DWD Synoptische Übersicht Mittelfrist

24-12-2019 11:01

S Y N O P T I S C H E Ü B E R S I C H T M I T T E L F R I S T
ausgegeben am Dienstag, den 24.12.2019 um 10.30 UTC



Freitag kräftiger Alpenstau mit erheblichem Neuschnee im Bergland. Danach
deutschlandweit meist trocken und mild bis sehr mild, nur im Osten normal
temperiert. In den Nächten im Süden und Osten vielerorts leichter Frost. Zum
Wochenbeginn im Norden wechselhafter und windiger.
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Synoptische Entwicklung bis zum Dienstag, den 31.12.2019


Die Zeichen stehen auf mild. Klammert man temporäre Rückseitenwetterlagen aus,
so überwiegen die Vorzeichen für eine Fortdauer der zu milden Witterung und das
bis über die Mittelfrist hinaus.

Nachdem aktuell innerhalb der Aufrisse der Geopotentialanomalie nördlich von 65
Grad Nord eine geringfügig und gekoppelte positive Anomalie analysiert bzw.
berechnet wurde, sehen die Vorhersagen besonders innerhalb der Troposphäre eine
zunehmend negative Abweichung für Ende Dezember/Anfang Januar (wiederum
potentiell gekoppelt an die Stratosphäre, wenngleich schwächer ausgeprägt).
Dieses troposphärische Erstarken des Polarwirbels steht im Einklang mit der zu
erwartenden Intensivierung des Polarwirbels in der Stratosphäre, der in 10 hPa
bei rund 65 Grad Nord aktuell mittlere Zonalwinde etwas über dem
klimatologischen Mittel aufweist.
Dabei besitzt der Wirbel in der Stratosphäre aktuell eine ovale Struktur mit
einem Zentrum über dem südlichen arktischen Ozean bzw. knapp nördlich von
Grönland. Eine in 10 hPa über Nordafrika schwach aufgestellte Warmanomalie wird
in der Folge die Mittelfrist über nach Asien und während der erweiterten
Mittelfrist in den nordpazifischen Raum advehiert und intensiviert sich dort
deutlich durch verstärkten polwärtigen Wärmetransport. Dennoch deutet aktuell
kaum ein Ensemblemitglied an, dass sich der Wirbel dadurch sonderlich
abschwächt. Im Gegenteil intensiviert er sich in der Stratosphäre die gesamte
Mittelfrist und darüber hinaus bis in die erste Januarwoche und wird durch die
positive Temperaturanomalie eher zentral und symmetrisch über dem Nordpol
gehalten mit einer kräftigeren Ausdehnung in den atlantischen und europäischen
Sektor.
Somit wird in der Mittelfrist erst einmal der ovale Part des Wirbels über dem
Nordatlantik dort tendenziell niedriges Geopotential favorisieren (CPC dort mit
transienten negativen 500 hPa-Anomalien in Bezug auf die Klimatologie von 1979
bis 2000), während sich stromab ein kräftiger und hochreichender Keil nach
Westeuropa aufwölbt und dort mit positiven Geopotentialanomalie aufwartet. Was
zudem auffällt ist eine allgemeine Abnahme der positiven Geopotentialanomalie im
hohen Norden (u.a. von Grönland bis Russland erstreckend) im Zuge der
zunehmenden Intensivierung des Polarwirbels in allen Schichten. Die AO und NAO
stützen dies durch in den positiven Bereich ansteigende Ensemblevorhersagen.
Zusammengefasst bedeutet das in der Mittelfrist bis Ende Dezember eine für
Mitteleuropa noch blockadelastige Wetterlage, die im Verlauf der ersten
Januarwoche jedoch zunehmend in eine windige und wechselhafte
West-/Nordwestwetterlage umkippt, wobei das allgemeine Sturmpotential über dem
Nordatlantik und zumindest über Nordwesteuropa stetig zunehmen sollte.

Zum Beginn der Mittelfrist, am Freitag, den 27.12., baut sich die angesprochene
positive Geopotentialanomalie in Form eines veritablen Höhenrückens über
Südwest- und Westeuropa auf und streckt seine Fühler bereits nach Deutschland
aus. Dort überwiegt an seinem Ostrand noch eine Nordwest- bis Nordströmung, in
der Feuchte- bzw. Frontenreste an die Alpen geführt werden und dort für
anhaltende und kräftige Niederschläge sorgen (Schneefallgrenze um 1000 m). Der
letzte IFS Lauf (00 Z) zeigt gar eine südostwärts über die Vogesen zur Schweiz
ablaufenden Warmfrontwelle mit recht üppige Niederschlägen für den Südwesten und
den Alpenstau. Ansonsten aber überwiegt mit andauernder Advektion feuchter
Nordseeluft der graue Himmelcharakter mit sonst nur geringer
Niederschlagsneigung.

In der Folge beginnt dann der antizipierte Keileinfluss, wobei die Keilachse am
Samstag noch über die Biskaya nach England gerichtet ist und am Sonntag sowie in
der Nacht zum Montag zunehmend nach Deutschland wandert.
Bedeutet, dass während dieser Zeit (also von der Nacht zum Samstag bis in die
Nacht zum Montag) meist ruhiges Hochdruckwetter vorherrscht. Es gibt sicherlich
kleinere (u.a. der Jahreszeit geschuldete) Wermutstropfen. Besonders während der
noch westlich von Deutschland befindlichen Keilachse können mehrere Fronten in
abgeschwächter Form den Norden und Nordosten von Deutschland erfassen und
bringen dichte Bewölkung bzw. etwas Niederschlag. Inwieweit dichte Bewölkung
auch noch die Mitte und den Süden erfasst bleibt mit Blick auf Stärke und timing
der Keilachsenverlagerung abzuwarten. Ein weiterer Wermutstropfen ist der
Nebel/Hochnebel. Grundsätzlich verlaufen die Nächte unter der zunehmenden
Absinkinversion und der einsickernden feuchten Luft vielerorts nebelanfällig und
die Tage teils hochnebelartig bedeckt, teils aufgelockert bewölkt. Der Wind
spielt kein Thema.

Etwas interessanter wird dann der Montag, wo sich das Höhenhoch über
Südwesteuropa beginnt retrograd in Richtung Azoren zu verlagern und der
nördliche "part" des Keils zunehmend progressiv nach Osten in Richtung Osteuropa
geführt wird. In der Folge scheint sich dann die Abnahme der positiven
Geopotentialanomalie im hohen Norden durch verstärke Tiefdrucktätigkeit in eben
diesen Bereichen auszuwirken. Der aktuelle Lauf deutet über Skandinavien einen
sich rasch etablierenden Trog an, der mit einem umfangreichen Bodentief
gekoppelt eine Kaltfront mit modifizierter Polarluft nach Deutschland lenkt. Mit
postfrontalen 850 hPa Temperaturwerten um 0 Grad wird es jetzt aber nicht
wirklich kalt.

Der Dienstag steht im Zeichen hohen Luftdrucks im Süden, während der Norden noch
von der Frontalzone beeinflusst wird. Besonders den Norden und Osten erfassen
weiterhin leichte Niederschläge, die sich auf dem Weg nach Süden rasch
abschwächen.

Die 850 hPa Temperaturwerte steigen von Freitag +1 Grad im Westen und -8 Grad im
Osten auf durchweg zweistellige Werte zum Wochenbeginn, sodass es besonders im
gesamten Westen mit T2m-Werten von 6 bis 10 Grad für diese Jahreszeit mild bis
sehr mild wird. Derweilen verbleiben die Höchstwerte im Osten bis einschließlich
Sonntag mit 1 bis 4 Grad im mäßig kalten bis normalen Bereich, bevor die
Temperatur auch dort von Westen rasch ansteigt.

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Bewertung der Konsistenz des operationellen Laufs


Die Mittelfrist wird von einer Keilpassage geprägt, die Deutschland meist
ruhiges und für die Jahreszeit zunehmend mildes Wetter beschert. Erst zum Ende
der Mittelfrist, ab Montag, dem 30.12., nehmen die Modellunsicherheiten zu, da
der Keil abgeschwächt nach Osten wandert. Gleichzeitig nimmt der
Tiefdruckeinfluss von Nordwesten zu, wobei die Modellläufe von IFS noch große
Unsicherheiten zeigen, wie schnell eine Kaltfront nach Deutschland geführt
werden soll. Zum Dienstag nehmen die Unsicherheiten noch weiter zu, wobei der
00Z Lauf vom 23.12. mit einem Trog, der letzte Lauf von IFS mit einem breiten
Keil über Deutschland aufwartet.
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Vergleich mit anderen globalen Modellen


Etwas anders sieht die Entwicklung der Mittelfrist mit Blick auf die weiteren
Globalmodelle aus. GFS geht bereits zum Beginn der Mittelfrist seinen eigenen
Weg und lässt am Freitag einen kräftigen Randtrog von Benelux an die Alpen
ziehen. Dabei weicht diese Lösung von ICON und IFS ab, die eine deutlich
glattere Nordwest- bis Nordströmung andeuten. Während bei GFS die Niederschläge
dank der kräftigeren Entwicklung auch östlicher (bis zur Mitte Deutschlands)
ausgreifen, deutet sich nach IFS mit einer Warmfrontwelle ein
Niederschlagsmaximum im Südwesten an. Egal wie, eine üppige Staulage entlang der
Alpen mit reichlich Neuschnee oberhalb von 1000 m sollte zu erwarten sein.

Die nachfolgende Keilaufwölbung wird wieder sehr einheitlich mit Blick auf
Intensität und zeitlicher Ausdehnung bzw. Verlagerung gesehen und auch die am
Montag vorhergesagte Trogpassage inkl. Kaltfront wird von GFS und IFS sehr
homogen gezeigt (was Hoffnung macht, dass das "Gehüpfe" innerhalb der IFS Läufe
nun nachlässt, da sich IFS zunehmend den anderen Modellen anpasst). ICON deutet
jedoch für den Wochenbeginn eine zonalere Lage an und hebt zum Dienstag auch
eine Keilaufwölbung über Mitteleuropa nicht so schön hervor, wie GFS und IFS.
Ein klassisches Beispiel für "downstream development" und dem Weiterreichen der
jeweiligen Modellunsicherheiten (GFS und IFS mit den am schärfsten konturieren
Höhentrögen im Nordostatlantik während ICON insgesamt zonaler aufgestellt ist).
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Bewertung der Ensemblevorhersagen


Die Mittelfrist beginnt mit drei Clustern (klimatologisches Mittel
"Blockadelage"), die über Mitteleuropa eine komplexe Verknüpfung der positiven
Geopotentialanomalie über West-/Nordwesteuropa mit der Geopotentialbrücke von
Grönland bis nach Russland reichend zeigen. Alle Cluster lassen am Ostrand des
Keils einen Trog über Deutschland südwärts ablaufen, jedoch mit variabler
Intensität.

In der Folge geht die Anzahl der Cluster auf zwei zurück (dominant weiterhin das
klimat. Regime "Blockadelage"). Dabei ist ein fortwährender Abbau der positiven
Geopotentialanomalie um und nördlich von 65 Grad Nord auszumachen mit einem sich
manifestierenden kräftigen positiven Anomaliezentrum über Südwest- und
Mitteleuropa. Die Hauptunsicherheiten innerhalb der Clusterlösungen sind die
Intensität der Anomalie und wie rasch der nördliche Bereich der positiven
Anomalie über Mitteleuropa von Westen abgebaut wird. Alles in allem aber liegt
Deutschland nach allen Lösungen zunächst stromab und ab Sonntag auch unter dem
Höhenkeil, was meist ruhiges Wetter zur Folge hat.
In der erweiterten Mittelfrist weitet sich die negative Geopotentialanomalie vom
Nordpol zunehmend südwärts aus und scheint auf ein recht gesundes/kräftiges
Azorenhoch zu treffen, was eine Intensivierung der Frontalzone über dem
Nordatlantik zur Folge hätte. Allerdings wird die Anzahl der Cluster für diesen
Zeitraum ausgereizt, was auch auf die Unsicherheit der sich dann einstellenden
Wetterlage hindeutet (sehr dynamisch über dem Nordostatlantik mit entsprechend
variabel ansetzenden Rossby-Wellen).

Besonders im Norden und Osten deuten die Meteogramme in Deutschland wiederholt
leichte Niederschlagssignale an, die von den zu erwartenden schwachen
Frontpassagen abhängen und entsprechend noch großen Unsicherheiten unterworfen
sind. Nach Westen und Süden zu nehmen die Niederschlagssignale nach Freitag auf
nahezu null ab. Die Rauchfahnen der 850 hPa Temperatur zeigen bis Montag steil
nach oben und gehen vielerorts in den zweistelligen Bereich, bevor sie ab Montag
deutlich einknicken. Davon ist in der 500 hPa Rauchfahne nur wenig zu sehen,
denn rückseitig der Trog- bzw. Kaltfrontpassage kräftigt sich der Rücken
vorübergehend erneut. Auch hier deutet sich eine wind- und niederschlagsarme
Mittelfrist an.

GFS-ENS stützt dieses Szenario und hebt die höhenmilde Luftmasse durch positive
Abweichungen der 850 hPa Temperatur vom klimatologischen Mittel mit teils
deutlich mehr als 5 K hervor.
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Wahrscheinlichkeiten für signifikante Wettererscheinungen


Der EFI zeigt meist keine Signale. Einzig zum Dienstag werden geringfügig zu
milde 2m Temperaturwerte erwartet, was mit der vorübergehenden Zonalisierung und
einhergehenden besseren Durchmischung erklärt werden kann (bis dahin unter dem
Keil eine teils entkoppelte Grenzschicht).

DAUERREGEN / SCHNEEFALL:
Von Freitag auf Samstag werden im Stau der Alpen teils kräftige Niederschläge
erwartet. ICON und GFS zeigen dabei bis Samstag 06 UTC 24-std. Mengen von 25 bis
50 l/qm. Diese Niederschläge gehen oberhalb von 1000 m in Schnee über mit
Ensemble Maxima von einem Viertel bis halben Meter Neuschnee.

STURMBÖEN:
COSMO-LEPS zeigt zum Sonntag über der Deutschen Bucht erhöhte Werte für
stürmische Böen aus Südwest (20-30%) und auch ECMWF-EPS hebt diese Region ab
Sonntag von Tag zu Tag mehr hervor (ab Montag auch zunehmend die Ostsee), wobei
dann auf exponierten Inseln Sturmböen Bft 9 zu erwarten sind.

GEFRIERENDER NIEDERSCHLAG:
Je nach "timing" der schwachen Frontpassagen kann es im Osten/Südosten von
Deutschland regional zu Glatteis(sprüh)regen kommen, wobei es bisher für diese
Regionen nur ein diffuses und nicht besser zeitlich/räumlich zu
konkretisierendes Signal gibt. Das (relativ gesehen) höchste Potential ergäben
Frontpassagen mit präfrontaler nächtlicher Auskühlung in den leichten
Frostbereich.

FROST:
Dank des Hochdruckeinflusses gibt es in den Nächten abgesehen vom
Westen/Nordwesten meist leichten Luftfrost.
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Basis für Mittelfristvorhersage
IFS, MOS-MIX, ECMWF-EPS
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VBZ Offenbach / Dipl. Met. Helge Tuschy