DWD Synoptische Übersicht Kurzfrist

06-01-2020 17:30
SXEU31 DWAV 061800

S Y N O P T I S C H E Ü B E R S I C H T K U R Z F R I S T
ausgegeben am Montag, den 06.01.2020 um 18 UTC


Markante Wettererscheinungen:
In der Nacht zum Dienstag und am Dienstag vor allem im Bergland Gefahr von
Glatteisregen. An der See und im Bergland zeitweise stürmisch.

Synoptische Entwicklung bis Donnerstag 12 UTC
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Aktuell ... liegt Deutschland unter einem Höhenrücken, bei dem die Achse von den
Pyrenäen über den Osten Deutschlands, der Ostsee und Schweden bis zum Nordmeer
reicht. Über den Britischen Inseln folgt ein recht scharfer Trog mit kurzer
Wellenlänge, der in der Nacht zum Dienstag Deutschland erfasst und den
Höhenrücken nach Osten schiebt. Ihm vorgelagert ist ein Frontensystem eines
Tiefs namens "Amrei" mit Kern nahe Island.
Es erreicht etwa ab Mitternacht den Westen Deutschlands, sodass dort leichte
Niederschläge einsetzen. Diese breiten sich bis zum Morgen bis auf eine Linie
Nordfriesland - Altes Land - Harz - Franken - Schwäbische Alb aus. Zuvor gibt es
unter Hochdruckeinfluss ("Almar") noch einmal größere Auflockerungen, weshalb
die Temperaturen außer im Nordwesten und Norden verbreitet in den leichten
Frostbereich bis -5 Grad, im Südosten bis in den mäßigen Frostbereich bis -8
Grad zurückgehen. Vor allem in den höheren Lagen reicht die Abkühlung dafür aus,
dass die Straßenbelagstemperaturen unter den Gefrierpunkt sinken, weshalb Glätte
durch gefrierenden Regen zu erwarten ist. Wo diese auftreten wird, hängt im
Wesentlichen von den Auflockerungen ab, zum Teil ist dann bis ins Tiefland
Glätte durch gefrierenden Regen nicht völlig ausgeschlossen. Die Situation kann
letztlich nur durch Nowcasting vernünftig abgewarnt werden, eine prophylaktische
Warnung würde zu große Bereiche abdecken.
Andererseits ist auch die feste Phase möglich, wenn die Schmelzschicht in
mittleren Troposphärenniveaus ("Warme Nase") nicht ausreichend sein sollte. Die
Modelle sagen zwar im höheren Bergland zum Teil Schneefall (Schneefallgrenze
sinkt auf 600 bis 700 m) vorher, dabei dürften aber maximal ein oder zwei
Zentimeter zusammenkommen, zumal die Niederschlagsmengen eh nicht sehr hoch sind
und nur bei 1 bis 5 l/qm bis zum Morgen liegen.
Glätte ist darüber hinaus auch in den niederschlagsfreien Regionen zu beachten.
In erster Linie betrifft dies den Nordosten, dort ist bis in den Abend hinein
noch etwas Regen gefallen, der in der Nacht überfrieren kann. Ansonsten sind vor
allem in Nebelgebieten stärkere Reifablagerungen mit Glätte denkbar. Am höchsten
sind die Wahrscheinlichkeiten für Nebel in der Mitte und im Süden.
Mit der Ankunft des Frontensystems frischt durch den zunehmenden Gradienten
außerdem der Wind auf. Infolgedessen treten im höheren Bergland stürmische Böen
Bft 8, exponiert Sturmböen Bft 9 auf.

Dienstag ... spaltet sich aus dem uns bereits nach Osten verlassenden Trog ein
Höhentief ab, das bis abends bis nach Oberitalien wandert. Damit zieht das
Frontensystem von "Amrei" über den Osten und Südosten Deutschlands hinweg.
Während im Norden die Niederschläge durch das Abtropfen bzw. dem steigenden
Geopotenzial nachlassen, regnet oder schneit es in der östlichen Mitte und im
Südosten zeitweise mit Mengen zwischen 1 und 5 l/qm, im äußersten Süden auch bis
7 l/qm. Erneut stellt sich die Frage nach gefrierenden Regen in den Berglagen
bzw. in einigen Tal- und Muldenlagen, in denen sich die kalte Luft noch hält.
Die Modelle beantworten dieses mit einigen "Gefrierschlangen", sodass Glätte
also weiterhin ein Thema für das Nowcasting ist. Schneefall wird von den
Modellen auch angeboten, allerdings erneut ohne die Ausbildung größerer
Schneedecken, womit eine Schneefallwarnung kaum infrage kommt.
In den anderen Gebieten lassen die Niederschläge bei steigendem Druck unter dem
Keil des Hochs "Bernd" mit Schwerpunkt über Spanien größtenteils nach und die
Wolken lockern gelegentlich auf, in der westlichen Mitte kann sich in den
Frühstunden nach den Niederschlägen jedoch Nebel bilden, der sich tagsüber
länger hält.
Bleibt noch der Wind, der mit nachlassendem Gradienten schon wieder auf dem
absteigenden Ast ist. In den östlichen und südöstlichen Mittelgebirgen sind noch
vereinzelt stürmische Böen dabei. Zum Abend hin frischt er dann bei wieder
zunehmenden Gradienten mit dem neuen Islandtief "Bianca" an der Nordsee auf mit
ersten starken Böen Bft 7.
Die Temperaturen steigen auf 0 bis 5 Grad in der Südosthälfte und auf 4 bis 9
Grad sonst.

In der Nacht zum Mittwoch wölbt sich über uns ein Rücken auf, der morgens eine
Linie Azoren - Frankreich - Polen - Baltikum - Nordwestrussland einnimmt. Er
wird von einem neuen kräftigen Langwellentrog über dem Nordostatlantik nach
Osten gedrückt, dort läuft er auf einen weiteren Langwellentrog auf, der sich
bis weit in den Süden bis ins östliche Mittelmeer erstreckt. Durch den neuen
Langwellentrog verstärkt sich Islandtief "Bianca" auf einen Kerndruck von unter
940 hPa. Deren Ausläufer erreichen im Nachtverlauf den Norden und Nordwesten,
zusammen mit kräftiger WLA kommen Regenfälle (Mengen 1 bis 5 l/qm) auf. Da es in
diesen Gebieten bei Tiefstwerten von 8 bis 1 Grad keinen Frost gibt, ist Glätte
allerhöchstens auf den höchsten Gipfeln noch relevant.
Darüber hinaus frischt aber der Wind vor allem in der Nordhälfte auf. An der See
kommt es zu starken, an der Nordsee zu stürmischen Böen. Auch in den höher
gelegenen Mittelgebirgen in der Mitte Deutschlands treten dann wieder stürmische
Böen, exponiert Sturmböen auf.
Außerhalb der Niederschlagsgebiete ist es locker bis stark bewölkt und meist
trocken, in der Mitte und im Süden bildet sich stellenweise Nebel bei
Tiefstwerten von 3 bis -4, am Alpenrand bis -6 Grad. Im äußersten Südosten
besteht Glättegefahr durch überfrierende Nässe.

Mittwoch ... wird der im Ostteil nordwärts ausgerichtete Rücken vom
Langwellentrog noch ein wenig nach Osten gedrückt, während er sonst etwas nach
Süden ausweicht. "Bianca" zieht mit dem Langwellentrog bzw. einem Anteil davon
ins Nordmeer, ohne sich großartig abzuschwächen. Das Frontensystem verlagert
sich mit der Höhenströmung über Deutschland langsam südostwärts, schwächt sich
dabei aber allmählich, da es in den Bereich höheren Drucks bzw. Geopotenzials
unter Absinken gerät und frontolytisch wird.
Die Niederschläge (1 bis 5, in Staulagen bis 8 l/qm) breiten sich bis in die
südliche Mitte aus, meist trocken bleibt es in der Südhälfte Baden-Württembergs
und Bayerns. Dort gibt es zeitweise Sonnenschein.
Mit dem Frontensystem wird milde Luft aus dem Südwesten herangeführt, sodass die
T850 hPa auf 1 bis 7 Grad steigen, am Boden werden dann 5 bis 13 Grad erreicht.
Nur im Südosten bleibt es mit 2 bis 7 Grad noch kühler. Dennoch sollten Glätte
oder Schneefall auch dort kaum noch auftreten.
Der Wind weht zunächst noch lebhaft mit starken, exponiert stürmischen Böen an
der See und im Bergland und mit Sturmböen auf exponierten Gipfeln. Am Nachmittag
schwächt er sich bereits wieder ab.

In der Nacht zum Donnerstag läuft an dem Langwellentrog von Grönland aus ein
gesplitteter Randtrog nach Südosten über den Atlantik, wobei er amplifiziert. Im
Sinne eines "Downstream Development" kommt es zur doppelten Zyklogenese über dem
Nordostatlantik westlich der Britischen Inseln. Das östliche Tief, das morgens
den Südwesten der Britischen Inseln erreicht, hält über seine Ausläufer
Verbindung zum Nordmeertief "Bianca". Die Warmfront dieser Verbindung, die
tagsüber Richtung Südosten gelaufen ist, wird nun rückläufig und macht sich
wieder nach Norden auf. So regnet es in der Mitte und im Norden gebietsweise,
mit in der Mitte allmählich abnehmender Tendenz. Die Niederschlagsmengen liegen
bei 1 bis 8, örtlich bis 10, in Staulagen bis 14 l/qm. Aufgrund der milden
Luftmasse sind winterliche Erscheinungen auch in der Nacht nicht zu erwarten.
Der Wind weht im Bergland teils noch stark bis stürmisch, auf den höchsten
Gipfeln sind Sturmböen mit von der Partie.
Im Süden bleibt es unter schwachem Hochdruckeinfluss trocken mit zeitweiligen
Auflockerungen und örtlicher Nebelbildung.
Die Temperatur geht gebietsweise nur auf sehr milde 10 und 5 Grad, im Südosten
immerhin auf 5 bis -4 Grad zurück.

Donnerstag ... nähert sich der Randtrog dem europäischen Kontinent und führt das
Tief über den Britischen Inseln in die nördliche Nordsee. Die Warmfront des
Tiefs gelangt so in den äußersten Norden Deutschlands, während von Westen her
die Kaltfront in den Westen Deutschlands zieht. Regenfälle (weiterhin keine
feste Phase) gibt es deshalb hauptsächlich im Norden und Westen, die Mengen
betragen meist zwischen 1 und 10, gebietsweise bis zu 15 l/qm.
Gleichwohl bieten EZMW und GFS eine etwas andere Lösung, weil nach diesen
Modellen das Bodentief statt zur Nordsee schon bis zur westlichen Ostsee (GFS)
bzw. bis nach Südschweden (EZMW) vorankommt und folglich auf südlicherer Bahn
unterwegs ist. Demnach würde die Kaltfront nicht nur den Westen erreichen,
sondern bereits den Süden und den Osten.
Dieses unterschiedliche Setting beeinflusst neben den unterschiedlichen
räumlichen Expositionen der Regenfälle auch die Stärke des Windes, der südlich
des Kerns am stärksten ist. Nach ICON bleibt das Windfeld außerhalb von
Deutschland, während nach EZMW und GFS der Norden davon beeinflusst wird. Ob
dann letztlich wie von EZMW angedacht starke Böen bis ins Tiefland vorkommen,
muss sich mit den nächsten Modellläufen klären. So oder so windig mit
stürmischen Böen wird es im Bergland, exponiert gibt es dort Sturmböen oder
schwere Sturmböen, auf dem Brocken sind auch Orkanböen gering wahrscheinlich.
Die Höchsttemperaturen bewegen sich zwischen 5 Grad in Südostbayern und bis 14
Grad im Westen.


Modellvergleich und -einschätzung
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Bis zum Mittwoch sind sich die Modelle einig. Am Donnerstag differieren die
Lösungen stärker mit Konsequenzen für das zu erwartende Wetter und die
auszugebenden Windwarnungen. Dieses wurde im obigen Text bereits angesprochen.


Vorhersage- und Beratungszentrale Offenbach
Dipl. Met. Simon Trippler