DWD Synoptische Übersicht Mittelfrist

30-12-2019 12:01

S Y N O P T I S C H E Ü B E R S I C H T M I T T E L F R I S T
ausgegeben am Montag, den 30.12.2019 um 10.30 UTC



Mild und vor allem an den Küsten zeitweise windig. Vor allem ab Samstag
unsichere Prognose.
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Synoptische Entwicklung bis zum Montag, den 06.01.2020


Am Donnerstag, zu Beginn des mittelfristigen Vorhersagezeitraumes, erstreckt
sich ein Langwellentrog von Grönland über Island bis ins Seegebiet westlich der
Britischen Inseln. Dieser wird flankiert von einem breiten Rücken, dessen eine
Achse von der Iberischen Halbinsel bis nach Nordnorwegen und dessen andere Achse
bis zur Krim reicht. Gestört wird dieser Rücken von einem Kaltlufttropfen, der
nach dem neuesten deterministischen IFS-Lauf im Tagesverlauf von der
französischen Region Grand Est in die südliche Mitte Deutschlands ostwärts zieht
und am Freitagmorgen als Kaltlufttropfen-Residuum über die Neiße ostwärts.
Angefüllt ist er mit in 500 hPa bis zu -27 °C kalter Luft, im 850-hPa-Niveau
geht die Temperatur in seinem Dunstkreis auf 0 bis -2 °C zurück. Durch die
moderate Labilisierung werden für den Donnerstag im Südwesten gebietsweise
leichte Schauer simuliert. Die über Deutschland südwestliche Bodenströmung wird
durch hohen Luftdruck von der Iberischen Halbinsel bis zum Balkan (über 1030
hPa) einerseits und durch ein markantes Sturmtief östlich von Jan Mayen
andererseits bestimmt. Auf der Vorderseite des o.e. Troges finden sich zwei
Fronten, von denen die eine - in Form einer Kaltfront - zum eben erwähnten Tief
gehört und die andere - von der Struktur her eher eine Okklusion - ohne
Tiefanbindung etwas weiter östlich liegt. Im Tagesverlauf gelangen wir immer
mehr auf die Vorderseite des Langwellentroges, wodurch sich auch die Fronten
immer mehr unserem Vorhersagegebiet nähern. Die Okklusion erreicht in der Nacht
zum Freitag die Deutsche Bucht und schwenkt unter allmählichem Konturverlust bis
Freitagmorgen weiter südostwärts, sodass es bis zu einer Linie
Mecklenburg-Hunsrück etwas Regen geben wird. Markanter ist da schon die
Kaltfront, die sich gegen Morgen von Nordwesten her nähert und im Norden
Schleswig-Holsteins vielleicht auch schon einmal 5 mm in sechs Stunden bringen
kann. Im Vorfeld frisch der Wind auf und bringt vor allem an den Küsten ab dem
Abend streife bis stürmische Böen.

Am Freitag schwenkt die Kaltfront von Nordwesten her über Deutschland hinweg.
Sie erreicht am Abend eine Linie vom Oderbruch bis zum Hunsrück und gegen
Samstagmorgen die Alpen. Dabei bringt sie nahezu flächendeckend Niederschlag,
wobei die sechsstündigen Mengen sich meist in der Größenordnung zwischen einem
und fünf Millimetern bewegen. Vielmehr bringt sie einen Rückgang der
850-hPa-Temperatur um ca. 6 K auf abends und in der Nacht um -5 °C im Norden,
gegen Morgen erreicht die 0 °C-Isotherme dann auch die Alpen (T850 dort vorher
um 5 °C). Die feste Phase ist dann am ehesten in den Hochlagen der Alpen, ggf.
auch noch des Bayerischen und des Schwarzwaldes ein Thema. Erwähnenswert ist
auch der Wind, der im Vor- und Umfeld der Front an der See und in den Leelagen
der Mittelgebirge zeitweise mit steifen, in Nordfriesland und in Gipfellagen
auch stürmischen Böen daherkommt. Indes erreicht Deutschland abends auch der
thermische Trog, der allerdings mit Werte um -25 °C in 500 hPa deutlich
moderater ausfällt als noch im gestrigen 00-UTC-Lauf. Schauer sollten sich
demnach auf den äußersten Norden begrenzen, also dort, wo auch die höhenkälteste
Luft liegt und Nord- bzw. Ostsee noch ein wenig zu Labilisierung beitragen.

Am Samstag erstreckt sich ausgehend von einem Hoch mit Schwerpunkt westlich der
Bretagne ein Keil in den Süden Deutschlands, dennoch findet man dort an den
Alpen noch frontale Rest, die dann staubedingt noch für ein wenig Regen,
oberhalb von etwa 1200 bis 1500 m sorgen können. Der mittlerweile nach
Skandinavien vorangekommene Trog verkürzt im Tagesverlauf ein wenig seine
Wellenlänge, vergrößert aber dafür seine Amplitude. Dadurch kann auch die
Höhenkaltluft weiter nach Süden vorstoßen. Vom Timing her geschieht das
allerdings so, dass der Hauptkaltluftkörper über dem östlichen Mitteleuropa nach
Süden vorstößt und nur der Nordosten - mit T500 um -31 °C - davon vorübergehend
gestreift wird. Westlich flankiert wird der Trog von einem breiten Höhenrücken
auf dem nahen Ostatlantik, der sich bis ins Europäische Nordmeer erstreckt. Den
Norden erreicht dagegen in der zweiten Tageshälfte ein neues, okkludierendes
Frontensystem, das aus seiner einst einigermaßen zonalen Orientierung immer mehr
in eine diagonale Richtung vom Südosten in den Nordwesten Deutschlands kippt.
Über der Nordsee geht sie über in die Warmfront eines Sturmtiefs über der
Irmingersee. Zwar gelangt auf der kalten Seite der Front noch einmal ein
kleinerer Schwall Kaltluft in die Nordosthälfte, der Temperaturrückgang in 850
hPa fällt allerdings moderat aus, sodass sich insgesamt am Temperaturniveau in
dieser Höhe wenig ändert. Vielmehr verschärft sich besonders nördlich der
Mittelgebirge der Luftdruckgradient und verbreitet steife bis stürmische Böen,
im Küstenumfeld teils auch Sturmböen, exponiert sogar schwere Sturmböen
auftreten, wobei sich das Hauptwindfeld mit der Front verlagert. Erwähnenswert
wäre noch, dass im Umfeld der Front Regen, in den Hochlagen der östlichen
Mittelgebirge Schnee fällt, wobei die sechsstündigen Mengen meist zwischen 1 und
5 mm liegen.

Am Sonntag schwenkt die Achse des Höhenrückens über Skandinavien hinweg bis zum
Baltikum. Sie kommt dabei zum Tageswechsel auch über der Nordwesthälfte
Deutschlands zu liegen. Zuvor machen sich noch die (warm-)frontalen Reste des
mittlerweile nach Jan Mayen gezogenen Sturmtiefs bemerkbar, die trotz im Süden
vorhandenen Hochkeils (Schwerpunkt weiterhin westlich der Bretagne) vom Südosten
bis in den Nordwesten vor allem in der ersten Tageshälfte für Regen (in den
höchsten Lagen des Bayerischen Waldes, Fichtelgebirges und der Alpen, ggf. auch
des Erzgebirges für Schnee) sorgen. Die Niederschlagsneigung lässt allerdings
durch den vorankommenden Rücken im Tagesverlauf nach. Dafür setzt von Westen her
ein Milderungsprozess ein, der die T850 abends im Westen schon auf bis 3 °C
steigen lässt, während man zu diesem Zeitpunkt im äußersten Osten noch die -5
°C-Isotherme findet.

Am Montag befindet sich Deutschland zunächst komplett im breiten Warmsektor des
knapp südlich von Bjørnøya vorbeiziehenden Sturmtiefs. Die T850 liegt dabei grob
zwischen -2 und +2 °C. Die Achse des Höhenrückens zieht südostwärts ab und wird
von kurzwelligen Troganteilen gefolgt. Diese unterstützen die im Tagesverlauf
von Norden hereinkommende Kaltfront bei der Generierung von
Niederschlagsprozessen bzw. generieren diese abseits der Front selbst (die
Mengen sind aber in der Fläche überschaubar). Vor allem im Westen dringt die
Kaltfront nicht weit nach Süden vor, da sie bereits wieder in eine in Richtung
nördliche Nordsee weisende Warmfront übergeht.
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Bewertung der Konsistenz des operationellen Laufs


Die Konsistenz des aktuellen deterministischen IFS-Laufes ist zunächst als mäßig
und ab dem Wochenende als schlecht zu bewerten.
Der oben erwähnte Kaltlufttropfen, der am Donnerstag von Frankreich her die
südliche Mitte überqueren bis Freitagmorgen über die südliche Mitte ziehen soll,
wird erst seit dem neuesten Lauf so gerechnet. In den vorangegangenen Läufen
sollte dieser über Frankreich zu den Pyrenäen (00-UTC-Lauf von gestern) bzw.
nach Oberitalien (12-UTC-Lauf) ziehen. Demnach wäre das Temperaturniveau im
850-hPa-Niveau im Umfeld des Kaltluftropfens am Freitag niedriger (am Boden aber
durch etwas Durchmischung ggf. sogar höher) und es würde im Südwesten
gebietsweise Schauer geben. Der Kaltfrontdurchgang am Freitag wird hingegen
relativ konsistent gerechnet. Während sich dem gestrigen 00-UTC-Lauf zufolge
nachfolgend am Samstag ein Hoch mit Schwerpunkt über den Britischen Inseln
ausprägen sollte, liegt der Schwerpunkt in den beiden neusten Läufen westlich
der Bretagne. In der dadurch resultierenden eher westlichen statt nordwestlichen
Strömung geht auch das Temperaturniveau nicht ganz so stark zurück wie noch vom
gestrigen 00-UTC-Lauf apostrophiert. Auch die Höhenströmung ist durch veränderte
Trogmuster nun eher eine nordwestliche statt einer nördlichen. Für den Sonntag
zeigte der gestrige Frühlauf einer Verlagerung des Hochschwerpunktes nach
Mitteleuropa und am Montag schließlich nach Osteuropa. Im heutigen Lauf
verbleibt der Schwerpunkt vielmehr westlich der Bretagne, am Montag sogar noch
weiter westlich. Das hat zur Folge, dass nicht nur das Temperaturniveau meist
höher bleibt, sondern dass in der mehr zyklonal geprägten Strömung immer mal
wieder frontale Strukturen übergreifen können, auf die oben detaillierter
eingegangen wurde.

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Vergleich mit anderen globalen Modellen


Ein Vergleich einer Auswahl an Globalmodellen zeigt für den Donnerstag bei ICON
und IFS ein vergleichbares Setup mit dem über Deutschland hinweggeführten
Kaltlufttropfen. GFS hingegen favorisiert einen Mittelweg aus den gestrigen
IFS-Läufen und lässt den Kaltlufttropfen nach Südfrankreich ziehen. Dadurch
bleibt das T850-Niveau hierzulande zunächst auch höher (4 bis 9 °C statt -2 bis
+7 °C).
Auch die Kaltfront am Freitag wird von ICON und IFS ähnlich simuliert, wobei
beim IFS die T850 postfrontal zunächst etwas stärker zurückgeht. GFS zeigt diese
Kaltfront erst in der Nacht zum Samstag. Auch was den Trogvorstoß angeht,
unterscheiden sich die Modelle sehr stark. Vom Timing her sind IFS und ICON zwar
ähnlich, aber zum einen ist der Trog vom ICON schärfer und zum anderen der
thermische Trog viel weiter nach Süden erstreckt. So kommt beim ICON die -35
°C-Isotherme bis in den (äußersten) Nordosten voran. Auch GFS zeigt einen
scharfen Trog, allerdings zeitlich deutlich nach hinten verschoben, dafür aber
mit sehr weiter Erstreckung nach Süden - die -35 °C in 500 hPa erreichen dabei
in der Nacht zum Sonntag sogar die Alpen, im äußersten Nordosten sind es fast
-40 °C, im äußersten Westen ca. -33 °C. Bei ICON und IFS erreicht dagegen schon
höhenmilde Luft weite Teile Deutschlands, sodass im äußersten Westen bereits -16
°C erreicht werden. Auch von der der Lage des Hochs ähneln sich IFS und ICON,
während GFS weiterhin die Lösung des gestrigen IFS-00-UTC-Laufes (Hoch mit
Schwerpunkt Britische Inseln) bevorzugt. Entsprechend viel kälter ist beim GFS
auch die T850 (-9 bis -13 °C gegenüber -2 bis -9 °C (ICON) bzw. 0 bis -7 °C
(IFS). Auch zu Beginn der neuen Woche sind die Globalmodelle sehr
unterschiedlich: GFS mit Hochschwerpunkt (1042 hPa) über Süddeutschland, ICON
Hoch (1034 hPa) ebenfalls über Süddeutschland und IFS mit Hochschwerpunkt (1034
hPa) westlich der Bretagne. Zwar zeigen alle in der Höhe antizyklonalen
Einfluss, jedoch in deutlich voneinander abweichender Form. Beim ICON fällt der
Warmsektor mit bis zu +8 °C sehr markant aus.
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Bewertung der Ensemblevorhersagen


Die Kurvenschar der Rauchfahnen einer repräsentativen Auswahl deutscher Städte
ist für den Donnerstag sowohl beim Geopotenzial als auch bei der
850-hPa-Temperatur aufgefächert, vor allem in den mittleren, teils auch
nördlichen Regionen Deutschlands. Das zeigt die Unsicherheiten, die mit dem
Kaltlufttropfen in Verbindung stehen. Haupt- und Kontrolllauf liegen in etwa
mittig und im Bereich der wahrscheinlichsten Lösung.
Am Freitag laufen die Kurven wieder etwas zusammen (das spricht für eine gewisse
Sicherheit des Kaltfrontdurchgangs), um dann ab Samstag völlig auseinander zu
laufen (ab Sonntag gibt es noch nicht einmal mehr eine wahrscheinliche Lösung).
Haupt- und Kontrolllauf liegen tendenziell im unteren Drittel, um sich dann zum
Montag hin der Mitte anzunähern.

Für den Zeitraum von Donnerstag bis Freitag (T+72...96h) gibt es drei Cluster,
die mit 25, 15 und elf Membern besetzt sind. Haupt- und Kontrolllaut
korrespondieren mit dem ersten Cluster. In allen drei Clustern erstreckt sich
ein Höhenrücken über Mitteleuropa, der von einem Kaltlufttropfen gestört ist. In
den ersten beiden Clustern zieht der Kaltlufttropfen in etwa auf gleicher
Zugbahn, im dritten Cluster etwas weiter südlich. Im dritten Cluster ist zudem
die Kaltfront noch ein wenig weiter außen vor.
Für den nachfolgenden Zeitraum von Samstag bis Montag (T+120...168h) existieren
fünf, mit 15, 13, neun, neun und fünf Membern besetzte Cluster. Haupt- und
Kontrolllauf lassen sich weiter dem ersten Cluster zuordnen. Unterschiede gibt
es dabei in der Lage- und Ausprägung der Rücken und Tröge. So ähnelt
beispielsweise das dritte Cluster am Sonntag der GFS-Lösung. Auch die Position
der Bodendruckgebilde wird von den Clustern teils sehr unterschiedlich
dargestellt. Insgesamt gesehen hat das natürlich Auswirkungen auf
Wettergeschehen und Temperatur. Da die Unsicherheiten aber noch so groß sind -
wie die Cluster ja zeigen - soll hier nicht noch einmal darüber diskutiert
werden.
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Wahrscheinlichkeiten für signifikante Wettererscheinungen


Ab dem Donnerstagabend, vor allem aber in der Nacht zum Freitag sind an der
Nordsee stürmische Böen (Bft 8) aus Südwest wahrscheinlich (Wahrscheinlichkeit
bei IFS-EPS um 40-60 %), an der Ostsee (und da vor allem exponierten Abschnitten
wie Kap Arkona) hingegen nur gering wahrscheinlich (IFS-EPS ca. 20 %). Auf dem
ohnehin sturmerprobten Brocken gibt es ab der Nacht Sturmböen (Bft 9). Ähnlich
sieht es auch am Freitag aus.

Am Samstag sind vor allem nördlich der Mittelgebirgsschwelle verbreitet steife
bis stürmische Böen (Bft 7-8) aus westlichen Richtungen, im Küstenumfeld
Sturmböen (Bft 9) wahrscheinlich. Im Binnenland zeigt IFS-EPS eine
Wahrscheinlichkeit von 50 bis 80 % für Bft 7 und 20 bis 45 % für Bft 8. An
exponierten Küstenabschnitten können zudem mit geringer Wahrscheinlichkeit
schwere Sturmböen auftreten, schwache Signale sind dazu vorhanden. Auf dem
Brocken sind einzelne orkanartige Böen (Bft 11) zu erwarten.

Am Sonntag treten nach letzten Böen ausgangs der Nacht wahrscheinlich keine
signifikanten Wetterereignisse auf. Auch am Montag muss voraussichtlich nichts
mit markant bewarnt werden.

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Basis für Mittelfristvorhersage
IFS, IFS-EPS, MOSMix
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VBZ Offenbach / M.Sc. Met. Stefan Bach