DWD Synoptische Übersicht Mittelfrist

25-01-2020 11:30

S Y N O P T I S C H E Ü B E R S I C H T M I T T E L F R I S T
ausgegeben am Samstag, den 25.01.2020 um 10.30 UTC



Umstellung der Großwetterlage auf eine zyklonale Weltlage. Dabei anfangs
stürmisch und vorübergehend kühler.
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Synoptische Entwicklung bis zum Samstag, den 01.02.2020


Zum Beginn der Mittelfristvorhersage ist der stratosphärische Polarwirbel immer
noch überaus stabil und liegt mit seinem Zentrum über der Buffin-Bay. Somit ist
gesamten Mittelfristzeitraum nicht mit einem von der Stratosphäre induzierten
Blocking zu rechnen. Im Gegenteil: der Grundstrom bleibt zonal, während sich der
troposphärische Polarwirbelast über der Buffin-Bay festigt. Dies hat zahlreiche
zyklogenesen und sinkendes Geopotenzial über dem Atlantik zur Folge, wodurch
auch bei uns die Westwinddrift angefacht wird.

Am Dienstag hat sich die Großwetterlage bereits umgestellt. Der Hochdruckgürtel
über den mittleren Breiten, der uns die vergangenen Wochen ruhiges
Hochdruckwetter beschert hat, hat sich bereits aufgelöst. Über dem gesamten
Nordatlantik herrscht tiefes Geopotenzial. Ihm steht ein im Geopotenzialfeld
relativ schwach ausgeprägter Keil über Nordosteuropa gegenüber. Im
Bodendruckfeld dominiert ein Tiefdruckkomplex mit Zentrum südlich von Island. An
seiner Südostflanke zieht am Dienstag ein Randtief von England in die Nordsee.
Es liegt im linken Ausgang des über Frankreich nach Südosten verlaufenden
Polarfrontjets (jedoch wenig entwicklungsgünstig, wodurch die Entstehung eines
Orkantiefs, wie sie noch in einigen alten Modellläufen simuliert wurde, wohl
nicht mehr stattfindet). An der Südflanke des Tiefs verstärkt sich der Gradient
deutlich, wodurch sich ein Low-Level-Jet von bis zu 50 kt auf 850 hPa aufbaut.
Rückseitig der Kaltfront des Tiefs, die Deutschland am Dienstag von West nach
Ost überquert, fließt maritime Kaltluft ein, wobei die 850-hPa-Temperatur auf
Werte von bis zu -6 °C fällt. In der Höhe zieht ein Trog herein, der mit
Höhenkaltluft angereichert ist (500-hPa- Temperatur < -35 °C). In der labilen
Schichtung ist von der Bildung kräftiger Schauer, bis hin zu stärkeren
Schauerlinien mit eingelagerten Gewittern auszugehen, die bis in tiefe Lagen
Schneeregen und Graupel bringen. Im Bergland oberhalb von 500 m wird es
winterlich. Durch die auch in der Grenzschicht vorherrschende starke Labilität
kann der Wind durch vertikalen Impulstransport gut herunter gemischt werden.
Somit muss man auch in Tiefland verbreitet mit Sturmböen (Bft 8 -9) rechnen. In
Schauerbändern und Gewitter können schwere Sturmböen auftreten (Bft 10).

Am Mittwoch zieht das Tief nach Südskandinavien und der zugehörige Trog schwenkt
weiter Ostwärts, wodurch Deutschland auf der Trogrückseite in der maritimen
Polarluft liegt. Bodennah bleibt die Nordwestströmung erhalten, sodass es
besonders in den Nordweststaulagen der Mittelgebirge und am Alpenrand zu
kräftigen Schneeschauern kommt. Auch in den tieferen Lagen gibt es weiterhin
Schneeregen- und Graupelschauer.
Über dem Atlantik baut sich vorderseitig eines neuen Tiefdruckgebietes ein
flacher Keil auf, der zum Abend Westeuropa erreicht und dann von Westen her für
ein Abklingen der Schauer sorgt.

Am Donnertag zieht der Keil rasch über Deutschland hinweg, wodurch sich das
Wetter beruhigt, die eingeflossene maritime Polarluft unter Absinken gelangt und
sich somit von der Höhe her erwärmt.
Die zonale Grundströmung bleibt jedoch erhalten. Über dem Westatlantik kommt es
wieder zu einer stärkeren Austrogung, wodurch die Strömung vom Ostatlantik bis
nach Mitteleuropa wieder auf Südwest kippt und dabei subtropische Meeresluft
Richtung Mitteleuropa vorrückt. Die zugehörige Warmfront überquert Deutschland
in der Nacht zum Freitag.

Am Freitag liegt das neue Atlantiktief im Nordmeer. Dort setzt sich tiefes
Geopotenzial fest. Über West- und Mitteleuropa breitet sich ein Keil mit zonal
kippender Achse aus. Am Boden dominiert dabei subtropische Meeresluft mit
850-hPa-Temperaturen von bis zu 8 °C. Die Frontalzone liegt wieder weit im
Norden. Im Bodendruckfeld hat sich ein ordentlicher Gradient über Deutschland
aufgebaut, sodass diese Luftmasse recht gut durchmischt ist. Somit sind in den
Leelagen der Mittelgebirge sind wieder frühlingshafte Temperaturen von bis zu 15
°C möglich.

Am Samstag zieht das Zentrum des Tiefdruckkomplexes vom Nordmeer nach
Südskandinavien, die Kaltfront des Tiefs zieht nach Deutschland herein, wird
aber von einem neuen nachrückenden Atlantiktief zurückgehalten und gerät ins
schleife. In den Norden fließet dabei erwärmte Polarluft 850-hPa-Tempertur ~ -2
°C ein.

Auch an der erweiterten Mittelfrist ändert sich an der Wetterlage wenig. Das
Wetter auf dem Atlantik ist von reger Tiefdruckaktivität geprägt, wodurch
Westeuropa auf der Vorderseite liegt. Mit einer südwestlichen Strömung wird
dabei ungewöhnlich warme subtropische Luftmassen (850 hPa-Temperatur > 12 °C)
herangeführt. Über Westeuropa wölbt sich dabei ein Keil auf, der seinen Einfluss
immer mehr Richtung Deutschland ausweitet. (Übergang zu einer antizyklonalen
Südwestlage).
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Bewertung der Konsistenz des operationellen Laufs


Die aktuelle IFS-0z-simulation ähnelt sehr den Vorläufen. Es gibt bis Freitag
nur geringe Unterschiede bezüglich des Durchzugs von Fronten. Der neue Lauf ist
am Dienstag und Mittwoch noch etwas kälter, als die Vorläufe. Ab Freitag rechnet
der neue Lauf bis zum Ende des Vorhersagzeitraums eine teils deutlich mildere
Variante als die Vorläufe.
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Vergleich mit anderen globalen Modellen


Die Simulation von ICON und GFS 6z unterscheidet sich kaum vom IFS-Lauf.
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Bewertung der Ensemblevorhersagen


Die IFS-Rauchfahnen zeigen recht einheitlich die kühlere Phase zur Mitte der
Woche und die anschließende Erwärmung am Donnerstag. Wobei die Erwärmung im
Osten in einigen Läufen bis zu 24h später eintritt. Allerdings nimmt die
Streuung ab Sonntag deutlich zu. Im Norden und Osten lässt sich eine leicht
bifokale Verteilung zwischen einer warmen und kälteren Variante erkennen. Der
Hauptlauf liegt irgendwo dazwischen. Ähnlich sehen die GFS ENS aus. Auffällig
ist hier nur, dass es ab 4. Februar in der erweiterten mittelfristig viele kalte
Läufe gibt, die das ENS-Mittel wieder auf den Durchschnitt drücken. Dies könnte
aber auch in der Natur der ENS liegen.

Die Clusteranalysen des ECMWF zeigen bis einschließlich 240h eine überwiegend
zyklonal geprägte Westwetterlage. Ab 260 Stunden zeigen alle Cluster eine
Störung der nordhemisphärischen Zirkulation hin zu einem Blocking. Wo dieses
stattfindet, wird sehr unterschiedlich simuliert.

Als Fazit lässt sich festhalten, dass die Sturmlage am Dienstag mit
anschließender winterlicher Episode im Bergland und typischen Rückseiten Wetter
mit Graupelschauern im Flachland als sicher gilt. Bezüglich der
Niederschlagssignale gibt es auf Grund des überwiegend konvektiv geprägten
Charakters noch größere Unterschiede in den ENS. Dennoch kann man festhalten,
dass in den Nordwesstaulagen der Bergländer durchaus mal 10 bis 20 cm Schnee
zusammenkommen können.
Die Erwärmung am Ende der Woche scheint dann aber auch gesichert. Unser ist nur,
wie schnell sie von statten geht.
Ab dem Wochenende nehmen die Unsicherheiten deutlich zu. Eine wahrscheinlich
mehr oder weniger starke zyklonale Westwetterlage, mit vergleichsweise milden
Temperaturen scheint als wahrscheinlich.

Ob die in den Cluster-Analysen und in den GFS-ENS angedeutete Änderung der
Zirkulation hin zu einer Meridionalisierung im nachfolgenden dann wirklich
eintritt, oder nur ein Zufallsprodukt der Modelle ist, bleibt abzuwarten.
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Wahrscheinlichkeiten für signifikante Wettererscheinungen


Die Sturmlage am Dienstag schein in den neusten Läufen als gesichert. Achten
sollte man auf Schauerlinien mit eingelagerten Gewittern, in denen schwere
Sturmböen bis in tiefe Lagen gemischt werden können.
Der Wintereinbruch mit Schneefällen und eventuell Verwehungen in den Kammlagen
zur Mitte der Woche scheint ebenfalls recht sicher.

Ansonsten beschränken sich Sturmböen in der Mittelfrist meist nur auf das
Bergland.
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Basis für Mittelfristvorhersage
ECMWF-Hauptlauf, MOS-MIX
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VBZ Offenbach / Dipl. Met. Christian Herold