DWD Synoptische Übersicht Mittelfrist

03-01-2020 11:01

S Y N O P T I S C H E Ü B E R S I C H T M I T T E L F R I S T
ausgegeben am Freitag, den 03.01.2020 um 10.30 UTC



Unbeständig und mild bis sehr mild, dabei vor allem im Norden und auf den Bergen
zeitweise stürmisch.
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Synoptische Entwicklung bis zum Freitag, den 10.01.2020


Am Montag, zu Beginn des mittelfristigen Vorhersagezeitraumes, liegt Deutschland
unter einem breiten Höhenrücken, dessen Achsen sich von Frankreich aus bis ins
Europäische Nordmeer bzw. bis nach Polesien erstrecken. Flankiert wird dieser
Rücken von zwei Trögen: Im Osten von einem Trog, der von seinem einen
Drehzentrum über Nowaja Semlja bzw. über der Karasee über den europäischen Teil
Russlands hinweg bis ins östliche Mittelmeer (weiteres Drehzentrum in der Ägäis)
reicht; und im Westen von einem relativ kurzwelligen Trog, der von Island bis
zur Keltischen See weist. Am Boden verlagert das zu Tagesbeginn noch im Südosten
vorhandene Hoch seinen Schwerpunkt unter Abschwächung ins südöstliche
Mitteleuropa bzw. in Richtung Balkan. Bei zunächst antizyklonaler Krümmung der
Isobaren bleibt es in der südwestlichen bis westlichen Grundströmung meist noch
trocken, im äußersten Norden kann man vor allem in der ersten Tageshälfte
ansatzweise Strukturen einer Warmfront erkennen, deren Wetteraktivität
allerdings sehr begrenzt ist. Mit der westlichen Strömung wird milde Meeresluft
herangeführt, die Temperatur im 850-hPa-Niveau steigt an: morgens liegt sie noch
zwischen -4 °C im Osten und +4 °C im Westen, abends erreicht sie zwischen -1 °C
im Osten und knapp +7 °C im Nordwesten. Im Tagesverlauf überquert die westliche
Achse des Höhenrückens Deutschland, wodurch wir zunehmend auf die Vorderseite
des westeuropäischen Kurzwellentroges gelangen. Auf dessen Vorderseite befindet
sich eine Kaltfront, die zu einem Sturmtief bei Jan Mayen gehört und in der
zweiten Hälfte der Nacht zum Freitag auf den Westen Deutschlands übergreift. Sie
nimmt dabei immer mehr Eigenschaften einer Okklusion an. Auch der Kurzwellentrog
schwenkt im Laufe der Nacht unter Vergrößerung seiner Amplitude herein. Über der
Mitte Deutschlands lässt sich zum Morgen die -25 °C-Isotherme in 500 hPa finden.
Nichtsdestotrotz fallen die mit Front und Trog einhergehenden Niederschläge
weitgehend schwach aus: innerhalb von sechs Stunden fallen nur 1 bis 4 mm.

Am Dienstag spaltet sich aus dem Trog ein eigenständiges Höhentief Marke
Kaltlufttropfen (T500 um -25 °C) ab, das mittags über Ostbayern zu finden sein
und nachfolgend über die Alpen nach Süden ziehen soll und im Südosten zeitweilig
für schauerartige Niederschläge sorgt. Das Trogresiduum zieht über den Nordosten
ohne nennenswerte Wetteraktivität nach Polen ab. Sonst gibt es im Zusammenhang
mit der Okklusion vor allem in der ersten Tageshälfte zeit- und gebietsweise
leichten Regen. In der zweiten Tageshälfte sorgt ein dem Trogresiduum folgender
Rücken für weitgehend trockene Verhältnisse. Allerdings nähert sich von
Nordwesten her schon wieder die Warmfront eines Tiefs östlich von Island und
bringt bevorzugt in der Nacht zum Mittwoch in der Nordwesthälfte schwache
Niederschläge. Die T850 streut tagsüber mehr oder weniger um 0 °C und steigt bis
zum Tageswechsel von Nordwesten her mit der Annäherung der Warmfront auf Werte
zwischen 0 °C südlich der Donau und um 9 °C im Nordwesten an.

Am Mittwoch befinden wir uns bei ziemlich glatter westliche Höhenströmung
zunächst im breiten Warmsektor des mittlerweile ins Seegebiet östlich von Jan
Mayen gezogenen Tiefs. Dabei wird ganz Deutschland mit (sehr) milder Meeresluft
geflutet. Die T850 weist mittags Werte zwischen gut 0 °C äußersten Norden und 6
°C in der Mitte auf. In der zweiten Tageshälfte dringt die Kaltfront in die
Nordhälfte Deutschlands vor, kommt dann allerdings nicht mehr sehr weit nach
Süden voran, da sie einerseits in leicht antizyklonales Regime (am Boden mehr
als in der Höhe) gelangt und andererseits in die Warmfront eines weiteren
Sturmtiefs westlich von Irland übergeht. So macht sich der Rückgang der T850 auf
0 bis -2 °C auch nur im Norden und Nordosten Deutschlands bemerkbar, sonst
bleibt es ungefähr gleich mild. Die Niederschläge erfassen jedoch weite Teile
Deutschlands, ausgenommen davon bleibt aus derzeitiger Sicht der Bereich südlich
der Donau, wo der antizyklonale Einfluss überwiegt.

Am Donnerstag weitet sich über dem Atlantik ein Trog unter Verkürzung seiner
Wellenlänge nach Süden aus. Dadurch dreht die Höhenströmung im Zusammenspiel mit
der Ausbildung eines abgeschlossenen Höhenhochs mit Schwerpunkt über Oberitalien
zunehmend auf Südwest. Die Warmfront des mittlerweile bei den Färöern liegenden
und zur Norwegischen See ziehenden Sturmtiefs überquert zwar Deutschland,
wodurch die T850 verbreitet zwischen 5 und 8 °C erreicht, ihre Wetteraktivität
bleibt jedoch vor allem auf den äußersten Norden beschränkt. Dort regnet es
zeitweise leicht bis mäßig. Sonst bleibt es dank des hohen Geopotenzials und
leicht antizyklonaler Krümmung der Isohypsen meist trocken. In der Nacht zum
Freitag tropft aus dem langgezogenen Trog schließlich ein Höhentief ab, der
relativ runde Rest des Troges zieht weiter in Richtung Skandinavien. Die auf
dessen Vorderseite befindliche Kaltfront greift dann von Nordwesten her über und
erreicht morgens in etwa die nördliche Mitte Deutschlands. Sie sorgt
gebietsweise für etwas Regen. Der Rückgang der Temperatur im 850-hPa-Niveau
erfolgt sukzessive, im äußersten Norden geht sie auf -2 °C zurück, im Vorfeld
der Front liegt sie noch um 5 °C.

Am Freitag weitet sich zwar der Trog über Skandinavien wieder etwas nach Süden
aus, den äußersten Norden erreicht die -25 °C-Isotherme, sodass es dort für
einzelne Schauer reichen könnte, der weitere Südvorstoß von Höhenkaltluft
erfolgt aber erst mit dem weiteren Schwenken des Troges weiter östlich über
Polen. Hinter dem Trog baut sich sukzessive ein Höhenrücken auf, wobei wir in
eine nordwestliche Höhenströmung geraten. Zuvor kommt die Kaltfront des über die
Bottenwiek nach Finnland und schließlich nach Weißkarelien ziehenden Tiefs
weiter nach Süden voran und erreicht abends das Alpenvorland. Sorgt sie zunächst
vor allem in der Mitte und im nördlichen Süden noch für etwas Regen, lässt ihre
Wetteraktivität im Tagesverlauf angesichts des Aufbaus des Höhenrückens immer
mehr nach, zumal sich auch am Boden über dem westlichen Ausgang des Ärmelkanals
ein Hoch aufbaut, das sich noch etwas weiter aufbläht und seinen Schwerpunkt
nach Nordfrankreich und in die Südwesthälfte Deutschlands verlagert.
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Bewertung der Konsistenz des operationellen Laufs


Die Konsistenz des aktuell vorliegenden IFS-Laufes kann bezüglich der
großskaligen Strukturen als recht gut bis mäßig bezeichnet werden. Mal mehr, mal
weniger ausgeprägte Unterschiede ergeben sich vor allem im Timing und in der
Amplitude der Strukturen, was dann auch gewisse Unterschiede bei der Temperatur
und bei den Niederschlägen ergibt. So ist beispielweise die Ausprägung des
Troges am Dienstag und die damit korrelierenden Niederschläge weiterhin
unsicher. Er wird zwar aktuell schärfer gerechnet als im gestrigen 12-UTC-Lauf,
jedoch nicht so scharf wie im gestrigen 00-UTC-Lauf, dafür aber mit
abgeschlossene 560er-Isohypse. Auch beim Trog am Freitag gibt es noch
Unterschiede. Im neuesten Lauf weist dieser im Gegensatz zum gestrigen Frühlauf
nur eine flache Kontur auf, wodurch die Niederschlagsaktivität insgesamt
gedämpfter bliebe. Generell sind auch bei der Stärke der Druckgebilde gewisse
Unterschiede vorhanden, die dann in unterschiedlichen Ausprägungen der
Windgeschwindigkeit resultieren. So zeigten der gestrige 00- und 12-UTC-Lauf für
Mittwoch noch eine veritable Sturmlage in weiten Teilen Deutschlands, die nun
fast komplett vom Tisch wäre.

Insgesamt gesehen wird die vorherrschende milde Westwetterlage jedoch konsistent
simuliert.
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Vergleich mit anderen globalen Modellen


Wie auch bei den Konsistenzbetrachtungen offenbart sich auch beim
Modellvergleich, dass zwar die grundsätzlichen großskaligen Strukturen ähnlich
sind, Amplitude bzw. Stärke und Timing aber durchaus größere Unterschiede von
Modell zu Modell haben können. Alle Modelle simulieren eine Abfolge von
Trog-Rücken-Strukturen und eine aktive Westwetterlage. Am markantesten
hinsichtlich der Unterschiede ist der Mittwoch. ICON zeigt dabei eine sehr
stramme Nordwestströmung, in der es nicht nur wie bei IFS an der Küste und im
Bergland zu stürmischen Böen oder Sturmböen kommt, sondern verbreitet. An der
Küste gäbe es demnach teilweise schwere Sturmböen, auf den Bergen orkanartige
oder Orkanböen. Dort ginge - auch verursacht durch den besser ausgebildeten Trog
über Nordeuropa - postfrontal die T850 auch deutlich stärker zurück als bei IFS,
bei GFS bleibt es sogar durchweg mild. Sonst ist GFS relativ ähnlich. Auch am
Donnerstag simulieren IFS und GFS ähnlich, bei ICON käme die Kaltfront erst im
Laufe des Freitags.
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Bewertung der Ensemblevorhersagen


Während bei den Rauchfahnen für eine repräsentative Auswahl deutscher Städte die
Kurvenschar zu Beginn der Mittelfrist am Montag und Dienstag noch einigermaßen
noch einigermaßen gebündelt ist, läuft sie am Mittwoch zunächst stark
auseinander (Abkühlung T850), am Donnerstag wieder etwas zusammen (Erwärmung)
und am Freitag wieder auseinander (erneute Abkühlung). Dabei liegen Haupt- und
Kontrolllauf im oberen Drittel, jedoch meist nur knapp oberhalb oder sogar im
Bereich der wahrscheinlichsten Lösung. Allgemein lässt sich an den Rauchfahnen
sowohl für T850 als auch für das Geopotenzial erkennen, dass der Norden eher von
Trogstrukturen und von niedertroposphärischen Kaltluftvorstößen getroffen wird
als der Süden: Die Linienführung ist im Norden nämlich viel zackiger, während
sie im Süden viel ruhiger ist. Niederschlagssignale gibt es ab Dienstag bei
einer Vielzahl von Membern.

Beim Clustering gibt es für den Zeitraum von Montag bis Dienstag (T+72...96h)
drei Cluster, die mit 22, 17 und zwölf Membern besetzt sind. Der Kontrolllauf
korrespondiert mit dem zweiten, der deterministische Lauf mit dem dritten
Cluster. Für Mitteleuropa sehen die Cluster gar nicht mal so unterschiedlich
aus, aber auch hier gilt, dass die synoptischen Strukturen mal mehr, mal weniger
stark ausgeprägt sind. Beispielsweise zieht in der Nacht zum Dienstag im zweiten
Cluster ein viel schärferer Trog über die Nordsee ostwärts (was in etwa dem
gestrigen 00-UTC-Lauf entspricht). Dieser Trog ist zwar in den anderen beiden
Clustern auch vorhanden, aber nicht ganz so scharf.
Für den Zeitraum von Mittwoch bis Freitag (T+120...168h) existieren vier
Clustern (17/14/11/9 Member), alle zeigen des Regime einer positiven NAO, was
für die aktive Westwinddrift spricht. Der Kontrolllauf lässt sich dem ersten,
der deterministische Lauf dem vierten Cluster zuordnen. Alle zeigen Mitteleuropa
im Wechselspiel von Trog- und Rückenstrukturen, wobei vor allem das vierte
Cluster den stärksten antizyklonalen Einfluss zeigt. Vor allem das zweite
Cluster zeigt hingegen kaum amplifizierte Tröge und Rücken. Auch im Bodenfeld
zeigt das vierte Cluster die stärkste Antizyklonalität, während bei den anderen
Clustern ein Hoch mit signifikanten Einfluss auf unseren Raum kaum oder nur
kurzzeitig aufgebaut wird.
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Wahrscheinlichkeiten für signifikante Wettererscheinungen


Am Montag gibt es tagsüber wahrscheinlich nur auf exponierten Berggipfeln
stürmische Böen oder Sturmböen aus Südwest bis West. Erst gegen Abend zeigt
ICON-EU EPS eine Zunahme der Wahrscheinlichkeiten für Böen der Stärker 8 an der
Nordseeküste. Während ICON-EU EPS in der Nacht zum Dienstag dann an der Nordsee
und im höheren Bergland deutliche Signale für Sturmböen und an der Ostsee für
stürmische Böen bringt, ist IFS EPS da deutlich zurückhaltender und zeigt an der
Nordsee an exponierten Abschnitten etwas erhöhte Wahrscheinlichkeiten für Bft 8.
Käme dies so, würde eine gelbe Grundwarnung mit dem berühmten Häkchen für die
exponierten Lagen reichen. COSMO-LEPS bildet ein Zwischending zwischen ICON-EU-
und IFS EPS.

Am Dienstag lässt der Gradient vorübergehend nach, sodass zunächst nur in den
Hochlagen stürmische Böen oder Sturmböen (Bft 8-9) wahrscheinlich sind (vor
allem nach ICON-EU EPS, zum Teil auch bei COSMO-LEPS). Gegen Abend frischt der
Südwest- bis Westwind merklich auf und in der Nacht zum Mittwoch sind dann an
der Nordsee und im Norden Schleswig-Holsteins Sturmböen (Bft 9), an der Ostsee
und im norddeutschen Tiefland stürmische Böen (Bft 8) aus westlichen Richtungen
wahrscheinlich. Das wird relativ unisono gezeigt, wobei IFS EPS die stürmischen
Böen nicht ganz so weit ins Binnenland hinein bringt. Auf Berggipfeln kommt es
zu schweren Sturmböen (Bft 10), exponiert auch orkanartigen Böen (Bft 11).

Am Mittwoch wird die Windlage in den EPSen unterschiedlich behandelt. ICON EPS
ist - wie auch die Deterministik - deutlich aggressiver und zeigt in der
Norddeutschen Tiefebene verbreitet Sturmböen (Wahrscheinlichkeiten 25 bis 45 %),
an der Küste schwere Sturmböen (vor allem Nordsee, dort bis 70 %
Wahrscheinlichkeit). IFS ist deutlich zurückhaltender, zwar gibt es auch dort
Signale für stürmische Böen im norddeutschen Tiefland, jedoch mit geringerer
Wahrscheinlichkeit. Auf den Berggipfeln kann es schwere Sturmböen oder
orkanartige Böen geben.

Am Donnerstag und in der Nacht zum Freitag sowie am Freitag gibt es
wahrscheinlich nur auf höheren Bergen und an der See stürmische Böen oder
Sturmböen, mit geringer Wahrscheinlichkeit auch im Binnenland.

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Basis für Mittelfristvorhersage
IFS, IFS EPS, EZ-MOS oder MOSMix
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VBZ Offenbach / M.Sc. Met. Stefan Bach