DWD Synoptische Übersicht Kurzfrist

25-01-2020 17:30
SXEU31 DWAV 251800

S Y N O P T I S C H E Ü B E R S I C H T K U R Z F R I S T
ausgegeben am Samstag, den 25.01.2020 um 18 UTC


Markante Wettererscheinungen:
Anfangs Nullwetter, am Dienstag Vollwetter. Umstellung der Großwetterlage in
Richtung Wz/WW (West zyklonal/Winkelwest) in trockenen Tüchern.

Synoptische Entwicklung bis Dienstag 12 UTC
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Aktuell ... befindet sich Deutschland unter einem Höhenrücken, der vom
nördlichen Balkan bis zur Nordsee reicht und dem ein Trog über Westeuropa
gegenübersteht. Das Trog-Keil-Muster ist leicht progressiv, was den
Vorhersageraum bis zum Frühstück unter eine schwache südwestliche Höhenströmung
bringt. Darin eingelagert ist ein kleiner Sekundärtrog, der aus den Alpen heraus
über Süddeutschland nordostwärts schwenkt. Dabei wird - wenn auch nur marginal -
etwas Hebung generiert, aus der hohe und mittelhohe Wolkenfelder resultieren.
Fast wichtiger scheint aber die Tatsache, dass auch der vorhandene Hochnebel
etwas angehoben wird, wodurch lokal etwas Nieselregen ausgelöst werden kann, der
im schlechtesten Falle zu Glatteis führt (In-situ-Warnung).
Nieselregen fällt auch nördlich der Divergenzachse des wetterbestimmenden
Bodenhochs EKART, der sich zwar weiter auf dem absteigenden Ast befindet, das
Feld aber nicht kampflos irgendwelchen zyklonalen Gesellinnen überlassen möchte.
Da es im Norden frostfrei bleibt, bereitet der Nieselregen dort keine größeren
Probleme. Einzig wenn es im Grenzbereich zur weiter südlich liegenden kälteren
Luft und gefrorenen Böden nieseln sollte (lokal), besteht auch dort
Glatteisgefahr.
Ansonsten sind bei dieser Wetterlage nur noch die ortsüblichen Nebelfelder
anzusprechen, aus denen es in Einzelfällen auch etwas nässen kann mit der Gefahr
von Glätte.

Sonntag ... bleibt die Wetterlage ruhig, auch wenn sich der kontinuierliche
Druckfall weiter fortsetzt. Der "westeuropäische Trog" erreicht zwar in den
Abendstunden (etwa zur Tatortzeit) die westliche Grenze, bis dahin hat er aber
reichlich von seiner ohnehin nicht überbordend vorhandenen Substanz verloren.
Ein Grund dafür liegt sicherlich darin, dass das gute Stück von hinten mit WLA
gefüttert wird, was Potenzialanstieg zur Folge hat. Zudem schwirrt der südliche
Teil in den Mittelmeerraum ab, was der Kontur des Troges auch nicht guttut.
Kurzum, auch morgen dürfen wir uns wieder mit reichlich tiefem, vielfach
hochnebelartigem Gewölk, durchaus aber auch mit hohen und mittelhohen
Wolkenfeldern herumschlagen. Im Süden besteht anfangs noch lokale
Glatteisgefahr, sonst ist niederschlagsmäßig nicht viel los "uff de Gass". Bei
geringfügig auflebendem südlichen Wind stehen die Chancen für Auflockerungen
oder gar sonnige Abschnitte nördlich der Mittelgebirgsschwelle (vor allem im
Westen und Nordwesten sowie von Sachsen bis zur Lausitz) am besten. Auch am
Alpenrand sowie in höheren Lagen (Inversion zwischen 500 und 800 m) sieht es
diesbezüglich gar nicht so schlecht aus.
Wie schon angedeutet legt der südliche Wind insbesondere im Westen und Norden im
Tagesverlauf etwas zu, bis zum Abend sollte es für Warnungen aber noch nicht
reichen. Die Temperatur steigt auf 3 bis 8°C, in der Kölner Bucht mit
Sonnenunterstützung vielleicht noch etwas darüber. Bei zähem Nebel/Hochnebel
hingegen sind Werte um den Gefrierpunkt die Referenz.

In der Nacht zum Montag gelangt Deutschland mehr und mehr auf die diffluente
Vorderseite der Frontalzone, deren eingelagerter Jetstreak bis zum Morgen den
Westeingang des Ärmelkanals bzw. die westliche Bretagne erreicht. Zunächst
wandert bei uns aber noch ein flacher Rücken ostwärts durch, der der o.e.
trogrückseitigen WLA geschuldet ist. Die Kaltfront eines mehrkernigen
Zentraltiefs bei Island (es handelt sich nach Lesart der FU Berlin um die drei
Damen KIM I, II und III) erreicht Kontinentaleuropa und die zugehörigen
frontalen Regenfälle greifen in der zweiten Nachthälfte auf die westlichen
Landesteile über. Dies geschieht in flüssiger und nicht unterkühlter Form.
Anders die Situation im Süden und vielleicht auch in der Mitte, wo es -
abgesetzt vom eigentlichen Niederschlagsgebiet - ebenfalls etwas regnen oder
nieseln kann. Dort besteht dann sehr wohl was dann sehr wohl die Gefahr von
Glatteis.
Darüber hinaus gilt es noch festzuhalten, dass leichter Frost vor allem im
Südosten und Osten, punktuell auch in der Mitte noch mal ein Thema ist. Außerdem
macht der südliche Wind im Zuge einer präfrontalen Gradientverschärfung weitere
Fortschritte, die im Nordwesten größer ausfallen als im Südosten. Für exponierte
Hochlagen der westdeutschen und zentralen Mittelgebirge sowie an und auf der
Nordsee bedeutet das in Böen Stärke 7-8 Bft, im Hochschwarzwald und auf dem
Brocken gegen Morgen vereinzelt 9 Bft. Einzelne 7er-Böen sind auch im Lee der
westdeutschen Mittelgebirge nicht ausgeschlossen.

Montag ... überquert die wenig barokline und nicht wirklich gut ausgeprägte
Kaltfront den Nordwesten, während sie nach Süden hin deutlich zurückhängt. Grund
dafür ist die fortschreitende Austrogung über dem nahen Ostatlantik, die ein
Aufsteilen der vorderseitigen südwestlichen Höhenströmung und damit eine Abnahme
der frontsenkrechten Komponente zur Folge hat. Der frontale Regen greift vor
allem im Norden und etwas entschleunigt in der Mitte unter Abschwächung noch
etwas ostwärts aus, wohingegen im Süden und Südosten davon nichts ankommt.
Allerdings besteht dort anfangs noch stellenweise Glatteisgefahr durch die o.e.
abgesetzten Niederschläge.
Postfrontal gelangt ein Schwall erwärmter Meereskaltluft in den Westen und
Nordwesten, in der die 850-hPa-Temperatur auf 0 bis -2°C, die 500-hPa-Temperatur
auf -26 bis -29°C zurückgeht. Das genügt, um am Nachmittag einzelne Schauer zu
generieren. Die gestern noch Richtung Nordsee simulierten kurzen Gewitter werden
heute aufgrund der etwas wärmeren Höhenkaltluft nicht mehr angeboten, was aber
nichts heißen muss. Im Südwesten kommen im Tagesverlauf neue skalige Regenfälle
an, die von einer flachen Welle an der zurückhängenden Kaltfront sowie der
diffluenten südwestlichen Höhenströmung vor dem Trog angetrieben werden.
Bei Tageshöchstwerten von 6 bis 11°C (nur im Südosten halten sich noch ein paar
Kaltluftreste mit etwas niedrigeren Maxima) frischt der aus südlichen Richtungen
kommende Wind mitunter spürbar auf, auch wenn die ganz große Nummer noch immer
ausbleibt. Hinter der Front deutet sich sogar ein vorübergehendes Auffächern des
Gradienten an. Den meisten Wind bekommen die Hochlagen ab, wo auf exponierten
Kämmen, Kuppen und Gipfeln Böen 8-9 Bft, vereinzelt (Brocken, Hochschwarzwald)
10 Bft auf der Karte stehen. In tiefen Lagen hingegen dürfte der Wind noch mit
angezogener Handbremse agieren, auch wenn an der Nordsee sowie im Lee einiger
Mittelgebirge mal die eine oder andere steife Böe 7 Bft auftritt.

In der Nacht zum Montag erreicht der Höhentrog mit seiner Hauptachse
Westfrankreich, wobei er sich deutlich verschärft (spitzere Amplitude). Das
Zentraltief KIM hat inzwischen das Seegebiet südlich Islands unweit von 60°N,
20°W erreicht. Gleichzeitig findet man um Mitternacht eine offene Welle über
Südengland, die im weiteren Verlauf die Nordsee ansteuert. Auf ihrer Vorderseite
legt die auf Südwest drehende Grundströmung etwas zu, wobei erwärmte
Meereskaltluft subpolaren Ursprungs advehiert wird (T850 mit Ausnahme des
äußersten Südostens 0°C oder knapp darunter). Damit breiten sich schauerartige
Regenfälle auf weite Teile des Landes aus, die in Staulagen durchaus mal 10 bis
15, vereinzelt bis zu 20 mm innert 12 h zusammenbringen können. Im Süden und
Osten kann es anfangs noch lokales Glatteis geben, die Schneefallgrenze sinkt in
den Mittelgebirgen auf rund 1000 m oder sogar etwas darunter.
Der Süd- bis Südwestwind legt besonders im Südwesten zu, wo vermehrt Böen 7 Bft,
vereinzelt 8 Bft auftreten. In den Höhenlagen bleibt es stürmisch, wobei
exponiert sogar schwere Sturm- oder orkanartige Böen 10 bis 11 Bft möglich sind.


Dienstag ... erreicht die neue Großwetterlage einen ersten Höhepunkt. Zwar sind
noch längst nicht alle Details festgezurrt, die Ähnlichkeiten zwischen den
diesen Tag abbildenden Modellen nehmen aber zu. Danach greift der zunehmend
spitzer werdende Höhentrog mit leicht negativer Achse auf Deutschland über.
Dabei korrespondiert er mit der o.e. offenen Welle, die sich zu einem veritablen
Bodentrog mausert, wohl aber nicht die vollständige Zyklogenese zu einem
Schnellläufer abschließt. Ihr Weg führt über die Nordsee und Norddeutschland in
Richtung Osten, in die auch die zugehörige Kaltfront schwenkt.
Rückseitig gelangt ein Schwall hochreichender maritimer Polarluft in den
Vorhersageraum, in der T850 auf -2 bis -6°C, T500 auf -30 bis -35°C (jeweils 18
UTC) sinkt. Dabei kommt es - teils linienhaft oder bandartig organisiert - zu
teils kräftigen konvektiven Umlagerungen, die sich in zahlreichen Schauern und
kurzen Gewittern äußern. Dabei kann es bis ganz runter graupeln und die
Schneefallgrenze geht runter auf etwa 400 m, bei ganz intensiven Trümmern
vielleicht sogar noch etwas tiefer.
Noch spannender als die Niederschlags- dürfte die Windentwicklung werden. Auf
der Südflanke des Bodentrogs kommt es nicht nur zu einer Stauchung des
Gradienten, von Südwesten her bohrt sich zudem ein Low-Level-Jet bis in die
mittleren Landesteile hinein, in dem die 850-hPa-Wind bis zu nahe 60 Kt
hochgehen. Mit Hilfe des Impulstransportes - labil genug ist es allemal - können
besonders bei organisierter Konvektion deftige Windspitzen erreicht werden,
heißt im Tiefland bis Windstärke 10 Bft, auf den Bergen bis 12 Bft. Aber auch
sonst wird es im Süden und in der Mitte windig mit Böen 8, vereinzelt 9 Bft,
wobei der Wind vorübergehend von Südwest auf West dreht. Im Norden legt der Wind
erst nach Passage des Bodentrogs stärker zu, wahrscheinlich aber nicht so
intensiv wie im Süden.
Höchstwerte etwa zwischen 3 und 10°C.


Modellvergleich und -einschätzung
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Die Umstellung der GWL ist modellübergreifend unstrittig. Recht viel Einigkeit
besteht unter ICON, IFS und GFS auch hinsichtlich Kontur und Position des am
Dienstag übergreifenden Höhentrogs. Dagegen gibt es beim korrespondierenden
Bodentief respektive Bodentrog oder Welle noch Spielraum, auch wenn sich die
Bildung eines kleinräumigen Orkantiefs der Marke "Schnellläufer" aktuell nicht
mehr abzeichnet. Dazu wird der Abstand der Frontalzone bzw. des
entwicklungsgünstigen linken Jetausgangs zur Bodenwelle zu groß simuliert.


Vorhersage- und Beratungszentrale Offenbach
Dipl. Met. Jens Hoffmann