DWD Synoptische Übersicht Kurzfrist

15-02-2020 18:30
SXEU31 DWAV 151800

S Y N O P T I S C H E Ü B E R S I C H T K U R Z F R I S T
ausgegeben am Samstag, den 15.02.2020 um 18 UTC


Markante Wettererscheinungen:
Zyklonale Westlage, am Sonntag und Montag stürmisch, am Sonntag für die
Jahreszeit ungewöhnlich warm

Synoptische Entwicklung bis Dienstag 12 UTC
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Aktuell ... beherrscht weiterhin ein sehr stabiler Polarwirbel die
nordhemisphärische Zirkulation. Dabei erstreckt sich ein Ast des Polarwirbels
über Nordostkanada, wobei von dort aus Kaltluft über die Labradorsee über den
vergleichsweise warmen Atlantik ausfließt. Über dem Atlantik hat sich ein
kräftiges Orkantief mit 2 Drehzentren gebildet. Das Zentrum südlich von Island
wird in den nächsten Stunden dominant, während sich der westliche Teil des Tiefs
langsam auffüllt. Der Kerndruck sinkt dabei weiter auf je nach Modell fast
Rekordverdächtige (223 - 218 hPa). (Der atlantische Rekord stammt aus dem Jahr
1993 mit 913 hPa von einem Tief bei den Shetlandinseln).
Europa befindet sich auf der Vorderseite dieses kräftigen Tiefs in einer über
Mitteleuropa zunehmend stärker werdenden südwestlichen Strömung. Dabei hat sich
ein Höhenkeil von Norditalien über Osteuropa ausgebreitet, der langsam ostwärts
schwenkt. Somit herrscht bei uns weitestgehend Absinken vor, wobei es abgesehen
von aufziehender mittelhoher Bewölkung im Nordwesten weitestgehend nur locker
bewölkt ist.
Mit der südwestlichen Strömung wird eine subtropische Luftmasse
(850hPa-Temperatur ~ 7 °C herangeführt.)
In der Nacht nimmt der Gradient vorderseitig des Tiefs über Deutschland weiter
zu, wodurch sich die Südwesströmung verstärkt, sodass sich in der Nordwesthälfte
eine relativ starker Low-Level-Jet mit 850-hPa-Windgeschwindigkeiten bis 70 kt
bildet. In der stabilen Grundschicht wird der vertikale Impulstransport stark
geschwächt, sodass sich in der Nordhälfte nur stürmische Böen, ganz im
Nordwesten und im Lee der Eifel auch Sturmböen am Boden durchsetzen können. An
den Nordfriesischen Inseln sind gegen Mitternacht mit einem über der Nordsee
abziehenden Jetmaximum auch kurzzeitig orkanartige Böen über 105 km/h denkbar.
Zudem wird die Nordwesthälfte von mittelhoher Aufgleitbewölkung erfasst, aus der
etwas Regen fällt. In der Südosthälfte beliebt es hingegen locker bewölkt,
wodurch dort die Temperaturen wieder in den Frostbereich sinken. Weiter nördlich
verhindert der stärker werdende Wind die Auskühlung in der subtropischen
Luftmasse.

Sonntag ... zieht der Höhenkeil weiter ostwärts ab. Mitteleuropa kommt dadurch
auf der Vorderseite des atlantischen Langwellentroges zum Liegen. Die Front des
Orkantiefs, dessen Zentrum immer noch südlich von Island liegt, beginnt über der
Nordsee zu wellen. An der Südostflanke der Welle zieht im Warmsektor ein
weiteres Low-Level-Jet-Maximum über die Nordsee und erfasst mit
Windgeschwindigkeiten von über 80 kt den Nordwesten. Durch eine sehr stabile
Grenzschicht im Warmsektor werden aber unwetterartige Böen zumeist verhindert,
sodass im Nordwesten größtenteils schwere Sturmböen prognostiziert werden. Nur
in der Eifel, sowie auf den Nordfriesischen Inseln und an der angrenzenden
Küste, sowie im Harz und auf einigen Mittelgebirgsgipfeln zeigen die CD2-EPS und
auch MOS-MIX erhöhte Wahrscheinlichkeiten für orkanartige Böen.
Sonst muss im Warmsektor in der Nordwesthälfte verbreitet mit stürmischen Böen
und besonders im Lee der Mittelgebirge auch mit Sturmböen gerechnet werden. Noch
Südosten hin nimmt der Wind deutlich ab.
Im Südosten ist es abgesehen von hoher Bewölkung meist nur locker bewölkt, wobei
über dem Nordwesten dichtere mittelhohe Bewölkung zieht, aus der besonders am
Vormittag zeitweise Regen fällt. Dabei werden in den Südweststaulagen auch etwas
größere Mengen simuliert. Erfahrungsgemäß ist jedoch davon auszugehen, dass der
Staueffekt in den Modellen bei Warmsektorstürmen in den Modellen etwas
überschätzt wird.
Erst am Abend greift die Kaltfront mit einem eingelagerten gut definierten Band
mit stärkeren Regen auf den Nordwesten über. Für Gewitter dürfte die Labilität
nicht reichen, sodass die Schichtung auch an der Kaltfront weitestgehend stabil
bleibt und somit nur ein moderater Anstieg der Windböen zu erwarten ist.
Orkanartige Böen bleiben abgesehen von den Küstenregionen auch im Nordwesten
unwahrscheinlich, zumal der Höhenwind in den unteren Schichten im Nordwesten mit
Eintreffen der Front merklich nachlässt und auch die frontsenkrechte
Windkomponente eher gering ist. Voraussichtlich wird das Windmaximum im
Nordwesten sogar noch vor der Front am späten Nachmittag erreicht.
Die kräftige südwestliche Strömung führt weiterhin subtropische Luft heran.
Dabei erreicht die 850-hPa-Temperatur im Südwesten Werte von über 10 °C. Bei
vergleichsweise guter Durchmischung durch den stärker werdenden Wind, sind die
21 °C, die MOS-MIX am Oberrhein prognostiziert, mit Sonnenunterstützung durchaus
realistisch. Der Monatsrekord für den Februar ist zwar nicht in Gefahr, dennoch
könnten einige Dekadenrekorde fallen.

In der Nacht zum Montag zieht der Kern des Tiefs ostwärts in das Seegebiet
nördlich von Schottland. Dadurch kommt die Front dann weiter landeinwärts voran
und erreicht gegen Montagfrüh die Mitte Deutschlands. Da sich die Front weiter
strömungsparalleler ausrichtet, wird sie weiter eingebremst und verliert in den
simulierten Radarsignaturen deutlich an Struktur, sodass die stärkeren
"Linienstruktur" in ein nach Osten hin zerfledertes Regengebiet übergeht. Vor
der Front nimmt nun auch der Wind im Süden zu. An den Alpen wird es leicht
föhnig. Für stürmische Böen bis in die Föhntäler reicht es aber nur vereinzelt.
Im Nordwesten lebt nach einer vorübergehenden postfrontalen deutlichen
Windabschwächung, der Wind mit stürmischen Böen wieder deutlich auf. Dies liegt
vornehmlich an der labileren Schichtung der einfließenden Subpolarluft. So
treffen einige Schauer den Nordwesten. Für Gewitter reicht die eingeflossen
Höhenkaltluft jedoch noch nicht.

Montag ... verlagert sich das Zentrum des Tiefs Richtung Skandinavien. Die
leicht schleifende Kaltfront überquert Deutschland südostwärts, wobei sich
frontaler Regen bis zum Abend in den Südosten zurückzieht. Die Nordwesthälfte
wird vom nachrückenden Trog mit hochbrechender Kaltluft erfasst (500
hPa-Temperaturen ~ -34 °C). Somit herrscht dort typisches Rückseitenwetter mit
Graupelschauern und eventuell einzelnen Gewittern vor. Bei 850-hPa-Temperaturen
von etwa -3 °C gibt es selbst in den Gipfellagen der Mittelgebirge kaum
nennenswerten Neuschneezuwachs. Im Norden ist der Gradient noch ziemlich stark
und hält einen 850-hpa-Wind um 50 kt aufrecht. Dadurch kommt es verbreiteter zu
stürmischen Böen, in Schauernähe auch zu Sturmböen. Weiter südlich ist der
Gradient deutlich aufgefächert.
In der Nacht zum Dienstag befindet sich Deutschland weithin im Trogbereich,
wobei noch etwas kältere Luft herangeführt wird, sodass die Schauer bis in
mittlere Lagen (~500m) als Schnee fallen. Zudem nimmt der Gradient noch etwas
zu, wodurch der Wind wieder böiger wird.

Dienstag ... zieht das steuernde Tief in die Barentssee ab. Der tiefe Luftdruck
bleibt aber vom Nordatlantik bis Skandinavien im Norden dominieren. Über
Mitteleuropa hat sich eine Westwetterlage eingestellt. Dabei liegt die
Frontalzone ziemlich weit südlich, sodass Nord- und Mitteleuropa von maritimer
Polarluft geflutet ist. Vorderseitig eines schwachen Atlantikkeils zieht ein
Kurzwellentrog auf Mitteleuropa zu. Deutschland verbleibt noch auf der
Vorderseite dieses Troges und ist dabei im Norden schwach zyklonal, im Süden
eher antizyklonal geprägt. Schauer beschränken sich dabei größtenteils auf die
Nordhälfte, wohingegen es im Süden Auflockerungen gibt. Der Gradient bleibt
recht stark, sodass es in der gesamten Nordhälfte stürmische Böen gibt.
In der Nacht zum Mittwoch greift der Trog mit schauerartig verstärkten
Niederschlägen auf den Westen über. Damit verbunden ist ein weiterer Schwall
Höhenkaltluft, sodass die Schneefallgrenze auf etwa 300 - 400 m sinkt. Besonders
in Staulagen sind auch etwas kräftigere Schneefälle möglich, sodass im Bergland
doch einige Zentimeter Neuschnee zusammenkommen.



Modellvergleich und -einschätzung
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Die Modellsimulationen sind alle sehr ähnlich. Es ist daher von einer markanten,
aber keiner unwetterträchtigen Sturmlage auszugehen. Der Sturm bleibt in seiner
Intensität zum Teil deutlich hinter dem vergangenen Sturm zurück.


Vorhersage- und Beratungszentrale Offenbach
Dipl. Met. Christian Herold