DWD Synoptische Übersicht Kurzfrist

24-01-2020 17:30
SXEU31 DWAV 241800

S Y N O P T I S C H E Ü B E R S I C H T K U R Z F R I S T
ausgegeben am Freitag, den 24.01.2020 um 18 UTC


Markante Wettererscheinungen:
Zunächst noch weitgehend langweiliges Grenzschichtgemuckel mit möglichen und
räumlich nur eng begrenzten Glatteisnadelstichen. Im Laufe der nächsten Woche
dann deutlich mehr Dampf im Kessel mit Wind und Sturm.

Synoptische Entwicklung bis Montag 12 UTC
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Aktuell ... dümpelt die Wetterlage bei uns einmal mehr ziemlich lustlos vor sich
hin, kurz, trotz Druckfalls bleibt die Situation antiyzyklonal geprägt und
Grenzschichtphänomene das Maß der Dinge.
Kurz die Ausgangslage, die Deutschland unter einer schmalen Potenzialbrücke
sieht, welche einen Höhenrücken über dem zentralen Mittelmeer mit einem zonal
exponierten Rücken über dem Ostatlantik verbindet. Die Brücke trennt die
weitgehend glatte, nur leicht mäandrierende Frontalzone über Nord- und
Nordwesteuropa von einem hochreichenden Dipoltief über Südwesteuropa. Dieser
Dipol dreht sich im Laufe der kommenden Nacht gegen den Uhrzeigersinn, während
die Frontalzone einen kleinen Ruck nach Norden macht. Bei uns ändert sich
dadurch wenig, d.h. auch die korrespondierende, vom Ostatlantik bis nach
Südosteuropa reichende Hochdruckzone zeigt kaum Neigung, an ihrem Outfit viel zu
ändern.
Also steht uns wieder mal eine Nacht mit viel Hochnebel respektive
hochnebelartiger Bewölkung, einigen Nebelfeldern, aber auch sternenklaren
Arealen bevor. Letztere dürften vor allem im Süden sowie in höheren Lagen
(Inversion grob zwischen 500 und 700 m) zu finden sein, während die Lücke im
Osten bereits am Nachmittag schon von Westen her "unter Beschuss" genommen
wurde. Dabei kann es gut sein, dass dort die Temperatur nicht überall unter den
Gefrierpunkt sinkt wie das im äußersten Norden bei geschlossener Bewölkung und
in maritim geprägter Luftmasse sowieso der Fall sein wird. Besonders im Süden
kühlt es hingegen teilweise in den mäßigen Frostbereich, in einigen
schneebedeckten Alpentälern lokal sogar auf Werte nahe -10°C ab.
Beim Thema "Glätte" ist vor allem auf zwei Dinge zu achten: Sollte der aktuell
beobachtete Nieselregen im Norden noch etwas nach Süden bis in den Grenzbereich
zu negativen Luft- und Belagstemperaturen vorankommen (nach einigen Modellen
kann das passieren), besteht freilich die Gefahr von Glatteis, wenn sicherlich
auch nicht überregional. Außerdem kann es nicht ausgeschlossen werden (auch wenn
dynamische Gesichtspunkte nicht dafürsprechen), dass die üppig vorhandene
Hochnebeldecke etwas angehoben wird und es dabei lokal eng begrenzt etwas
raussprüht, was ebenfalls Glätte zur Folge hätte. Beides sind Kann-Phänomene,
auf die textlich in den Warnlageberichten hingewiesen werden sollte (was auch
geschehen ist), die letztlich aber nur in situ abgewarnt werden können.
Bliebe noch ein Satz zum Wind, der sich deutschlandweit so gut wie gar nicht in
Szene setzen kann. Einzig an der Ostsee kommt es vorübergehend zu einer
infinitesimalen Gradientverschärfung, die den Südwestwind aber nicht wirklich in
Schwung bringt. Vielleicht reicht es mal für ein/zwei 7er-Böen auf und um Rügen
herum, eine Warnung rechtfertigt das aber nicht.

Samstag ... stößt aus dem Raum Kanada/Labradorsee/Grönland Kaltluft nach Süden
vor, die über dem Ostatlantik eine Austrogung in Gang setzt. Der resultierende
LW-Trog zeichnet sich mehr durch seine vergleichsweise große Wellenlänge als
durch eine ausgeprägte Amplitude aus. Trotzdem fährt er seine Fühler so weit
nach Süden aus, dass er den nördlichen Kern des o.e. Dipoltiefs in seine
Zirkulation mit aufnimmt. Das ehemalige Höhentief fungiert fortan als Randtrog,
der zum Datumswechsel den Westausgang des Ärmelkanals bzw. die östliche Biscaya
erreicht. Stromab führt das bei uns zu einem Aufrichten der anfangs noch zonal
angelegten Potenzialbrücke, was dem Ganzen den Anstrich eines eigenständigen
Rückens gibt, der sich sogar ein Stück weit in die weiter nördlich positionierte
Frontalzone hineindrückt.
Viel Trara um die nackte Aussage, dass der morgige Samstag weiterhin unter
antizyklonalen Vorzeichen abläuft, auch wenn der Gesamtluftdruck der nach wie
vor über Deutschland verlaufenden Hochdruckzone weitere Einbußen hinnehmen muss
(um 12 UTC meist zwischen 1020 und 1025 hPa, um 00 UTC im Norden und Nordwesten
z.T. schon unter 1020 hPa). Am Tag der Ziehung der Lottozahlen will sich auch
das Wetter an diesem beliebten Glücksspiel beteiligen, sprich, es kommt zur
unter Meteorologen berühmt-berüchtigten Nebel-/Hochnebellotterie mit der
Fragestellung "wo geht´s (oder bleibt´s) auf, wo nicht?". Nun, diese Frage ist -
wie eigentlich immer - nicht trivial zu beantworten (deswegen ja auch der Bezug
zur stochastisch ablaufenden Lotterie), trotzdem lassen sich einige Kernaussagen
treffen. Gut in puncto Sonne sieht es für den Alpenrand und das südliche
Alpenvorland sowie allgemein für Lagen oberhalb rund 600 m (Stichwort Inversion)
aus. Gut sieht es auch für Gebiete am Nordrand, also im Lee der Mittelgebirge
aus, wobei angesichts der aktuellen Entwicklung allerdings fraglich ist, ob die
Lücke im Osten Deutschlands so groß ausfällt wie von MOS-Mix signalisiert. Ganz
schlecht sieht es auf alle Fälle für den äußersten Norden aus, auch wenn sich
die dortige tiefe Bewölkung gegenüber heute etwas nach Norden zurückzieht.
Im Zuge etwas sinkender 850-hPa-Temperaturen (am Abend leicht negativ im
äußersten Norden und Nordosten, sonst +1 bis +5°C) meldet auch T(2m) kleine
Einbußen: rund 0°C mit Eistagchance sind es bei Dauergrau, sonst stehen 2 bis
9°C auf der Karte, plus versteht sich.

In der Nacht zum Sonntag erreicht besagter Randtrog Frankreich, wobei
unmittelbar rückseitige WLA alles andere als figurfördernd für das gute Stück
ist. Mit anderen Worten, der Trog verliert langsam an Kontur, was sich am
Sonntag tagsüber fortsetzen wird. Hinzu kommt auch noch eine Abtropfung südlich
der Alpen. Bei ohnehin geringen Potenzialgegensätzen verwundert es deswegen auch
nicht, dass der Trog dynamisch keine Bäume ausreißt und hebungstechnisch eher
als Schwächling in die Chroniken eingeht. Ganz unterschätzen sollte man die
Angelegenheit trotzdem nicht, denn auch schon ein ganz leichtes Anheben der
Hochnebeldecke kann hier und da etwas Nieselregen generieren, der am Boden
gefrieren und zu Glätte führen kann. Wo genau das der Fall sein wird und ob es
überhaupt reicht - nobody know´s.
Bliebe nur noch zu sagen, dass frostmäßig eine Abschwächungstendenz erkennbar
ist, gerade im Süden und Osten sowie in Teilen der Mitte aber trotzdem die
0°C-Schwelle häufig noch mal unterschritten wird.

Sonntag ... kommt dann nicht mehr allzu viel vom o.e. Trog in Deutschland an,
was uns eine schwache, im Nordwesten mäßige und weitgehend indifferente
südwestliche Höhenströmung beschert. Die ganz große Musike lässt sich mit dieser
Konstellation noch immer nicht spielen, aber immerhin formiert sich über dem
nahen Ostatlantik die Frontalzone derart, dass sie im Laufe der ersten
Wochenhälfte Zugriff auf den Vorhersageraum nebst Nachbarschaft bekommt.
Bevor es soweit ist, heißt es aber zunächst noch einen wettermäßig eher drögen
Sonntag hinter sich zu bringen, an dem wir in den Übergangsbereich zwischen das
scheidende Hoch EKART (wandert nach Osten ab) und ein steuerndes Zentraltief (es
müsste KIM sein) knapp west-südwestlich von Island gelangen. Die zugehörige
Kaltfront überquert UK/Irland ostwärts, wird unseren Raum aber noch nicht
erreichen. Präfrontal respektive durch die leicht diffluente Trogvorderseite
(bei genauem Hinsehen kann man sogar einen kleinen Tertiärtrog erkennen, der
sich aus den Alpen heraus nordostwärts in Bewegung setzt) wird die
Hochnebeldecke etwas gehoben, was leichten Nieselregen verursachen kann. Viel
simuliert die Numerik nicht, muss sie aber auch nicht, denn die Mengen sind bei
solchen Szenarien erfahrungsgemäß sehr gering. Gleichwohl besteht im Falle
negativer Luft- bzw. Belagstemperaturen zumindest räumlich eng begrenzt die
Gefahr von Glatteis (morgens, vormittags), wobei die Modelle am ehesten den
Süden und bedingt nur die Mitte im Visier haben.
Die Sonne tut sich laut MOS-Mix-Statistik schwer, sich in Szene zu setzen. Am
ehesten kommen sonnige Abschnitte danach nördlich von Erzgebirge und Thüringer
Wald sowie am unmittelbaren Alpenrand in Frage, was im Falle der Mittelgebirge
aufgrund des etwas auflebenden südlichen Windes synoptisch auch nachvollziehbar
ist. Aus dem gleichen Grund besteht aber auch in den Leegebieten Westdeutschland
die berechtigte Chance auf Auflockerungen. Zwar stehen die Höhenlagen aufgrund
der nur wenig ansteigenden Inversion auch nicht schlecht da, allerdings sind
neben der hochnebelartigen tiefen Bewölkung auch einige hohe und mittelhohe
Wolkenfelder am Start.
Der Luftdruckgradient nimmt vor allem im Nordwesten, wo man dem Tief am nächsten
ist, allmählich zu, für warnrelevante Geschwindigkeiten sollte es tagsüber aber
noch nicht reichen, selbst in Kamm- und Kuppenlagen der Mittelgebirge nicht.
Trotz leicht zurückgehender 850-hPa-Temperatur tut sich im 2m-Niveau eher wenig,
heißt rund 0°C bei zähem Nebel/Hochnebel im Südosten, sonst 2 bis 9°C mit den
Spitzen im Westen und Südwesten sowie in mittleren Höhenlagen.

In der Nacht zum Montag gelangt Deutschland mehr und mehr auf die diffluente
Vorderseite der Frontalzone, deren eingelagerter Jetstreak bis zum Morgen den
Westeingang (oder -ausgang, je nach dem, von wo man kommt) erreicht. Die
Kaltfront des nur langsam um Island ostwärts schwenkenden Zentraltiefs erreicht
Kontinentaleuropa, die zugehörigen frontalen Regenfälle greifen in Nachthälfte
zwei auf die westlichen Landesteile über. Das sollte Stand jetzt in flüssiger
und nicht unterkühlter Form erfolgen, allerdings gibt es Hinweise, dass es im
Süden, vielleicht auch in der Mitte, abgesetzt vom eigentlichen
Niederschlagsgebiet etwas regnen oder nieseln kann, was dann sehr wohl die
Gefahr von Glatteis birgt. Für Details ist es heute Abend aber noch etwas früh.

Leichter Frost steht vor allem im Südosten und Osten, punktuell auch in der
Mitte noch mal auf der Agenda. Der südliche Wind macht weitere
Mobilitätsfortschritte, die im Nordwesten größer ausfallen als im Südosten. Für
exponierte Hochlagen der westdeutschen und zentralen Mittelgebirge sowie an und
auf der Nordsee bedeutet das erste Böen 7-8 Bft, im Hochschwarzwald und auf dem
Brocken gegen Morgen 9 Bft. Einzelne 7er-Böen sind auch im Lee der westdeutschen
Mittelgebirge nicht ausgeschlossen.

Montag ... macht die Annäherung der Frontalzone an den Vorhersageraum weitere
vielversprechende Fortschritte, auch wenn der vollständige Übergriff noch nicht
erfolgt. Das Zentraltief steuert 60°N, 20°W südlich Islands an, während die
wenig barokline und nicht wirklich gut ausgeprägte Kaltfront Nord- und
Westdeutschland weitgehend überqueren soll. Richtung Süden und Südosten hingegen
kommt sie arg ins Stottern, weil sie rückwärtig in die Warmfront einer flachen
Frontalwelle westlich der Biscaya übergeht. Weiter nördlich findet man auf der
Vorhersagekarte eine weitere Welle, die zum Mittagstermin knapp westlich vor
Irland liegt und im weiteren Verlauf unter zunehmender Austrogung Südengland
ansteuert.
Fakt ist, dass der frontale Regen ostwärts ausgreift, wobei im Süden und
Südosten anfangs stellenweise Glatteis auftreten kann, bevor ganz oben
vielleicht ein paar Schneeflocken fallen. Postfrontal gelangt ein Schwall
erwärmter Meereskaltluft in den Westen und Nordwesten, in der die
850-hPa-Temperatur auf 0 bis -2°C, die 500-hPa-Temperatur auf -27 bis -30°C
zurückgeht. Unter dem Strich bedeutet das ausreichend Labilität, um den einen
oder anderen Schauer, Richtung Nordsee vielleicht sogar ein kurzes Gewitter
anzukurbeln.
Bei Tageshöchstwerten von 6 bis 11°C (nur im Südosten halten sich noch ein paar
Kaltluftreste mit etwas niedrigeren Maxima) macht der Süd- bis Südwestwind
weiter auf sich aufmerksam, auch wenn die ganz große Nummer noch immer
ausbleibt. Hinter der Front deutet sich sogar ein leichtes Auffächern des
Gradienten an, so dass eigentlich nur die Hochlagen den südlichen bis
südwestlichen Wind so richtig zu spüren bekommen (7-8 Bft, exponiert 9 Bft). In
tiefen Lagen hingegen dürfte der Wind noch mit angezogener Handbremse agieren,
selbst in Küstennähe, so zumindest die numerische Lesart Stand Freitagabend.



Modellvergleich und -einschätzung
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Die Umstellung der Großwetterlage wird von allen Modellen angestrebt. Kleine
Unschärfen ergeben sich bei der Behandlung kurzwelliger Strömungsanteile incl.
Timing, was aber nichts an der grundlegenden Ausrichtung ändert. Wirklich
gespannt darf man auf die Entwicklung nach Montag sein, wenn es - möglicherweise
- strömungstechnisch richtig ins Eingemachte geht.


Vorhersage- und Beratungszentrale Offenbach
Dipl. Met. Jens Hoffmann