DWD Synoptische Übersicht Mittelfrist

21-01-2020 10:30

S Y N O P T I S C H E Ü B E R S I C H T M I T T E L F R I S T
ausgegeben am Dienstag, den 21.01.2020 um 10.30 UTC



Umstellung der Großwetterlage von HB (Hoch Britische Inseln) bzw. BM (Brücke
Mitteleuropa) hin zu W/SWz (West/Südwest zyklonal). Dabei zunehmend windig bis
stürmisch und mild.
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Synoptische Entwicklung bis zum Dienstag, den 28.01.2020


Eines gleich mal vorweg: Alle Anhänger winterlichen Wetters - bisher sowieso
schon arg gebeutelt - sollten an dieser Stelle gar nicht erst weiterlesen. Als
Selbstschutz sozusagen; zu grausam sind die folgenden Nachrichten, dass der
Verfasser keine Verantwortung für seelische Abstürze, depressive Verstimmungen
oder möglicherweise sogar in Gewalt mündenden Frust übernehmen kann. Eigentlich
besteht für den Winter nur noch ein kleiner Hoffnungsschimmer(chen) - er ist
aufgrund des Schaltjahres einen Tag länger als sonst. Ha, ha, okay, Scheißwitz!

Zu den Fakten, die zu Beginn des mittelfristigen Prognosezeitraums am kommenden
Freitag nach wie vor ein hochreichendes Tief vor der Iberischen Halbinsel
vorhält. Es ist klar getrennt von der nur leicht mäandrierenden, gut
ausgeprägten Frontalzone, die sich von Kanada kommend zonal bis nach
Fennoskandien erstreckt, um dann über Russland nach Südosten abzubiegen.
Zwischen dem Tief und der Frontalzone befindet sich eine schmale Zone mit einem
Potenzialmaximum, die sich schlauchartig vom Ostatlantik bis nach Mitteleuropa
zieht, bevor sie in einen breiten Rücken über dem zentralen Mittelmeerraum und
dem Balkan übergeht. Gestützt wird eine Bodenhochdruckzone, die ihren
Schwerpunkt über Südosteuropa hat, ihre Fühler aber bis nach UK/Irland sowie
noch etwas darüber hinaus austreckt. Entsprechend dieser Konstellation herrscht
in Deutschland ruhiges, grenzschichtgeprägtes Hochdruckwetter (T850 +2 bis +6°C)
mit einer - halbwegs - kalten (oder sollte man besser sagen kühlen)
Grundschicht. Einzig der Norden wird leicht zyklonal gestreift.

Zum Wochenende kommt es über dem nahen Ostatlantik zu einer Austrogung, die
letztlich zu einer Kontaktaufnahme zum Höhentief vor Iberien führt. Stromab hat
das die Ausweitung des Höhenrückens nach Nordwesten zur Folge, was Deutschland
zunächst noch unter Hochdruckeinfluss hält. Allerdings mogelt sich auf der
Westabdachung des Rückens ein kleiner Randtrog von Frankreich her in den
Vorhersageraum, der aber nur Kraft für Wolkenfelder und kaum für Niederschlag
hat. Sollte es doch mal gebietsweise etwas regnen oder nieseln, besteht - je
nach Timing und Region - Glatteisgefahr.
Im Laufe des Sonntags nähert sich dann von Westen her der o.e. Trog, der dabei
aber mehr und mehr an Kontur respektive Amplitude verliert (der Hauptteil mit
dem alten Höhentief erfasst das westliche Mittelmeer). Ihm vorgeschaltet ist
eine schwache Kaltfront, die aufgrund ihrer Maskerade vor allem in Määänz, Kölle
und Dusseldorf herzlich begrüßt wird. Während die Temperatur
niedertroposphärisch etwas zurückgeht (auf rund 0°C in 850 hPa), dürfte die
2m-Temperatur zumindest in Teilen des Landes postfrontal steigen, weswegen hier
von einer maskierten Kaltfront gesprochen wird. Höhenkaltluft ist so gut wie gar
nicht am Start (in 500 hPa bleibt es wärmer als -30°C), was u.a. die schwache
Intensität der aufkommenden schauerartigen Niederschläge erklärt.

Zu Beginn der neuen Woche gelangt Deutschland zunehmend in eine lebhafte und
milde, zeitweise sehr milde Südwest- bis Westströmung, die bis in den
erweiterten Mittelfristzeitraum für einen wechselhaften, windigen, teils
stürmischen Wetterabschnitt mit Niederschlägen sorgt. Niederschläge? - Man
könnte auch Regenfälle sagen, denn die feste Phase tritt allenfalls mal in den
höchsten Lagen der höheren Mittelgebirge sowie in den Hochlagen der Alpen auf
und selbst das wohl nur vorübergehend. Grausam! (Diese zugegeben stark
subjektive Bewertung sei dem normalerweise zur Neutralität verpflichteten
Verfasser an dieser Stelle wohlwollend zugestanden.)

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Bewertung der Konsistenz des operationellen Laufs


Die Konsistenz des IFS (ECMF) kann heute mit einer 2-/3+ benotet werden. Eine
bessere Zensur verbaut sich das Modell dadurch, dass es den Abbau des in der
Kurzfrist wetterbestimmenden Hochs zum kommenden Wochenende nicht konsistent
simuliert. Nach heutiger Lesart von 00 UTC erfolgt der Übergang zu mehr
Tiefdruckeinfluss ab Freitag verzögerter und auch schwächer als z.B. im
gestrigen 00-UTC-Lauf.
Auf der anderen Seite hat die Konsistenzbetrachtung deswegen keine schlechtere
Note verdient, weil es am Ende - sprich in der nächsten Woche - nach wie vor auf
eine windige, teils stürmische, vor allem aber milde bis sehr milde Wetterphase
hinausläuft, wobei die Kongruenz der Basisfelder fast höher ist als am kommenden
Wochenende.
Somit muss die gestern veröffentlichte Prognose an der einen oder anderen Stelle
etwas getunt, aber nicht grundlegend umgestellt werden.


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Vergleich mit anderen globalen Modellen


Grundsätzlich haben auch die anderen, an dieser Stelle für gewöhnlich
begutachteten Globalmodelle keine andere Idee als IFS. Alle simulieren sie den
Übergang hin zu einer windigen und milden Südwest- bis Westlage. Dass der Weg
dorthin, der ja größtenteils am Wochenendes und auch noch am Montag zurückgelegt
wird, nicht vollkommen deckungsgleich vonstattengeht, ist fast zu erwarten. So
rechnen ICON, GFS und UKMO den Übergang von "Hoch zu Tief" am Sonntag etwas
früher und intensiver als IFS, das dafür das kanadische GEM als Bundesgenossen
an seiner Seite weiß.
Das spannendste Szenario hat übrigens ICON auf der Karte. Danach zieht von
Montag auf Dienstag ein sich zum Schnellläufer entwickelndes Wellentief über
Jütland hinweg ostwärts, was Deutschland schweren Südwest- bis Weststurm mit
Orkanböen bringen WÜRDE. Na wenigstens etwas aus Sicht aller Vollwetterfans und
Synoptiker.

FAZIT: Auf deterministischer Basis ist die Umstellung der Großwetterlage save,
wenn auch die Wege dorthin noch leicht divergieren.
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Bewertung der Ensemblevorhersagen


Die EPS-Rauchfahnen verschiedener deutscher Städte zeigen bei IFS und GFS eine
ähnliche Charakteristik auf. Danach hält sich die Streuung bis einschließlich
Sonntag mit Ausnahme Norddeutschlands (Referenz Hamburg) in Grenzen. Nur ganz
wenige Lösungen zeigen einen früheren Rückgang der 850-hPa-Temperatur (teils
schon am Samstag). Ab Montag nimmt der Spread sichtbar zu bei gleichzeitig
zunehmender RR-Signaldichte. Zum Dienstag hin zeigt sich dabei ein kleines
Temperatur- und Potenzialmaximum, bevor zum Mittwoch hin ein Rückgang erfolgt.
Interessant wird es zum Ende der erweiterten Mittelfrist (Donnerstag nächster
Woche), wenn sich nämlich das Gros der Ensembles bei rund -5°C in 850 hPa
einpendelt und nur eine Minderheit den Haupt- und Kontrolllauf auf ihrem Weg in
die "Wärme" (T850 um oder sogar über +5°C) begleiten. Mehr als nur ein
Hoffnungsschimmer, zumindest mal für das Bergland, das ist hier die Frage?

Leider liegt aus unbekannten Gründen keine vollständige IFS-EPS-Clusterung vor.
Abgedeckt ist lediglich der Zeitraum T+120...168h (Sonntag bis Dienstag), der mit
drei Clustern aufwartet (22 Fälle + HL/KL, 20, 9). Während CL 1 und 2 in eine
relativ glatte und windige/stürmische Südwestlage münden, zeigt CL 3 ein zwar
wechselhaftes, aber deutlich gradientschwächeres Szenario.

FAZIT: Die Umstellung der Wetterlage wird auch von der Probabilistik simuliert,
was windiges und relativ mildes Wetter in der nächsten Woche wahrscheinlich
erscheinen lässt.
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Wahrscheinlichkeiten für signifikante Wettererscheinungen


Angesichts der anfangs noch andauernden Hochdrucksituation ist die Liste
signifikanter Wettererscheinungen weitgehend leer. Abgesehen davon, dass die
vorhergesagten schwachen Niederschläge in der Nacht zum Samstag lokal
gefrierenden Regen/Nieselregen mit Glatteis bringen können (geringe
Wahrscheinlichkeit), steht nix auf der Karte.
Das ändert sich ab Sonntag, vor allem aber ab Wochenbeginn, wenn der
südwestliche Wind sukzessive zulegt. Vor allem an der See und im höheren
Bergland nimmt die Wahrscheinlichkeit für stürmische Böen oder Sturmböen 8-9 Bft
zu, in exponierten Kamm- und Gipfellagen dürfen es gerne auch mal ein bis zwei
Windstärken mehr sein. Auch im Binnenland wird es zunehmend stürmisch, wobei
Vieles natürlich davon abhängen wird, ob es eine vorhersageraumnahe Randtief-
bzw. Schnellläuferpassage gibt oder das Windfeld eher konservativ ausfällt.

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Basis für Mittelfristvorhersage
MOS-Mix mit IFS und IFS-EPS
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VBZ Offenbach / Dipl. Met. Jens Hoffmann