Haupttrog löst und über die genannten
Gebiete nord-nordostwärts schwenkt. Zum anderen lassen sich im weiterhin eher
amorph angeordneten, gradientschwachen Druckfeld konfluente Strukturen im
Bodenwind ausmachen, die ebenfalls einen möglichen Hebungsbeitrag leisten.
Wie auch immer, in den genannten Gebieten wird es wahrscheinlich nichts mit der
sonst üblichen tagesgangbedingten Abschwächung, im Gegenteil, es drohen weitere
Unwetter, evtl. auch extreme Unwetter, besonders in puncto Starkregen.

Samstag... tropft der Haupttrog tatsächlich ab in Richtung westliches
Mittelmeer, während sich gleichzeitig von der Nordsee her ein neuer KW-Trog in
die Nordhälfte "reinbohrt" - das Ganze allerdings bei äußerst schwachen
Höhenwinden. Auch in Bodennähe bleiben die Luftdruckgegensätze extrem gering.
Trotzdem zeichnet sich ab, dass die stabile Warmluft aus dem NO Boden nach
Westen hin gutmacht, was großen Teilen Norddeutschlands einen gewitterfreien und
zudem sonnenscheinreichen Tag bescheren würde (Konvektion am ehesten noch im
NW).
Im Westen hingegen, gegenüber Freitag nun auch verstärkt wieder im Süden, ist
die Luftmasse feucht und potenziell instabil geschichtet. Dort muss bei
schwülwarmen Verhältnissen mit weiteren Gewittern bis in den Unwetterbereich
gerechnet werden, wobei sich an der Reihenfolge der begleitenden Parameter -
Starkregen, Hagel und dann erst Wind/Sturm - nichts ändert. Die höchste
Tagestemperatur liegt deutschlandweit zwischen 24 und 30°C.

Modellvergleich und -einschätzung
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Die großräumige Einschätzung der Großwetterlage fällt innerhalb der vielfältigen
Modellwelt einigermaßen homogen aus. Schwer tut sich die Numerik bei
gradientschwachen Bedingungen naturgemäß mit der Berechnung der konvektiven
Prozesse (Timing, räumliche Verteilung, Intensität). Hier sollte man die
Vorhersageprodukte als Signalgeber nutzen, bei 1:1-Übernahmen sollte man
allerdings sehr vorsichtig sein.
Auf eine Vorabinformation vor schweren Gewittern wird heute aufgrund der
Annahme, dass es "nur" örtliche Unwetter geben wird und diese im Vorfeld schwer
zu positionieren sind, verzichtet. Für die Entwicklungen am Freitag und Samstag
bietet sich dann aber die Herausgabe von Vorabinformationen (grob S und W) an.
Noch ein Wort zum Starkregen: Bei den zum Teil extrem schwachen
Strömungsverhältnissen ist die Gefahr stehender Zellen mit lokalen!
Starkregenfällen bis in den extremen Unwetterbereich (>40 mm binnen kurzer Zeit)
recht groß. Welche Folgen das haben kann, haben wir im Spätfrühling respektive
Frühsommer gesehen. Sollte also in den kommenden Tagen solche Strukturen im
Radarbild detektiert werden, sollte man sich nicht scheuen, relativ frühzeitig
die "Extremkarte" zu ziehen.

Vorhersage- und Beratungszentrale Offenbach
Dipl. Met. Jens Hoffmann