DWD Synoptische Übersicht Kurzfrist

03-02-2020 18:01
SXEU31 DWAV 031800

S Y N O P T I S C H E Ü B E R S I C H T K U R Z F R I S T
ausgegeben am Montag, den 03.02.2020 um 18 UTC


Markante Wettererscheinungen:
Bis morgen früh noch anhaltender Dauerregen und Tauwetter, mit Durchzug einer
Welle nochmals verstärkend. Im Süden kommende Nacht verbreitet orkanartige Böen.


Synoptische Entwicklung bis Donnerstag 12 UTC
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Aktuell ... liegt Deutschland in einer starken westlichen Höhenströmung mit dem
Jetstream genau über unserem Land. Während heute Abend ein flacher Rücken über
unser Land hinweg ostwärts gesteuert wird, formiert sich im Bereich der
Britischen Inseln eine Austrogung. Diese hängt wiederum mit der Aufwölbung eines
stärkeren Rückens über dem Atlantik zusammen, der später im Text wieder
Erwähnung finden wird. Dieser Rücken stützt ein Hoch westlich der Britischen
Inseln, wohingegen sich nördlich Schottlands noch das Sturmtief Ottilia
befindet. Der starke Gradient zwischen diesen beiden Systemen lässt recht kalte
polare Meeresluft südostwärts vorstoßen, die wiederum für die Bildung des oben
erwähnten Troges zuständig ist. Die Kaltfront des Tiefs Ottilia liegt hingegen
schon im Nordwesten unseres Landes, ist aber aufgrund des über sie
hinweglaufenden Rückens aktuell nicht wetteraktiv. Die zugehörige Warmfront hat
den Nordosten überquert und im Warmsektor herrscht - für den Winter eher
ungewöhnlich - recht viel Labilität, was aus der Kombination von eingesteuerter
feuchtmilder Luft und doch mäßiger Kälte in der Höhe (im nördlichen Bereich der
Frontalzone) resultiert. Somit kommt es im Nordosten Deutschlands aktuell noch
zu Schauern. Für das markanteste (bzw. unwetterartige Wetter) sorgt aber eine
Welle, die an einer Luftmassengrenze über Süddeutschland entlang ostwärts
gesteuert wird. Diese Welle befindet sich am frühen Abend über Frankreich, so
dass der Südwesten Deutschland in ihren Hebungsbereich hineingerät. Dort setzten
wieder länger anhaltende und starke Regenfälle ein bzw. halten weiter an. Da
Regengebiet greift der Luftmassengrenze folgenden noch einmal nach Norden aus.
An dieser Stelle möchte ich gleich noch einmal die Gesamtsumme des Regens in den
Fokus nehmen. Aktuell sind ja große Gebiete Süddeutschlands aufgrund der schon
seit gestern anhaltenden Dauerregenlage mit einer Ocker-Warnung versorgt, im
Schwarzwald, in einem Streifen vom Neckar bis zum Inn, an den Alpen und im
Bayerwald gilt eine Unwetterwarnung, in den Alpen auch in Zusammenhang mit
Tauwetter. Dies ist auch alles gerechtfertigt anhand schon gefallener
Niederschlagssummen von (bis 12 UTC) von teils über 100 l/qm im Schwarzwald, 50
bis 100 l/qm im Alpengebiet und teils auch schon über 50 l/qm außerhalb der
Gebirge. Zudem werden bis morgen früh in ganz Süddeutschland verbreitet weitere
10 bis 25 l/qm, in einem Streifen vom Saarland bis zum Odenwald um 30 l/qm, im
Schwarzwald und in den Alpen bis über 50 l/qm erwartet, wenngleich die
Schneefallgrenze nach und nach absinkt. Die Modelle sind dabei auch einigermaßen
in Übereinstimmung. Was das Tauwetter angeht, die Schneefallgrenze ist heute
Nacht schon mal über 2000 m angestiegen, am Nachmittag aber auch mal unter 1500
m abgesunken, soll aber in der Nacht vorübergehend noch einmal auf 2000 m
ansteigen. Das Ganze hat zur Folge, dass es zumindest in den mittleren Lagen
zwischen etwa 1000 m und 1500 m (darunter liegt nicht viel) der Schneedecke
schwer an den Kragen geht und viele Südseiten wohl komplett ausapern sollen, so
dass sich dort das gesamte Wasseräquivalent der Schneedecke noch auf den Weg gen
Tal machen wird. Diese Situation rechtfertigt die Unwetterwarnungen alle Mal.
Kommen wir zum Schluss noch zum Wind, der aktuell noch wenig spektakulär ist:
Meist reicht es in westlicher Strömung kaum zu warnwürdigem Wind, nur an der See
und auf den Bergen gibt es Sturm.

Das ändert sich aber in der Nacht: Die Welle, die sich mehr und mehr zu einem
Tief (namens Petra) entwickelt, zieht in der Nacht über den Süden Deutschlands
hinweg und erreicht in der Früh den Süden Tschechiens. Ihr folgt der Trog, der
Frankreich erreicht. Auf der Rückseite des Tiefs Petra verschmilzt dessen
Kaltfront mit der Ottilias, was von Westen her einen markanten
Temperaturrückgang zur Folge hat, in 850 hPa geht die Temperatur in weiten
Teilen Deutschlands schon auf -4 Grad zurück. Damit geht vor allem im südlichen
zentralen Mittelgebirgsraum, der von den starken Regenfällen der Nacht betroffen
ist, am Morgen der Niederschlag bis etwa 400 m herab in Schnee über. Nördlich
des Wellenkopfs kann bei sehr starkem Niederschlag auch Schnee bis in tiefere
Lagen fallen, durchaus 5 bis 10 cm innerhalb weniger Stunden. Insgesamt spielt
der Schnee bis zum Morgen aber noch nicht so die große Rolle, in einigen
Mittelgebirgen können es bis zu 5 cm werden, im Erzgebirge vielleicht noch etwas
mehr. An den Alpen sinkt die Schneefallgrenze auch rasch ab, von Westen her auf
etwa 1000 bis 600 m, was die Dauerregen- und Tauwetterlage beendet. Der
Nordwesten Deutschlands spürt schon die Labilisierung seitens des nachfolgenden
Troges, so dass es in der Nordwesthälfte zu Regenschauern kommt, im Bergland zu
Schneeschauern, Richtung Nordsee auch zu Gewittern. Gewitter kann es auch im
Umfeld der Kaltfront geben, die in der zweiten Nachthälfte durch den Süden
Deutschlands schwenkt. Dort herrschen beeindruckende Scherungswerte bis 30 m/s
im untersten Kilometer. Bei dort simulierten Winden in 850 hPa bis 150 km/h über
dem Alpenvorland, in 925 hPa immerhin bis 100 km/h muss im Bereich der Kaltfront
und kurz dahinter bei Labilität in der Grenzschicht auf jeden Fall mit einzelnen
orkanartigen Böen gerechnet werden, bei Gewittern sollten auch Orkanböen
angenommen werden. Auch der Leitplankeneffekt dürfte schon vor der Kaltfront um
etwa Mitternacht von Oberschwaben bis München für eine Verstärkung der Böen
sorgen, zumindest bis in den Bereich schwerer Sturmböen, am Alpenrand
orkanartiger Böen. Aus diesem Grund wurde auch für Teile Süddeutschlands schon
heute Vormittag eine Vorabinformation ausgegeben, auf die aktuell eine explizite
Unwetterwarnung folgt, so dass das sehr wahrscheinliche Ereignis auch mit
entsprechender Vorlaufzeit bewarnt wird. Nördlich der Welle spielt der Wind
keine große Rolle, da dort ja der Gradient auseinandergezogen wird. Nur an der
See gibt es noch Böen. Rückseitig der Kaltfront bleibt aber der Gradient im
Südwesten Deutschlands noch recht stark und die Schichtung labil, so dass dort
der Wind nur langsam nachlässt.

Am Dienstag ... schwenkt der Trog rasch über Deutschland hinweg nach Südosten.
Das Bodentief Petra zieht weiter in den Südosten Europas und gestützt von dem
nachrückenden Rücken wölbt sich das gestern noch über dem Atlantik verortete
Hoch im Bereich der Britischen Inseln noch Norden auf. Auf seiner Ostflanke
rutscht das alte Sturmtief Ottilia, aufgrund Absinkens (KLA und NVA) unter
starker Abschwächung an der Ostflanke des Hochs südwärts und löst sich am
Nachmittag über den Niederlanden auf. Immerhin vermag es im Westen noch etwas
den Gradienten auseinander zu ziehen und für etwas Regen zu sorgen. Mit dem Trog
flutet eine labile und recht kalte Luftmasse (-4 Grad in 850 hPa und teils unter
-35 Grad in 500 hPa ganz Deutschland. In dieser kommt es zu zahlreichen
Schauern, mitunter bis ganz runter mal als Graupel, ansonsten ab 400 m allgemein
als Schnee. Auch einzelne Gewitter sind dann wohl immer wieder mit von der
Partie. Allgemein sollte im Bergland (ab etwa 600 m) meist nicht mehr als 5 cm
an Neuschnee zusammenkommen. Lediglich in den stark vom nordwestlichen Anstau
profitierenden Bergländern ist es teils deutlich mehr. Wir wagen einen Blick in
die Zukunft. Im Erzgebirge und Schwarzwald darf man bis Mittwoch durchaus 10 bis
25 cm annehmen, an den Alpen dagegen durchaus flächendeckend 20 bis 40 cm mit
bis zu 60 cm in den Staulagen bis Mittwochnachmittag/Abend. Der eben schon
erwähnte West- bis Nordwestwind weht bei immer noch ordentlichem Gradienten und
labilen Verhältnissen durchaus stark genug, um auch tagsüber noch gebietsweise
steife Böen zu produzieren, vor allem im Süden und Osten des Landes, sowie im
Bergland. Im Bergland, insbesondere ab etwa 800 bis 1000 m, wo tagsüber nur noch
um 0 Grad erreicht werden, spielen dann auch Schneeverwehungen die Rolle, wobei
wohl vor allem die Höhenlagen des Erzgebirges sowie entsprechend exponierte
Lagen der Alpen und des höheren Alpenvorlandes betroffen sein sollten. Im
Flachland wird es dagegen recht mild bleiben mit Höchstwerten zwischen 5 und 8
Grad. Nochmal zu Wind: Auf den höheren Bergen gibt es auch tagsüber noch
Sturmböen, auf den Alpengipfeln orkanartige Böen, so dass die bestehenden
Warnungen noch einmal verlängert werden müssen, wenn auch etwas abgeschwächt.

In der Nacht zum Mittwoch schwenkt der Trog weiter nach Osten und weitet sich
immer mehr nach Süden aus. Damit stabilisiert sich die Schichtung über unserem
Land von Westen her deutlich und wir gelangen in eine nördliche Höhenströmung.
Damit hören auch die Schauer im Westen des Landes auf. Im Osten schwächen sie
sich nur langsam ab und vor allem im Nordweststau schneit es munter weiter. Im
Osten kommt es auch niedertroposphärisch zu weiterer Abkühlung, teils bis auf -8
Grad in 850 hPa. Damit sollte auch zunehmend bis in tiefe Lagen Schnee fallen,
wenn auch außerhalb der Mittelgebirge nicht viel. Bodennah verlagert sich der
Hochdruckschwerpunkt nach Südengland. Über Südosteuropa vertieft sich dagegen
das jetzt umfangreiche Tief Petra weiter. Somit ist der Gradient über der
Osthälfte Deutschlands immer noch ordentlich, was dort teilweise noch bis ins
Flachland für Windböen sorgt. Im Bergland weht der Nordwestwind in Böen
stürmisch, auf den höheren Bergen weiterhin mit Sturmböen. Je nach genauer
Temperaturentwicklung sind und Schneelage sind dann ab 600 m Warnungen vor
Schneeverwehungen möglich, vielleicht sogar noch tiefer. Allgemein sinken die
Werte im höheren Bergland verbreitet unter 0 Grad, ansonsten auf Werte um 0
Grad. Auch wo kein Schnee fällt, kann es vor allem bei Auflockerungen durch
Überfrieren glatt werden.

Am Mittwoch ... zeigt sich das Trog-/Rückenmuster weiterhin progressiv, so dass
wir mehr in den Einflussbereich des Rückens gelangen. Das Bodenhoch verlagert
seinen Schwerpunkt Richtung Süddeutschland, so dass der Wind erstens im
Tagesverlauf auch im Osten abnimmt und zweitens im Norden wieder auf West dreht.
Damit gelangt dorthin wieder etwas mildere Luft, die auch feucht ist, so dass
dort wieder dichte Wolken aufziehen. Im Osten des Landes schwächen sich die
Stauniederschläge ab, zunächst am Erzgebirge, später auch an den Alpen.
Dazwischen stellt sich unter dem Hochdruckeinfluss ruhiges und recht
freundliches Wetter ein. Damit wird es im Westen des Landes mit bis 8 Grad recht
mild, im Südosten sind es dagegen nur 3 Grad.
Auch in der Nacht zum Donnerstag kommt der Rücken noch etwas nach Osten voran,
das Bodenhoch verharrt mit seinem Schwerpunkt am Alpenrand. Da der Rücken von
Warmluft überlaufen wird, kommt es in der Nordhälfte des Landes zu Hebung, die
wieder recht viel Bewölkung generiert, aus der aber kaum Niederschlag fallen
sollte. Dort frischt auch der Wind auf, an der Ostsee kann es zu steifen Böen
aus West reichen. Im Süden ist der Himmel dagegen oft klar und vereinzelt kann
es Nebel bilden. Dort kann das Quecksilber verbreitet in den leichten
Frostbereich absinken, über Schnee muss verbreitet mit mäßigem Frost und über
der (zumindest in der ersten Nachthälfte noch im Mondlicht glitzernden) frischen
Schneedecke in den Alpen locker strenger Frost. Eine kleine Wiedergutmachung für
die dort aktuell so grausigen Tage!

Am Donnerstag ... liegt Deutschland weiterhin im Einflussbereich des
Höhenrückens, dessen Achse in etwa über Großbritannien liegen wird. Das
Bodenhoch verlagert seinen Schwerpunkt wieder etwas Richtung Südwesten.
Gleichzeitig stößt rückseitig eines Tiefs über dem zentralen Russland Kaltluft
südwärts vor in den Trog im östlichen Europa hinein. Das Tief selbst sorgt für
eine weitere Zunahme des Gradienten im Nordosten Deutschlands, seine Fronten
verbleiben aber außerhalb. Zu steifen Böen kann es aber im Nordosten auch im
Binnenland kommen. Weiterhin weht der Wind in der Nordosthälfte meist mäßig aus
West, während es im Südwesten windschwach ist. Generell steht dem Süden wieder
ein sonniger Tag ins Haus bei ansteigenden Temperaturen in der Höhe, in tieferen
Lagen bleiben die Höchstwerte nach der kalten Nacht unter 5 Grad. Im Norden ist
es bei mehr Bewölkung etwas milder, aufgrund der antizyklonalen Lage, sollte es
trotz vielen Wolken trocken bleiben.


Modellvergleich und -einschätzung
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Im Großen und Ganzen simulieren die vorliegenden Modelle die Entwicklung der
kommenden Tage recht einheitlich. Leichte Unterschiede bei der Windsimulation
heute Nacht im Süden Deutschlands werden die Unsicherheit, wie stark tatsächlich
die Durchmischung ist, überkompensiert. Da aber die hochaufgelösten Modelle alle
eine konvektive Linie zeigen, ist eine Warnung Bft 11 mit Schauerspitzen Bft 12
mit Sicherheit angemessen.


Vorhersage- und Beratungszentrale Offenbach
Peter Hartmann