DWD Synoptische Übersicht Mittelfrist

02-02-2020 11:01

S Y N O P T I S C H E Ü B E R S I C H T M I T T E L F R I S T
ausgegeben am Sonntag, den 02.02.2020 um 10.30 UTC



Zunächst HM (Hoch Mitteleuropa) ohne besondere Vorkommnisse. Im Laufe des
nächsten Wochenendes wieder Übergang zu windigem und unbeständigem Wetter
(genauer Zeitpunkt noch unsicher).
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Synoptische Entwicklung bis zum Sonntag, den 09.02.2020


Betrachtet man - ganz auf die Schnelle und ohne in die Tiefe zu gehen - den
Werdegang der großräumigen Strömungskonfiguration von jetzt über die Mittelfrist
bis in die erweiterte Mittelfrist, dann ist für reichlich Abwechslung gesorgt.
Erst zonal, dann meridional, dann wieder zonal und ganz nach hinten raus
vielleicht wieder meridional. Respekt, liebe Atmosphäre, langweilig geht anders.
Dass bei so viel Hin und Her nicht nur der oder die Betrachter(in) ein wenig
rammdösig werden, sondern auch die Modelle von so etwas wie numerischem
Schwindel befallen werden, ist nachvollziehbar. So verwundert es nicht, dass die
Modellunterschiede mit zunehmender Vorhersagedauer zu-, die Konsistenzqualität
dagegen abnimmt. Mehr dazu im weiteren Verlauf des Bulletins.

Zu Beginn des mittelfristigen Prognosezeitraums am kommenden Mittwoch ist der
Übergang vom Klimaregime "NAO positiv" (zonal) zu "Atlantic Ridge" (meridional)
bereits vollzogen. Die großräumige Potenzialverteilung zeigt ein ausgeprägtes
Langwellenmuster mit einem Rücken über dem nahen Ostatlantik respektive
Westeuropa, der von Trögen über dem mittleren Nordatlantik südlich Grönlands
sowie dem nahen Osteuropa flankiert wird. Gerade der östliche Trog ist ein
monumentales Exemplar, das sich von der Barentssee bis hinunter zur Großen Syrte
erstreckt. Deutschland liegt genau dazwischen unter einer nördlichen
Höhenströmung, die zunehmend antizyklonal konturiert ist. Zuvor (am Dienstag)
ist maritime Polarluft eingeflossen, die dem vorherigen, fast schon
frühlingshaft anmutenden Intermezzo den Garaus gemacht hat. Diese Luftmasse
kommt nun unter den Einfluss eines umfangreichen Bodenhochs, das vom besagten
Rücken gestützt wird. Es verlagert seinen Schwerpunkt langsam aber sicher von
UK/Irland in Richtung westliches Mitteleuropa, wodurch es verstärkt zu Absinken
kommt. So steigt die 850-hPa-Temperatur im Westen bereits wieder auf Werte um
-2°C an, während sonst noch -4 bis -8°C auf der Karte stehen. Außerdem bildet
sich eine Absinkinversion aus, die sich etwa zwischen 900 und 800 hPa
positionieren dürfte.
An den Alpen wird es staubedingt noch den ganzen Tag schneien, wobei weitere 5
bis 10 cm, in Staulagen der Chiemgauer und Berchtesgadener Alpen vielleicht
sogar 15 bis 20 cm Neuschnee zusammenkommen. Ansonsten sind vor allem zwischen
Erzgebirge und Bayerischem Wald noch ein paar Schnee-, Schneeregen oder
Graupelschauer zu erwarten, während es sonst weitgehend niederschlagsfrei
bleibt.

Am Donnerstag und Freitag verlagert sich das gesamte Druck- und Potenzialmuster
leicht progressiv nach Osten. Dadurch steigt die Temperatur von Westen her
niedertroposphärisch kontinuierlich an. Freitagabend liegt die
850-hPa-Temperatur zwischen rund -2°C an Oder und Neiße bzw. in Ostbayern und
+4°C im Westen. Insbesondere im Süden kann sich durch wiederholten Nachtfrost
(über Schneeflächen z.T. streng) eine leidlich kalte oder sagen wir kühle
Grundschicht ausbilden, die gebietsweise mit Nebel angefüllt oder durch
Hochnebel gedeckelt wird. Der Norden und Osten verbleiben am Rande des Hochs,
was sie anfällig für durchziehende Bewölkung und vereinzelt sogar ein paar
Tropfen, in höheren Lagen Flocken macht.

Im Laufe des Wochenendes beginnt der Höhenrücken im Uhrzeigersinn zu kippen,
überdeckt aber weiterhin mit südwest-nordost-orientierter Achse den
Vorhersageraum. War verlagert sich der Schwerpunkt des Bodenhochs peu a peu in
Richtung Südosteuropa, trotzdem dauert der antizyklonale Einfluss bei uns an.
Ein Mitgrund dafür ist auch die Tatsache, dass der dem Rücken folgende Höhentrog
über dem Ostatlantik abtropft, was den Übergang zu verstärkt
tiefdruckbeeinflusstem Wetter verzögert und das Wochenende noch weitgehend
trocken über die Bühne gehen lassen würde.

In der erweiterten Mittelfrist ab Montag wird der Höhenrücken unter Abschwächung
sukzessive nach Südosten "weggedrückt" und durch die gut ausgeprägte Frontalzone
ersetzt, die sich von Nordwesten her nähert. Damit erfolgt ein neuerlicher
Übergang hin zu einer zonalen High-Index-Lage (oder NAO positiv) mit Wind/Sturm
sowie zeitweiligen Niederschlägen. Von Westen her gelangt mal mehr, mal weniger
milde Meeresluft nach Deutschland, echte Kaltluft bleibt weiterhin Utopie.

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Bewertung der Konsistenz des operationellen Laufs


Was den Beginn des mittelfristigen Prognosezeitraums angeht, zeigt IFS (ECMF)
konstante Vorhersagen, die klar im Zeichen des sich vom nahen Ostatlantik zum
Kontinent verlagernden Hochdruckgebietes stehen. Nach hinten raus, also ab dem
kommenden Wochenende, wird die Konsistenz schlechter. So simuliert der heutige
00-UTC-Lauf die sehr wahrscheinlich neuerliche Umstellung der Wetterlage hin zu
einer windigen bis stürmischen Westlage mit Niederschlägen z.T. deutlich
verzögert gegenüber den Vorläufen. Von daher wird die Vorhersage ab dem
Wochenende - rein aus Konsistenzgründen - zunehmend unsicher.
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Vergleich mit anderen globalen Modellen


Ähnlich wie bei der Konsistenzbetrachtung ziehen die gängigen Globalmodelle zu
Beginn der Mittelfrist an einem Strang. Ab Samstag, GFS von 00 UTC sogar schon
ab Freitag, setzt dann eine zunehmende Unruhe ein, wenn es darum geht, die
neuerliche Umstellung einzuleiten. GFS kann es offensichtlich am wenigsten
abwarten, das Hoch loszuwerden. Es wird bereits im Laufe des Freitags von einem
ersten KW-Trog attackiert, bevor dann am Wochenende eine rasche Zonalisierung
erfolgt. Das deutsche ICON ist etwas geduldiger, wenn auch nicht so beharrlich
wie IFS. Demnach setzt am Samstag der Übergang zu W/SWz (West/Südwest zyklonal)
ein, wohingegen das kanadische GEM die Linie von IFS vertritt und UKMO am
Samstag ganz aus der Vorhersage aussteigt.
Interessant übrigens auch der weitere Wochenverlauf. Während IFS jetzt erst die
Westlage richtig implementiert, fängt die Grundströmung bei GFS schon wieder an
zu schwingen und deutlich sichtbare Trog-Rücken-Muster abzubilden.

FAZIT: Nach dem anfänglichen Hochdruckeinfluss wird die Vorhersage zum
Wochenende unsicher. Dabei steht nicht unbedingt die Umstellung als solche in
Frage, sondern eher der Zeitpunkt.
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Bewertung der Ensemblevorhersagen


Die Rauchfahnen verschiedener deutscher Städte von IFS-EPS zeigen nach dem
eindeutigen Minimum (Potenzial 500 hPa und Temperatur 850 hPa) am kommenden
Dienstag einen Aufwärtstrend, der bei Pot500 sehr eng gebündelt, bei T850 etwas
aufgefächerter vonstattengeht. Begleitet wird das Ganze von nur geringen oder
überhaupt keinen RR-Signalen. Am Wochenende nimmt der Spread zwar zu, die
Mehrheit der Ensembles bleibt aber im oberen Bereich der Kurvenschar (im Süden
sogar noch am Montag) und simuliert auch keinen Niederschlag, was für die Lösung
des Hauptlaufs spricht. Bei GFS-EPS favorisieren die meisten Mitglieder für
Samstag, bei ICON-EPS für Sonntag die Umstellung der Wetterlage, d.h. jeweils
etwas verzögert gegenüber dem jeweiligen Hauptlauf.
Schauen wir noch auf die Cluster von IFS-EPS, dann tauchen für den Zeitraum
T+120...168h (Freitag bis Sonntag) drei Schubladen auf (21 Fälle + KL, 19, 11 +
HL). Allen gemein ist der Höhenrücken über Mitteleuropa, der mit leicht
unterschiedlicher Wellengeschwindigkeit langsam ostwärts wandert. Am schnellsten
geht das in CL 1, am langsamsten in CL 2 (aber nur marginaler Unterschied zu CL
3), was unter dem Strich rein arithmetisch für konservative Variante spricht.
Ab Dienstag (T+192...240h) verringert sich die Zahl der Cluster auf zwei. Beide
tendieren in Richtung "NAO positiv", wobei CL 2 (25 Fälle) ähnlich wie der
deterministische Lauf von GFS eine etwas stärker oszillierende Frontalzone mit
ausgeprägteren Trog-Rücken-Mustern zeigt.

FAZIT: siehe Kapitel zuvor.
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Wahrscheinlichkeiten für signifikante Wettererscheinungen


Vor dem Hintergrund des zunehmenden Hochdruckeinflusses nimmt die
Wahrscheinlichkeit für erhöhte Warnerregung respektive signifikante
Wetterscheinungen deutlich ab. Zwar kann es am Mittwoch am Alpenrand noch länger
andauernd schneien (nach Osten hin in Staulagen sogar bis zu 20 cm), allerdings
dürfte das wenn auch nicht von allen, so doch von vielen eher als Segen denn als
Fluch angesehen werden.
Auch der auf West bis Nordwest drehende Wind ist am Mittwoch insbesondere in den
Hochlagen der Alpen sowie der ost- und südostdeutschen Mittelgebirge anfangs
noch lebhaft unterwegs mit Böen 8 bis 11 Bft, Schneeverwehungen inclusive. Im
Laufe des Tages erfolgt dann aber eine spürbare Abnahme.
Die weiteren Tage verlaufen ruhig (lokal strenger Nachtfrost über Schnee im
Süden, ja mei) und der genaue Ablauf am Wochenende steht derzeit noch in den
Sternen.
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Basis für Mittelfristvorhersage
MOS-Mix mit IFS-EPS. Bei der Umstellung am kommenden Wochenende wird eine
Mittellösung zwischen den schnelleren GFS/ICON und dem langsamen IFS gewählt.
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VBZ Offenbach / Dipl. Met. Jens Hoffmann