DWD Synoptische Übersicht Kurzfrist

07-02-2020 17:01
SXEU31 DWAV 071800

S Y N O P T I S C H E Ü B E R S I C H T K U R Z F R I S T
ausgegeben am Freitag, den 07.02.2020 um 18 UTC


Markante Wettererscheinungen:
Sonntag und Montag schwerer Sturm in (fast) ganz Deutschland.

Synoptische Entwicklung bis Montag 12 UTC
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Aktuell ... schwenkt die Achse eines Höhenkeils unter Abschwächung über
Deutschland ostwärts. Das zugehörige Bodenhochdruckgebiet liegt schon östlich
von uns und entfernt sich weiter nach Osten.
Das leichte Absinken und das ruhige Wetter dauern zunächst weiter an.

Die Nacht zum Samstag geht weiterhin ruhig über die Bühne mit Tiefstwerten von
+3 unter den Wolken im Nordosten und bis -5 Grad über der Mitte und dem Süden,
am Alpenrand sind bis nahe -10 Grad möglich.

Die Wolken im Osten und Nordosten lösen sich allerdings von Südwesten her
zunehmend auf, da sich auch dort trockenere Luft durchsetzt. Unterdessen nähert
sich von Westen ein erster Tiefausläufer, auf der Vorderseite eines markanten
Troges vor dem europäischen Festland, Benelux. Die zugehörigen Wolken erreichen
den Westen, regnen wird es aber nicht.

Der Wind lebt ebenfalls im Westen etwas auf, Warnwürdiges springt dabei aber
nicht heraus. Über der deutschen Bucht sind erste starke bis steife Böen
möglich, auf dem Brocken stürmische Böen.
Die Nebelneigung, bzw. die Wahrscheinlichkeit für Reif sollten in trockener Luft
sehr überschaubar bleiben.

Samstag ... ist der Übergangstag zwischen der ausklingenden ruhigen Phase und
dem folgenden stürmischen Wetterabschnitt. Dabei greift von Westen im
Tagesverlauf eine schwach ausgeprägte Kaltfront auf Deutschland über, die sich
auf dem Weg nach Osten noch weiter abschwächt, da sie von schwacher
Kaltluftadvektion überlagert gegen den zögernd abziehenden Rücken anläuft.

Neben dichten Wolkenfeldern bringt sie im Nordwesten etwas Regen. Nach Süden und
Osten zu hält sich der Hochdruckeinfluss und es bleibt noch länger sonnig und
trocken.
Der Südwestwind ist im Westen und Norden teils mäßig unterwegs mit Windböen
über der Deutschen Bucht und stürmischen Böen auf dem Brocken. Im Süden weht
schwacher Wind aus südlichen Richtungen.
Die Temperaturen liegen nachmittags meist zwischen 5 und 9 Grad, im Westen sind
bis 12 Grad zu erwarten.

In der Nacht zum Sonntag zieht ein kaum wetteraktiver Trog über Deutschland nach
Osten, nachfolgend dringt die scharf gebündelte Frontalzone vom Nordatlantik
ostwärts vor. Die schwache Kaltfront zeigt Auflösungstendenzen über uns und
kommt bis in den Nordosten und die Mitte voran. Vom Süden bis in die Lausitz
bleibt es präfrontal gering bewölkt mit leichtem Frost. Aber auch sonst passiert
nicht viel. Unter dichten Wolken bleibt es häufig frostfrei. Der Regen schwächt
sich weiter ab. Im Nordwesten lockert es postfrontal wieder auf.

Unterdessen entwickelt sich aus einer Welle, die entwicklungsgünstig zum Jet
positioniert ist, ein Sturmtief, dass zum Morgen mit knapp unter 950 hPa (ICON)
das Seegebiet nordwestlich Irlands erreicht. Der Druckfall über Westeuropa
strahlt bis zu uns aus, wo sich im Nordwesten der Gradient verschärft und zum
Morgen exponiert erste Bft 7 möglich sind. An der Nordsee und im Bergland kommt
es zu starken bis (exponiert) stürmischen Böen aus Süd bis Südwest, auf dem
Brocken sind schwere Sturmböen bis orkanartige Böen zu erwarten.

Sonntag ... dringt die glatte und sehr stark ausgeprägte Frontalzone vom
mittleren Nordatlantik weiter ostwärts bis nach Westeuropa vor; beginnt dort
aber aufzufächern. Grund dafür ist der Höhenrücken, der sich im Tagesverlauf
aber nach Osten zurückzieht und der Frontalzone Platz macht. Über Westeuropa
werden in 300 hPa fast 350 km/h erreicht.
Das Sturmtief "Sabine" schwenkt auf Nordostkurs ein und passiert im Tagesverlauf
die Shetlands mit knapp unter 950 hPa nach Lesart ICON. Abgesetzt von der
Frontalzone vertieft sich "Sabine" kaum noch.
Auf ihrer Südostflanke wird eine zunehmend starke Südwestströmung
generiert, die sich nach Mitteleuropa ausdehnt.
Die zum Orkantief gehörigen Ausläufer greifen im Tagesverlauf mit
Regen auf die Nordwesthälfte Deutschlands über. Nachfolgend - in der Nacht zum
Montag - überquert die dann mehr und mehr okkludierende Front den Vorhersageraum
südostwärts.
Tagsüber gelangt präfrontal aber zunächst ein Schwall sehr milder Meeresluft
nach Deutschland, in der in 850 hPa die Temperaturen auf ca. +5°C steigen, am
Boden sind gut durchmischte 10 bis 17 °C auf der Karte.

Die Wind- bzw. Sturmentwicklung überstrahlt alle anderen Warnparameter. Der
Gradient verschärft sich mit Annäherung der Tiefausläufer im Tagesverlauf
deutlich und das Sturmfeld erreicht uns von Nordwesten her. Außer im Südosten
kommen beginnend vormittags im Nordwesten stürmische Böen, bzw. Sturmböen auf;
im Westen und Norden auch schwere Sturmböen, so zumindest die Lesart des ICON
12z Laufs. ECM von 00z hat 1 bis 2 Bft höhere Böen auf der Karte und bringt in
der Fläche schwere Sturmböen bis orkanartige Böen! Und dass in den letzten
Läufen sehr konsistent. Auch die Ensembleverfahren zeigen zum Teil deutliche
Hinweise auf ein extremes Sturmereignis, z.B. ECM EPS, EFI.

An der See (vor allem an der Nordsee) und im Bergland stünden (ICON) dann
orkanartige Böen oder Orkanböen an, exponierte Gipfel sind mit extremen
Orkanböen dabei. Das Windmaximum ist mit Passage der Kaltfront ab den
Abendstunden und in Nacht zum Montag, im Süden am Montagvormittag in Aussicht
und wird wahrscheinlich noch höher ausfallen.
Die Schichtung wird labiler; an der Kaltfront (Querzirkulation) und in den
folgenden konvektiven Umlagerungen sind Schauer und Gewitter möglich. Bei großer
Scherung ist auch linienhaft organisierte Konvektion denkbar, bei der die
nochmal deutlich stärkeren Höhenwinde runtergemischt werden können.
Die maximalen Winde in der unteren Troposphäre sind dann zwar schon durch,
dennoch liegt die Windgeschwindigkeit in 925 hPa dann noch bei ca. 60 bis 65 kt,
in 850 hPa bei 70 bis 80 kt, was orkanartige Böen bis Orkanböen bis ganz runter
möglich macht. Lediglich der Nordosten dürfte mit einem "blauen Auge"
davonkommen, dort ist die Windentwicklung schwächer und es bleibt bei Sturmböen.


Die Modelle simulieren im Großen und Ganzen zwar ähnlich, kommen aber bei fast
gleichen Druckdifferenzen zwischen Nord und Süd (35 bis 38 hPa über Deutschland,
Kyrill etwas mehr als 40 hPa) wegen der verschiedenen Parametrisierungen zu
teils deutlich unterschiedlichen Böen.

An der Kaltfront fällt zum Teil auch kräftiger Regen, der selbst 6-stündig schon
nahe 20 mm erreichen kann. Die fortwährend und in hohem Tempo über uns
hinweglaufenden kurzwelligen Tröge lassen auch die Bildung einer flachen
Frontalwelle zu, was das Windfeld nochmal modifizieren könnte und die Chancen
auf warnwürdige Regensummen steigen ließe.

Montag ... greift die außerordentlich gut ausgeprägte Frontalzone auf
Mitteleuropa über, während sich unser Sturm an Kap Svinoy vorbei nach Nordosten
verlagert. Die Kaltfront überquert auch den Süden rasch und postfrontal fächert
der Gradient dann etwas auf, was freilich im Nordwesten schon in der Nacht
beginnt.
Da der Höhenwind aber stark bleibt und die Labilität unter der einströmenden
Höhenkaltluft (bis -35 Grad auf 500 hPa) deutlich zunimmt, sind vor allem bei
organisierter Konvektion in Form von Schauerlinien und/oder Gewittern (starke
Richtungsscherung, starke Höhendivergenz am "left exit" des Jet-Streaks)
weiterhin orkanartige Böen nicht auszuschließen.
Auf den Bergen gibt es Böen in voller Orkanstärke, exponiert auch im extremen
Bereich. Ebenfalls als Warnparameter auf der Agenda stehen eventuell die
Niederschläge, die bevorzugt in Staulagen der westlichen und zentralen
Mittelgebirge, später durch den schleifenden Frontcharakter auch im Schwarzwald
und an den Alpen Warnschwellen für 12- oder 24-stündigen Dauerregen reißen
könnten.
In der gut durchmischten subpolaren Meeresluft sinkt die Schneefallgrenze bis in
mittlere Lagen der Mittelgebirge, bei stärkeren Schauern kann es auch mal bis
runter die feste Phase geben. Neuschneeakkumulation findet
aber wohl nur weiter oben statt (vielleicht so ab 600 m), meist bleibt die
Schneedecke aber dünn.


Modellvergleich und -einschätzung
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Die Entwicklung wird von den vorliegenden Modellen recht ähnlich simuliert.
Einige Unterschiede wurden im Text angesprochen. Die schwere Sturmlage kann als
recht wahrscheinlich angesehen werden, weshalb mit recht großem Vorlauf auch
Vorabinformationen geschaltet wurden. Detailfragen bleiben natürlich noch offen;
je nach genauem Ablauf, auch bezüglich der offenen Fragen bei Kaltfrontpassage,
wäre statt einer schweren Sturmlage auch eine Orkanlage denkbar.


Vorhersage- und Beratungszentrale Offenbach
Dipl. Met. Bernd Zeuschner