DWD Synoptische Übersicht Kurzfrist

06-02-2020 17:30
SXEU31 DWAV 061800

S Y N O P T I S C H E Ü B E R S I C H T K U R Z F R I S T
ausgegeben am Donnerstag, den 06.02.2020 um 18 UTC


Markante Wettererscheinungen:
Am Sonntag/Montag schwerer Sturm.

Synoptische Entwicklung bis Sonntag 12 UTC
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Aktuell ... stellt sich das großräumige Strömungsmuster sehr meridional dar.
Zwischen einem Trog über Osteuropa und einem weiteren über dem Nordatlantik
liegt über Westeuropa ein markanter Höhenrücken. Das Strömungsmuster ist
progressiv und die Rückenachse bewegt sich nach Deutschland herein. Das
zugehörige Bodenhochdruckgebiet zieht mit seinem Schwerpunkt langsam von
Süddeutschland Richtung Österreich und Tschechien, bestimmt aber nach wie vor
unser Wetter.

Der Gradient fächert auch ganz im Nordosten weiter auf. Warnwürdige Böen gibt es
nicht. Im Nordosten weht schwacher bis mäßiger westlicher Wind, sonst schwacher
Wind aus Süd bis Ost.

Im Südwesten und Süden sorgt Absinken in trockener Luft für geringe Bewölkung
und Temperaturen unter dem Gefrierpunkt, in den Alpen über Schnee auch unter
-10°C. In den anderen Gebieten herrscht zwar auch großräumig leichtes Absinken,
es hat sich aber eine Inversion in 850 bis 900 hPa gebildet, unter der sich
feuchte Luft und starke, entsprechend lediglich tiefe Bewölkung befindet. Daraus
fällt kaum nennenswerter Niederschlag mehr, geringer Schneegriesel oder
Sprühregen kann aber im Erzgebirge oberhalb von 600m lokal für Glätte sorgen,
ansonsten bleibt es unter den Wolken frostfrei.

Mit Winddrehung auf Süd bis Südost verschiebt sich die Wolkengrenze über der
Mitte und dem Nordwesten nachts wieder nach Norden. In der dort lagernden etwas
feuchteren Luft kann sich dann auch Nebel bilden, was auch in Flussniederungen
des Südens nicht ausgeschlossen ist. Die Glättegefahr ist meist gering;
vereinzelter Reif ist zwar nicht ausgeschlossen, erfordert aber auch keine
sichtbare Warnung.

Freitag ... schwenkt die Keilachse über Deutschland ostwärts, bei leichter
Abschwächung. Das Bodenhochdruckgebiet verschiebt seinen Schwerpunkt ins
östliche Mitteleuropa, sodass wir in eine schwache südöstliche bodennahe
Strömung gelangen. Der ruhige Wetterabschnitt, sowie das leichte Absinken dauern
an.
Deutschlandweit bleibt es trocken mit viel Sonnenschein im Süden und Westen und
dichten Wolkenfeldern im Osten und Norden. Die Bewölkung löst sich im
Tagesverlauf von Südwesten zunehmend auf, da die trockenere Luft langsam weiter
nordwärts Boden gut macht. Nur im Nordosten bleibt es den ganzen Tag bedeckt.
Der schwache Wind aus Südost bleibt unterhalb jeglicher Warnschwellen und das
bei Höchstwerten von +4 Grad (Südosten) bis +10 Grad (Westen).

Ähnlich ruhig und häufig klar geht die Nacht zum Samstag über die Bühne mit
Tiefstwerten von +3 bis -4 Grad, am Alpenrand bis -8 Grad. Während die Wolken im
Nordosten der Auflösung anheimfallen, nähert sich von Westen ein erster
Tiefausläufer Benelux, dessen Wolkenfelder den Westen erreichen. Der Wind lebt
ebenfalls im Westen etwas auf, Warnwürdiges springt dabei aber nicht heraus. Die
Nebelneigung, bzw. die Wahrscheinlichkeit für Reif sollten in trockener Luft
sehr überschaubar bleiben.

Samstag ... kann als Übergangstag zwischen der ruhigen Phase und dem folgenden
stürmischen Wetterabschnitt gesehen werden. Dabei greift von Westen im
Tagesverlauf eine schwach ausgeprägte Kaltfront auf Deutschland über, die sich
auf dem Weg nach Osten weiter abschwächt.
Neben dichten Wolkenfeldern bringt sie etwas Niederschlag, der besonders den
Westen und Norden erfasst. Nach Süden und Osten zu bleibt es am längsten sonnig
und trocken.
Der Südwestwind frischt im Westen und Norden etwas auf mit Windböen über der
Deutschen Bucht sowie ersten Sturmböen auf dem Brocken und weht im Süden nur
schwach aus südöstlicher bis südwestlicher Richtung.
Die Höchstwerte erreichen mit rund 11 Grad wieder zweistellige Werte im Westen
und auch sonst wird es mit +5 bis +9 Grad mild.

In der Nacht zum Sonntag zieht ein kaum wetteraktiver Trog über Deutschland nach
Osten, nachfolgend dringt die scharf gebündelte Frontalzone vom Nordatlantik
ostwärts vor. Die schwache Kaltfront zeigt Auflösungstendenzen über uns und
kommt bis in den Nordosten und die Mitte voran. Vom Süden bis in die Lausitz
bleibt es präfrontal gering bewölkt mit leichtem Frost. Aber auch sonst passiert
außer dichteren Wolken, unter denen es frostfrei bleibt, nicht viel. Der Regen
schwächt sich weiter ab. Im Nordwesten lockert es postfrontal wieder auf.
Unterdessen entwickelt sich aus einer Welle, die entwicklungsgünstig zum Jet
positioniert ist, ein Sturmtief, dass zum Morgen mit knapp unter 950 hPa (ICON)
das Seegebiet nordwestlich Irlands erreicht. Der Druckfall über Westeuropa
strahlt bis zu uns aus, wo sich im Nordwesten der Gradient verschärft und zum
Morgen exponiert erste Bft 7 möglich sind. An der Nordsee und im Bergland kommt
es zu starken bis stürmischen Böen aus Süd bis Südwest, auf dem Brocken sind
schwere Sturmböen bis orkanartige Böen zu erwarten.

Sonntag ... dringt die glatte und sehr stark ausgeprägte Frontalzone vom
mittleren Nordatlantik weiter ostwärts bis nach Westeuropa vor; beginnt dort
aber aufzufächern. Grund dafür ist ein blockierender Höhenrücken, der sich im
Tagesverlauf aber nach Osten zurückzieht und der Frontalzone Platz macht. Über
Westeuropa werden in 300 hPa fast 350 km/h erreicht.
Das Sturmtief (wahrscheinlich eine "Sabine") schwenkt auf Nordostkurs und
passiert im Tagesverlauf die Shetlands mit ca. 945 hPa nach Lesart ICON.
Auf seiner Südostflanke wird eine zunehmend starke Südwestströmung generiert,
die sich nach Mitteleuropa ausdehnt.
Die zum Orkantief gehörigen Ausläufer greifen im Tagesverlauf mit Regen auf
Nordwestdeutschland über. Nachfolgend (Nacht zu Montag) überquert die dann
okkludierende Front den Vorhersageraum südostwärts.
Tagsüber gelangt präfrontal ein Schwall sehr milder Meeresluft nach Deutschland,
in der in 850 hPa die Temperaturen auf ca. +5°C steigen, am Boden sind gut
durchmischte 10 bis 16 °C auf der Karte.

Am spannendsten wird die Wind- bzw. Sturmentwicklung. Der Gradient verschärft
sich mit Annäherung der Tiefausläufer im Tagesverlauf deutlich und das
entsprechende Sturmfeld erreicht uns von Nordwesten her. Außer im Südosten
kommen beginnend vormittags stürmische Böen, bzw. Sturmböen auf; im Westen und
Norden exponiert auch schwere Sturmböen, so zumindest die Lesart des ICON 12z
Laufs, der allerdings die Simulation der Böen gegenüber den Vorläufen etwas
zurückgeschraubt hat. ECM von 00z hat ca. 2 Bft höhere Böen auf der Karte und
bringt in der Fläche schwere Sturmböen bis orkanartige Böen! Auch die
Ensembleverfahren zeigen deutliche Hinweise auf ein extremes Sturmereignis.

An der See (vor allem der Nordsee) und im Bergland stünden (wieder eher nach
ICON) dann orkanartige Böen oder Orkanböen an, exponierte Gipfel sind eventuell
schon mit extremen Orkanböen dabei. Das Windmaximum wäre dann mit Passage der
Kaltfront ab den Abendstunden und in Nacht zum Montag in Aussicht und würde
wahrscheinlich noch höher ausfallen. Die Schichtung wird labiler; in den
konvektiven Umlagerungen sind Gewitter möglich, so dass es lohnt windtechnisch
in die untere Troposphäre zu schauen. In 925 hPa liegen die
Windgeschwindigkeiten dann bei ca. 60 bis 65 kt, in 850 hPa bei 80 bis 85 kt,
was Orkanböen in der Konvektion als möglich erscheinen lässt.

Verkompliziert wird die Sache durch die Modellunterschiede, ICON Inkonsistenz
und den Umstand das auch die Bildung einer flachen Welle an der Front möglich
ist, die das Sturmfeld nochmal modifiziert. Eine schwere Sturmlage
(Sonntag/Montag) ist aber auf jeden Fall ins Auge zu fassen. Eine Ausgabe der
entsprechenden Vorabinformationen - natürlich ja nach Modellage - kann (sollte)
dann vielleicht auch schon im Laufe des morgigen Freitags erfolgen.


Modellvergleich und -einschätzung
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Die Modellunterschiede sind vor allem für den Sonntag interessant, wurden aber
auch schon im Text angerissen. Es gibt noch einige Unwägbarkeiten in Intensität
des Sturms, Timing und genauer Ablauf (Stichwort: mögliche Welle), die jetzt
aber auch nicht klärbar sind. Die schwere Sturmlage ist aber alles andere als
unwahrscheinlich und sollten die Modelle in den nächsten Läufen dabei bleiben,
böte sich die obige Warnstrategie an.


Vorhersage- und Beratungszentrale Offenbach
Dipl. Met. Bernd Zeuschner