DWD Synoptische Übersicht Kurzfrist

31-01-2020 19:01
SXEU31 DWAV 311800

S Y N O P T I S C H E Ü B E R S I C H T K U R Z F R I S T
ausgegeben am Freitag, den 31.01.2020 um 18 UTC


Markante Wettererscheinungen:
Trotz BREXIT, das Wetter kommt weiter von Westen. Häufig nasses und windiges
Wochenende und Wochenstart, dabei mild bis warm! Tauwetter bis fast hoch zum
Mond und erst ab Dienstag wieder deutlich frischer.

Synoptische Entwicklung bis Montag 12 UTC
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Aktuell ... sind es nur noch wenige Stunden, bis der Januar 2020 zu Ende geht.
Ein Monat, der seinen Ruf als Wintermonat mal so was von nicht gerecht geworden
ist, dass es den Anhängern gleichnamiger Jahreszeit die Tränen in die Augen
treibt. Auch der heutige letzte Tag des Monats zeigte einmal mehr. In welch
Wintermisere wird uns aktuell befinden: im Tiefland verbreitet zweistellige
Temperaturen, lokal um 15°C, in den Hochlagen der Mittelgebirge rund 5°C oder
mehr und gerade mal die Zugspitze auf 3000 m sah es als erachtet an, die Ehre
negativer Temperaturen mit gerade mal rund -4°C zu retten - saukalt! Angesichts
dieser Rahmenbedingungen verwundert es nicht, dass nicht nur der Januar mild bis
sehr mild endet, auch der morgen beginnende Februar startet alles andere als
kalt. Gerade mal auf 12 bis 7°C gehen die Nachttemperaturen zurück, was stark an
eine kühle Sommernacht erinnert. Einzig im windschwachen und teils wolkenarmen
Süden wird es gebietsweise etwas frischer.
Zur Lage der Nation, die uns - auf der warmen Seite der leicht mäandrierenden,
vom mittleren Nordatlantik über Südskandinavien bis nach Südosteuropa reichenden
Frontalzone sieht. Ein eingelagerter, ziemlich breit gelatschter, dafür umso
flacherer Rücken ist gerade dabei, sich in Richtung Osten zu verabschieden.
Rückseitig dreht der Höhenwind etwas rück auf West-Südwest, bleibt aber
zonal-dominat, weil es mit einer über dem nahen Ostatlantik ansetzenden
Austrogung auch nicht besonders weit her ist. Aber nicht nur in der Höhe gibt
sich die Strömung zonal geprägt, auch bodennah ist in Mitteleuropa und noch
etwas darüber hinaus West-Südwest Trumpf. Verantwortlich dafür zeichnen sich ein
ganzer Sack voll Tiefdruckgebiete, die in Mannschaftsstärke das gesamte Areal
vom mittleren Nordatlantik über Nordeuropa bis zum nahen Osteuropa überdecken.
Als barischer Antipode fungiert eine mediterrane Hochdruckzone, die ihren
Schwerpunkt mit rund 1025 hPa über Südspanien und Nordwestafrika hat. Dazwischen
weht ein mäßiger bis frischer und in Böen stürmischer südwestlicher Wind, der
mal etwas schwächer, dann wieder etwas stärker daherkommt.
In der Nacht zum Samstag läuft der Wind ein Minimum, was tiefen Lagen einige
warnfreie Stunden beschert (außer an der See, wo es in Hälfte zwei aber auch
etwas windschwächer wird). Im Bergland hingegen bleibt es windig, exponiert auch
stürmisch mit Spitzen der Stärke 8 bis 11 Bft je nach Höhe und Exposition.
Wettermäßig ist das kleine Sturmtief NAIMA zu nennen, das heute Nacht von Westen
kommend die Hebriden und Färöers passiert, um in Richtung südnorwegische
Westküste weiterzuziehen. Die zugehörige Warmfront überquert am Abend den
äußersten Norden, bevor in der zweiten Nachthälfte von der Nordsee und den
Niederlanden die Kaltfront nachfolgt. Dieses Exemplar hat ihren Namen eigentlich
nicht verdient, weil kaum Temperaturunterschiede auszumachen sind. Selbst der
sonst bei schwachen Fronten gerne auftretende Taupunktrückgang findet gar nicht
oder nur marginal statt, was die Bearbeiterin der Analysen heute an den Rand
ihrer synoptischen Vorstellungskraft gebracht hat. Immerhin ist in 850 hPa ein
kleiner Temperaturrückgang von +5° um Mitternacht auf +4 bis +2°c am Morgen
erkennbar. So oder so, beide Fronten bescheren dem äußersten Norden leichten
Regen, und in den frühen Morgenstunden beginnt es dann auch im äußersten Westen
zu regnen.

Samstag ... betritt Tief NAIMA unter deutlicher Abschwächung südnorwegisches
Festland. Derweil kommt die schlappe Kaltfront schleifend und daher nur langsam
südostwärts voran, wobei sich an ihr möglicherweise sogar eine flache Welle
bildet. Nun wollen wir die Front aber nicht schlechter machen als sie ist. Zwar
ist sie thermisch keine Rakete, sie ist aber durchaus in der Lage, großen Teilen
der Republik den Samstag zu vermiesen, so man denn kein Anhänger des von der
Natur durchaus gern gesehenen Regens ist. Da, also in der Niederschlagsbildung
(man könnte auch sagen Regenbildung, denn Schnee ist weit und breit nicht zu
sehen) liegt die Stärke der Front, auch wenn sie dynamisch keine substanzielle
Unterstützung erfährt (Omegaterme eher mit KLA und nur geringer PVA vertreten).
So wird sich der frontale, überwiegend auf der "kalten" Seite fallende Regen im
Laufe des Vormittags von Westen her auf die Mitte und Teile Norddeutschlands
ausbreiten (zwischen Emsland und SH kommt davon allerdings nicht mehr viel oder
sogar überhaupt nichts an), bevor am Nachmittag und Abend auch der gesamte Süden
an der Reihe ist. Aufsummiert über den Tag liegt der Schwerpunkt im Westen und
dort vor allem in den Mittelgebirgen (Stichwort Stau), wo gebietsweise um oder
etwas über 10 mm innert 12 h avisiert sind.
Während der Regen zunächst ausschließlich stratiformen Charakter hat, ändert
sich das zum Nachmittag hin etwas. Grund dafür ist ein flacher Höhentrog, der
von Westen her auf Deutschland übergreift und dabei etwas höhenkalte Luft an den
Start bringt (nicht unter -30°C in 500 hPa), die die Luftmasse zunehmend
labilisiert. Die Folge ist eine zunehmende konvektive Komponente des Regens, der
schlussendlich sogar in vereinzelte kurze Gewitter münden kann. Wo genau es
blitzt oder donnert und ob letztlich überhaupt, ist aktuell schwer zu
prognostizieren. Am ehesten kommen der Süden und die Mitte in Frage, während der
Norden und Westen aufgrund der postfrontalen Abtrocknung (jetzt gehen die
Taupunkte tatsächlich zurück und auch das PPW sowie die spezifische
Grundschichtfeuchte nehmen ab) trotz der niedrigsten 500-hPa-Temperatur nicht in
der Verlosung auftreten dürften.
Weiterhin prominent dabei ist der Südwestwind, der präfrontal am Vormittag im
Südwesten und in der Mitte, später mit Hilfe des Leitplankeneffekts auch im
Süden auffrischt (Böen 7-8 Bft, exponierte Hochlagen 9 bis 11 Bft). Ansonsten
gestaltet sich der Samstag zunächst vergleichsweise windschwach, bevor am
Nachmittag mit Annäherung des zum Tief NAIMA gehörenden Bodentrogs von der
Nordsee her eine merkliche Auffrischung im Westen und Nordwesten erfolgt. An und
auf der Nordsee sind dann erste Böen 8 Bft, gegen Abend vereinzelt auch 9 Bft zu
erwarten.
Noch ein Satz zur Temperatur, die auch morgen trotz zurückgehender 850-hPa-Werte
(am Abend im Norden und Westen 0 bis -2°C) eine schon als protzige
Großmannssucht zu bezeichnende Euphorie an den Tag legt und auf 10 bis 16°C
steigt (am kühlsten an der Küste, am wärmsten im Süden). Etwas Sonne gibt es
anfangs im Südosten (Alpenrand, Vorland), später dann im Nordwesten (Rückseite).


In der Nacht zum Sonntag rattert der flache Höhentrog rasch nach Osten durch und
die Strömung dreht wieder etwas nach rechts auf West-Nordwest. Dabei greift bis
zum frühen Morgen WLA (gerne auch positive Schichtdickenadvektion genannt) über,
die einen leichten Potenzialgewinn garantiert. Während dessen erreicht die
Kaltfront den Süden respektive die Alpen, wo sie orografisch gebremst wird.
Außerdem geht sie im Westen in die Warmfront des nächsten Sturmtiefs OTTILIA
über, das aber noch weit west-nordwestlich von Irland weilt. Im äußersten Norden
geht T850 kurzzeitig mal auf bis zu -5°C zurück, wohingegen im Süden weiterhin
positive Werte auf der Karte stehen.
Druckanstieg über Westeuropa lässt dort ein kleines Zwischenhoch aufwölben, dem
der o.e. Bodentrog über Norddeutschland und Jütland vorwegläuft. Dabei kommt es
zu einer von Norden bis in die mittleren Landesteile ausgreifenden -
vorübergehenden - Windverschärfung mit Sturmböen 8-9 Bft, vereinzelt vielleicht
sogar 10 Bft an der See sowie im küstennahen Binnenland und Böen 7-8 Bft in der
Norddeutschen Tiefebene. Im Süden fällt der Wind im Tiefland schwächer aus, auf
den Bergen hingegen bleibt es allgemein stürmisch mit schweren Sturm- oder
orkanartigen Böen 9 bis 11 Bft in exponierten KKG-Lagen (Kamm, Kuppe, Gipfel).
Im Süden kommt es anfangs noch zu schauerartigem Regen oder kurzen Gewittern,
Tendenz im Laude der Nacht nachlassend. Einige Schauer auch im Norden, wo der
Bodentrog durchschwenkt.

Sonntag ... wölbt sich über dem nahen Ostatlantik und Westeuropa ein extrem
breiter, aber flacher Höhenrücken auf - ein Muster, was sich nun zum
wiederholten Male binnen kurzer Zeit präsentiert. Der vorausschauende Blick des
Meteorologen geht aber noch weiter westlich, wo sich über dem Westteil des
mittleren Nordatlantiks eine nicht zu verachtende Austrogung ereignet, die einem
Kaltluftausbruch von der Labradorsee her geschuldet ist (ähnlich wie letzten
Sonntag/Montag). Sturmtief OTTILIA steuert derweil mit einem Kerndruck von rund
985 hPa das Seegebiet zwischen Hebriden und Färöers an (auch dieses Muster kennt
man mittlerweile), das es bis Datumswechsel wohl nicht ganz erreicht.
Die zugehörige Warmfront (es handelt sich um den Anschluss der nach
Süddeutschland gezogenen Kaltfront) setzt sich von Südwesten her nordostwärts in
Bewegung, nicht ohne skaligen Regen, der sich von BW, RP und dem Saarland über
die mittleren Landesteile und Bayern ost-nordostwärts ausbreitet. Bis zum Abend
trocken bleibt es wahrscheinlich nur im hohen Norden etwa zwischen Nordfriesland
und Vorpommern, wo zudem die Chancen für ein paar Sonnenstunden am besten
stehen. Die feuchte und milde Subtropenluft (die PPW erreichen gebietsweise
Werte von 20 bis 25 mm, was fast sommerlich ist) wird ordentlich gemolken, was
recht verbreitet Regenmengen von 5 bis 10 mm, in Staulagen punktuell bis 20
mm/12 h zur Folge hat (ICON bietet im Schwarzwald und im Allgäu noch etwas
höhere Peaks an). Leider divergieren die Modellprognosen hinsichtlich der
genauen Mengen, was im Hinblick auf eine mögliche Dauerregenwarnung (bis
Dienstag) natürlich nicht ohne Bedeutung ist (dazu später noch etwas mehr).
Der Wind schaltet vorübergehend ein bis zwei Gänge zurück mit Abzug des
Bodentrogs, bevor er später im Warmsektor, also im Süden und Westen sowie in der
westlichen Mitte wieder zulegt (7-8 Bft, Hochlagen 9 bis 12 Bft). Vor der
Warmfront (Norden/Osten) erreicht die Temperatur Höchstwerte von 6 bis 11°C, im
Warmsektor geht es hoch auf 10 bis 16°C.

In der Nacht zum Montag erreicht der flache Rücken Mitteleuropa und man ahnt
schon, jaja, er wird von WLA überlaufen. Die Warmfront erreicht trotzdem nicht
den Nordosten, weil ihr jegliche Schubkomponente abhandenkommt. Da keine
Verwellungen erkennbar sind und trotz WLA die dynamischen Komponenten eher
nicht-hebungsfördernd sind, schwächt sich der frontale Regen kontinuierlich ab.
Interessanter ist das, was sich im Westen, wo um Mitternacht eine offene Welle
am Westeingang des Kanals auftaucht, die sich rasch ostwärts fortbewegt. Sie
bzw. die zugehörige Warmfront sorgt in der zweiten Nachthälfte für neuen
stratiformen Regen, der den Westen und Süden erfasst. Zuvor kommt es aber gerade
am Alpenrand, wo sich eine leichte Staukomponente ergibt, zu stärkeren
Regenfällen von 10 bis 25, im Allgäu lokal um 40 mm/12 h - so zumindest die
Lesart von ICON. Hier bleibt sich das Modell gegenüber den Vorläufen treu,
während im Schwarzwald weniger simuliert wird. Weniger wird auch von IFS und GFS
simuliert, was die Gesamteinschätzung nicht vereinfacht.
Der Wind in der Mitte und im Süden nimmt vorübergehend ab, frischt gegen Morgen
im äußersten Südwesten aber bereits wieder auf (7 Bft unten, 8 bis X Bft oben).

Montag ... gleitet die Welle unter der flotten und weitgehend glatten westlichen
Höhenströmung rasch ostwärts und soll nach ICON gegen Mittag die
deutsch-niederländische Grenze unweit von Gladbach überqueren, um am Abend
bereits das Erzgebirge zu erreichen. Der Kerndruck liegt bei knapp über 1000
hPa, allerdings sei gesagt, dass die Welle bei GFS und IFS (00 UTC) längst nicht
so gut ausgeprägt ist wie bei ICON. Die über der Mitte schleifende
Luftmassengrenze trennt subpolare Meeresluft im Norden (T850 knapp unter 0°C)
von sehr milder Subtropikluft im Süden (T850 bis nahe 10°C am Alpenrand). Dabei
kommt es in den mittleren Landesteilen zu länger andauernden und teils
ergiebigen Regenfällen. Menge und genaue Position weisen noch Diskrepanzen auf,
ICON ist aber zumindest von seiner um 06 UTC noch veröffentlichten Lösung mit
ergiebigem Dauerregen im äußersten Süden wieder weg (ähnlich dem 00-UTC-Lauf).
Ganz im Süden und Südwesten bleibt es im jetzigen Szenario sogar trocken,
während im Norden eher schwache, teils schauerartige Regenfälle auftreten.
Der Südwestwind frischt in der Südhälfte spürbar auf mit Böen 8-9 Bft bis in
tiefe Lagen und Böen 10 bis 12 Bft ganz oben. Im krassen Gegensatz dazu passiert
windmäßig im Norden so gut wie gar nichts.
Ach ja, noch ein Wort zur Temperatur. Relativ normale, für Anfang Februar
nichtsdestotrotz zu hohe Höchstwerte gibt es im Norden mit 6 bis 10°C. Sonst
stehen 10 bis 14°C, im Süden und Südwesten sogar 14 bis 19°C auf der Karte -
Wahnsinn, aber wahrscheinlich keine Dekadenrekorde, die z.T. bei 20°C oder
darüber liegen.


Modellvergleich und -einschätzung
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Zwar simulieren die Modelle die nicht unspannende und teils turbulente
Entwicklung in den Grundzügen ähnlich, trotzdem offenbaren sich einige
Unterschiede (und auch Konsistenzprobleme), die durchaus warnrelevant sind. Auf
die Welle am Montag wurde bereits hingewiesen, gerade in Bezug auf Wind/Sturm
bleibt aber noch etwas Zeit (und einige Modellläufe), um belastbare Aussagen
treffen zu können.
Etwas anders sieht es beim Thema Niederschlag, besser Regen aus, wo bald
Entscheidungen fallen sollten - Entscheidungen darüber, wann, wo, wie stark und
ob überhaupt Dauerregenwarnungen herausgegeben werden. Der Unterschied bei ICON
zwischen 06- und 12-UTC-Lauf ist frappierend, sowohl in Bezug auf Position als
auch Intensität. Akkumuliert bis Dienstagmittag wurden die apostrophierten
Mengen z.T. halbiert, was natürlich ein ganz anderes Licht auf das
Warnmanagement wirft. Waren es z.B. im Schwarzwald nach 06-UTC-Lesart bis zu 170
mm, wird jetzt kaum noch die 100-mm-Schwelle gerissen. Auch im Allgäu wurde
zurückgerudert. GFS hingegen ist extrem defensiv, während IFS dazwischenliegt
(alles wartet gespannt auf den 12-UTC-Lauf). So oder so, eine Warnung wird
fällig werden, die erwarteten Mengen, die genaue Ausgabezeit sowie die
betroffenen Regionen gilt intern es noch zu diskutieren. Für den Schwarzwald
bietet sich - trotz Unterbrechung vor allem Montag - eine länger laufende
markante Dauerregenwarnung an. Für das Allgäu wird wahrscheinlich eine
Unwetterwarnung fällig, teils Tauwetter (Schneefallgrenze zeitweise über 2000
m), teils Dauerregen.


Vorhersage- und Beratungszentrale Offenbach
Dipl. Met. Jens Hoffmann