DWD Synoptische Übersicht Mittelfrist

04-01-2020 11:01

S Y N O P T I S C H E Ü B E R S I C H T M I T T E L F R I S T
ausgegeben am Samstag, den 04.01.2020 um 10.30 UTC



Weiterhin mild, dabei wechselhaft und an den Küsten und im Bergland teils
stürmisch.
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Synoptische Entwicklung bis zum Samstag, den 11.01.2020


Eingefleischte Winterwetterfans halten seit Wochen Ausschau nach einem
Silberstreif am Horizont, werden aber von diesem Winter bisher regelmäßig
enttäuscht. Auch am heutigen Samstag bietet die Vorhersage für die Mittelfrist
wenig Anlass, sich Hoffnungen auf einen Wintereinbruch bis ins Tiefland zu
machen.

Ausgangslage für den ab Dienstag beginnende Mittelfristzeitraum ist zunächst
eine positive NAO mit einer Rossbywellenzahl von 5. Damit ziehen in der Höhe
Trog-Keil-Muster über uns hinweg, was sich am Boden in einer Westwetterdrift mit
Dominanz der Großwetterlagen "Wa", "Wa", "SWa" und mit dem Durchzug von
Tiefausläufer mit anschließendem Zwischenhocheinfluss manifestiert. Zum
Wochenende hin - und damit schon in der erweiterten Mittelfrist - deutet sich
bei einem Rückgang der Rossbywellenzahl auf 4 oder 3 und einem dann neutralen
NAO-Index ein weit nach Norden reichendes Blocking über Skandinavien an, was
möglicherweise einen Polarwirbelsplit zur Folge hat. Sollte das sogar mit einem
Major Warming in der Stratosphäre verbunden sein, würden die Chancen auf
Winterwetter auch in den bisher vernachlässigten Regionen in Deutschland
steigen.

Zunächst aber ist am kommenden Dienstag im Detail ein sich aufwölbender Rücken
zu sehen, dessen Achse sich von den Azoren über dem Ärmelkanal bis nach
Mittelnorwegen erstreckt. Deutschland befindet sich am östlichen Rand dieses
Gebildes, wobei ein über Süddeutschland liegendes kleines Höhentief trotz
zunehmenden Drucks am Boden für leicht wechselhafte Verhältnisse sorgt. Dabei
ist noch die recht kühle maritime Luft polaren Ursprungs mit T850 hPa von -3 bis
2 Grad bei uns wirksam, die an diesem Wochenende bei uns einströmt.

Am Mittwoch wird der Rücken durch neue Tröge über dem Atlantik bereits nach
Osten und Süden abgedrängt, sodass die Achse dann von den Azoren über
Süddeutschland und Weißrussland bis in den Nordwesten Russlands reicht. Ein gut
ausgebildeter Trog über dem Nordmeer unterstützt dabei ein kräftiges Bodentief
mit einem Kerndruck von unter 940 hPa über dem nördlichen Nordmeer. Ausläufer
dieses Tiefs dringen bei wieder sinkendem Luftdruck nach Deutschland vor und
bringen einen Schwall milder Atlantikluft mit, die T850 hPa steigen auf 3 bis 9
Grad.

Am Donnerstag spannt sich erneut ein Rücken über uns auf, gleichzeitig erfolgt
unter Amplifizierung eine neue Austrogung knapp westlich der Britischen Inseln.
Das damit gekoppelte Bodentief bei Irland ist über seine Ausläufer mit den
Ausläufern des Nordmeertiefs verbunden. Diese werden über Deutschland rückläufig
und kommen wieder nach Norden voran.

Am Freitag verbleiben wir unter dem neuen Rücken, während der Trog knapp
westlich der Britischen Inseln zur Iberischen Halbinsel abtropft. Das
Trogresiduum zieht in die Nordsee und führt das Bodentief nach Südnorwegen.
Deutschland befindet sich dann im Warmsektor des Tiefs unter schwachem
Hochdruckeinfluss mit T850 hPa von 5 bis 9 Grad.

In der erweiterten Mittelfrist ab Samstag splittet sich das neue Höhentief über
der Iberischen Halbinsel in zwei Teile auf. Das nördliche Höhentief zieht über
Deutschland hinweg ostwärts. Ihm folgt rasch ein weiterer Randtrog von den
Britischen Inseln, der den Rücken nach Osten abgedrängt. Am Boden zieht die
Kaltfront eines Tiefs bei Island am Sonntag über Deutschland hinweg, nachfolgend
gelangt ein Schwall kühlerer Meeresluft zu uns. Bei T850 hPa von -3 bis 2 Grad
bringt dieser aber noch längst keinen Wintereinbruch bis ins Tiefland mit sich.
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Bewertung der Konsistenz des operationellen Laufs


Die Konsistenz des 00 UTC-Laufs des EZMW vom heutigem Samstag ist im Vergleich
zu seinen beiden gestrigen Vorläufen bis zum Donnerstag hoch. Danach nimmt sie
ab, denn nur der heutige Lauf bringt den Abtropfprozess über der Iberischen
Halbinsel, während die beiden gestrigen Läufe einen Randtrog über die Nordsee
nach Nordosten ablaufen ließen. Deutschland verbleibt am Freitag noch im
Warmsektor des nach Südnorwegen ziehenden Tiefs. Damit sind am Freitag weniger
Niederschläge zu erwarten, und vor allem nach Norden hin auch bis zu 5 Kelvin
höhere Temperaturen. Am Wochenende nehmen die Unterschiede weiter zu.
Höhentiefsplit, neuer Trog und Kaltfront am Sonntag wurden von den Vorläufen
entweder gar nicht oder ganz anders prognostiziert. Der Sonntag würde dem
neuesten Modelllauf zufolge wechselhafter ausfallen, zudem würde nachfolgend
eine um ca. 5 bis 6 Kelvin kühlere Luftmasse bei uns einströmen.
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Vergleich mit anderen globalen Modellen


Bereits am Dienstag zeigen sich Unstimmigkeiten zwischen den Modellen. Das
kleine Höhentief ist beim ICON und GFS nur als Randtrog über Polen zu sehen.
Danach sind sich die Modelle eine Zeitlang wieder recht ähnlich. Ab Freitag
jedoch nehmen die Unterschiede erneut zu, ähnlich zu den Konsistenzbetrachtungen
im vorherigen Abschnitt. ICON lässt den neuen Randtrog gar nicht erst abtropfen,
sondern über Deutschland hinweg nach Osten und Südosten ziehen. GFS hingegen hat
einen Abtropfprozess vergleichbar zum EZMW auf der Karte, das Trogresiduum
selber wandelt sich jedoch in ein eingeständiges Höhentief um, das über den
Nordosten Deutschlands hinweg südostwärts wandert. GEM und NAVGEM folgen dem
EZMW in weiten Teilen, aber nicht in Sachen Höhentiefs am Dienstag und am
Wochenende.
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Bewertung der Ensemblevorhersagen


Die Rauchfahnen des EZMW-Ensembles zeigen für diverse deutscher Städte bereits
am Dienstag eine recht hohe Streuung. Haupt- und Kontrolllauf betten sich
allerdings gut im eng definierten Median ein, was der Vorhersage eine gewisse
Sicherheit verleiht. Nach den obigen Aussagen trifft dies erwartungsgemäß ab
Freitag auch in den Rauchfahnen nicht mehr zu. Der Verlauf ab Freitag ist daher
als sehr unsicher anzusehen.

Das bestätigen auch die Clusteranalysen. Für den Zeitraum Donnerstag, 0 UTC bis
Samstag, 0 UTC gibt es 6 Cluster. Die Austrogung am Donnerstag haben zwar alle
im Programm, aber mit unterschiedlichen Weiterentwicklungen, ähnlich wie es beim
Vergleich mit den anderen globalen Modellen zu sehen war. Recht einheitlich wird
noch das Positive-NAO-Regime bis Donnerstag prognostiziert, am Freitag
allerdings nicht mehr, da 3 der 6 Cluster dann auf Blocking umstellen.

Von Sonntag, 0 UTC bis Dienstag, 0 UTC werden 4 Cluster geliefert. Positive NAO
und Blocking haben jeweils 50 % Anteil. Einigermaßen einheitlich wird nur der
Rücken gerechnet, aber nicht wie er sich verlagern soll, oder ob er von
Randtrögen oder Höhentiefs traktiert wird. Eine belastbare Aussage für diesen
Zeitraum ist kaum möglich.

FAZIT: Das milde und wechselhafte Wetter bis zum Donnerstag ist sicher, wobei
Detailfragen offen bleiben. Am Wochenende dominiert voraussichtlich zunächst
Hochdruckeinfluss bei weiterhin milden Temperaturen. Ob und wann dieser beendet
wird, ist aus heutiger Sicht kaum zufriedenstellend zu beantworten. Immerhin
gibt es Signale für ein Blocking und damit einem Ende der Westwetterdrift, ob
dieses aber ausreicht, dass bei uns Winterwetter Einzug hält, ist höchst
fraglich.
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Wahrscheinlichkeiten für signifikante Wettererscheinungen


WIND:
Wie bei Westwetterlagen nicht ungewöhnlich ist es zeitweise recht windig.
Aufgrund der nördlichen Lage der Frontalzone bzw. der Tiefdruckgebiete, die zum
Teil kräftige Exemplare ihrer Spezies sind, reicht es bei uns wahrscheinlich
nicht für eine deutschlandweite Sturmlage. Den Ensembles zufolge kaprizieren
sich von Dienstag bis Freitag stürmische Böen Bft 8 und Sturmböen Bft 9 auf die
Küsten und das Bergland, exponiert bzw. in freien Lagen treten zeitweise schwere
Sturmböen Bft 10 auf, auf den höchsten Gipfeln mit geringer Wahrscheinlichkeit
auch orkanartige Böen Bft 11.
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Basis für Mittelfristvorhersage
EZMW und MOSMIX, nach "hinten raus" EZMW-MOS und EZMW-ENS mit der Grundlage EZMW
als statistisch bestes Mittelfristmodell.
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VBZ Offenbach / Dipl. Met. Simon Trippler