DWD Synoptische Übersicht Kurzfrist

29-12-2019 08:30
SXEU31 DWAV 290800

S Y N O P T I S C H E Ü B E R S I C H T K U R Z F R I S T
ausgegeben am Sonntag, den 29.12.2019 um 08 UTC


GWL und markante Wettererscheinungen:
Hoch Mitteleuropa (HM), Übergang zu West antizyklonal (Wa)

Ruhiges Hochdruckwetter mit ausgeprägten Tagesgängen, nachts im Süden häufig
mäßiger Frost. Nur geringe Nebel- und Glätteneigung.

Synoptische Entwicklung bis Dienstag 24 UTC
--------------------------------------------------------------
Sonntag... liegt Deutschland auf der Vorderseite eines umfassenden Rückens mit
Zentrum über der südlichen Biskaya. Dessen Achse erstreckt sich nordwestwärts
über die Straße von Dover über Jütland bis zum Baltikum. Dadurch wird das
Bodenhoch WILTRUD gestützt, das sich aktuell mit nahe 1044 hPa über dem
Böhmischen Becken befindet. Es sorgt innerhalb einer stark gealterten
kontinentalen Luftmasse (cPs, Theta 850 < 20 Grad, T 850 > 0 Grad) vielfach für
freundliches Wetter mit entsprechend großen Tagesgängen der Temperatur. So
starten wir insbesondere in weiten Teilen Bayerns aus dem mäßigen Frostbereich
und gelangen am frühen Nachmittag mit 1 bis 5 Grad, am Nordrand der
Mittelgebirge in NRW föhnig unterstützt bis 8 Grad) nahezu überall in den
positiven Bereich. Lediglich in Flusstälern mit ganztägigem Nebel sowie in
Muldenlagen der östlichen Mittelgebirge ist ein Eistag wahrscheinlich. Aufgrund
der aktuellen Nebelausdehnung ist dies im südlichen Oberrheingraben am ehesten
vorstellbar.

Im Norden schließt sich unmittelbar nördlich der Keilachse die Frontalzone an,
die recht zonal über Skandinavien hinweg verläuft. Im Zuge einer
Warmfrontpassage, die derzeit die norwegische Küste erreicht hat wird auch der
Norden Deutschland von Warmluftadvektion gestreift, was sich in ausgedehnten
hohen und mittelhohen Wolkenfeldern widerspiegelt. Aufgrund der trockenen
Grundschicht und der südlichen Anströmung aus dem Hoch heraus sollten sich
beobachtete Niederschläge auf Fallstreifen beschränken. Allenfalls an der
dänischen Grenze und auf den Ostseeinseln können wenige Tropfen auch mal den
Boden erreichen.

Gleichwohl macht sich die Nähe zur Frontalzone mit einer leichten
Windauffrischung bemerkbar, so dass zum Abend über der freien Nordsee erste
Windböen (Bft 7) aus Südwest auftreten.

In der Nacht zum Montag verlagert sich das WLA Maximum zum Baltikum und nach
Westrussland. Skandinavien und auch die nördliche Nordsee gelangen auf die
Rückseite einer (wellenden) Kaltfront, wobei die dazugehörige KLA bis in die
mittlere Troposphäre ausgreift. Dadurch wird die Keilachse effektiv von Norden
etwas "abgehobelt", so dass die Aufgleitbewölkung leichter bis zum Main und zum
Erzgebirge vordringen kann. Das reduziert entsprechend die nächtliche
langwellige Ausstrahlung, weshalb im Norden eine leichte Frostabschwächung
greift. Nördlich einer Linie Emden-Hamburg-Usedom bleibt es weitgehend
frostfrei. In der Südhälfte ist (persistent, da vielfach windstill und klar)
erneut häufig mäßiger Frost zwischen -5 und -10 Grad zu erwarten. In der
weiterhin sehr trockenen Luftmasse bleiben Nebel und lokale Reifglätte die
Ausnahme.

An der See und in Gipfellagen der Mittelgebirge kommt es exponiert zu Windböen.


Montag... setzt sich die antizyklonal geprägte Zonalisierung vom Norden bis zur
Mitte Deutschlands langsam, aber kontinuierlich fort. So verläuft die Keilachse
zum Abend schon über Süddeutschland bis zur Ukraine. WILTRUD ist inzwischen über
dem Balkan angelangt, hält seine schützende Hand aber noch über weite Teile
Mitteleuropas. Anfängliche WLA über der Lausitz ebbt immer mehr ab, womit die
Wolkendecke auch dort immer mehr Lücken bekommt. Im Rest des Landes ist es
abgesehen von vereinzelten Nebelfeldern ohnehin meist sonnig. Erst zum Abend
machen sich in Küstennähe vermehrt tiefe Wolkenfelder als "Vorboten" einer sich
nähernden (maskierten) Kaltfront bemerkbar.

Mit der oberhalb der Grenzschicht zunehmenden westlichen Strömung setzt sich
mildere Luft durch, die in einen Anstieg der 850 hPa Temperaturen auf 6 bis 9
Grad mündet. Noch etwas darunter in rund 900 hPa sind am Inversionspeak vielfach
Temperaturen um oder gar über 10 Grad zu finden. Das macht summa summarum in der
Südhälfte eine Temperaturdifferenz (Anstieg) von teils 15 Kelvin auf den
untersten 1000 Metern. Aufgrund der geringen Durchmischung merkt man aber auch
ohne zähe Nebelfelder in tiefen Lagen Süddeutschlands häufig noch nicht viel von
der allgemeinen Erwärmung, so dass bei Höchstwerten zwischen 0 und 5 Grad meist
Schluss ist. Anders verhält es sich da schon nördlich von Main und Mosel, wo der
tagsüber mäßige Südwestwind die Temperaturen auf 6 bis 11 Grad hochtreibt.
Besonders auf den Bergen herrscht bei ebenfalls zweistelligen Höchstwerten eine
tolle Fernsicht.

Durch den kontinuierlichen seichten Druckfall ohne großen Überhang bleibt der
Gradient recht moderat mit Windböen, exponiert stürmischen Böen im höheren
Bergland und an der See.

In der Nacht zum Dienstag greift auf Norddeutschland eine wenig wetterwirksame -
da von Kaltluftadvektion überlaufene - Kaltfront über. Aufgrund der
vorgelagerten Kontinentalluft und der rückseitig von der Nordsee einströmenden
subpolaren Meeresluft hat sie maskierten Charakter. Dem zugrundeliegenden
Temperaturprofil (siehe höhenmilde Vorgeschichte) ist die Niederschlagsphase
unstrittig flüssig, aber bei 1 bis 6 Grad unkritisch. Mehr als 1-2 Liter pro
Quadratmeter sind nicht zu erwarten. Wenn die Niederschläge in den Frühstunden
aber die Mittelgebirgsschwelle erreichen, kann es dort nach frostiger Nacht für
eine vorübergehende Glatteisbildung reichen. Gleichwohl soll an dieser Stelle
betont werden, dass eine brisante Glatteislage wohl eher nicht ins Haus steht
(unsicheres Timing, kein tief gefrorener Boden, geringe Niederschläge).

In der Südhälfte verläuft die Nacht analog zu den Vornächten ruhig und abgesehen
von lokalen Nebelfeldern oft klar und mit 0 bis -7 Grad frostig kalt.

Mit und nach Frontpassage sind an der Ostsee stürmische Böen aus West bis
Nordwest wahrscheinlich (COSMO-LEPS vor allem vom Darß bis nach Rügen mehr als
50%). Auf dem Brocken und Fichtelberg treten teils schwere Sturmböen auf.

Dienstag... schwenkt ein sich leicht amplifizierender Kurzwellentrog von
Südschweden zum Balkan, wodurch die Höhenströmung auf Nordwest dreht. Die
bodennahe Kaltfront bringt in der ersten Tageshälfte vor allem Richtung Lausitz
noch geringe Regenfälle (maximal 1-2 l/qm binnen 6 Stunden) und löst sich dann
von Westen immer mehr auf. Nicht ausgeschlossen, dass von der Oberlausitz bis
ins Vogtland kleinräumig und vorübergehend nochmal Glatteis ein Thema wird.
Deren Auflösung ist vorderseitiger NVA eines sich aufwölbenden (regenerierenden)
Ostatlantikrückens geschuldet, der von einem für unser Wettergeschehen
belanglosem, aber skurril anzuschauenden "Höhenei" über der Keltischen See
unterbrochen beziehungsweise gestört wird.

Am sonnigsten wird es im durchweg präfrontalen Südwesten sowie in Ostholstein
und Mecklenburg, wo sich postfrontal vorübergehend Skandinavienföhn bemerkbar
macht.

Die gut durchmischte einströmende subpolare Meeresluft setzt sich effektiv nur
im Norden und Osten durch. Dadurch liegen dort die Höchstwerte recht einheitlich
bei etwa 8 Grad. Im Westen und Süden ist weiterhin die kontinentale Luftmasse
der Vortage wetterwirksam, weshalb je nach Höhenlage und Sonnenschein 2 bis 10
Grad zu erwarten sind.

Der Wind bleibt durch die Passage des Kurzwellentroges in der Nordosthälfte
lebhaft mit starken bis stürmischen Böen an der Ostsee und im östlichen
Bergland. Mit geringer Wahrscheinlichkeit (COSMO-LEPS unter 30%) setzen sich
auch von Vorpommern über Berlin/Brandenburg bis nach Sachsen einzelne Windböen
(Bft 7) bis zum Boden durch.

Die Silvesternacht verläuft unter Hochdruckeinfluss ruhig und bis auf den
Nordosten wird es vielfach leichten Frost geben. Aufgrund der starken Inversion
ist mit erheblichen und länger andauernden Sicht- und Geruchsbehinderungen durch
abbrennendes Feuerwerk zu rechnen.

Modellvergleich und -einschätzung
--------------------------------------------------------------
In den synoptischen Basisfeldern ergeben sich keine signifikanten
Modellunterschiede. Hinsichtlich der Prognose tiefer Bewölkung sticht das Euro4
mal wieder heraus, das bereits Montag Früh einen dichten "Teppich" über Ost- und
Nordfriesland simuliert. Aus der Erfahrung heraus und als Alleinstellungsmerkmal
scheint das aber übertrieben.

Vorhersage- und Beratungszentrale Offenbach
Dipl. Met. Robert Hausen