DWD Synoptische Übersicht Kurzfrist

17-01-2020 17:01
SXEU31 DWAV 171800

S Y N O P T I S C H E Ü B E R S I C H T K U R Z F R I S T
ausgegeben am Freitag, den 17.01.2020 um 18 UTC


Markante Wettererscheinungen:
Nach Kaltfrontpassage Luftmassenwechsel hin zu maritimer Polarluft, zumindest in
den Bergen und vor allem an den Alpen etwas Neuschnee. In Südost- und Ostbayern
kommende Nacht kurzzeitig Glatteisgefahr!

Synoptische Entwicklung bis Montag 12 UTC
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Aktuell ... steht ein recht markanter Luftmassenwechsel an - markant heißt in
diesem Falle aber keineswegs, dass uns nun Vollwinter bevorsteht, sondern
markiert lediglich den Übergang von teilweise frühlingshaftem Wetter hin zu
Temperaturen, die sich den zu dieser Jahreszeit üblichen Werten zumindest
annähern. Da das Ganze in einem mehr oder weniger zyklonal geprägten Umfeld
vonstattengeht, steht - man höre und staune - tatsächlich auch mal wieder die
feste Niederschlagsphase auf der (Warn)Agenda.
Der Höhentrog, der diesen Übergang einleitet, befindet sich aktuell noch über
Westeuropa und erstreckt sich vom Nordmeer über die Britischen Inseln bis nach
Südfrankreich. Ihm gegenüber steht ein Höhenrücken, der sich vom Tyrrhenischen
Meer über die Adria und den Balkan bis nach Osteuropa erstreckt. Daraus
resultiert eine leicht zyklonal konturierte südwestliche Höhenströmung über dem
Vorhersagegebiet. Im Laufe der Nacht kommt der Trog mit seinem Südteil etwas
schneller voran als weiter nördlich, nimmt also eine leicht negative Achsneigung
an und tropft Samstagfrüh etwa über dem Golf von Genua aus. Das nördliche
Trogresiduum erreicht morgens Benelux bzw. Westdeutschland.
Im Bodenfeld überquert die Kaltfront eines sich zögernd auffüllenden Sturmtiefs
über dem Nordmeer Deutschland im Laufe der Nacht von West nach Ost. Sie wird
bereits von KLA überlaufen, so dass die frontalen Hebungsprozesse kaum dynamisch
gestützt werden, entsprechend fallen die frontalen Niederschläge auch nicht
allzu üppig aus (meist nur wenige mm). Eine Ausnahme bildet der Süden des
Landes, wo sich im Zuge des Abtropfprozesses die Trogspitze vorübergehend etwas
besser formieren und mit der Bodenfront interagieren kann. Im Alpenvorland sowie
im Schwarzwald werden gebietsweise mehr als 5 mm simuliert, im Stau des
Oberallgäus sogar 10 bis 15 mm. Die Schneefallgrenze sinkt postfrontal auf etwa
600 m, allerdings klingen dann auch die Niederschläge meist rasch ab, so dass es
in den Kammlagen der meisten Mittelgebirge wohl nur für wenige Zentimeter
Neuschnee reicht, was warntechnisch meist mit einer Glättewarnung abgehandelt
werden kann. Lediglich an den Alpen fallen oberhalb von etwa 800 m bis zum
Vormittag 1 bis 10 cm, in exponierten Staulagen (Oberallgäu) um 15 cm oder sogar
mehr (der aktuelle Lauf des ICON-EU simuliert im westlichen Oberallgäu in den
Staulagen über 20 mm als Schnee).
Präfrontal sinken die Temperaturen im Südosten des Landes noch einmal in den
leichten Frostbereich. Mit Eintreffen der Niederschläge kann es dabei vor allem
im Osten und Südosten Bayerns sowie in einigen Tälern der östlichen
Mittelgebirge gefrierenden Regen geben. Die Signale dafür in den Modelloutputs
sind zwar rar gesät, dennoch zeigen die Prognosesoundings vor allem des ICON-EU
durchaus noch zumindest regional eng begrenzt die klassischen "warme Nasen", vor
allem im Zeitraum 0 bis 3 UTC.
Mit Annäherung der Front verschärft sich der Gradient noch ein wenig, allerdings
hält sich das doch sehr in Grenzen, da sich das Tief allmählich auffüllt.
Dennoch reicht es in einigen exponierteren Gipfellagen (Schwarzwald, Brocken,
Alpen) für stürmische Böen oder Sturmböen (Bft 8 bis 9) aus Süd, später Südwest
bis West, auch im Nordseeumfeld frischt der Wind nach Frontpassage aus West mit
steifen Böen (Bft 7) auf. Der Böhmische Wind an den östlichen Mittelgebirgen
schläft dagegen im Laufe der Nacht ein.
Postfrontal lockern die Wolken vor allem im Norden und Westen rasch wieder auf,
mit Annäherung der Trogachse und der Advektion von Höhenkaltluft (im Westen
morgens -36 Grad in 500 hPa bei -5 Grad in 850 hPa) setzt im Nordwesten ausgangs
der Nacht vermehrt Schauertätigkeit ein.

Samstag ... greift der nur leicht progressive Trog auf Mitteleuropa über. Somit
wird nahezu das gesamte Vorhersagegebiet von labil geschichteter Höhenkaltluft
geflutet, die Temperatur in 500 hPa sinkt bis zum Nachmittag auf Werte zwischen
-29 Grad in der Lausitz und -36 Grad in der Mitte und im Nordwesten, in 850 hPa
auf -4 bis -7 Grad. Über dem mittleren Nordatlantik wölbt sich derweil ein
markanter Höhenrücken nordnordostwärts Richtung Südgrönland auf und kommt etwas
nach Osten voran. Er stützt ein Hochdruckgebiet über den Britischen Inseln, das
sich im Tagesverlauf noch deutlich verstärkt, bis zum Abend bereits auf einen
Kerndruck von nahe 1040 hPa.
Das mit dem Trog korrespondierende Bodentief über dem Nordmeer füllt sich
dagegen allmählich auf, in Summe fächert der Gradient über dem Vorhersagegebiet
bis zum Abend etwas auf. Vor allem in Norddeutschland nimmt die Böigkeit des
Windes mit zunehmender Labilisierung der Luftmasse und in geringerem Maße auch
tagesgangbedingt etwas zu, für steife Böen aus West reicht es aber wohl nur an
den Küsten (exponiert durchaus auch mal eine stürmische Böe Bft 8) und in
Schauernähe auch im angrenzenden Binnenland. In den Gipfellagen der
Mittelgebirge und der Alpen kann es anfangs noch Böen Bft 8, vielleicht 9 geben,
insgesamt nimmt dort der Wind im Tagesverlauf aber eher ab.
Vor allem im Nordwesten, Westen und in den mittleren Landesteilen entwickeln
sich Schneeregen- und Graupelschauer, vereinzelt auch kurze Gewitter, oberhalb
von 400 m dominiert die feste Phase. Nach Osten zu dürfte die Labilität wohl nur
für ganz vereinzelte Schauer reichen, auch die Numerik lässt es dort verbreitet
trocken. In gut durchmischter Luftmasse reicht es aber lediglich in Lagen
oberhalb von 500 bis 600 m für wenige Zentimeter Neuschnee und Glätte,
wenngleich es in kräftigeren Schauern auch mal bis nach "ganz unten" schneien
kann.
An den Alpen staut sich das Ganze ein wenig, wenngleich die richtige
Staukomponente meist fehlt. Vor allem Richtung Chiemgau und Berchtesgadener Land
werden in exponierten Staulagen um 10 mm als Schnee simuliert, was
Neuschneemengen von etwa 10 bis 15 cm entspräche. Auch im südlichen Alpenvorland
könnte es ein wenig "anzuckern".
Während es im Südosten überwiegend stark bewölkt bis bedeckt bleibt, kann sich
ansonsten zwischen den Schauern auch mal kurz die Sonne zeigen, am ehesten wohl
in der Osthälfte. Innerhalb der gut durchmischten Luftmasse werden noch immer
Höchstwerte zwischen 2 und 8 Grad erreicht, oberhalb von etwa 600 bis 800 m gibt
es leichten Dauerfrost.

In der Nacht zum Sonntag wird der Höhentrog über Deutschland durch einen von
Nordwesten hereinlaufenden kurzwelligen Randtrog kurzzeitig regeneriert und
tropft über Süddeutschland aus. Der Höhenrücken schwenkt mit seiner Achse
Richtung Nord-UK und Norwegische See, wodurch sich das Bodenhoch über den
Britischen Inseln weiter verstärkt und morgens nahezu 1045 hPa Kerndruck
aufweist. Von ihm ausgehend schiebt sich ein Hochkeil nach Süddeutschland. Das
Bodentief über dem Nordmeer zieht Richtung Lofoten und füllt sich auf Kosten
eines Tiefs über Lappland auf, wodurch der Gradient über dem Vorhersagegebiet
insgesamt weiter auffächert und der Wind wohl nur noch an der Nordsee (vor allem
mit Passage eines mit dem Randtrog korrespondierenden Bodentroges) und
vielleicht noch auf dem Brocken warntechnisch eine Rolle spielt.
Mit der Regeneration des Troges geht die Temperatur in 500 hPa nochmals um 1 bis
2 K zurück bei ähnlichen bzw. nur geringfügig zurückgehenden 850 hPa-
Temperaturen, so dass die Luftmasse hochreichend labil geschichtet bleibt.
Weitere Schauer, die jetzt häufig auch bis in die Niederungen als Schnee oder
Graupel fallen, sind die Folge, lediglich im Nordosten, wo sich jetzt auch
zunehmend der "Skandenföhn" (Wolkenauflösung im Lee des Norwegischen
Küstengebirges) bemerkbar macht, bleibt es meist trocken.
Die Niederschlagsmengen, respektive Neuschneemengen beschränken sich aber meist
nur auf wenige Zentimeter und die noch nicht einmal überall, Richtung Alpen
können auch mal um die 5 cm fallen. Allerdings deuten die aktuellen Läufe des
ICON-EU und des GFS eine verstärkte Schauertätigkeit im Bereich des
hereinschwenkenden Randtroges über dem Nordwesten des Landes an (bis über 5 mm),
in dem Falle kann sich dann auch mal in den tiefen Lagen eine dünne Schneedecke
ausbilden.
Aber auch sonst stehen warntechnisch vor allem überfrorene Nässe oder Glätte
durch Schneematsch auf der Agenda. Denn vor allem in der Mitte und im Süden gibt
es recht verbreitet leichten Frost.

Sonntag ... nimmt das abgetropfte Höhentief über Süddeutschland, der mangels
korrespondierenden Bodentiefs die Charaktereigenschaften eines Kaltlufttropfens
besitzt, Verbindung auf zu einem weiteren Höhentief über der Iberischen
Halbinsel auf, bis zum Abend mündet das in einer von Südostspanien über
Südfrankreich und der Schweiz bis nach Südbayern reichenden Potenzialrinne. Das
nördliche Trogresiduum über dem Norden und der Mitte des Landes füllt sich rasch
auf, da sich der monumentale Höhenrücken über West- und Nordwesteuropa mit
seiner Achse weiter nach Südosten verlagert. Abends reicht er von den Kanaren
über das Seegebiet westlich der Biskaya, den Britischen Inseln und der Nordsee
bis nach Mittel- bzw. Südskandinavien. Daraus ergibt sich über dem
Vorhersagegebiet eine nordöstliche Höhenströmung.
Das korrespondierende Hochdruckgebiet über den Britischen Inseln verstärkt sich
sogar noch etwas und weist abends nach Lesart des ICON-EU über Wales einen
Kerndruck von nahe 1050 hPa(!) auf. Auch der nach Süddeutschland gerichtete
Hochkeil verstärkt sich weiter auf über 1040 hPa.
Im Bereich des Kaltlufttropfens und nördlich davon entwickeln sich aber in der
Mitte und im Süden des Landes weitere Schauer, die bei -5 bis -7 Grad in 850 hPa
und schwachem Gradienten je nach Intensität oft bis in tiefe Lagen als Schnee
fallen. ICON-EU und auch GFS lassen aus der Nacht heraus die kräftigeren Schauer
im Nordwesten rasch südwärts ziehen und simuliert die höchsten Mengen am
Vormittag im west-zentralen Mittelgebirgsraum (Bergisches Land, Sauerland) mit
Mengen bis an die 10 mm in 6 Stunden in den Staulagen (ICON-EU; GFS etwas
weniger), so dass dort regional eng begrenzt durchaus auch 5 bis 10 cm
zusammenkommen können. Auch an den Alpen nimmt mit der Norddrehung des Windes
die Staukomponente etwas zu, allerdings werden dort kaum mehr als 5 mm
simuliert. Ansonsten sind trotz leichter Schauertätigkeit keine nennenswerten
Neuschneemengen zu erwarten, im Norden und Nordosten bleibt es wohl komplett
trocken.
Vor allem dort setzt sich häufig die Sonne durch, während es im Südosten meist
stark bewölkt bis bedeckt bleibt. Die Höchstwerte liegen meist zwischen 0 Grad
an den Nordrändern der Mittelgebirge bzw. an den Alpen und 7, vielleicht 8 Grad
im Nordwesten. Der Wind frischt im Nordwesten und Westen zeitweise böig aus Nord
auf, im Nordseeumfeld kann es einzelne Böen Bft 7 geben.

In der Nacht zum Montag übernimmt der Höhenrücken endgültig das Wetterregime
über dem Vorhersagegebiet und erstreckt sich morgens über die Britischen Inseln
und die mittlere Nordsee bis zur südlichen Ostsee. Der KLT über Bayern wird
dadurch nach Ostfrankreich abgedrängt, übrig bleibt eine flache, nach
Süddeutschland reichende Potenzialrinne.
Das unverändert starke Bodenhoch verlagert seinen Schwerpunkt minimal nach
Osten, ICON-EU hat zum 03 UTC-Termin sogar die "magische" 1050 hPa-Isobare auf
der Karte. Der nach Süddeutschland gerichtete Keil kommt nach Norden voran und
befindet sich morgens in etwa über der Mitte des Landes. An dessen Südflanke
stellt sich über dem Bodensee und Hochrhein sowie in Südbaden eventuell eine
Bisen-Situation ein, ICON-EU simuliert im Südschwarzwald in den Hochlagen
bereits einige Böen Bft 8 bis 9 aus Ost.
Mit Abzug des Kaltlufttropfens klingen die Niederschläge im Süden und in der
Mitte komplett ab. Im Norden, nördlich der Divergenzachse des Keils, machst sich
zunehmend WLA in Form hoher und mittelhoher Bewölkung bemerkbar, auch
niedertroposphärisch gelangt dorthin etwas feuchtere Nordseeluft, so dass sich
vermehrt Nebel oder Hochnebel ausbilden könnte. Ansonsten lockern die Wolken
gebietsweise auch mal stärker auf.
Außer im Nordwesten gibt es verbreitet leichten, in den süddeutschen
Mittelgebirgen und an den Alpen auch mäßigen Frost, in einigen Alpentälern ist
bei Aufklaren über Schnee strenger Frost nicht ausgeschlossen.

Montag ... hat sich eine typische "High-over Low"-Konstellation über Mittel- und
Südwesteuropa eingestellt mit dem inzwischen zonale Ausrichtung angenommenen
Höhenrücken, der sich über die Britischen Inseln und Norddeutschland bis nach
Polen erstreckt und einem umfangreichen Höhentief über Marokko, das im
westlichen Mittelmeerraum für ordentlich "Bambule" sorgt.
Die kräftige Hochdruckzone am Boden weitet sich weiter nach Osten aus, wobei
sich der Schwerpunkt des Hochs von den Britischen Inseln in die Mitte
Deutschlands verlagert, nach wie vor mit einem Kerndruck nahe 1050 hPa. An der
Südflanke des Hochs bleibt die Bisenlage in Südbaden erhalten mit frischem
Ostwind, der in exponierten Lagen Böen Bft 7 erreicht, in den Kamm- und
Gipfellagen von Alb und Schwarzwald eventuell auch Bft 8 bis 9.
Über Norddeutschland zieht entlang der Nordflanke der Hochdruckzone mit etwas
auffrischendem Westwind hohe und mittelhohe WLA-Bewölkung hinweg, es bleibt aber
trocken.
Im Rest des Landes setzt sich entweder zumindest zeitweise die Sonne durch oder
es bleibt länger trüb durch Nebel/Hochnebel. Zwar kann sich die Luftmasse vor
allem nach Norden zu auch niedertroposphärisch wieder erwärmen, bodennah ist das
aber natürlich nicht spürbar, so dass sich die Höchstwerte nach wie vor zwischen
0 Grad im Bergland Süddeutschlands bzw. bei dauerhaftem Nebel und 7 Grad im
Nordwesten bewegen.



Modellvergleich und -einschätzung
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Alle vorliegenden Modelle zeigen im Kurzfristzeitraum ein nahezu identisches
Szenario. Prognose- und warnrelevante Unterschiede sind - abgesehen von geringen
räumlichen Differenzen, was die Verteilung und Intensität der Niederschläge
angeht, keine auszumachen.


Vorhersage- und Beratungszentrale Offenbach
Dipl. Met. Jens Winninghoff