DWD Synoptische Übersicht Mittelfrist

02-01-2020 12:30

S Y N O P T I S C H E Ü B E R S I C H T M I T T E L F R I S T
ausgegeben am Donnerstag, den 02.01.2020 um 10.30 UTC



Unbeständiger und windiger bis stürmischer Witterungsabschnitt. Mild oder sehr
mild. Kein Tieflandwinter in Sichtweite
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Synoptische Entwicklung bis zum Donnerstag, den 09.01.2020


Am Sonntag zu Beginn des mittelfristigen Zeitraums liegt Deutschland auf der
Vorderseite eines ausgeprägten Rückens über West- und Südwesteuropa, dessen
Achse sich von Nordwestfrankreich über die Nordsee bis nach Skandinavien zieht.
Gleichzeitig erstreckt sich ausgehend von Nordwestrussland ein Trog mit recht
kurzer Wellenlänge, aber großer Amplitude südwärts bis an die Küsten Afrikas.
Bodennah korreliert der Rücken mit einem kräftigen Hoch mit Schwerpunkt über
Frankreich und Süddeutschland. Dabei wird die eingeflossene kalte Luft polaren
Ursprungs mit Temperaturen in 850 hPa am Sonntagmorgen zwischen -2 und -9 Grad
mit einer zunehmend westlichen Grundströmung in der unteren Atmosphäre
allmählich wieder nach Osten abgedrängt. Niederschläge sind zum Start in die
Mittelfrist vor allem noch am Alpenrand sowie im Verlauf auch im Küstenumfeld zu
erwarten.

Am Montag schwenkt schließlich die Achse des Höhenrückens über Deutschland
hinweg, sodass die westlichen Teile langsam schon auf die Vorderseite eines
Kurzwellentroges, der sich ausgehend von einem Höhentief bei Island südwärts bis
zur Iberischen Halbinsel erstreckt. Auch bodennah gelangt das Land bei
Übergreifen von WLA zunehmend in die diffluente, meist aber noch antizyklonal
geprägte westliche bis südwestliche Grundströmung, die Deutschland mit milderer
Luft versorgt. Nennenswerte Niederschläge sind aber erst mit Übergreifen der
nachfolgenden Kaltfront in der Nacht zum Dienstag zu erwarten.

Ab Dienstag wiederholt sich das Spiel wieder. Über dem Ostatlantik macht sich
erneut ein kräftiges Höhenhoch breit, das sich allmählich ostwärts verschiebt.
Auf der Vorderseite fließt am Dienstag wieder kältere Luft polaren Ursprungs
ein, sodass die Temperaturen in 850 hPa von Werten zwischen 0 und 8 Grad (im
äußersten Nordosten bis -2 Grad) am Montag auf Werte zwischen -1 und -3
zurückgehen. Da in diesem Fall der Kurzwellentrog über Ostdeutschland bzw. dem
östlichen Mitteleuropa etwas schwach auf der Brust ist, fließt nicht ganz so
kalte Luft nach Deutschland.

Ab Mittwoch erhöht das Wettergeschehen bzw. die übergeordnete Zirkulation seine
Frequenz. Hat die Kombination von Trogrückseite mit kalter Luft und
Trogvorderseite mit WLA und Zustrom milder Luft bisher rund zwei Tage in
Anspruch genommen, wälzt sich diese Wettermaschinerie ab Mittwoch in etwa in 24
Stunden über Mitteleuropa hinweg. Mir Durchschwenken der Rückenachse und
Übergreifen von WLA und entsprechender Warmfront am Boden wird das Land bis
Mittwochmittag wieder mit milderer Luft geflutet, bevor schon am Nachmittag mit
einer nordwestlichen Strömung eine Kaltfront über das Land hinweg gepresst wird
und rückseitig kühlere Luft ins Land schiebt. Der Donnerstagmorgen steht dann
wieder im Zeichen milder Luft.

Verantwortlich für die wiederkehrenden Wetterabläufe ist eine recht hohe Anzahl
an Rossby-Wellen. Somit tummeln sich zahlreiche Trog-Rücken-Kombinationen auf
der Nordhalbkugel, die mit einer im Mittel recht zonalen westlichen
Grundströmung über West- und Mitteleuropa hinweggeführt und schließlich von
einem kontinentalen Hoch über Russland geblockt werden. Resultierend wird das
Höhentief über Südosteuropa stetig regeneriert, sodass von der Balkanregion bis
in den östlichen Teil der Türkei sowie an der Mittelmeerküste Israels im Zustrom
kalter Luft wiederholt teils kräftige Niederschläge auftreten.
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Bewertung der Konsistenz des operationellen Laufs


Die Konsistenz des heutigen 00 UTC Laufes des IFS bezüglich der großskaligen
Strukturen ist vor allem zum gestrigen 00 UTC bis Mittwoch als gut anzusehen.
Lediglich die Ausprägung des durchschwenkenden Kurzwellentroges am Dienstag wird
vom aktuellen Lauf etwas stärker, im Vergleich zum gestrigen 12 UTC Lauf jedoch
schon wieder signifikant schwächer simuliert. Bodennah korreliert der Trog mit
einer Okklusion, deren Wetteraktivität auch von der Intensität des
Kurzwellentroges in der Höhe getriggert wird.

Ab Mittwoch nehmen die Unterschiede zwischen den vergangenen Modellläufen zu. Im
Vergleich zu den gestrigen Interpretationen zeigt der heutige IFS Lauf deutlich
zonalere Strömungsverhältnisse über West- und Mitteleuropa, sodass die
Frontalzone mit teils kräftigen Niederschlägen sich insgesamt weiter nach Süden
schiebt. Des Weiteren sind auch bei der Stärke der Geopotential- und
Luftdruckgebilde zu verzeichnen.
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Vergleich mit anderen globalen Modellen


Die Betrachtung weiterer Globalmodelle führender Wetterdienste (ICON, GFS, GEM)
neben dem EZMW (IFS) liefert uns bei der Luftdruck- und Geopotentialverteilung
rasch eine recht hohe Entropie. Zwar zeigen nahezu alle Modelle die hohe Anzahl
an Rossby-Wellen und den damit einhergehenden Wechsel von
Trog-Rücken-Kombinationen, im Detail sind aber gravierende Unterschiede bei
Wellenlänge, Amplitude und Timing/Frequenz zu verzeichnen. Als Folge wird von
den Modellen keine annähernd einheitliche Niederschlagsverteilung und
-intensität simuliert.

Schon am Sonntag, zu Beginn des mittelfristigen Zeitraums, werden die
Geopotential- und Luftdruckgebilde leicht unterschiedlich gezeigt. ICON zieht
gleich die Zügel an und verlagert die Gebilde etwas rascher, während das GFS den
Trog über Osteuropa mit einer etwas größeren Amplitude versieht. Zudem berechnet
ICON bodennah über Mitteleuropa noch einen kurzwelligen Anteil, den das EZMW nur
andeutet und GFS eigentlich gar nicht im Programm hat. Entsprechend liefert ICON
deutlich kräftigere Niederschläge.

Am Montag und Dienstag vergrößern sich die angesprochenen Unterschiede weiter.
Der zeitliche Versatz von ICON zu IFS und GFS nimmt weiter zu. Gleichzeitig
tendiert das GFS wiederholt zu einer stärkeren Ausprägung der Geopotential- und
Luftdruckmuster. Am Dienstag wären nach Leseart von ICON die Niederschläge
abgesehen vom Alpenstau schon wieder nach Osten abgezogen, während GFS und EZMW
diese noch direkt über Deutschland zeigen. Insgesamt beschreibt das IFS des EZMW
die langsamste Entwicklung und GFS eine Mittellösung beim Timing. Dies führt
dazu, dass das rasche ICON am Mittwoch schon eine Welle voraus ist und somit zum
IFS vergleichbare Strukturen zeigt. Das GFS liegt dabei in etwa genau konträr zu
diesen. Im Detail stehen sich somit ein Rücken über dem Ostatlantik bei ICON und
IFS und ein Trog beim GFS gegenüber. Auffällig ist ab Dienstag auch, dass ICON
die Geopotentialgebilde nun sogar noch stärker berechnet als das GFS. Die
beschriebenen Unterschiede beim Timing machen sich schließlich auch beim Wetter
in Deutschland bemerkbar. Die Niederschlagsverteilung von GFS und EZ sind nun
voneinander abgekoppelt.
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Bewertung der Ensemblevorhersagen


Die Rauchfahnen verschiedener ausgewählter Städte in Deutschland zeigen sowohl
beim Geopotential als auch bei der 850 hPa Temperatur illustrativ das Auf und Ab
des Wettergeschehens.
Der mittelfristige Zeitraum startet bei der Temperatur am Sonntag in der
Talsohle. Das Ensemble weist allerdings schon zu Beginn einen deutlichen
Unsicherheitsbereich auf, der sich im Verlauf weiter aufspannt. Bis Dienstag
kann zumindest eine große Drängung von Ensemblemember beobachtet werden, in die
auch der Haupt- und der Kontrolllauf einzuordnen sind. Ab Mittwoch gehen die
Modellläufe des ENS überwiegend unterschiedliche Wege. Auch der Haupt- und der
Kontrolllauf trennen sich und zeigen verschiedene Lösungen.
Beim Geopotential sieht es ähnlich aus. Auch dort startet die Mittelfrist mit
einem Trog, also mit tiefem Geopotential, über Deutschland. Es folgen im Wechsel
hohes und tiefes Geopotential mit stark zunehmenden Unsicherheiten. Vor allem
bei der Interpretation der durchschwenkenden Tröge gibt es signifikante
Unterschiede innerhalb des ENS. Entsprechend der Unterschiede im zeitlichen
Ablauf und der Ausprägung der Geopotentialstrukturen weisen auch die
Niederschlagsprognosen große Unsicherheiten auf.

Die Clusteranalyse weist für den mittelfristigen Zeitraum von +72h bis 96h
insgesamt vier Grundmuster aus, welche die Unsicherheiten des ENS ausreichend
beschreiben. Dabei sind alle Cluster blockierenden Schemata zu zuordnen.
Zunächst wird diese über dem Atlantik, im Verlauf über Europa gesehen. Die
Zuordnung in die gleichen Schemata drücken sich auch bei der großskaligen
Geopotential- und Luftdruckverteilung durch, indem zwischen den Clustern nur
geringe Unterschiede zu verzeichnen sind. Cluster 1 und Cluster 2 sind nahezu
identisch. Cluster 2 berechnet lediglich die Strukturen etwas stärker. Haupt-
und Kontrolllauf befinden sich in Cluster 1.
Im Zeitraum +120h bis +168h machen sich die schon in den Rauchfahnen
beobachteten zunehmenden Unsicherheiten auch in der Clusteranalyse bemerkbar,
indem nun sechs Cluster benötigt werden um die Unterschiede der Geopotential-
und Luftdruckstrukturen einzufangen. Mit einer kleinen Ausnahme bei Cluster 5
werden aber alle Lösungen dem Schema einer positiven NAO, also verhältnismäßig
tiefes Geopotential bei Island und quasi normal hohes Geopotential bei den
Azoren, zugeordnet. Doch die Unterschiede liegen im Detail und sind mehr oder
weniger signifikant ausgeprägt. Zusammenfassend kann festgehalten werden, dass
mit Mittel über den betrachteten Zeitraum eine zonale Grundströmung von
Neufundland bis nach Mitteleuropa herrscht, mit der wiederholt die schon
häufiger erwähnten Trog-Rücken-Kombinationen ostwärts wandern. Die Unterschiede
der sechs Cluster beschreiben dabei ein ähnliches Wirrwarr wie das, was uns die
Betrachtung der verschiedenen Globalmodelle schon lieferte. Auch innerhalb des
IFS-ENS gibt es größere Abweichungen beim Timing, der Wellenlänge und der
Amplitude der Trog-Rücken-Kombinationen.
Umso überraschender ist es, dass in der erweiterten Mittelfrist von +192h bis
+240h anscheinend nur zwei Cluster ausreichen, die Unterschiede der Strukturen
ausreichend zu beschreiben. Diese nahezu gleichverteilten Cluster zeigen jedoch
sehr konträre Strukturen. Während 29 Mitglieder nach Durchzug eines
Kurzwellentroges über Deutschland eine Blockierung samt Südwestdröhnung sehen,
bevorzugen 22 Member des ENS eine Blockierung bei den Britischen Inseln und
somit einen Zustrom kälterer Luft. Der Haupt- und auch der Kontrolllauf stützen
dabei das erste Cluster.
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Wahrscheinlichkeiten für signifikante Wettererscheinungen


Im mittelfristigen Zeitraum gibt es überwiegend nur Hinweise für signifikante
Windgeschwindigkeiten. Die Temperaturen fallen nach Leseart des EFI vor allem
zum Ende der Mittelfrist allenfalls leicht zu hoch aus, für
überdurchschnittliche Niederschlagsmengen zur Referenzperiode sind derzeit keine
Signale zu erkennen. Demnach nun zurück zum Wind.

Am Sonntag und Montag bläst dieser in Böen lediglich im Küstenumfeld sowie in
Gipfellagen der Mittelgebirge und der Alpen stark bis stürmisch. Die markanten
Böen (Bft 8) werden dabei je nach Region bzw. Bergspitze durch
Wahrscheinlichkeiten zwischen 10 und 50%, im Harz und der Eifel am Montag auch
bis 70% gestützt.
Ab Dienstag legt der Wind abgesehen von kurzen Unterbrechungen stetig zu. Im
Bergland zeigen am Dienstag demnach 15 bis 50%, im Schwarzwald 60% und im Harz
bis 90% der Läufe des C-LEPS, EZ-EPS und ICON-EPS stürmische Böen oder Sturmböen
(Bft 8 bis 9). An der See werden diese Windspitzen von 20 bis 40% der Member
gesehen. In Gipfellagen von Harz, Schwarzwald und Erzgebirge gibt es auch
geringe Hinweise bis 5% für einzelne orkanartige Böen (Bft 11). Am Mittwoch geht
es dann noch ruppiger zu. Verbreitet stützen Wahrscheinlichkeiten von 20 bis
50%, im Nordwesten bis 75% des EZ-EPS stürmische Böen oder Sturmböen (Bft 8 bis
9) bis in tiefe Lagen. In höheren Lagen werden bis zu 90% gezeigt. Vor allem in
den Hochlagen des Schwarzwaldes, des Harzes und des Erzgebirges sind auch
schwere Sturmböen im Programm, auf dem Brocken gibt es geringe Werte bis 5% für
orkanartige Böen. Am Donnerstag nehmen die Windgeschwindigkeiten wieder ab.
Stürmische Böen oder Sturmböen werden beim EZ-EPS noch von 5 bis 25%, im höheren
Bergland sowie an der See von bis zu 50% der Modellläufe gesehen. Einzelne
schwere Sturmböen in Gipfellagen von Harz und Erzgebirge sind nicht
ausgeschlossen.

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Basis für Mittelfristvorhersage
EZ-EPS, ICON-EPS; Deterministische Modelle aufgrund der Unsicherheiten nur
bedingt zu empfehlen.
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VBZ Offenbach / Dipl. Met. Lars Kirchhübel