DWD Synoptische Übersicht Kurzfrist

07-01-2020 17:30
SXEU31 DWAV 071800

S Y N O P T I S C H E Ü B E R S I C H T K U R Z F R I S T
ausgegeben am Dienstag, den 07.01.2020 um 18 UTC


Markante Wettererscheinungen:
"West at its best": Unbeständig, nass und ungewöhnlich mild, vor allem an der
Nordsee und im höheren Bergland zeitweise stürmisch. Nur ganz im Süden
Hochdruckeinfluss und bodennah kälter, im Übergangsbereich örtlich Glatteis.

Synoptische Entwicklung bis Freitag 12 UTC
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Aktuell ... treten im Südosten Bayerns noch geringfügige Niederschläge auf, die
in Verbindung mit dem über die Ostalpen abziehenden Kaltlufttropfen und dem sich
nach Osten verabschiedenden okkludierten Frontensystem stehen. Die aus meist
tiefer Stratusbewölkung fallenden Niederschläge sind überwiegend flüssig und
sorgen in den dauerfrostigen Regionen in Teilen Niederbayerns und der Oberpfalz
noch für örtliches Glatteis.

Dieses Warnereignis ist aber ein Auslaufmodell, denn ein von Nordwesten her nach
Deutschland hereinschwenkender Rücken sorgt verstärkt für Absinken, was sich am
Boden auch durch eine von den Azoren über das südliche Mitteleuropa bis nach
Nordwestrussland reichenden Hochdruckbrücke bemerkbar macht. Am nachhaltigsten
ist der Zwischenhocheinfluss noch im Süden und Südosten, wo sich ab dem Abend
und in der Nacht zum Mittwoch vermehrt Auflockerungen zeigen, sodass es
verbreitet wieder frostig wird (-1 bis -5, an den Alpen bis -8 Grad). Glätte
tritt vor allem dort auf, wo es noch bis zum Abend etwas regnet, also bevorzugt
im Süden und Osten Bayerns und im sächsischen Bergland. Reif spielt nur eine
untergeordnete Rolle, zumal es gebietsweise wieder "zunebelt".

Weiter nach Norden und Nordwesten zu ist der Zwischenhocheinfluss nur von kurzer
Dauer. An der Südflanke eines breit angelegten, umfangreichen Langwellentroges
über dem Nordostatlantik gelangt der Rest des Landes bereits in eine recht
glatte westsüdwestliche Höhenströmung. In dieser sorgt zunächst WLA für
mehrschichtige Bewölkung, später greift das Frontensystem des Zentraltiefs bei
Island mit leichten bis mäßigen Regenfällen über, die zunächst aber weder im
Hinblick auf die Mengen noch auf die Phase warnwürdig sind. Erst wenn sie sich
ab Mitternacht aus den frostfreien Regionen (zwischen 7 und 0 Grad) der
Frostluft im Süden und Südosten nähern, besteht wahrscheinlich Handlungsbedarf.
Für örtliches Glatteis scheinen vor allem die zentralen und östlichen
Mittelgebirge, später dann auch die Regionen zwischen Main und Donau (vor allem
nach Osten zu) prädestiniert. Da unklar ist, wie schnell und weit die
Niederschläge nach Südosten ausgreifen, müssen die Warnungen wohl im Nowcast
herausgegeben werden. Mit markanten Warnungen dürfte man aufgrund der
Vorgeschichte und der eher geringen Niederschlagsmengen aber in jedem Fall
auskommen.

Mit Übergreifen der Frontalzone verschärft sich auch der Gradient wieder.
Warnwürdige Böen treten an der See (Nordsee Bft 8-9, Ostsee Bft 7), im
angrenzenden Binnenland (Bft 7) und auf exponierten Mittelgebirgsgipfeln (Bft
8-9, Brocken Bft 10) auf. Einzelne, durch orographische Effekte induzierte Böen
im Lee der Eifel oder des Harzes können wohl als Einzelfälle abgehandelt werden.




Mittwoch ... wird die Achse des Rückens zu den Alpen gedrückt. Weite Teile des
Landes geraten somit in die recht glatte westsüdwestliche Höhenströmung an der
Südflanke des breiten Langwellentroges, der mittlerweile weite Teile des
Nordatlantiks und Nordeuropas überdeckt. Südwestlich von Irland trogt es etwas
stärker aus, infolgedessen sich über den Britischen Inseln ein flacher Rücken
aufwölbt. Die Kaltfront des zur Grönlandsee ziehenden Zentraltiefs erreicht in
etwa die Mitte. Dort gerät sie ins Schleifen, da als Folge des
Austrogungsprozesses südwestlich von Irland eine oder mehrere Frontalwellen
induziert werden. Demnach halten die Regenfälle über der Mitte mitunter etwas
länger an, ohne, dass Warnschwellen überschritten werden. Auch zwischen Main und
Donau regnet es geringfügig (WLA), die Glatteisgefahr zieht sich Richtung
ostbayerische Mittelgebirge zurück. Im Norden lassen die Regenfälle postfrontal
nach und auch ganz im Süden zu den Alpen zu bleibt es trocken. Dort macht sich
noch längere Zeit das Absinken vor dem Höhenrücken bemerkbar, sodass sogar die
Sonne noch zeitweise scheinen kann.

Im Vorfeld der Frontalwelle(n) fächert der Gradient im Tagesverlauf von West
nach Ost auf, sodass der Wind an der See abnimmt. Im Küstenumfeld sind
allerdings noch zeitweise steife Böen (Bft 7) zu erwarten, auf den Berggipfeln
weht der Wind weiter in Sturmstärke (Brocken Bft 10).

Mit dem Frontensystem und der westsüdwestlichen Strömung wird sehr milde
Biskayaluft herangeführt (T850 0 bis 7 Grad). Die Höchsttemperaturen liegen
verbreitet zwischen 7 und 13 Grad (höchste Werte im Lee der Eifel und am
Niederrhein), nur im Südosten, wo sich die Durchmischung noch nicht so
durchsetzen kann, hält sich bodennah Kaltluft (0 bis 5 Grad).

In der Nacht zum Donnerstag setzt sich der Austrogungsprozess westlich der
Britischen Inseln fort, die durch die kurzwelligen Troganteile gestützten
Frontalwellen erreichen die Britischen Inseln. Zwar konturiert sich die
südwestliche Höhenströmung über Deutschland antizyklonal, was aber durch
kräftige WLA und frontale Prozesse überkompensiert wird. Dementsprechend
verstärken sich die Regenfälle von Westen und erfassen im Laufe der Nacht weite
Teile des Landes. Unschärfen bei der Simulation der kurzwelligen Troganteile und
der damit in Verbindung stehenden Frontalwellen(n) führen zu größeren
Differenzen in den Niederschlagsberechnungen, sowohl was die räumliche und
zeitliche Exposition, als auch was die Mengen betrifft. Insbesondere nach
ICON-Lesart könnte es in Staulagen der Mittelgebirge zu einer
Dauerregensituation kommen. Dazu später mehr. Ein geringes Glatteisrisiko
besteht wieder am Südostrand des Niederschlagsgebietes in Teilen
Baden-Württembergs und Bayerns.

Der äußerste Süden und Südosten bleibt von alldem aber unangetastet, dort
überwiegt der antizyklonale Einfluss und es bleibt trocken. Bei längerem
Aufklaren ist auch wieder gebietsweise leichter Frost am Start, ansonsten liegen
die Tiefstwerte zwischen 11 und 1 Grad.

Der Wind bleibt in exponierten Kammlagen warnwürdig, weht vielfach in
Sturmstärke, auf dem Brocken auch mit Stärke Bft 10.



Donnerstag ... erreicht der Kurzwellentrog die Britischen Inseln, amplifiziert
sich dabei stark und zeigt Abtropftendenzen. Je noch Ausprägung des Troges, die
von den Modellen nach wie vor unterschiedlich simuliert wird, entwickeln sich
auch die kleinräumigen Tiefs bzw. Frontalwellen. Zur Verdeutlichung der
Unsicherheiten: Nach ICON(12UTC) findet man Donnerstagabend zwei Wellentiefs bei
den Scilly-Inseln und über der südlichen Nordsee, bei IFS ein Tief über der
Irischen See und bei GFS ein Tief über der nördlichen Nordsee. Fest steht aber,
dass die in der Südwestströmung schleifende Frontalzone Deutschland "beglücken"
wird. Weite Teile des Landes (mit Ausnahme des antizyklonal aufgestellten
äußersten Südens, dort sogar zeitweise etwas Sonne) werden mit Regenfällen zu
tun haben, die vor allem nach ICON in Staulagen der westlichen und zentralen
Mittelgebirge Dauerregenwarnschwellen (30-40 mm/24h) überschreiten könnten. Auch
sonst und nach den anderen Modellen stünden zumindest recht verbreitet
erkleckliche Mengen zwischen 5 und 20 mm in Aussicht. Fest steht auch, dass es
auf den Bergen weiter stürmisch bleibt (exponiert auch schwere oder orkanartige
Böen). Nach ICON wäre aufgrund des Tiefs über der südlichen Nordsee auch eine
vorübergehende Sturmsituation im Nordwesten möglich. Wahrscheinlich bleibt es
aber bei gebietsweisen steifen Böen, vor allem im Nordwesten und im
Mittelgebirgsraum.

Außer Frage steht, dass ein ungewöhnlich milder Tag ins Haus steht. T850 zieht
weiter an auf 3 bis 8 Grad, was zusammen mit guter Durchmischung zu
bemerkenswerten Höchsttemperaturen zwischen 7 und 14 Grad führt.

In der Nacht zum Freitag zieht sich der Trog westlich von uns weiter in die
Länge und neigt weiterhin dazu, abzutropfen. Seine Achse schwenkt bis nach
Nordspanien und Jütland. Deutschland bleibt vorderseitig in einer südwestlichen
Höhenströmung, in der die Frontalzone weiter schleifend eingelagert ist und nur
zögerlich nach Südosten gedrückt wird. Da die frontalen Hebungsprozesse von
Kaltluftadvektion überlagert werden, nehmen die Niederschlagsraten insgesamt
aber ab. Je nach Position der Tiefs ist gebietsweise mit steifen Böen zu rechnen
(bei IFS mit Tief über der Nordsee vor allem in der Westhälfte, bei ICON mit
Tief über der Ostsee im Nordosten), auf Berggipfeln treten noch einzelne
Sturmböen auf.

Ganz im Süden, wohin es der Tiefdruckeinfluss nicht so recht schaffen will, ist
bei Aufklaren wieder leichter Frost drin, ansonsten bleibt es (natürlich)
frostfrei bei Tiefstwerten zwischen 8 und 1 Grad.


Freitag ... vollzieht sich der Abtropfprozess des Troges über Südfrankeich, das
nördlich verbleibende Trogresiduum schwenkt im Tagesverlauf über Deutschland
ostwärts hinweg. Auf seiner Rückseite stößt der Keil des ostatlantischen
Höhenhochs in Richtung Nordosten vor und somit steigt von Westen am Boden der
Druck an, sodass sich ein Hochkeil in Richtung Süddeutschland ausweiten kann.
Die Frontalzone bekommt Schub und zieht mit leichten Regenfällen südostwärts ab.
Dahinter kommt es bei wechselnder Bewölkung noch zu einzelnen, schwachen
Schauern, die in der postfrontal einfließenden, kälteren Polarluft (T850 auf 0
bis -4 Grad absinkend) im höheren Bergland ein paar Flocken bringen können. IFS
hinkt in seiner jüngsten Simulation mit der Entwicklung etwa 12 Stunden
hinterher, hat aber ICON und GFS gegen sich. Dafür wäre es bei IFS an der
Südflanke eines Tiefs über Südskandinavien nochmal ein windiger Tag.

Da sich die (maritime) Polarluft noch nicht vollumfänglich durchgesetzt hat und
die Luft gut durchmischt daherkommt, wird es nochmal ein milder Tag bei
Höchstwerten zwischen 7 und 12 Grad.



Modellvergleich und -einschätzung
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Die Unsicherheiten bezüglich der Trogkonfiguration über Westeuropa und der
Wellentiefs, die am Donnerstag zu größeren Differenzen in den
Niederschlagsprognosen führen, wurden im Text angesprochen.
Zieht man die probabilistischen Modelle zurate, muss konstatiert werden, dass
die von ICON anvisierte Dauerregensituation in den westlichen und zentralen
Mittelgebirgen noch nicht sonderlich wahrscheinlich ist.
Auch die von ICON postulierte Sturmsituation im Nordwesten am Donnerstag, findet
sich lediglich im hauseigenen ICON-EU-EPS und im COMSO-LEPS in Form geringer
Wahrscheinlichkeiten wieder - darauf sollte man aber dennoch ein Auge haben!


Vorhersage- und Beratungszentrale Offenbach
Dipl. Met. Adrian Leyser