DWD Synoptische Übersicht Kurzfrist

02-02-2020 17:30
SXEU31 DWAV 021800

S Y N O P T I S C H E Ü B E R S I C H T K U R Z F R I S T
ausgegeben am Sonntag, den 02.02.2020 um 18 UTC


Markante Wettererscheinungen:
Im Süden Dauerregen und Tauwetter, teils Unwetter. Dazu gebietsweise stark
windig mit stürmischen Böen bis ins Tiefland und Orkanböen auf den Bergen. Ab
der Nacht zum Dienstag im Bergland bei zurückgehenden Temperaturen Schneefälle.

Synoptische Entwicklung bis Mittwoch 12 UTC
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Aktuell ... deutet der langgestreckte Rücken, der über dem Nordostatlantik und
Südwesteuropa bis zu den Britischen Inseln und zum Balkan reicht, mit seiner
leicht antizyklonal deformierten Westnordwest-Strömung nicht darauf hin, dass am
Boden die "Post abgeht". Vielmehr haben sich auf der Vorderseite eines Troges
weit draußen auf dem Nordostatlantik Tiefdruckgebiete gebildet, deren Ausläufer
uns bis zum Dienstag traktieren und dabei für jede Menge Wind, Regen und mit
milden Temperaturen für Tauwetter sorgen.
Dabei hat die in Okkludierung befindliche Warmfront von Tief "Ottilia" mit
Zentrum knapp nordwestlich von Schottland Deutschland erfasst und liegt bereits
über dem Nordosten. Dort regnet es mit Mengen zwischen 1 und 8, in Staulagen um
10 l/qm bis zum Morgen. Ganz vereinzelt werden auch Gewitter simuliert, ein
wenig Labilität kommt mit einem Schwung höhenkalter Luft mit Temperaturen unter
-30 Grad in 500 hPa auf. Trocken bleibt es höchstens noch rund um Rügen. Weiter
südlich schließt sich ein Bereich mit einzelnen Schauern an, die unter Zufuhr
feuchter Meeresluft aus dem Nordwesten entstehen können, zum Teil bleibt es aber
auch länger trocken mit kurzen Auflockerungen.
Im Süden allerdings kommen neue Niederschläge auf. Dort zieht eine neue
Warmfront von Südwesten her auf. Sie gehört zu einer Frontalwelle eines Tiefs
mit Zentrum nahe der Azoren. Hohe Baroklinität in der mittleren und höheren
Atmosphäre im Zusammenspiel mit einem dadurch mäandrierenden Jet liefert den
Trigger für sich verstärkende Niederschläge. Zudem liegt die Front
strömungsparallel, womit sie fast schon quasistationär über Süddeutschland wird.

Die Niederschlagsschwerpunkte sind südlich einer Linie Nordschwarzwald -
Hohenloher Ebene - südöstliches Oberbayern zu finden. Den Modellen zufolge
sollen 10 bis 30 l/qm in 12 Stunden fallen, in Staulagen 50 bis 70 l/qm.
Entsprechend sind auch die Ensembles gebietsweise mit hohen Wahrscheinlichkeiten
für mehr als 25 l/qm in 12 Stunden ausgestattet, für mehr als 40 l/qm vor allem
im Schwarzwald und am Alpenrand. Für mehr als 70 l/qm dagegen gibt es keine
Hinweise.
Weil die Temperaturen in der Nacht nur auf 11 bis 3 Grad sinken, bleibt die
Schneefallgrenze mit 500 m im Nordosten, 1200 m in der Mitte und 1800 m im Süden
hoch, sodass in den Alpen mit substanzieller Schneeschmelze unwetterartiges
Tauwetter im Gang ist (bereits abgewarnt).
Neben den Niederschlägen sorgt der Gradient außer im Norden für starken West-
bis Südwestwind. So weht er in der Mitte bis ins Tiefland in Böen stark (Bft 7),
exponiert stürmisch (Bft 8). Im Süden sind ebenso stürmische Böen, vereinzelt
sogar Sturmböen (Bft 9) mit von der Partie. Im Bergland reicht die Palette von
schweren Sturmböen (Bft 10) bis hin zu exponierten Orkanböen (Bft 12). In der
zweiten Nachthälfte lässt sich eine Windabschwächung feststellen, weil der
Gradient zwischen Tief "Ottilia" und dem Tief "Naima" mit Schwerpunkt über
Finnland auseinandergezogen wird und daher ein wenig auffächert.

Montag ... trägt die Höhendynamik weiterhin kaum zum Wettergeschehen weiter
unten bei. So richtet sich der Blick weiterhin auf das Frontengeschehen. Die
Okklusion über dem Nordosten zieht langsam nach Nordosten ab, hinterlässt aber
noch Regenfälle oder vereinzelte Gewitter mit Niederschlagsmengen von 1 bis 7
l/qm bis zum Abend. Die quasistationäre wellende Warmfront über dem Süden macht
aufgrund der frontensenkrechten Komponente nur wenig Anstalten weiter nach
Norden zu wandern. In ihren Bereich, der oben weiterhin mit hoher Baroklinität
ausgestattet ist, fällt daher länger anhaltender und ergiebiger Regen. Die
Regenmengen werden von den Modellen recht einheitlich auf erneut 10 bis 30, in
Staulagen auf 50 bis 70 l/qm taxiert, wobei die Ensembles ähnlich wie in der
Nacht zuvor "mitziehen". Da weiterhin die fast gleichen Gebiete getroffen
werden, haben sich in den akkumulieren Niederschlagsmengen bis Dienstagmittag
diese Bereiche für die Ausgabe von markanten Warnungen bzw. Unwetterwarnungen
herausgeschält, sodass entsprechende Warnungen am Sonntagmorgen ausgegeben
wurden.
Zwischen den beiden Niederschlagsgebieten bilden sich einige Schauer, ganz
vereinzelt werden auch Gewitter simuliert. Die Regenmengen liegen mit 1 bis 7
l/qm aber ebenso niedrig wie im Nordosten.
Der Wind spielt vor allem im äußersten Süden eine Rolle. Dort treten starke bis
stürmische Böen aus Südwest auf, in den Bergen erneut schwere Sturmböen bzw. auf
den Gipfeln orkanartige Böen. Ansonsten kommt es vor allem bei Schauern und an
der Nordsee zu einzelnen starken oder lokal stürmischen Böen, in den
Mittelgebirgen allgemein zu stürmischen Böen bis zu hin schweren Sturmböen.
Die Temperaturen bewegen sich zwischen 7 und 11 Grad im Nordosten und zwischen 9
und 18 Grad sonst. Das Tauwetter hält bei einer Schneefallgrenze von 1000 m in
der Mitte und bis zu 2000 m im Süden weiter an.

In der Nacht zum Dienstag macht sich von den Britischen Inseln ein Trog auf den
Weg nach Mitteleuropa. Damit verbunden verstärkt sich am Boden die nach
Mitteleuropa gerichtete Nordwestströmung, womit die quasistationäre Front über
Frankreich einen Schub bekommt und bei leichter Zyklogenese über Deutschland ein
kleines Tief generiert wird, das als Wellenscheitel fungiert. Im Zuge der sich
verstärkenden Nordwestströmung wird der Wellenscheitel bzw. die Welle langsam
nach Südosten gedrückt. Postfrontal fließt merklich kühlere Meeresluft polaren
Ursprungs mit T850 hPa von -1 bis -6 Grad bei uns ein.
Durch den dynamischen Anschub sind weiterhin hohe Niederschlagsmengen im Süden
zu erwarten. Die Modelle simulieren 10 bis 30 l/qm, in Staulagen abermals um 50
l/qm in 12 Stunden. Die Ensembles bleiben mit ihren Wahrscheinlichkeiten auf
ähnlichem Niveau wie am Tage.
Die Schneefallgrenze sinkt im Laufe der Nacht auf 300 m im Norden, 500 m in der
Mitte und 700 m im Süden. Im Alpenvorland können damit die ersten wenigen
Zentimeter Schnee fallen, im höheren Schwarzwald und im Bayerischen Wald sind
bis zu 10 cm Neuschnee möglich.
In der Nordhälfte ziehen von der Nordsee einzelne Schauer (1 bis 5 l/qm) heran,
die jedoch nur bedingt etwas weiter ins Binnenland eindringen, sodass es dort
zum Teil trocken ist und vereinzelt auflockert. Direkt an der Nordsee sind
einzelne Gewitter mit Graupel möglich.
Die Temperaturen sinken auf 6 bis 0 Grad, in höheren Lagen auch darunter, sodass
dort mit Glätte zu rechnen ist.
Der Wind weht südlich des Wellenkopfs weiterhin kräftig. Bis ins Tiefland treten
im äußersten Süden stürmische Böen auf, auf den Bergen schweren Sturmböen bis
hin zu Orkanböen auf den Gipfeln.
In den anderen Gebieten weht der Westwind meist mäßig mit auf den Bergen starken
bzw. exponiert dort stürmischen Böen. Ebenso frischt der Wind an der Küste auf.
An der Ostsee gibt es starke, an der Nordsee lokal stürmische Böen, vor allem
bei Schauern und Gewittern.

Dienstag ... überquert uns der mit höhenkalter Luft bis -36 Grad angefüllte
Trog. Am Abend erreicht er mit seiner Achse eine Linie Südpolen - Norditalien,
sodass wir zu diesem Zeitpunkt mehr oder weniger schon auf seiner Rückseite
liegen.
Mit der Zufuhr feuchter und kühler Meeresluft aus dem Nordwesten werden einige
Schauer (Regenmengen 1 bis 10 l/qm) generiert, örtlich sind Blitz und Donner
dabei. MU-CAPE wird fast gar nicht erzeugt, die Lapse Rates hingegen sind
prägnant. Scherung ist ebenso vorhanden. Insgesamt sind die Rahmenbedingungen
für Gewitter aber nicht allzu günstig.
Im Nordosten ist aufgrund des Skandinavienföhns die Schauertätigkeit etwas
gedämpft.
Schauer können bis ins Tiefland mit Graupel oder Schnee vermischt sein, im
höheren Bergland fällt durchweg Schnee. Die Schneefallgrenze ist auf 300 bis 500
m zu finden, oberhalb kann sich zum Teil eine dünne Schneedecke ausbilden. Im
Stau der Alpen allerdings halten die Niederschläge zum Teil noch länger an.
Aufgrund der Höhe fällt dort meist Schnee, direkt an den Alpen werden 10 bis 20,
im höheren Allgäu bis zu 25 cm Neuschnee in 12 Stunden simuliert.
Der Wind spielt vor allem bei Schauern eine Rolle, die starke bis stürmische
Böen bringen. Die Oberwinde erreichen 20 bis 30 m/s und können nicht (mehr) als
Basis für stärkere Böen herhalten. Im Süden kommt es auch noch zu stürmischen
Böen außerhalb der Konvektion. Die Berge haben stürmische Böen oder Sturmböen zu
bieten, die Alpengipfel orkanartige Böen.
In den höheren Alpen steigt das Potenzial für Schneeverwehungen.
Die Temperaturen liegen mit 1 bis 8 Grad niedriger als an den Vortagen.

In der Nacht zum Mittwoch amplifiziert der Trog zum zentralen Mittelmeer, wobei
seine Achse zum Morgen hin eine Linie vom Baltikum über dem östlichen
Mitteleuropa bis nach Italien einnimmt. Gleichzeitig wölbt sich über dem
Nordostatlantik ein kräftiger Rücken auf, der bis nach Island reicht. Damit baut
sich ein Hoch ("Frank") mit Schwerpunkt über den Britischen Inseln auf, wobei
die Strömung rechts und damit auf Nord dreht. In T850 hPa sinken die
Temperaturen folglich sogar auf -2 bis -8 Grad.
Mit dem Druckanstieg und dem abziehenden Trog verlagert sich das
Schauergeschehen immer weiter in den Südosten, an den Alpen ist allerdings immer
noch Stau mit im Spiel. Bei bis in tiefe Lagen fallender Schneefallgrenze treten
Schauer nur noch in fester Phase auf. Sie bringen meist nur geringe
Neuschneemengen, an den Alpen 12-stündig aber noch einmal bis zu 10 cm.
Der Wind ist weiter auf dem absteigenden Ast, im Bergland ist jedoch noch mit
starken bis stürmischen Böen zu rechnen, exponiert auch mit Sturmböen und auf
den Alpengipfeln mit orkanartigen Böen. In den Alpen bleiben Schneeverwehungen
daher weiter ein Thema.
Ansonsten lockern die Wolken gebietsweise auf. Die Temperaturen gehen auf 3 bis
-4, über Schnee bis -7 Grad zurück. Gebietsweise ist mit Glätte durch geringen
Schnee oder durch überfrierende Nässe zu rechnen.

Mittwoch ... verlässt der Trog unseren Einflussbereich, sodass sich mehr und
mehr das Bodenhoch "Frank", nun mit Zentrum über dem Ärmelkanal, bei uns
durchsetzt und einen deutlich ruhigeren Wetterabschnitt einleitet. Letzte
Schneeschauer ziehen noch im äußersten Südwesten durch, nennenswerte
Neuschneemengen sind aber nicht mehr zu verzeichnen. Allein im Allgäu werden
noch Neuschneemengen um 5 cm angezeigt.
In den anderen Landesteilen scheint zeitweise die Sonne, an der See ist es meist
wolkiger (Aufgleitbewölkung einer weiter nördlich liegenden Warmfront).
Der Wind weht im Bergland in Böen noch stark, exponiert stürmisch. Auf höheren
Alpengipfeln sind auch noch einmal schwere Sturmböen möglich. Ansonsten weht der
Wind nur noch mäßig aus West bis Nordwest.
Die Temperaturen erreichen 0 Grad im Süden und bis 8 Grad im Nordwesten.


Modellvergleich und -einschätzung
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Die Modelle simulieren auch mit den neuesten Läufen die anstehende Wetterlage
erstaunlich ähnlich, sodass auch die Kongruenz bezüglich der akkumulierten
Niederschlagsmengen bis Dienstagmittag weiterhin überraschend hoch ist. Die
ausgegebenen Dauerregenwarnungen stehen daher auf "gesunden Füßen", allerdings
werden in der Spitze sogar Regenmengen im extremen Unwetterbereich veranschlagt.
Insofern stellt sich die Frage, ob nicht sogar noch einmal "drauf" gesattelt
werden muss. Das sollte Gegenstand der Beobachtungen im Süden sein.


Vorhersage- und Beratungszentrale Offenbach
Dipl. Met. Simon Trippler